Kassationshof in Strafsachen 6S.47/1999
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6S.47/1999/hev K A S S A T I O N S H O F ************************* 5. September 2000 Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Bundesrichterin Escher und Gerichts- schreiber Näf. --------- In Sachen X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts- anwalt Dr. Werner Schmid, Limmatquai 94, Zürich, gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Z ü r i c h, betreffend Diebstahl (Art. 139 StGB), hat sich ergeben: A.- 1. X.________, Beamter der Stadtpolizei Zürich, wurde verdächtigt, er habe in den Jahren 1991 - 1997 verschiedentlich Gelder im Gesamtbetrag von mindestens Fr. 5'900.--, die er in Erfüllung von dienstlichen Auf- trägen insbesondere in der Drogenszene sichergestellt habe, pflichtwidrig nicht abgeliefert, sondern behalten, um sie für sich zu verwenden. Wegen dieses Verdachts wurde gegen X.________ ein Strafverfahren eröffnet. 2. Am Abend des 4. August 1997 erhielt X.________ von seinem Vorgesetzten den Auftrag, an die Hardturm- strasse in Zürich zu fahren, um abzuklären, ob dort Be- täubungsmittel gelagert würden. X.________ rückte mit zwei Kollegen aus. Er fand unter anderem ein Robidog- Säcklein vor, in welchem sich eine Zeitung befand, worin Banknoten im Betrag von Fr. 1'700.-- eingewickelt waren. Er entnahm das Geld der Verpackung und steckte es zu- nächst in die äussere Beintasche seines Anzugs. Seinen beiden Kollegen sagte er davon nichts. Als er zusammen mit seinen beiden Kollegen in das Polizeifahrzeug stieg, legte er das Geld in die Seitentasche der Beifahrertür. Während der Fahrt erhielt er vom Einsatzleiter einen te- lefonischen Anruf, mit welchem dieser sich zweimal er- kundigte, ob die Patrouille etwas gefunden habe, was X.________ beide Male verneinte. Nachdem die Patrouille zum Stützpunkt zurückgekehrt war, fragte der Einsatz- leiter den Beamten X.________ ein drittes Mal, ob wirk- lich nichts gefunden worden sei, was dieser wiederum verneinte. X.________ begab sich nach dem Abendessen zum Polizeifahrzeug und nahm das Notenbündel aus der Seiten- tasche der Beifahrertür. Er legte es in einen Gummihand- schuh und warf es in einen Abfallcontainer. Er holte es kurze Zeit später dort wieder hervor und legte es unter den Sitz seines Privatwagens. Im Journal, in welchem er den Einsatz zusammenfasste, erwähnte er das Geld nicht. X.________ wurde am 5. August 1997, um 02.30 Uhr, ver- haftet. Der fragliche Geldbetrag war entgegen der Mei- nung von X.________ nicht von einem Betäubungsmittel- händler dort versteckt worden. Das Geld stammte vielmehr aus der Staatskasse und war von Beamten der Kantonspoli- zei dort deponiert worden, um den verdächtigen X.________ auf die Probe zu stellen. B.- 1. Der Einzelrichter in Strafsachen des Be- zirkes Zürich sprach X.________ am 12. Juni 1998 wegen des Vorfalls vom 4. August 1997 der Veruntreuung im Sin- ne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn deshalb zu einer be- dingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vier Monaten, abzüglich 64 Tage Untersuchungshaft. In den übrigen Fäl- len wurde X.________ freigesprochen. 2. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ auf dessen Berufung hin am 5. Oktober 1998 wegen des Vorfalls vom 4. August 1997 des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn deswegen zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnis- strafe von vier Monaten, abzüglich 64 Tage Untersu- chungshaft. In den übrigen Fällen wurde X.________ in Bestätigung des insoweit nicht angefochtenen erstin- stanzlichen Entscheids freigesprochen. C.- X.________ führt eidgenössische Nichtigkeits- beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache gemäss Art. 277ter BStP zu seiner Freisprechung, eventuell nach Art. 277 BStP zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die von X.________ erhobene kantonale Nichtigkeitsbe- schwerde am 15. März 2000 ab. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB macht sich des Diebstahls schuldig, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern. a) Fremd ist eine Sache, die nicht allein im Eigentum des Täters steht. Wegnahme ist Bruch fremden und Begründung neuen (meist eigenen) Gewahrsams. Dieser besteht in der tatsächlichen Sachherrschaft, verbunden mit dem Willen, sie auszuüben. Ob Gewahrsam gegeben ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Anschauungen und den Regeln des sozialen Lebens (BGE 115 IV 104 E. 1c/aa S. 106, mit Hinweisen). Bruch des Gewahrsams ist die Aufhebung des fremden Gewahrsams gegen den Willen des bisherigen Inhabers. b) Bei der tatsächlich gegebenen Sachlage stand das Geld im Eigentum und im (gelockerten) Ge- wahrsam des Staates, dessen Beamte es an der fraglichen Stelle, unter einem Aussenbalken eines Gebäudes (siehe UA act. 22/1), deponiert hatten. Zwar sollte der Be- schwerdeführer das Notenbündel an sich nehmen, doch nur zu dem Zweck, es bei seiner Dienststelle abzuliefern. Die Beamten, die den Beschwerdeführer auf die Probe stellten, waren nicht damit einverstanden, dass dieser den Gewahrsam des Staates aufhebe, mithin den fremden Gewahrsam breche. Der Beschwerdeführer war insoweit lediglich Gewahrsamsdiener. Bei der Sachlage, die der Beschwerdeführer sich vorstellte, stand das Geld im Eigentum der Person, die es durch den Verkauf von Betäubungsmitteln erlangt, und im (gelockerten) Gewahrsam desjenigen, welcher es an der fraglichen Stelle versteckt hatte. c) Der Beschwerdeführer nahm das Notenbündel an sich und steckte es zunächst in die äussere Beintasche seines Anzugs. Damit hat er sowohl bei der tatsächlichen wie bei der vermeintlichen Sachlage den Gewahrsam des bisherigen Inhabers gegen dessen Willen aufgehoben und neuen, eigenen Gewahrsam begründet, mithin eine fremde bewegliche Sache weggenommen. d) Aus den verbindlichen tatsächlichen Fest- stellungen der Vorinstanz ergibt sich, dass der Be- schwerdeführer bereits in dem Augenblick, als er das Notenbündel in die äussere Beintasche seines Anzugs steckte, die Absicht hatte, das Geld zu behalten und später für eigene Zwecke zu verwenden (siehe angefoch- tenes Urteil S. 21). Er hat die fremde Sache somit in Aneignungs- und in Bereicherungsabsicht weggenommen. e) Der Beschwerdeführer hat demnach sowohl bei der tatsächlich gegebenen wie auch bei der von ihm irr- tümlich angenommenen Sachlage den Tatbestand des Dieb- stahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB erfüllt. Sein Irrtum betrifft insoweit lediglich die Identität des Eigentümers und des Gewahrsamsinhabers. Ein solcher Irr- tum ist rechtlich unerheblich. 2.- Was der Beschwerdeführer gegen seine Verurtei- lung wegen Diebstahls vorbringt, ist unbegründet. a) Sowohl nach der vermeintlich wie auch nach der tatsächlich gegebenen Sachlage befanden sich die Banknoten, die der Beschwerdeführer vorfand, im Gewahr- sam eines Dritten, nämlich im Gewahrsam des vermeint- lichen Betäubungsmittelhändlers beziehungsweise im Ge- wahrsam des Staates, dessen Beamte das Notenbündel dort deponiert hatten. Wer eine Sache an einem bestimmten Ort versteckt, behält daran, jedenfalls wenn er jederzeit ohne weiteres darauf zugreifen kann, nach den Regeln des sozialen Lebens die Sachherrschaft und hat somit Gewahrsam. Es besteht kein Grund, in solchen Fällen den Gewahrsam des Dritten und damit die Möglichkeit eines Gewahrsamsbruchs deshalb zu verneinen, weil nach dem neuen Recht eine Verurteilung wegen unrechtmässiger An- eignung gemäss Art. 137 Ziff. 1 StGB, die keine Wegnahme voraussetzt, möglich bliebe. b) Bei der vermeintlich gegebenen Sachlage war der Beschwerdeführer auf Grund seiner Amtspflicht be- rechtigt, ja verpflichtet, das Notenbündel an sich zu nehmen. Rechtmässig war der Bruch des fremden Gewahrsams des vermeintlichen Betäubungsmittelhändlers aber nur un- ter der Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer die Banknoten pflichtgemäss seiner Dienststelle ablieferte. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Beschwerde- führer hat daher das Geld dem vermeintlichen Betäubungs- mittelhändler tatbestandsmässig und rechtswidrig wegge- nommen. c) Unerheblich ist, dass der Beschwerdeführer das Geld nicht zählte und es nicht mit eigenem Geld ver- mischte. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vor- instanz wollte er das Geld behalten und für sich verwen- den. d) Der Beschwerdeführer meint, seine irrige An- nahme, das von ihm vorgefundene Geld sei von einem Be- täubungsmittelhändler dort versteckt worden, während es in Tat und Wahrheit von Beamten der Kantonspolizei dort deponiert worden sei, sei ein "umgekehrter" Tatbestands- irrtum. Wenn die Vorinstanz ihm unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 1 StGB vorhalte, er sei allein nach den Vorstellun- gen zu beurteilen, die er sich gemacht habe, so hätte sie prüfen müssen, "inwiefern die nicht vollendete An- eignung als Versuch gemäss Art. 21 StGB milder zu be- strafen wäre" (Nichtigkeitsbeschwerde S. 7). Der Einwand geht an der Sache vorbei. Der Beschwerdeführer hat nicht irrtümlich das Vorliegen von tatbestandsrelevanten Tat- sachen angenommen, welcher Irrtum ein so genannter "um- gekehrter" Sachverhaltsirrtum wäre mit der Folge, dass die Handlung als (untauglicher) Versuch des fraglichen Delikts zu qualifizieren wäre (siehe dazu Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 2. Aufl. 1996, § 9 N 77; Trechsel, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 19 N 11). Sowohl bei der vermeintlich wie bei der tatsäch- lich gegebenen Sachlage hat der Beschwerdeführer den Tatbestand des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB erfüllt. Sein Irrtum betrifft lediglich die Iden- tität des Eigentümers und des Gewahrsamsinhabers, und ein solcher Irrtum ist rechtlich unerheblich. 3.- Da die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde somit abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann, hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen. Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (I. Strafkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. --------- Lausanne, 5. September 2000 Im Namen des Kassationshofes des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: