Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.539/1999
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6S.539/1999/odi
                K A S S A T I O N S H O F
                *************************

               Sitzung vom 28. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth,
Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider,
Wiprächtiger, Kolly, Bundesrichterin Escher und Gerichts-
schreiber Borner.

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                        In Sachen

S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwalt Rudolf Sutter, Toggenburgerstrasse 24, Wil,

                          gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons  A a r g a u,

                       betreffend
            Nichtbeachten eines Fahrverbots,
(Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid der 3. Straf-
kammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 1. Juli
1999),

hat sich ergeben:

     A.- Das Bezirksgericht Zofingen büsste S.________ am
1. Oktober 1998 wegen Nichtbeachtens des Vorschriftssig-
nals "Verbot für Motorwagen" mit Fr. 100.--.

        Eine Berufung des Gebüssten wies das Obergericht
des Kantons Aargau am 1. Juli 1999 ab.

     B.- S.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde und be-
antragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Sache zur Freisprechung vom Vorwurf des Nichtbeach-
tens eines Verbotssignals an die Vorinstanz zurückzuwei-
sen.

        Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft des
Kantons Aargau haben auf Gegenbemerkungen verzichtet
(act. 1 und 8).

          Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, am
29. November 1997 mit seinem Personenwagen das für einen
Teil des Pomernwegs in Zofingen geltende Fahrverbot miss-
achtet zu haben.

        Die Vorinstanz verweist in ihrem Urteil haupt-
sächlich auf die Erwägungen des Bezirksgerichts (ange-
fochtener Entscheid S. 6). Danach stehe fest, dass der
Beschwerdeführer mit seinem Personenwagen aus dem Kies-
platz Pomerngut nach links in den u.a. mit einem Fahrver-

bot für Motorwagen versehenen Pomernweg gefahren sei. Das
Fahrverbot sei vom Stadtrat Zofingen am 12. Juli 1995 be-
schlossen und im Amtsblatt des Kantons Aargau vom 28. Au-
gust 1995 wie folgt veröffentlicht worden: "Pomernweg
(...) Teilstück ab Liegenschaft Pomerngut F1 bis Einmün-
dung Zufahrt Altersheim Blumenheim - Fahrverbot für
Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder in beiden
Richtungen, ausgenommen Zubringerdienst. Ersetzt Aus-
schreibung vom 22. Dezember 1990". Das Verbot sei in
Rechtskraft erwachsen.

        Der Beschwerdeführer habe eingewendet, dass die
Verbotstafel nicht auf der Höhe der Grenze zwischen der
Liegenschaft F1 (3234) und dem Grundstück 1390, sondern
ungefähr sechs Meter in Richtung Bottensteinerstrasse
versetzt stehe, weshalb er direkt vom Kiesplatz in den
Pomernweg habe einschwenken können, ohne dabei an der
Verbotstafel vorbeizufahren. Zudem sei die beschränkte
Gültigkeit des Verbots ab der Liegenschaft Pomerngut F1
bis zur Einmündung Altersheim Blumenheim weder in Rich-
tung Bottensteinerstrasse noch in der Gegenrichtung sig-
nalisiert worden. Schliesslich sei die auf der gegen-
überliegenden Seite des Kiesplatzes angebrachte Tafel
"Fahrtrichtung rechts" offenbar überhaupt nicht verordnet
worden. Da somit die im Amtsblatt veröffentlichte Signa-
lisation nicht signalisiert und die effektiv angebrachte
Signalisation nicht publiziert worden sei, fehle es an
der Rechtsgrundlage für eine Verurteilung.

        Der Augenschein habe ergeben, dass die Ver-
botstafel tatsächlich einige Meter vor Beginn der Lie-
genschaft Pomerngut F1 (3234) angebracht sei und der
Beschwerdeführer deshalb ohne an der Verbotstafel vorbei-
zufahren vom Kiesplatz nach links in den Pomernweg habe
einbiegen können. Daraus vermöge er aber nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Der Umstand, dass die Signalisations-

tafel einige Meter vor Beginn des Geltungsbereichs des
Fahrverbots angebracht sei, habe nicht die Ungültigkeit
des Verbots zur Folge, sondern führe einzig dazu, dass
die vom Fahrverbot erfassten Motorfahrzeuglenker, welche
bis an die Grenze der Liegenschaft Pomerngut F1 (3234)
heranführen, nicht wegen Missachtung dieses Verbots be-
langt werden könnten. In diesem Sinne müsse denn auch der
erwähnte Art. 16 Abs. 2 Halbsatz 1 SSV aufgefasst werden.
Angesichts der konkreten Örtlichkeiten - der Pomernweg
ist lediglich vier Meter breit, d.h. der zur Verfügung
stehende Raum ist eng begrenzt - sei davon auszugehen,
dass die Verbotstafel aus rein verkehrspraktischen Grün-
den einige Meter weiter vorne stationiert worden sei.
Dadurch sei nämlich gewährleistet, dass insbesondere
Automobilisten ihr Fahrzeug noch rechtzeitig und gefahr-
los auf dem linksseitigen Kiesplatz wenden könnten. Mit
dieser Standortwahl werde Art. 103 Abs. 2 Satz 1 SSV
nachgelebt, welcher besage, dass Signale so aufzustellen
seien, dass sie rechtzeitig erkennbar seien. Der Be-
schwerdeführer habe an der Augenscheinverhandlung aus-
drücklich bestätigt, die Verbotstafel zu kennen, was von
ihm als Anrainer auch ohne weiteres erwartet werden
dürfe. Trotzdem sei er - wenn auch links neben der
Verbotstafel - in die verbotene Zone des Pomernwegs
hineingefahren. Erst recht hätte er sich angesichts des
unmittelbar neben der Verbotstafel gut sichtbar ange-
brachten Signals "Fahrtrichtung rechts" regelkonform ver-
halten müssen, zumal davon auszugehen sei, dass dieses
Signal nicht selbständig publiziert werden müsse, sondern
im publizierten Fahrverbot inbegriffen sei. Schliesslich
sei anzumerken, dass es sich nicht um eine (zulässige)
Zubringerfahrt gehandelt habe. Der Beschwerdeführer habe
sich somit des Nichtbeachtens des Vorschriftssignals
"Verbot für Motorwagen" schuldig gemacht.

        Die Vorinstanz erwähnt zusätzlich, es sei für
jeden Benutzer der Örtlichkeiten offensichtlich, dass er
von der südlichen Seite des Pomernwegs her ungehindert
zum Parkplatz gelangen könne, dass aber die Weiterfahrt
durch den nördlichen Teil des Pomernwegs mit Fahrverbot
belegt sei. Deshalb erübrige sich auch das Anbringen
einer Distanztafel gemäss Art. 16 Abs. 3 SSV.

        b) Der Beschwerdeführer wiederholt im Wesentli-
chen die vor den kantonalen Instanzen erhobenen Einwen-
dungen.

     2.- a) Nach Art. 5 SVG müssen Beschränkungen und
Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr,
sofern sie nicht für das ganze Gebiet der Schweiz gelten,
durch Signale oder Markierungen angezeigt werden
(Abs. 1). Im Bereich der für Motorfahrzeuge und Fahrräder
offenen Strassen dürfen nur die vom Bundesrat vorgesehe-
nen Signale und Markierungen verwendet und nur von den
zuständigen Behörden oder mit deren Ermächtigung ange-
bracht werden (Abs. 3).

        Behördliche Anordnungen zur Regelung bestimmter
örtlicher Verkehrsverhältnisse stellen Verwaltungsakte in
Form von Allgemeinverfügungen dar. Verkehrssignale sind
jedoch nicht an sich unmittelbar verbindliche,
verselbstständigte Vorschriften, sondern verkörpern von
der zuständigen Behörde durch Verfügung erlassene
örtliche Verkehrsanordnungen. Das Verkehrszeichen ist
somit ein Erscheinungsbild der ihr zugrunde liegenden
Verfügung und weist als solches die gleiche Rechtsnatur
wie diese auf (BGE 102 IV 109 E. 2, 101 Ia 73 E. 3b, 100
IV 71 E. 2; Schaffhauser, Grundriss des Schweizerischen
Strassenverkehrsrechts, Band I, N 70).

        Wer Signale und Markierungen bzw. die in ihnen
zum Ausdruck kommende behördliche Anordnung zur Regelung
bestimmter örtlicher Verkehrsverhältnisse, mit der sie
eine Einheit bilden (vgl. BGE 100 IV 71 E. 2), miss-
achtet, wird gemäss Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 SVG
bestraft. Doch ist es nicht Sinn des Gesetzes, dem
Strassenbenützer die Beachtung eines jeden Signals unter
Androhung von Strafe vorzuschreiben, gleichgültig, ob
dieses rechtsbeständig ist oder nicht. Art. 27 Abs. 1 SVG
verlangt vom Verkehrsteilnehmer vielmehr die Beachtung
der vorschriftsgemäss beschlossenen und angebrachten Sig-
nale.

        b) Der Pomernweg zweigt von der Bottensteiner-
strasse in nördlicher Richtung ab. Nach einigen Metern
liegt auf der linken Seite ein gekiester Parkplatz, des-
sen Nordseite an die Parzelle F1 grenzt. Etwa 6 Meter vor
der Parzellengrenze steht rechtsseitig am Pomernweg das
Signal "Fahrverbot für Motorwagen, Motorräder und Motor-
fahrräder" mit der Zusatztafel "Zubringerdienst gestat-
tet". Daneben, etwas weiter Richtung Bottensteiner-
strasse, ist für Lenker, die vom gekiesten Platz in den
Pomernweg zurückfahren, das Signal "Fahrtrichtung rechts"
aufgestellt. Der Beschwerdeführer lenkte sein Fahrzeug
vom nördlichen Teil des Kiesplatzes nach links in den
Pomernweg, ohne dabei an der Verbotstafel vorbeizufahren.
Nach der in Rechtskraft erwachsenen Verfügung des Stadt-
rats von Zofingen ist das Teilstück des Pomernwegs ab
Liegenschaft F1 (3234) bis Einmündung Zufahrt Altersheim
Blumenheim mit dem fraglichen Fahrverbot belegt.

        Es stellt sich die Frage, ob das vorschriftsge-
mäss verfügte Fahrverbot auf der Fahrbahn selbst in Form
einer entsprechenden Signalisation kenntlich gemacht
wurde. Die Wahl des Signals "Verbot für Motorwagen,
Motorräder und Motorfahrräder" (Anhang 2 zur SSV

Ziff. 2.14) mit der Zusatztafel "Zubringerdienst ge-
stattet" ist nicht zu beanstanden. Dass das Signal ca.
6 Meter vor Beginn der Verbotszone aufgestellt wurde,
könnte Verkehrsteilnehmer theoretisch dazu veranlassen
anzunehmen, die Verbotszone gelte bereits von dieser
Stelle an (Art. 16 Abs. 2 SSV). Wie die Vorinstanz jedoch
zutreffend festhält, ist es für jeden Benutzer des südli-
chen Teils des Pomernwegs und des angrenzenden Parkplat-
zes offensichtlich, dass er von der südlichen Seite des
Pomernwegs her ungehindert zum Parkplatz gelangen kann,
dass aber die Weiterfahrt durch den nördlichen Teil des
Pomernwegs mit einem (Motor-)Fahrverbot belegt ist (ange-
fochtener Entscheid S. 7 oben). Damit ist das verfügte
Fahrverbot entsprechend signalisiert worden, das Signal
mithin grundsätzlich rechtsgültig, und zwar auch ohne An-
bringen einer Distanztafel. Um mögliche Unklarheiten bei
ortsunkundigen Verkehrsteilnehmern ausschliessen zu kön-
nen, wäre es zwar wünschenswert, wenn das Verbotssignal
auf der Parzellengrenze F1 (3234) stehen würde. Da der
Beschwerdeführer gemäss verbindlicher Feststellungen der
Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) selbst bestätigt
hatte, als Anrainer die Verbotstafel zu kennen, und da es
sich auch nicht um eine erlaubte Zubringerfahrt handelte
(angefochtener Entscheid S. 4 unten/5), scheidet ein
Sachverhaltsirrtum aus; folglich verstösst die Verurtei-
lung des Beschwerdeführers wegen Missachtung des Fahrver-
bots nicht gegen Bundesrecht. Unter diesen Umständen kann
offen bleiben, ob das Signal "Fahrtrichtung rechts" (An-
hang 2 zur SSV Ziff. 2.32) wegen fehlenden Beschlusses
der zuständigen Behörde und fehlender Veröffentlichung
(Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 1 SSV)
überhaupt rechtsbeständig ist. Jedenfalls sind die Sig-
nale "Fahrtrichtung rechts" und "Verbot für Motorwagen,
Motorräder und Motorfahrräder" nicht deckungsgleich, weil
sich das erstere auch an Radfahrer richtet, während beim

zweiten die Radfahrer vom Verbot ausgenommen sind, ein
Unterschied, auf den sich allerdings gerade der Beschwer-
deführer als Automobilist nicht berufen kann.

        Der Einwand des Beschwerdeführers, er sei von
der Nordseite des gekiesten Parkplatzes nach links in den
Pomernweg eingebogen, ohne an der Verbotstafel vorbeizu-
fahren, geht an der Sache vorbei. Wer z.B. in einer Ein-
bahnstrasse sein Fahrzeug auf einem privaten Parkplatz
abstellt, muss bei Wiederantritt der Fahrt wissen, dass
die Fahrt bloss in die eine Richtung erlaubt ist. Genau
gleich verhält es sich im Fall des Beschwerdeführers.
Nachdem er vor dem Abstellen seines Fahrzeugs auf dem
linksseitigen Parkplatz die Verbotstafel für den nördli-
chen Teil des Pomernwegs gesehen hatte, musste er dieses
Verbot auch bei Wiederantritt der Fahrt beachten; dies
umso mehr als er das Verbot genau kannte. Der Einwand,
dass er bei seiner Fahrweise nicht unmittelbar neben der
Verbotstafel vorbeigefahren sei, ist spitzfindig und
grenzt an Rechtsmissbrauch.

     3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Be-
schwerdeführer kostenpflichtig (Art. 278 Abs. 1 BStP).

        Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

           Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (3. Strafkammer)
des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
                     ______________

Lausanne, 28. Januar 2000

              Im Namen des Kassationshofes
           des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                     Der Präsident:

                 Der Gerichtsschreiber: