Kassationshof in Strafsachen 6S.698/1999
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6S.698/1999/odi K A S S A T I O N S H O F ************************* 20. Januar 2000 Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Bundesrichterin Escher und Gerichts- schreiber Härri. --------- In Sachen K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts- anwalt Reto Caflisch, Rennweg 10, Zürich, gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Z ü r i c h, betreffend Vereitelung einer Blutprobe, untauglicher Versuch (Art. 91 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 StGB) (Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. Juni 1999) hat sich ergeben: A.- Am 11. Dezember 1997, um ca. 23.00 Uhr, fuhr K.________ mit seinem Personenwagen "Porsche 911 Carrera" von Zürich her kommend durch die Badenerstrasse in Schlieren. Bei der Kreuzung mit der Wagi- bzw. Allmend- strasse kollidierte er mit einem Signalmast. K.________ verliess die Unfallstelle, ohne das Eintreffen der Poli- zei abzuwarten, welche - wie er bemerkt hatte - von Pas- santen benachrichtigt worden war. Erst Tage später erkun- digte er sich bei der Polizei nach seinem an der Unfall- stelle zurückgelassenen Fahrzeug. B.- Am 16. Februar 1999 verurteilte der Einzelrich- ter am Bezirksgericht Zürich K.________ wegen Vereitelung einer Blutprobe und pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall zu 60 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren. C.- In teilweiser Gutheissung der dagegen von K.________ erhobenen Berufung erklärte ihn das Oberge- richt des Kantons Zürich am 4. Juni 1999 schuldig des un- tauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe. Von der Anschuldigung des pflichtwidrigen Verhaltens bei Un- fall sprach es ihn frei. Es bestrafte K.________ mit 14 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren. D.- K.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbe- schwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zum Freispruch auch vom Vorwurf des untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe an die Vorinstanz zurückzuweisen. E.- Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen ver- zichtet. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- a) Die Vorinstanz legt dar, die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei erfülle den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe nur, wenn der Fahrzeugführer zur Benachrichtigung der Polizei ver- pflichtet war. Bei Selbstunfällen bestehe eine Melde- pflicht, wenn an fremdem Gut Schaden entstanden sei. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass der Zusammenstoss mit dem Signalmast von grosser Heftigkeit war. Gleichwohl nimmt sie zu Gunsten des Beschwerdeführers an, dass beim Unfall nur sein Personenwagen, nicht aber der Signalmast beschädigt wurde und deshalb keine Meldepflicht bestand. Damit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand der Verei- telung einer Blutprobe in objektiver Hinsicht nicht er- füllen können. Das führe aber nicht zum Freispruch. Der Beschwerdeführer habe nie geltend gemacht, nach dem Un- fall nachgeschaut zu haben, ob der Signalmast beschädigt worden sei, obwohl dies aufgrund des Unfallhergangs sehr wahrscheinlich gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei so- wohl in der Untersuchung als auch vor erster Instanz da- von ausgegangen, dass er die Polizei hätte verständigen müssen. Die Vorinstanz nimmt also offensichtlich an, dass der Beschwerdeführer die Beschädigung des Masts zumindest als möglich angesehen und sich damit abgefunden hat. Die Vorinstanz führt weiter aus, der Beschwerdeführer sei da- von ausgegangen, dass die von Passanten benachrichtigte Polizei demnächst auf der Unfallstelle erscheinen und aufgrund der Umstände eine Blutprobe anordnen würde. Um dieser zu entgegen, habe er, nachdem er seinen Wagen nicht wegzuschieben vermochte, die Unfallstelle flucht- artig verlassen. Er habe in Bezug auf die Missachtung einer Meldepflicht eventualvorsätzlich und in Bezug auf die Verunmöglichung einer Blutprobe mit direktem Vorsatz gehandelt. Er habe damit alle Tatbestandselemente der Vereitelung einer Blutprobe verwirklichen wollen bzw. ihre Verwirklichung zumindest in Kauf genommen, ohne zu wissen, das dies objektiv nicht möglich war. Bei dieser Sachlage sei der Beschwerdeführer zu verurteilen wegen untauglichen Versuches der Vereitelung einer Blutprobe. Vom Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (Art. 92 Abs. 1 SVG) sei er freizusprechen, weil es sich hierbei um eine Übertretung handle, bei der nur die voll- endete Tatbegehung strafbar sei (Art. 104 Abs. 1 StGB). b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die An- nahme des untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe verletze Bundesrecht. 2.- a) Gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG ist strafbar, wer sich vorsätzlich einer Blutprobe, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung er rechnen musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder ent- zieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt. Nach der Rechtsprechung zur alten Fassung von Art. 91 Abs. 3 SVG erfüllt die Unterlassung der soforti- gen Meldung eines Unfalls an die Polizei den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, wenn (1) der Fahrzeuglenker gemäss Art. 51 SVG zur sofortigen Meldung verpflichtet und (2) die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn (3) bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte. Ob die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab. Dazu gehören einerseits der Unfall als solcher (Art, Schwere, Hergang) und anderseits der Zustand sowie das Verhalten des Fahrzeuglenkers vor und nach dem Unfall bis zum Zeit- punkt, an dem die Meldung spätestens hätte erfolgen müs- sen (BGE 109 IV 137 E. 2a, 114 IV 148 E. 2). Zur Erfül- lung des subjektiven Tatbestandes genügt Eventualvorsatz. Er ist gegeben, wenn der Fahrzeuglenker die die Melde- pflicht sowie die die hohe Wahrscheinlichkeit der Anord- nung einer Blutprobe begründenden Tatsachen kannte und daher die Unterlassung der gemäss Art. 51 SVG vorge- schriebenen und ohne weiteres möglichen Meldung an die Polizei vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Verei- telung einer Blutprobe gewertet werden kann (BGE 109 IV 137 E. 2b). Diese Rechtsprechung ist auch für die seit dem 1. Februar 1991 in Kraft stehende neue Fassung von Art. 91 Abs. 3 SVG massgebend (BGE 124 IV 175 E. 3a, 120 IV 73 E. 2 und 4). In BGE 125 IV 283 hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung präzisiert. Danach ist der objektive Tat- bestand der Vereitelung einer Blutprobe nicht schon dann erfüllt, wenn erstens der Fahrzeuglenker gemäss einer ge- setzlichen Bestimmung verpflichtet war, einen Vorfall der Polizei zu melden bzw. sich dieser zur Verfügung zu hal- ten, und zweitens die Anordnung einer Blutprobe im Falle pflichtgemässen Verhaltens unter den gegebenen konkreten Umständen sehr wahrscheinlich war. Vielmehr ist zusätz- lich erforderlich, dass die gesetzliche Pflicht, welche der Fahrzeuglenker missachtete, gerade auch der Abklärung des Unfalls und damit allenfalls auch der Ermittlung des Zustands des Fahrzeuglenkers dient. Dieser Zweckzusammen- hang ist nach der der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden Konzeption bei den Meldepflichten ge- mäss Art. 51 Abs. 2 und 3 SVG gegeben. Dagegen fehlt es am erforderlichen Zweckzusammenhang bei der Meldepflicht gemäss Art. 54 Abs. 2 VRV. Diese Meldepflicht dient nicht auch der Abklärung des Unfalls, sondern bezweckt einzig die - ohne Beizug der Polizei nicht mögliche - unverzüg- liche Beseitigung der Gefahren, die durch Unfälle, Fahr- zeugpannen, herabgefallene Ladungen etc. entstehen. Die Unterlassung der nach Art. 54 Abs. 2 VRV gebotenen Mel- dung an die Polizei kann daher nicht den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die in Art. 54 Abs. 2 VRV statuierte Meldepflicht implizit schon in Art. 51 Abs. 1 Satz 2 SVG enthalten ist, wonach alle an einem Unfall Beteiligten nach Möglichkeit für die Siche- rung des Verkehrs zu sorgen haben. Zwar ist in BGE 109 IV 137 ohne Differenzierung von der Meldepflicht "gemäss Art. 51 SVG" die Rede. Jener Entscheid betraf aber, wie eine ganze Reihe ihm folgender Urteile, einzig die Melde- pflicht gemäss Art. 51 Abs. 3 SVG, wonach der Schädiger bei einem Unfall mit Sachschaden sofort den Geschädigten und, wenn dies nicht möglich ist, unverzüglich die Poli- zei zu verständigen hat. Die Verletzung der in Art. 54 Abs. 2 VRV festgelegten und sich schon aus Art. 51 Abs. 1 SVG ergebenden Pflicht zur Meldung an die Polizei zwecks Beseitigung von Gefahren aber kann aus den genannten Gründen den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe nicht erfüllen (E. 3a). b) Der untaugliche Versuch ist geregelt in Art. 23 StGB. Danach kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 66 StGB), wenn das Mittel, womit jemand ein Verbrechen oder ein Vergehen auszuführen versucht, oder der Gegenstand, woran er es auszuführen versucht, derart ist, dass die Tat mit einem solchen Mit- tel oder an einem solchen Gegenstand überhaupt nicht aus- geführt werden könnte (Abs. 1). Beim untauglichen Versuch besteht ein Sachverhaltsirrtum zu Ungunsten des Täters (BGE 124 IV 97 E. 2a mit Hinweis). Im Gegensatz zum Sach- verhaltsirrtum nach Art. 19 StGB, bei dem der Täter objektiv vorliegende Umstände nicht kennt, stellt sich der Täter beim untauglichen Versuch nicht vorhandene Um- stände, an deren Fehlen die Vollendung des vorgestellten Tatbestands zwangsläufig scheitern muss, als gegeben vor. Im Fall von Art. 19 StGB bleibt seine Vorstellung hinter der Wirklichkeit zurück, im Fall des untauglichen Ver- suchs geht sie darüber hinaus (vgl. Theo Vogler, Leipzi- ger Kommentar, 10. Aufl., § 22 N 134; Schönke/Schröder/ Eser, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl., § 22 N 68; Philippe Graven/Bernhard Sträuli, L'infraction pénale punissable, 2. Aufl., Bern 1995, S. 172 f. N 127; Hans Schultz, Einführung in den Allgemeinen Teil des Straf- rechts, 1. Band, 4. Aufl., Bern 1982, S. 228 und 276). c) Der Beschwerdeführer fuhr nachts auf einer gut ausgebauten Strasse ungebremst in einen Signalmast. Die Kollision war heftig. Das Fahrzeug, das den Beschwer- deführer angeblich von der Spur abgedrängt hatte, hat kein Zeuge gesehen. Schon deshalb lag der Verdacht auf Angetrunkenheit nahe. Der Beschwerdeführer roch zudem gemäss der Aussage eines Zeugen nach Alkohol. Bei dieser Sachlage hätte die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet. Die Umstände, welche die hohe Wahrscheinlichkeit der Blutprobe begründeten, waren dem Beschwerdeführer bekannt. Die Benachrichtigung der Poli- zei war ohne weiteres möglich. Die Vorinstanz geht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass der Mast nicht beschädigt wurde. Eine Meldepflicht nach Art. 51 Abs. 3 SVG bestand somit nicht. Der Beschwerdeführer wusste das aber nicht. Er sah es zumindest als möglich an, dass der Mast beschädigt wurde, und fand sich damit ab. Wäre der Mast beschädigt worden, so wäre der Be- schwerdeführer zur Meldung verpflichtet gewesen. Die Vor- stellung des Beschwerdeführers ging insoweit über die Wirklichkeit hinaus. Er befand sich in einem umgekehrten Sachverhaltsirrtum. Der Schuldspruch wegen untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe verletzt damit Bundesrecht nicht. Der Beschwerdeführer hat den subjekti- ven Tatbestand vollständig verwirklicht, nicht hingegen den objektiven Tatbestand. Der Beschwerdeführer stellte sich aber das fehlende objektive Tatbestandsmerkmal (eventualvorsätzlich) vor. Das genügt für die Annahme des untauglichen Versuchs. Entsprechend verhält es sich im Schulbeispiel des Täters, der auf eine Wachsfigur schiesst, es dabei als möglich erachtet, dass es sich um einen Menschen handelt und dies in Kauf nimmt. Der Täter begeht hier einen eventualvorsätzlichen untauglichen Tö- tungsversuch. In BGE 114 IV 148 hatte das Bundesgericht die umgekehrte Konstellation zu beurteilen. Der Fahrzeuglen- ker hatte einen Drittschaden angerichtet und war deshalb zur Meldung verpflichtet. Er hatte den Schaden aber nicht bemerkt. Mangels Vorsatz war er nicht strafbar (E. 2b). d) Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht geeignet, eine Bundesrechtsverletzung darzutun. Er macht geltend, der Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe sei als qualifizierter Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (Art. 92 SVG) zu betrachten. Der qualifizierte Tatbestand sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur anwendbar, wenn sowohl die subjektiven als auch die objektiven Vorausset- zungen dafür gegeben seien. Der Einwand ist unbegründet. Art. 91 Abs. 3 SVG ist nicht ein qualifizierter Tatbestand des pflichtwidri- gen Verhaltens bei Unfall nach Art. 92 SVG. Die beiden Bestimmungen haben einen unterschiedlichen Zweck. Art. 92 und 51 SVG bezwecken einerseits den Schutz des Opfers und anderseits die Ermittlung des Verantwortlichen (Urteil des Kassationshofes vom 22. August 1995 in Sachen H., veröffentlicht in Pra. 1996, Nr. 177, E. 3a). Mit dem Tatbestand nach Art. 91 Abs. 3 SVG will das Gesetz demgegenüber verhindern, dass der korrekt sich einer Blutprobe unterziehende Fahrer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht oder sie sonst wie ver- eitelt (BGE 117 IV 297 E. 2a). Selbst wenn dem Beschwer- deführer im Ansatz zu folgen wäre, würde ihm das im Übri- gen nicht helfen. Denn jedenfalls käme Art. 91 Abs. 3 SVG gegenüber Art. 92 SVG eine selbständige Bedeutung zu. In solchen Fällen ist der Versuch der qualifizierten Tatbe- gehung möglich (BGE 124 IV 97). 3.- Die Beschwerde wird abgewiesen. Bei diesem Aus- gang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be- schwerdeführer auferlegt. 3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (II. Strafkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 20. Januar 2000 Im Namen des Kassationshofes des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: