Kassationshof in Strafsachen 6S.870/1999
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6S.870/1999/odi K A S S A T I O N S H O F ************************* 6. März 2000 Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly und Gerichtsschreiber Näf. --------- In Sachen S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Agathe M. Wirz-Julen, Haus Theodul, Postfach 402, Zermatt, gegen Bundesamt für Verkehr, Schweizerische Bundesanwaltschaft, betreffend vorsätzliche Verletzung des Personenbeförderungsregals (Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung und die Zulassung als Strassentransportunternehmung, PBG; SR 744.10); Verjährung, hat sich ergeben: A.- S.________ betreibt in Zermatt ein Taxigeschäft mit mehreren Fahrzeugen und Angestellten. Ihm wird zur Last gelegt, er habe auf der Strecke Zermatt-Täsch am 1. September 1995 zwei Fahrten mit 14 bzw. 13 Insassen (inkl. Fahrer), am 9. September 1995 eine Fahrt mit 9 In- sassen, am 14. Oktober 1995 zwei Fahrten mit je 12 Insas- sen und am 15. Oktober 1995 eine Fahrt mit 9 Insassen durchführen lassen, wobei jeder Fahrgast für die Fahrt habe Fr. 5.-- zahlen müssen. B.- Das Kreisgericht Oberwallis verurteilte S.________ am 9. Juni 1999 in Bestätigung des Entscheids des Bezirksrichters II von Visp vom 22. Oktober 1998 we- gen mehrfacher Verletzung des Personenbeförderungsregals im Sinne von Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung und die Zulassung als Strassentrans- portunternehmung zu einer Busse von 500 Franken, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr. S.________ war wegen dieser Fahrten und wegen einer anderen Fahrt bereits im vorgängigen Verwaltungs- strafverfahren durch Strafverfügung des Bundesamts für Verkehr vom 23. April 1998 gebüsst und bezüglich mehrerer weiterer Fahrten vom Vorwurf der Übertretung des Perso- nenbeförderungsgesetzes freigesprochen worden. C.- S.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbe- schwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kreisgerichts sei aufzuheben. Die Bundesanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Der Beschwerdeführer macht geltend, gemäss Art. 194 StPO/VS werde ein Urteil, welches das Verfahren beende, mit der Zustellung vollstreckbar. Das angefochte- ne Urteil vom 9. Juni 1999 sei ihm am 8. bzw. 10. Novem- ber 1999 zugestellt worden, so dass die Rechtskraft am 10. November 1999 eingetreten sei. In diesem Zeitpunkt seien aber mehr als vier Jahre seit den inkriminierten Taten verstrichen und sei daher die absolute Verfolgungs- verjährung bereits eingetreten. Der Einwand ist unbegrün- det. Die Verfolgungsverjährung hört bereits mit der Ausfällung und nicht erst mit der Zustellung des den Be- schuldigten verurteilenden, in Rechtskraft erwachsenden Erkenntnisses zu laufen auf (BGE 121 IV 64 E. 2 mit Hin- weisen; Trechsel, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, N 6 vor Art. 70 StGB). Das angefochtene Berufungsurteil ist am 9. Juni 1999 ausgefällt worden. In diesem massgebenden Zeitpunkt waren noch nicht vier Jahre (s. dazu BGE 106 IV 83) seit den inkriminierten Taten, angeblich begangen in der Zeit vom 1. September bis zum 15. Oktober 1995, ver- strichen und war demnach die absolute Verfolgungsverjäh- rung noch nicht eingetreten. 2.- Das Bundesgesetz über die Personenbeförderung und die Zulassung als Strassentransportunternehmung vom 18. Juni 1993 (Personenbeförderungsgesetz, PBG; SR 744.10), in Kraft seit 1. Januar 1994, regelt nach seinem Art. 1 Abs. 1 die regelmässige und gewerbsmässige Personenbeförderung auf der Strasse und die Zulassung als Strassentransportunternehmung im Personen- und im Güter- verkehr. Gemäss Art. 2 PBG hat der Bund, unter Vorbehalt von Art. 3 und 6 PBG, das ausschliessliche Recht, Reisen- de mit regelmässigen Fahrten zu befördern, soweit dieses Recht nicht durch andere Erlasse eingeschränkt wird. Nach Art. 3 PBG ist vom Personenbeförderungsregal ausgenommen die regelmässige Personenbeförderung, die nicht gewerbs- mässig betrieben wird (Abs. 1), und kann der Bundesrat weitere Ausnahmen vom Personenbeförderungsregal gestatten (Abs. 2). Art. 6 PBG betrifft Ausnahmen im grenzüber- schreitenden Personenverkehr. Gemäss Art. 16 Abs. 1 PBG wird wegen Verletzung des Personenbeförderungsregals mit Haft oder Busse bis zu 10'000 Franken bestraft, wer vor- sätzlich ohne Konzession oder Bewilligung oder im Wider- spruch dazu Personen befördert. Die fahrlässige Begehung der Tat wird gemäss Art. 16 Abs. 2 PBG mit Busse bis zu 5'000 Franken bestraft. Die bis zum 31. Dezember 1995 geltende und somit vorliegend unstrittig anwendbare Automobilkonzessions- verordnung vom 4. Januar 1960 (AKV 1960; AS 1960 29) de- finiert in Art. 2 ("Regelmässigkeit") den Begriff der regelmässigen Fahrten wie folgt: "Regelmässige Fahrten im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a des Postverkehrsgesetzes sind Fahr- ten: a. die in bestimmten Zeitabständen zwischen den nämlichen Orten wiederholt werden, oder b. die zwar nicht in bestimmten Zeitabständen, jedoch planmässig wenigstens einmal wöchent- lich zwischen den nämlichen Orten wiederholt werden, oder c. die am gleichen Tag mehrmals zwischen den nämlichen Orten ausgeführt werden. Bestimmte Zeitabstände im Sinne von Abs. 1 Buch- stabe a dieses Artikels liegen auch vor, wenn die Fahrzeiten nicht eingehalten werden oder wenn einzelne Fahrten ausfallen. Wiederholen sich die Fahrten in Zeitabständen, die 15 Tage überschreiten, so besteht keine Regelmässigkeit mehr. Regelmässigkeit tritt mit der dritten Ausführung der gleichen Fahrt ein." a) Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz steht fest, dass im Betrieb des Beschwerdeführers "vom 1. bis 9. September 1995 sowie am 14. und 15. Oktober 1995, also jeweils innert 15 Tagen, je drei Fahrten auf der Strecke Zermatt-Täsch ausgeführt wurden, und zwar mit Fahrzeugen, deren Platzzahl nach Fahrzeugausweis 8 überstieg, und mit mindestens 9 und höchstens 14 Insassen inkl. Fahrzeugfüh- rer" (angefochtenes Urteil S. 7 unten). Das Kriterium der Regelmässigkeit im Sinne von Art. 2 AKV 1960 sei "somit" erfüllt (angefochtenes Urteil S. 8 oben). Mit dieser Er- wägung zieht die Vorinstanz offenbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 AKV 1960 - wonach keine Regelmässigkeit mehr be- steht, wenn die Zeitabstände, in welchen sich die Fahrten wiederholen, länger als 15 Tage sind - den Umkehrschluss, dass vorliegend die Regelmässigkeit gegeben ist, da "je- weils innert 15 Tagen" je drei Fahrten auf der Strecke Zermatt-Täsch ausgeführt wurden. Dieser Umkehrschluss ist indessen unzutreffend. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 AKV 1960 (im angefochtenen Urteil, S. 7 Mitte, ungenau als Art. 2 Abs. 3 AKV 1960 zitiert) nimmt Bezug auf Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a AKV 1960. Fahr- ten, die "in bestimmten Zeitabständen" zwischen den näm- lichen Orten wiederholt werden (Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a AKV 1960) sind keine regelmässigen Fahrten mehr, wenn sich die Fahrten "in Zeitabständen, die 15 Tage über- schreiten", wiederholen, wenn also, mit anderen Worten, die bestimmten Zeitabstände mehr als 15 Tage betragen. Im vorliegenden Fall erfolgten die Fahrten unre- gelmässig und nicht "in bestimmten Zeitabständen" im Sin- ne von Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a AKV 1960. Darunter sind Fahrten in von vornherein festgelegten Zeitabständen bzw. Fahrzeiten zu verstehen. Dies ergibt sich auch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 AKV 1960, wonach "bestimmte Zeitabstände" im Sinne von Abs. 1 Buchstabe a auch dann vorliegen, wenn "die Fahrzeiten nicht eingehalten werden oder wenn ein- zelne Fahrten ausfallen". Wäre Regelmässigkeit schon dann gegeben, wenn innerhalb von 15 Tagen zwischen den nämli- chen Orten mehrere Fahrten durchgeführt werden, so wäre Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c AKV 1960 betreffend mehrmalige Fahrten am gleichen Tag überflüssig. b) Da die Fahrten im vorliegenden Fall auch nicht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b AKV 1960 "planmässig" wiederholt wurden, kommt allein die Anwen- dung von Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c AKV 1960 in Betracht, wonach regelmässige Fahrten auch Fahrten sind, "die am gleichen Tag mehrmals zwischen den nämlichen Orten ausge- führt werden", wobei, gemäss Art. 2 Abs. 3 AKV 1960, Re- gelmässigkeit "mit der dritten Ausführung der gleichen Fahrt" eintritt. Der Beschwerdeführer hat indessen an keinem Tag mehr als zwei Fahrten "zwischen den nämlichen Orten" Zermatt und Täsch durchgeführt. Am 1. September 1995 wur- den zwei Fahrten unternommen; die dritte Fahrt an jenem Tag fällt ausser Betracht, da sie nicht von Zermatt nach Täsch, sondern von Zermatt nach Grächen führte, also nicht zwischen den "nämlichen Orten" stattfand (s. in- soweit auch angefochtenes Urteil S. 8). Am 9. September 1995 wurde eine Fahrt, am 14. September 1995 wurden zwei Fahrten und am 15. Oktober 1995 wurde eine Fahrt durchge- führt. c) Da somit die inkriminierten Fahrten weder "in bestimmten Zeitabständen" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a AKV 1960 noch "planmässig" nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b AKV 1960 wiederholt wurden und auch nicht am gleichen Tag zwischen den nämlichen Orten Zermatt und Täsch mehr als zwei Fahrten erfolgten (Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c i.V.m. Art. 2 Abs. 3 AKV 1960), hat der Be- schwerdeführer nach seinen zutreffenden Einwänden in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht im Sinne von Art. 2 PBG i.V.m. Art. 2 AKV 1960 regelmässige Fahrten unternommen. Seine Verurteilung wegen Verletzung des Personenbeförde- rungsregals gemäss Art. 16 PBG verstösst daher gegen Bun- desrecht. Bei diesem Ergebnis muss nicht geprüft werden, ob es sich bei den inkriminierten Fahrten entsprechend einem weiteren Einwand des Beschwerdeführers um Taxi- fahrten im Sinne von Art. 6 AKV 1960 gehandelt habe, die gemäss dieser Bestimmung vom Personenbeförderungsregal ausgenommen sind. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach gutzuheissen, das Urteil des Kreisgerichts Ober- wallis vom 9. Juni 1999 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Kosten erhoben und wird dem Beschwerdeführer eine Ent- schädigung von Fr. 2'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kreisgerichts Oberwallis vom 9. Juni 1999 aufgehoben und die Sache zur neuen Entschei- dung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 2.- Es werden keine Kosten erhoben. 3.- Dem Beschwerdeführer wird für das bundesgericht- liche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kreisgericht Oberwallis, der Bundesanwaltschaft und dem Bundesamt für Verkehr schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 6. März 2000 Im Namen des Kassationshofes des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: