Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.768/1999
Zurück zum Index Kassationshof in Strafsachen 1999
Retour à l'indice Kassationshof in Strafsachen 1999


6S.768/1999/odi

                K A S S A T I O N S H O F
                *************************

                     29. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth,
Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter
Wiprächtiger, Bundesrichter Kolly und Gerichtsschreiber
Briw.

                        ---------

                        In Sachen

Generalprokuratur des Kantons  B e r n,
Beschwerdeführerin,

                          gegen

X.________, z.Zt. Strafanstalt, Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Andreas Güngerich, Bahnhof-
strasse 6, Biel,

                       betreffend
      Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB,
(Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern [IV. Strafkammer] vom 31. August 1999
[Nr. 286/IV/99]),

hat sich ergeben:

     A.- Das Kreisgericht II Biel-Nidau fand X.________
am 31. März 1999 schuldig

      1. der Schändung und Vergewaltigung, z.N. von D.,
      2. der Schändung, z.N. von R.,
      3. der sexuellen Nötigung, z.N. von D.,
      4. der Ausnützung einer Notlage, z.N. von D.,
      5. der qualifizierten sexuellen Nötigung, z.N. von H.,
      6. des Diebstahls von Fr. 6'500.--, z.N. von S.,
      7. der BetmG-Zuwiderhandlung durch Verkauf von Heroin.

        Das Kreisgericht verurteilte ihn zu 4 Jahren
Zuchthaus. Es schob den Vollzug zu Gunsten einer Verwah-
rung auf.

     B.- X.________ erklärte Appellation, beschränkt auf
den Schuldspruch wegen qualifizierter sexueller Nötigung,
die Strafzumessung und die Verwahrung. Die Generalproku-
ratur des Kantons Bern erhob ebenfalls Appellation.

        Das Obergericht des Kantons Bern stellte am
31. August 1999 fest, dass das Urteil des Kreisgerichts
im nicht angefochtenen Umfang in Rechtskraft erwachsen
sei. Es erklärte X.________ der qualifizierten sexuellen
Nötigung (z.N. von H.) schuldig und verurteilte ihn zu
5 Jahren Zuchthaus unter Anrechnung von 55 Tagen Unter-
suchungshaft, mit der Feststellung, dass die Strafe am
18. Dezember 1997 vorzeitig angetreten worden sei, und
unter gleichzeitiger Anordnung einer ambulanten psycho-
therapeutischen Behandlung.

     C.- Die Generalprokuratur des Kantons Bern erhebt
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entschei-
dung (Anordnung einer Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1
Abs. 2 StGB) an die kantonale Behörde zurückzuweisen.

     D.- Das Obergericht des Kantons Bern verzichtete auf
Gegenbemerkungen.

          Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Art. 43 StGB regelt seinem Randtitel nach die
"Massnahmen an geistig Abnormen". Sie sind anzuordnen,
wenn der "Geisteszustand des Täters" dies erfordert
(Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Der Begriff des Geisteszu-
stands wird im Sinne des Randtitels ausgelegt. Nach der
Rechtsprechung sind solche Massnahmen daher nur gegenüber
geistig abnormen Tätern möglich. So geht BGE 102 IV 234
E. 1 mit Selbstverständlichkeit davon aus, dass die An-
ordnung einer Massnahme gemäss Art. 43 StGB eine "geis-
tige Anomalie" voraussetzt. Aus medizinischer Sicht
umfasst dieser Begriff alle Persönlichkeiten, deren
psychischer Habitualzustand von der medizinischen Norm
abweicht; dazu gehören die Schwachsinnszustände, die
Psychopathien, die psychogenen Fehlentwicklungen mit
Einschluss der Neurosen und die chronischen und phasi-
schen Geisteskrankheiten. Der medizinische Begriff geht
damit ausserordentlich weit, und die Umschreibung in
Art. 43 StGB erweist sich als unbestimmt und weitrei-
chend. Die Massnahme erscheint insbesondere in ihrer
Ausgestaltung als stationäre mit Freiheitsentzug von

unbestimmter Dauer rechtsstaatlich nicht unbedenklich.
Daher können nur bestimmte, relativ schwerwiegende Arten
und Formen geistiger Anomalie im medizinischen Sinne als
"geistige Abnormität" im Rechtssinne qualifiziert werden.

        b) Die Voraussetzungen der Anlasstat sind im
Rahmen der Rechtsprechung zu Art. 43 StGB zu beurteilen
(vgl. BGE 118 IV 108; 121 IV 297; 123 IV 1, 100). Das be-
deutet vorab, dass die Rechtsprechung zur Verhältnismäs-
sigkeit bei der Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern
(Art. 42 StGB; BGE 118 IV 213) bei der psychiatrischen
Verwahrung nicht massgebend ist. Es lassen sich dem
Art. 43 Ziff. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt der Anlass-
tat drei Kriterien entnehmen: Der Täter muss erstens eine
vom Gesetz mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat be-
gangen haben, die zweitens mit seinem Geisteszustand im
Zusammenhang steht (Abs. 1), und er muss drittens infolge
seines Geisteszustands die öffentliche Sicherheit in
schwerwiegender Weise gefährden (Abs. 2). Zusammengefasst
ergeben sich zwei Kriterien: Der Täter muss eine mit
Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen haben, und
die Anlasstat muss jenen Geisteszustand offenbaren, der
den Täter als besonders gefährlich erscheinen lässt.
Diese Konnexität geht aus Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
nicht unmittelbar hervor, ist aber nach der Systematik
des Gesetzes (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB) und
sachlich - wie bei der Einweisung in die Heil- oder
Pflegeanstalt - unentbehrlich (vgl. Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern
1989, § 11 N 14, 132).

        Im Anwendungsfall stellt das Kriterium einer mit
Zuchthaus oder Gefängnis bedrohten Tat einerseits geringe
Anforderungen und setzt zunächst für sich genommen nichts
anderes voraus, als dass eine solche Straftat vorliegen

muss, damit eine Massnahme überhaupt in Betracht fällt.
Diese Tat bildet gegebenenfalls aufgrund des "körperli-
chen und geistigen Zustands des Täters" (Art. 43 Ziff. 1
Abs. 3 StGB) allererst Anlass zur Prüfung des Geisteszu-
stands. Andererseits weist diese Voraussetzung einer mit
Zuchthaus oder Gefängnis bedrohten Tat darauf hin, dass
die Anlasstat eine gewisse Tragweite aufweisen muss. Der
Verhältnismässigkeitsgrundsatz ist deshalb auch hier zu
beachten.

        Die Frage einer sozialen Gefährlichkeit stellt
dagegen alle Entscheidungsträger bekanntermassen vor
Schwierigkeiten. Eine Sozialgefährlichkeit lässt sich
nicht unmittelbar aus der Anlasstat erschliessen; damit
würde zudem das zweite Kriterium weitgehend auf das erste
verkürzt, nämlich auf die Gefährlichkeit der Tat. Unter
dem Titel von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB entscheidet
nicht die Gefährlichkeit der Tat, sondern die Gefährlich-
keit des Geisteszustands über die Rechtsfolge. Diese
bedarf einer vertieften Abklärung, weshalb der Richter
seinen Entscheid auf Grund von Gutachten trifft (Art. 43
Ziff. 1 Abs. 3 StGB). Dies erübrigte sich, wäre eine Ge-
fährlichkeit unmittelbar aus der Anlasstat ersichtlich.
Es spielt überdies keine Rolle, in welcher Weise die Tat
mit dem abnormen Geisteszustand zusammenhängt, ob sie
also unmittelbar aus ihm hervorgeht oder mittelbar in ihm
begründet liegt (Stratenwerth, a.a.O., § 11 N 15). Die
schwerwiegende Gefährdung bezieht sich nicht nur auf Nähe
und Ausmass der Gefahr, sondern auch auf Art bzw. Bedeu-
tung des gefährdeten Rechtsguts, so dass bei der Gefähr-
dung hochwertiger Rechtsgüter wie Leib und Leben an Nähe
und Ausmass der Gefahr weniger hohe Anforderungen zu
stellen sind als bei der Gefährdung weniger bedeutender

Rechtsgüter (BGE 118 IV 108 E. 2a). Zu verwahren ist nur,
wenn diese Massnahme notwendig ist (Art. 43 Ziff. 1
Abs. 2 StGB; BGE 123 IV 1 E. 4c; dazu unten lit. c).

        c) Die Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1
Abs. 2 StGB ist angesichts der Schwere dieses Eingriffs
in die persönliche Freiheit des Betroffenen ultima ratio
und darf nicht angeordnet werden, wenn die bestehende Ge-
fährlichkeit auf andere Weise behoben werden kann. Unter
welchen Voraussetzungen eine Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit "in schwerwiegender Weise" im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anzunehmen ist, ist Rechts-
frage, wie auch, was unter der in dieser Bestimmung eben-
falls vorausgesetzten "Notwendigkeit" der Verwahrung zu
verstehen ist (BGE 118 IV 108 E. 2a). Die Auslegung des
Begriffs der "geistigen Abnormität" bildet ebenfalls eine
Rechtsfrage. Für die strafrechtliche Beurteilung kommt
indessen der gutachterlichen Diagnose des "Geisteszu-
stands" wesentliche Bedeutung zu, weil die Feststellung
physischer und psychischer Anomalien in den Fachbereich
der Begutachtung fällt, während die Einschätzung der Ge-
fährdung der öffentlichen Sicherheit wesentlich in den
Fachbereich des Strafrichters gehört.

        Unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit unter-
schied das Bundesgericht daher in BGE 123 IV 100 E. 2,
die Rechtsprechung zusammenfassend, in einer Typisierung
mit blosser Orientierungsfunktion, folgende Tätertypen,
bei denen eine Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
StGB in Betracht kommt: Nämlich zunächst die hochgefähr-
lichen Täter, die keiner Behandlung zugänglich sind, so-
wie jene, die zwar einer Behandlung zugänglich sind, von
denen aber auch während einer Behandlung schwere Delikte
zu befürchten wären, wenn sie im Sinne von Art. 43
Ziff. 1 Abs. 1 StGB ambulant oder in einer Heil- oder

Pflegeanstalt behandelt würden. Es unterschied sodann als
dritten Tätertypus jene, die noch nicht eindeutig aus dem
Anwendungsbereich von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB heraus-
fallen und deshalb auch noch nicht klar jenem von Art. 43
Ziff. 1 Abs. 1 StGB zugeordnet werden können, bei denen
also die Heilchancen kurz- oder mittelfristig als gut er-
scheinen, jedoch in bestimmten Situationen ein Risiko be-
steht, so dass einer trotz Behandlung möglichen Gefahr
mit sichernden Mitteln begegnet werden können muss. Da-
gegen sind unter Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB jene Täter
einzuordnen, bei denen eine Behandlung notwendig ist,
jedoch der Sicherungsaspekt deutlich zurücktritt, sowie
nicht gefährliche Täter und schliesslich die in diesem
Zusammenhang wenig problematischen Täter, die lediglich
einer ambulanten Massnahme bedürfen, sei es im Vollzug
oder in der Freiheit.

        d) Art. 43 StGB sieht somit Massnahmen bei psy-
chisch kranken Menschen vor, die Verbrechen oder Vergehen
begangen haben (und zwar unabhängig des Grades der Zu-
rechnungsfähigkeit bei Tatbegehung). Vorausgesetzt wird
aber, dass die psychische Krankheit erheblich (abnorm im
Sinne des Gesetzes) und für die Tat kausal war. Für die
Anwendung von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB muss die An-
lasstat (Symptomtat) jenen Geisteszustand offenbaren, der
den Täter als besonders gefährlich erscheinen lässt
(schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit).

     2.- a) Die Vorinstanz stellt im appellierten Schuld-
spruch (Ziff. 5) wegen qualifizierter sexueller Nötigung
folgenden Sachverhalt fest: Die Geschädigte H. habe sich
freiwillig in die Wohnung des Beschwerdegegners begeben.
Sie habe sich dort auf der Toilette befunden, als dieser
sie von hinten gepackt, auf sein Bett gezerrt und voll-

ständig ausgezogen habe. Er habe ihr hierauf Duschmittel
in Scheide und Anus einmassiert und sie dabei verletzt.
Er habe ihr Schmerzen zufügen wollen. Sie habe geschrieen
und sich mit Händen und Füssen gewehrt, weshalb er ihr
zudem mit der Hand auf das Gesäss geschlagen habe. Nach
etwa einer halben Stunde habe er aufgehört und ihr einen
Geldschein hinterher geworfen, als sie aus seiner Wohnung
geflüchtet sei (angefochtenes Urteil S. 11).

        Das Kreisgericht erachtete in den nicht appel-
lierten Schuldsprüchen die Überweisungssachverhalte als
erstellt (Urteil des Kreisgerichts S. 3-36; Überweisungs-
beschluss, kantonale Akten, act. 401-402). Betreffend
Schändung und Vergewaltigung (z.N. von D.; Ziff. 1)
führte es aus, es könne festgestellt werden, dass die
Kontakte des Beschwerdegegners zu den Frauen im Allge-
meinen auf "geschäftlicher" Basis funktioniert hätten. Er
habe für ihre Dienste teils mit Geld, aber auch mit Dro-
gen gezahlt. Es sei ihm logisch erschienen, dass D. ihm
dafür etwas schuldig sei, dass sie bei ihm habe wohnen
dürfen, und er habe sich berechtigt gefühlt, sich diese
Leistung auch gegen ihren Willen zu nehmen. Er sei in sie
eingedrungen, als sie unter Drogeneinfluss tief geschla-
fen habe, und habe den Geschlechtsverkehr fortgesetzt,
als sie erwacht sei, sich gewehrt und gebissen habe.
Betreffend Schändung (z.N. von R.; Ziff. 2) wurde fest-
gestellt, dass er die Frau, als sie schlief, am Gesäss
berührte und sich befriedigte. Betreffend die sexuelle
Nötigung (z.N. von D.; Ziff. 3) wurde festgestellt, dass
er gegen den Willen der Frau auf sie ejakulierte, nachdem
sie seine Vorschläge, mit ihm zu schlafen, respektive ihn
oral zu befriedigen, zurückgewiesen hatte. Betreffend die
Ausnützung einer Notlage (z.N. von D.; Ziff. 4) wurde
festgestellt, er habe sich gegen ihren Willen von ihr
oral befriedigen lassen, unter der Drohung, dass er sie

andernfalls samt Katze und Mobiliar vor die Tür setzen
werde. Des Diebstahls (Ziff. 6) wurde er schuldig gespro-
chen, weil er in einem Restaurant, in dem er als Kellner
arbeitete, mit einem Stemmeisen den Geldautomaten aufge-
brochen und das Geld an sich genommen hatte. Die Wider-
handlung gegen Art. 19 Ziff. 1 BetmG (Ziff. 7) betrifft
den Verkauf von zehn bis zwölf Briefchen Heroin an D. und
R. sowie an einen Massimo und eine unbekannte Frau.

        b) Die Vorinstanz führt zur Strafzumessung aus,
der Beschwerdegegner habe - entgegen der Staatsanwalt-
schaft - seine Opfer nicht bewusst in der Drogenszene
ausgesucht. Er habe selbst am Rande der Gesellschaft
gelebt, häufig in diesen Kreisen verkehrt und seine
sozialen Kontakte fast ausschliesslich in Lokalen ge-
knüpft, die auch von drogensüchtigen Frauen aufgesucht
wurden. Er habe die Taten nicht lange zuvor geplant;
diese hätten sich aus den speziellen Umständen des Augen-
blicks ergeben (angefochtenes Urteil S. 21). Er sei 1963
und 1974 wegen Unzucht mit einem Kind verurteilt worden
sowie 1963, 1966, 1986 und 1988 wegen öffentlicher un-
züchtiger Handlungen und 1996 wegen qualifizierter sexu-
eller Nötigung, einer Tat, die jener z.N. von H. ähnlich
sei. Nach dem Führungsbericht vom 10. August 1999
(act. 684 f.) der Strafanstalt seien die Betreuer mit ihm
nach wie vor sehr zufrieden. Er lebe in der Wohngruppe
eher zurückgezogen, sei aber gut integriert. Er sei
offen, kooperativ, auch bereit, über sein Delikt zu spre-
chen. Die im letzten Urteil ergangene Verwahrung habe ihn
sehr deprimiert; es sei ihm bewusst geworden, dass er an
sich arbeiten müsse, und entsprechend engagiert nehme er
an den regelmässigen therapeutischen Sitzungen teil. Es
könne ihm ein progressiver Vollzugsverlauf attestiert

werden; er setze sich mit seiner Situation auseinander
und sei sich bewusst, was er zukünftig an seiner Lebens-
weise verändern müsse (angefochtenes Urteil S. 22, 30).

        Während das Gutachten aus dem Jahre 1996
(act. 279) von einer mindestens im mittleren Grad herab-
gesetzten Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht der Tat
spreche, komme das forensisch-psychiatrische Gutachten
vom 18. Februar 1999 (act. 429) zu folgendem Schluss: Be-
züglich der qualifizierten sexuellen Nötigung sei der Be-
schwerdegegner unter Alkoholeinfluss gestanden, und eine
geringfügig herabgesetzte Steuerungsfähigkeit lasse sich
nicht ausschliessen. Weiter bestehe eine geistig mangel-
hafte Entwicklung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung
von dissozialem Typus, die jedoch zu keiner zusätzlichen
Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit beigetragen habe.
Für die anderen Taten lasse sich weder eine durch Alkohol
bedingte Beeinträchtigung des Bewusstseins noch eine
Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit durch die bestehende
Persönlichkeitsstörung feststellen. Es sei von einer
leicht verminderten Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt
auszugehen (angefochtenes Urteil S. 23).

        c) Die Vorinstanz führt zur Massnahmebedürftig-
keit aus, das Gutachten aus dem Jahre 1996 habe empfoh-
len, eine ambulante Massnahme an Stelle des Strafvollzugs
anzuordnen und auf eine Verwahrung zu verzichten. Dem sei
die 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern
damals gefolgt und habe die Strafe von 2 1/2 Jahren zu
Gunsten einer ambulanten Massnahme aufgeschoben.

        Nach dem Gutachten vom 18. Februar 1999 handle
es sich beim Beschwerdegegner um einen normal intelligen-
ten Menschen, bei dem keine Hinweise auf psychotische
oder depressive Erkrankungen vorlägen. Eine primäre sexu-

elle Devianz liege nicht vor, vielmehr sei die Vielfalt
der abnormen Sexualverhalten im Rahmen der bestehenden
Persönlichkeitsstörung zu sehen. Es bestehe weder der
Wunsch noch der Zwang nach Alkohol, und die Kriterien für
eine Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 seien nicht erfüllt.
Es falle eine mangelnde Emotionalität auf, und es bestehe
ein Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger, emotio-
nal tiefer gehender Beziehungen. Auch bestehe eine ge-
wisse Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein und
zum Lernen aus Erfahrungen. Die geistige Gesundheit sei
im Sinne einer Persönlichkeitsstörung leicht beeinträch-
tigt gewesen. Es bestehe eine erhebliche Wiederholungs-
gefahr. Er habe enorme Mühe, sich mit seinen Taten aus-
einander zu setzen, und versuche, nicht darüber nachzu-
denken und zu bagatellisieren. Es bestünden erhebliche
Zweifel, ob eine psychotherapeutische Behandlung ausrei-
chen werde, um die Wiederholungsgefahr zu vermindern. Der
Gesundheitszustand erfordere nicht die Einweisung in eine
Heil- oder Pflegeanstalt. Trotzdem sollte ein Versuch
einer ambulanten Behandlung unternommen werden. Der Be-
schwerdegegner gefährde die öffentliche Sicherheit in
schwerwiegender Weise, wie bereits im Gutachten von 1996
festgestellt worden sei. Anders als im damaligen Gutach-
ten sei aber davon auszugehen, dass selbst die Verabrei-
chung von Antabus oder Androcur die öffentliche Sicher-
heit nicht garantieren würde. Es wäre wichtig, falls eine
halb- bis einjährige Therapie nicht zu einer verstärkten
Introspektion führe, noch einmal die Frage einer Verwah-
rung zu diskutieren. Die Wahrscheinlichkeit, die Gefähr-
dung der öffentlichen Sicherheit durch eine ambulante
oder stationäre Therapie wesentlich zu mindern, sei äus-
serst gering. Das einzige, was für einen Therapieversuch
spreche, sei, dass bis jetzt kein solcher stattgefunden
habe.

        Nach dem Therapieverlaufsbericht vom 18. August
1999 (act. 694 f.) bilden die neun Sitzungen zu 45 Minu-
ten seit dem 4. Juni 1999 in Anbetracht der eher ungüns-
tigen Vorbedingungen eine zu kurze Verlaufsdauer, um über
die Wirksamkeit zu entscheiden. Der Beschwerdegegner
werde nur ungern mit seinen Delikten konfrontiert und
reagiere ausweichend und abwiegelnd. Er zeige im Gespräch
keine emotionale Beteiligung. Dies weise auf ein massives
Gefühlsdefizit sich selbst und anderen gegenüber hin.
Bisher habe keine tragfähige therapeutische Beziehung
aufgebaut werden können; eine Änderung werde schwierig
sein. Wegen der zu kurzen Verlaufsdauer werde eine Fort-
führung der Therapie für mindestens weitere sechs Monate
vorgeschlagen (angefochtenes Urteil S. 27-29).

        d) In ihrer Beurteilung nimmt die Vorinstanz an,
die allgemeinen Voraussetzungen einer Massnahme gemäss
Art. 43 StGB seien gegeben. Die Verwahrung solle aber als
einschneidender Eingriff in die persönliche Freiheit
ultima ratio sein. Sie sei nicht anzuordnen, wenn die Ge-
fahr für die öffentliche Sicherheit anders gebannt werden
könne, etwa durch eine lange Freiheitsstrafe, allenfalls
verbunden mit einer ambulanten Massnahme. Das Gutachten
von 1999 gebe in Bezug auf die Rückfallgefahr und die
schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
keine besonders klare und überzeugende Antwort. Die Be-
gründung der Gemeingefährlichkeit falle knapp aus, und es
werde nicht begründet, weshalb weder Antabus noch Andro-
cur die Gefahr vermindern würde. Es sei aber letztlich
mit der Gutachterin übereinstimmend anzunehmen, dass der
Beschwerdegegner eine Gefahr für die öffentliche Sicher-
heit darstelle, wie sich auch angesichts der einschlägi-
gen Vorstrafen und des früheren Gutachtens ergebe. Jedoch
werde eine Behandelbarkeit nicht vollständig ausgeschlos-
sen. Es sei noch nie ein ernsthafter Therapieversuch

unternommen worden. Die damalige Anordnung der 2. Straf-
kammer sei nicht vollzogen worden. Zwar werde der jetzige
Therapieversuch skeptisch beurteilt, aber die erst neun
Sitzungen liessen nur wenig präzise Aussagen über einen
möglichen Erfolg zu, wie die Therapeutin dargelegt habe.
Der Führungsbericht dagegen laute durchaus positiv. Die
Verwahrung erscheine daher derzeit nicht als notwendig.
Die therapeutischen Bemühungen im Strafvollzug seien
fortzusetzen (angefochtenes Urteil S. 29-31).

     3.- In der zu beurteilenden Sache scheiden Diebstahl
und BetmG-Zuwiderhandlung als Anlasstaten einer Verwah-
rung aus. Als Symptomtaten in Betracht fallen die Sexual-
delikte zum Nachteil von D., R. und H. Dabei sind auch
die weiteren Tatumstände in Betracht zu ziehen: Der Be-
schwerdegegner hatte der Geschädigten D. angeboten, bei
ihm zu wohnen, bis sie eine Wohnung gefunden habe; in der
fraglichen Zeit wohnte sie bei ihm, und beide schliefen
auf einem gemeinsamen französischen Bett. Die Geschädigte
R. putzte beim Beschwerdegegner, der von ihr gegen Geld
auch Nacktfotos gemacht hatte; sie war bereits früher bei
ihm eingeschlafen (weil sie so "verladen" gewesen sei),
und sie war auch bei jenem zur Verurteilung führenden Er-
eignis bei ihm eingeschlafen. Er war früher Freier der
Geschädigten H. gewesen; vor der Tatbegehung hatte er sie
zu einem Drink in seine Wohnung eingeladen (Urteil des
Kreisgerichts a.a.O.). Nach den Feststellungen der Vorin-
stanzen beruhten diese Kontakte im Allgemeinen auf "ge-
schäftlicher" Basis; er unterstützte diese Frauen etwas
und fühlte sich berechtigt, sich von ihnen dafür auch
etwas gegen ihren Willen zu nehmen. Er suchte die Frauen
nicht bewusst in der Szene aus, sondern verkehrte in die-

sen Kreisen. Er plante die Taten nicht im Voraus, sondern
handelte aus den Umständen des Augenblicks. Er und die
Frauen kannten sich.

        Nach dem massgeblichen Gutachten von 1999
schloss der Beschwerdegegner trotz widriger Jugendum-
stände eine Lehre als Maurer ab und arbeitete bis zu
seiner Verhaftung hart, längere Zeit auch in
Saudi-Arabien. Aufgrund von Enttäuschungen entschloss er
sich, sich nicht mehr emotional zu binden; seine
Beziehungen zu Frauen wurden flüchtig, die sexuellen
Kontakte nahmen vertraglichen Charakter an (act. 447,
449). Es bestehen weder Hinweise auf depressive Ver-
stimmungen, Wahnvorstellungen, Halluzinationen (act.
445), schizophrene Störungen, "noch ergibt die
psychologische Testung oder die psychiatrische
Untersuchung Hinweise auf eine geistig mangelhafte
Entwicklung" (act. 448). Nach der Fragebeantwortung litt
er im Tatzeitpunkt an keiner Geisteskrankheit, nicht an
Schwachsinn oder an einer schweren Störung des
Bewusstseins (act. 452). Es bestehe eine geistig man-
gelhafte Entwicklung im Sinne einer Persönlichkeitsstö-
rung von dissozialem Typus, die zu keiner zusätzlichen
Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit (zur Tat in Ziff. 5)
beigetragen habe. Für die anderen Taten lasse sich weder
eine durch Alkohol bedingte Beeinträchtigung des Bewusst-
seins noch eine Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit
durch die bestehende Persönlichkeitsstörung feststellen
(act. 453). Der Gesundheitszustand erfordere keine Ein-
weisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt (act. 454).

        Aufgrund des Sachverhalts und dieser gutachter-
lichen Anamnese lassen sich nun offensichtlich weder eine
geistige Abnormität noch eine Gemeingefährlichkeit nach
den Anforderungen von Art. 43 StGB begründen. Der Be-
schwerdegegner war zwar seit dem Jahre 1963 mehrfach ein-

schlägig bestraft und letztmals im Jahre 1996 wegen einer
der vorliegenden qualifizierten sexuellen Nötigung ähnli-
chen Tat verurteilt worden. Daraus ergibt sich aber noch
nicht die vorausgesetzte Gemeingefährlichkeit der Anlass-
taten im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

        Die Gutachterin schätzt zwar die Therapierbar-
keit als äusserst gering ein; das einzige, was für einen
Therapieversuch spreche, sei, dass bis jetzt kein solcher
stattgefunden habe. Sie bezeichnet indes eine ambulante
Behandlung als vordringlich. Nach dem Therapieverlaufsbe-
richt konnte nach neun Sitzungen noch keine tragfähige
therapeutische Beziehung aufgebaut werden und wird dies
schwierig sein, doch wird eine Fortführung vorgeschlagen.
In einem gewissen Widerspruch dazu erscheint der Be-
schwerdegegner nach dem Führungsbericht offen, kooperativ
und bereit, über sein Delikt zu sprechen; es ist ihm be-
wusst geworden, dass er an sich arbeiten muss, er nimmt
engagiert an den therapeutischen Sitzungen teil, und es
wird ihm ein progressiver Vollzugsverlauf attestiert: Er
setze sich mit seiner Situation auseinander und sei sich
bewusst, was er zukünftig an seiner Lebensweise verändern
müsse. Wie die Vorinstanz annimmt, erscheint demnach eine
Behandelbarkeit nicht ausgeschlossen. Der erwähnte Wider-
spruch könnte auch darin gründen, dass der Beschwerdegeg-
ner gewissen Behandlungsformen (wie etwa der analytisch
orientierten Psychotherapie) weniger zugänglich ist (vgl.
BGE 124 IV 246 E. 3). Doch stellt auch die Gutachterin
fest, dass er während der drei Gespräche zunehmend offe-
ner wurde (act. 445).

        Zusammenfassend beurteilt die Vorinstanz eine
Verwahrung zu Recht als nicht notwendig im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Es können nur relativ
schwerwiegende Arten und Formen geistiger Anomalie im

medizinischen Sinne als "geistige Abnormität" im straf-
rechtlichen Sinne betrachtet werden. Für diese Annahme
ergeben die referierten Angaben des Gutachtens keine
Grundlage. Es ergibt sich das Bild eines harten Maurer-
lebens mit vielen Enttäuschungen und willentlicher Herab-
stimmung des Gefühlslebens mit der Folge eines Gefühls-
defizits, indessen ohne sexuelle Devianz oder persönlich-
keitsspezifische Gewaltbereitschaft. Der Beschwerdegegner
hat zwar mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Taten be-
gangen, aber diese können nicht einem "Geisteszustand" im
Sinne von Art. 43 StGB zugeschrieben werden. Schliesslich
lässt sich auch die Frage, ob der Beschwerdegegner in-
folge seines Geisteszustands die öffentliche Sicherheit
in schwerwiegender Weise gefährde, kaum bejahen. Die
Taten offenbaren nicht jenen Geisteszustand, der den
Täter als besonders gefährlich erscheinen lässt. Sie
fanden in einem spezifischen Umfeld unter besonderen
Umständen statt. Mit dieser Beurteilung werden die
Sexualdelikte keineswegs verharmlost. Der Beschwerdegeg-
ner wurde deswegen hart bestraft. Die Vorinstanz betont
denn auch, er werde zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verur-
teilt, und er werde die von der 2. Strafkammer des Ober-
gerichts des Kantons Bern am 28. Mai 1996 ausgefällte
Strafe von 2 1/2 Jahren Zuchthaus mit grosser Wahrschein-
lichkeit ebenfalls verbüssen müssen, womit dem Sicher-
heitsbedürfnis der Gesellschaft Rechnung getragen werden
könne. Allerdings besteht eine Wiederholungsgefahr. Der
Führungsbericht der Strafanstalt enthält jedoch sehr
positive Anzeichen für eine ernsthafte Auseinandersetzung
des Beschwerdegegners mit seiner Lebens- und Verhaltens-
weise. Damit fehlen die Voraussetzungen einer ultima
ratio.

     4.- Die Nichtigkeitsbeschwerde ist abzuweisen. Es
werden keine Kosten erhoben (Art. 278 Abs. 2 BStP).

           Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Ober-
gericht (4. Strafkammer) des Kantons Bern schriftlich
mitgeteilt.
                     ______________

Lausanne, 29. Januar 2000

              Im Namen des Kassationshofes
           des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                     Der Präsident:

                 Der Gerichtsschreiber: