Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.867/1999
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6S.867/1999/odi

                K A S S A T I O N S H O F
                *************************

                      5. Juli 2000

Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth,
Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter
Wiprächtiger, Bundesrichterin Escher und Gerichts-
schreiber Briw.

                        ---------

                        In Sachen

K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwältin Barbara Hug, Gartenhofstrasse 15, Zürich,

                          gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons  Z ü r i c h,

                       betreffend
                     Strafzumessung
(Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich [I. Strafkammer] vom 7. Oktober 1999
[S1/U/O/SB990244/eh]),

hat sich ergeben:

     A.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich warf K.________
unter anderm unter dem Titel der Sachbeschädigung vor,
zwischen Februar 1989 und Juni 1990 in verschiedenen
Tramzügen und auf verschiedenen Fahrzeugen und Billettau-
tomaten der VBZ Kleber angebracht und dadurch einen Sach-
schaden von mindestens Fr. 2'772,50 verursacht zu haben.

        Das Bezirksgericht Zürich erkannte am 17. Okto-
ber 1994 - in Aufhebung des in unentschuldigter Abwesen-
heit des Angeklagten am 1. März 1994 gefällten Urteils -
K.________ schuldig der mehrfachen Sachbeschädigung im
Sinne von Art. 145 Abs. 1 aStGB und der Gewalt und Dro-
hung gegen Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB. Es
fand ihn der mehrfachen Störung von Betrieben, die der
Allgemeinheit dienen (Art. 239 Ziff. 1 StGB), nicht
schuldig und sprach ihn frei. Es bestrafte ihn mit 4 Mo-
naten Gefängnis und schob den Vollzug der Freiheitsstrafe
nicht auf. Es verpflichtete ihn, den Industriellen Be-
trieben der Stadt Zürich Fr. 1'137,50 zu zahlen. Im über-
steigenden Betrag von Fr. 453.-- trat es auf das Schaden-
ersatzbegehren nicht ein und verwies dieses im Übrigen
auf den Zivilweg.

        Das Obergericht des Kantons Zürich erkannte am
23. Oktober 1995 im Appellationsverfahren K.________
schuldig der mehrfachen Sachbeschädigung im Sinne von
Art. 145 Abs. 1 aStGB sowie der Gewalt und Drohung gegen
Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB. Der mehrfachen
Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen
(Art. 239 Ziff. 1 StGB), sowie der der Anklageziff. I.3
zu Grunde liegenden Sachbeschädigung fand es ihn nicht
schuldig und sprach ihn von diesen Vorwürfen frei. Es be-

strafte ihn mit 4 Monaten Gefängnis und schob den Vollzug
der Freiheitsstrafe nicht auf. Es verpflichtete ihn, den
Industriellen Betrieben der Stadt Zürich Fr. 987,50 zu
zahlen. Im übersteigenden Betrag von Fr. 690.-- trat es
auf das Schadenersatzbegehren nicht ein und verwies die-
ses im Übrigen auf den Zivilweg.

        Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am
12. Dezember 1996 eine Nichtigkeitsbeschwerde von
K.________ ab, soweit es auf sie eintrat.

        Das Bundesgericht hiess am 4. Juli 1997 eine
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde von K.________ gut.
Angefochten war der Schuldspruch wegen mehrfacher Sachbe-
schädigung in Bezug auf die Anklagepunkte Ziff. I.4, I.6
und I.7 wegen fehlender Strafanträge (sowie insoweit auch
die Strafzumessung). Das Bundesgericht führte in E. 3
aus:

         Auszugehen ist mit dem Beschwerdeführer von der
         vorinstanzlichen Erwägung im Zusammenhang mit
         seinem Einwand der fehlenden Strafanträge und
         den von der Vorinstanz bezeichneten Akten. Die
         Überprüfung dieser und der in der Beschwerde-
         schrift angegebenen Akten führt zu dem vom Be-
         schwerdeführer dargelegten Ergebnis, dass diese
         Strafanträge die Anklagepunkte Ziff. I.4, I.6
         und I.7 offensichtlich nicht erfassen und die
         entsprechenden Schuldsprüche daher Bundesrecht
         verletzen. Wie der Beschwerdeführer ausführt,
         hat die Vorinstanz aber möglicherweise nicht
         alle Strafanträge aufgelistet.

         Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, der ange-
         fochtene Entscheid betreffend die Anklagepunkte
         Ziff. I.4, I.6 und I.7 aufzuheben und die Sache
         zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde
         zurückzuweisen. Sie wird zu prüfen haben, ob in
         den Anklagepunkten Ziff. I.4, I.6 und I.7 den
         Anforderungen des Bundesrechts genügende Straf-
         anträge vorliegen, andernfalls wäre er in diesen
         Punkten freizusprechen, und gegebenenfalls müss-
         te sie auch die Strafe neu zumessen.

     B.- Das Obergericht des Kantons Zürich trat in sei-
ner Neubeurteilung am 6. Juli 1998 auf die Anklagepunkte
Ziff. I.4, I.6 und I.7 mangels gültiger Strafanträge und
entsprechend fehlender Prozessvoraussetzung nicht ein
(Urteil S. 7, 11). Es bestrafte K.________ wegen mehrfa-
cher Sachbeschädigung (Art. 145 Abs. 1 aStGB) sowie Ge-
walt und Drohung gegen Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB) mit
zwei Monaten Gefängnis bedingt mit 5 Jahren Probezeit.

        Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hob am
5. März 1999 das Urteil des Obergerichts vom 6. Juli 1998
auf und wies die Sache zur Neubeurteilung wegen Verlet-
zung des Beschleunigungsgebots an das Obergericht zurück,
weil dieses nach der bundesgerichtlichen Rückweisung vom
4. Juli 1997 über mehrere Monate untätig geblieben sei
(Urteil Ziff. II/1.7, S. 14 f.). Hingegen könne es nicht
prüfen, ob das Obergericht - wie zumindest sinngemäss ge-
rügt werde - die zu lange Dauer des erstinstanzlichen
Verfahrens zu Unrecht im Rahmen der Strafzumessung nicht
berücksichtigt habe; auf diese Rüge sei daher nicht ein-
zutreten (Urteil Ziff. II/1.8, S. 15).

        Das Obergericht des Kantons Zürich bestrafte
K.________ in der Neubeurteilung vom 7. Oktober 1999 we-
gen Sachbeschädigung (Art. 145 Abs. 1 aStGB) sowie Gewalt
und Drohung gegen Beamte (Art. 285 Ziff. 1 StGB) mit
14 Tagen Gefängnis bedingt mit 2 Jahren Probezeit.

        Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am
20. März 2000 eine Nichtigkeitsbeschwerde von K.________
ab, mit der geltend gemacht worden war, im Falle vom
6. Juni 1990 sei nicht bewiesen, dass die damals befes-
tigten Kleber mit "zähem Leim" angebracht worden seien.

     C.- K.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbe-
schwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts vom
7. Oktober 1999 aufzuheben und die Sache zur Neubeurtei-
lung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei
auf das Verfahren nicht einzutreten. Es sei ihm die un-
entgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

     D.- Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet
auf eine Stellungnahme.

          Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Wie festgestellt (oben Bst. A), war im Rahmen
des bundesgerichtlichen Entscheids vom 4. Juli 1997 der
Schuldspruch der mehrfachen Sachbeschädigung in Bezug auf
die Anklagepunkte Ziff. I.4, I.6 und I.7 wegen fehlender
Strafanträge und insoweit auch die Strafzumessung ange-
fochten. Auf diese Anklagepunkte Ziff. I.4, I.6 und I.7
trat die Vorinstanz in der Folge nicht ein. Im Übrigen
war der Schuldspruch wegen Sachbeschädigung und insbeson-
dere auch die Qualifikation als Sachbeschädigung im Sinne
von Art. 145 Abs. 1 aStGB sowie der Schuldspruch wegen
Gewalt und Drohung gegen Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1
StGB vor Bundesgericht nicht angefochten und daher auch
nicht zu beurteilen (Art. 277bis Abs. 1 Satz 1 BStP). Da-
rauf kann der Beschwerdeführer heute nicht mehr zurück-
kommen (Art. 277ter Abs. 2 BStP; BGE 123 IV 1 E. 1).

        Gegenstand der heutigen Beschwerde kann somit
einzig noch die Strafzumessung sein, eingeschlossen die
diesbezüglichen zwischenzeitlichen vorinstanzlichen Ent-

scheidungen. Im Übrigen ist auf die Nichtigkeitsbeschwer-
de nicht einzutreten, insbesondere auch insoweit nicht,
als sich der Beschwerdeführer gegen tatsächliche Fest-
stellungen richtet (Art. 273 und 277bis BStP).

     2.- Die Strafe ist nach dem Verschulden des Täters
zuzumessen; dabei sind Beweggründe, Vorleben und persön-
liche Verhältnisse des Schuldigen zu berücksichtigen
(Art. 63 StGB). Es müssen die wesentlichen Tat- und Tä-
terkomponenten beurteilt, das Ausmass qualifizierender
Tatumstände gewichtet und die Strafzumessung nachvoll-
ziehbar begründet werden. Dabei besitzt die Vorinstanz
ein erhebliches Ermessen. Das Bundesgericht greift nur
ein, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Gesichts-
punkten ausgegangen ist oder wenn sie wesentliche Ge-
sichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung
oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat
(vgl. BGE 124 IV 286 E. 4a; 122 IV 299 E. 2a).

        Die Vorinstanz prüft den Strafmilderungsgrund
des verhältnismässig langen Zeitablaufs seit der Tat ge-
mäss Art. 64 Abs. 5 StGB (bzw. Art. 64 al. 8 StGB nach
der vorinstanzlichen Zählweise; angefochtenes Urteil
S. 11). Die heute noch zu beurteilende Sachbeschädigung
liege nun mehr als neun und die Gewalt und Drohung gegen
Beamte bald acht Jahre zurück; die Strafe sei dementspre-
chend erheblich zu mildern. Weiter sei die Strafe wegen
der geringfügigen Verletzung des Beschleunigungsgebots im
Umfang von vier Monaten durch das Obergericht sowie im
mindestens gleichen Umfang durch das Kassationsgericht
leicht herabzusetzen (angefochtenes Urteil S. 12).

        Die Vorinstanz berücksichtigt somit zum einen
die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 5. März
1999 festgestellte Verletzung des Beschleunigungsgebots
(oben Bst. B) sowie die Verfahrensdauer vor dem Kassa-
tionsgericht. Weiter mildert sie die Strafe wegen des
verhältnismässig langen Zeitablaufs seit der Tat gemäss
Art. 64 Abs. 5 StGB. Sie berücksichtigt damit das Verfah-
ren insgesamt, insbesondere auch die vom Kassationsge-
richt aufgeworfene Frage einer bundesrechtlichen Berück-
sichtigung der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens
(oben Bst. B) in Übereinstimmung mit der geltenden Praxis
(BGE 124 I 139 E. 2a; 117 IV 124 E. 4). Diese Beurteilung
und die Strafzumessung insgesamt sind bundesrechtlich in
keiner Weise zu beanstanden.

     3.- Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechts-
pflege und Verbeiständung ist abzuweisen, weil das
Rechtsbegehren des Beschwerdeführers aussichtslos er-
schien (Art. 152 OG). Entsprechend trägt der Beschwer-
deführer die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 BStP).

           Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird abgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (I. Strafkammer)
schriftlich mitgeteilt.
                     ______________

Lausanne, 5. Juli 2000

              Im Namen des Kassationshofes
           des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                     Der Präsident:

                 Der Gerichtsschreiber: