Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.166/1999
Zurück zum Index Kassationshof in Strafsachen 1999
Retour à l'indice Kassationshof in Strafsachen 1999


6S.166/1999/bue

               K A S S A T I O N S H O F
               *************************

                   22. November 2000

Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth,
Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter
Wiprächtiger, Schneider, Kolly, Bundesrichterin Escher
und Gerichtsschreiber Weissenberger.

                       ---------

                       In Sachen

M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Ueli Vogel-Etienne, Löwenstrasse 17,
Zürich,

                         gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons  Z ü r i c h,
H.-D.________, Beschwerdegegnerin,
H.________, Beschwerdegegner,

                       betreffend
           mehrfachen Missbrauch des Telefons
                (Art. 179septies StGB);
(eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil
der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich
vom 20. Oktober 1998),

hat sich ergeben:

     A.- M.________ wird der Missbrauch des Telefons in
zwei Fällen vorgeworfen. Kurz nach seiner Rückkehr aus
dem Urlaub wählte er am 23. Mai 1997 um 01.20 Uhr den
Telefonanschluss seiner ehemaligen Freundin J.D.________
(heute: H.-D.________) an. Deren neuer Freund,
H.________, nahm das Telefonat entgegen. M.________
fragte ihn, ob er (H.________) ihn (M.________) schon
vergessen habe, was H.________ verneinte. Dies sei auch
besser so, gab M.________ zur Antwort, denn jetzt habe
er Zeit für ihn. Er werde ihn sicher nicht vergessen.

        Zwei Tage später, am 25. Mai 1997, um 23.05 Uhr
rief M.________ wiederum bei J.D.________ und H.________
an. Den Anruf nahm auch dieses Mal H.________ entgegen,
der den Hörer sogleich J.D.________ weiterreichte.
M.________ erkundigte sich bei ihr, weshalb sie ihn
versetzt habe. Sie entgegnete, nichts von einer
Vereinbarung zu wissen, und was der Anruf überhaupt
solle. Darauf legte sie den Hörer wieder auf.

     B.- Mit Urteil vom 18. März 1998 sprach das Be-
zirksgericht Zürich M.________ deswegen sowie we-
gen weiteren, hier nicht näher interessierenden
Vorfällen des Missbrauchs des Telefons im Sinne von
Art. 179septies StGB sowie der mehrfachen versuchten
Nötigung gemäss Art. 181 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB
schuldig und bestrafte ihn mit 2 Monaten Gefängnis
bedingt. Auf die angeklagten Sachverhalte des
Telefonmissbrauchs in der Zeit von Oktober bis Mitte
Dezember 1996 trat das Gericht mangels gültigen Straf-
antrags nicht ein.

        Auf Berufung von M.________ hin verurteilte ihn
das Obergericht des Kantons Zürich am 20. Oktober 1998
wegen versuchter Nötigung sowie mehrfachen Missbrauchs
des Telefons zu 2 Monaten Gefängnis bedingt; hingegen
sprach es ihn frei vom Vorwurf der Nötigung sowie der
mehrfachen versuchten Nötigung in 9 Fällen sowie vom
Vorwurf des Missbrauchs des Telefons hinsichtlich eines
Vorfalls vom 22. Juni 1997.

        Eine von M.________ dagegen erhobene kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des
Kantons Zürich am 6. Juni 2000 ab, soweit es darauf
eintrat.

     C.- M.________ erhebt eidgenössische Nichtig-
keitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Ober-
gerichts aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu
neuer Beurteilung zurückzuweisen.

     D.- Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich haben auf die Einreichung einer Stellung-
nahme zur Beschwerde verzichtet. H.________ und
H.-D.________ (vormals J.D.________) haben sich innert
gesetzter Frist nicht vernehmen lassen.

          Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Nach Auffassung des Bezirksgerichts, auf
welche die Vorinstanz vollumfänglich verweist, hat der
Beschwerdeführer mit seinen beiden nächtlichen Telefon-
anrufen den objektiven Tatbestand des Telefonmissbrauchs
erfüllt. Denn er habe beim ersten Anruf gegenüber
H.________ eine "verklausulierte" Drohung ausgesprochen,
indem er ihm sagte, er hätte nun viel Zeit für ihn.
Obschon nicht erstellt sei, was beim zweiten Anruf genau
gesprochen wurde, sei auch dieser unzweifelhaft zur
Belästigung erfolgt. Anders lasse sich die völlig
unglaubhafte Begründung des Beschwerdeführers für den
Anruf nicht erklären. Die Geschädigten hätten ihm zuvor
mehrmals klar gemacht, dass seine Anrufe unerwünscht
seien. Unter diesen Umständen habe auch der zweite Anruf
einzig den Zweck verfolgt, die Geschädigten zu belästi-
gen. Der Beschwerdeführer habe dabei vorsätzlich und aus
Bosheit gehandelt, wobei ihm die Belästigung der
Geschädigten eine besondere Befriedigung oder gar Freude
bereitet habe.

        b) Der Beschwerdeführer bringt vor, der objek-
tive Tatbestand des Missbrauchs des Telefons sei durch
die zwei Anrufe nicht erfüllt. Es fehle bereits an der
in der Doktrin geforderten minimalen Intensität der Be-
lästigung. Ein Telefonat um 23.00 Uhr in einer Gross-
stadt wie Zürich könne nicht als Telefonieren zur Unzeit
eingestuft werden. Zudem sei das subjektive Tatbestands-
element der Bosheit oder des Mutwillens nicht erstellt;
der subjektive Tatbestand werde von den Vorinstanzen nur
vermutet oder aus nicht verwertbaren Umständen abgelei-
tet.

     2.- a) Nach Art. 179septies StGB wird auf Antrag
mit Haft oder Busse bestraft, wer aus Bosheit oder
Mutwillen eine dem Telefonregal unterstehende Telefon-
anlage zur Beunruhigung oder Belästigung eines anderen
missbraucht. Die Bestimmung schützt das Persönlichkeits-
recht der betroffenen Person vor bestimmten Beeinträch-
tigungen durch das Telefon (Martin Schubarth, Kommentar
Strafrecht, Besonderer Teil, 3. Bd., Bern 1983, Art.
179septies N. 2; Hubert Andreas Metzger, Der strafrecht-
liche Schutz des persönlichen Geheimbereichs gegen Ver-
letzungen durch Ton- und Bildaufnahmen sowie Abhör-
geräte, Diss. Bern 1972, S. 123). Der Gesetzgeber wollte
vor allem schikanöse Anrufe zur Nachtzeit und telefoni-
sche unzüchtige Reden bekämpfen (StenB N 1968, S. 345).

        Die Tathandlung des Missbrauchs zur Beunruhi-
gung oder Belästigung umreisst die Verbotsmaterie nicht
genügend klar. Wann ein strafbarer Missbrauch des Tele-
fons vorliegt, ist daher durch den Richter zu konkreti-
sieren (vgl. BGE 121 IV 131 E. 5b S. 137 mit Hinweis).

        In der Literatur wird versucht, den Anwendungs-
bereich der Strafnorm auf Handlungen zu begrenzen, die
eine gewisse minimale Schwere aufweisen. Aufgrund der
Entstehungsgeschichte der Norm nimmt Martin Schubarth
(a.a.O., N. 5 mit Hinweisen) an, dass vor allem
schikanöse Anrufe zur Nachtzeit und telefonische
Belästigungen mit obszönen Äusserungen erfasst werden
sollten. Auch wenn solche Anrufe oft anonym erfolgten,
sei die Anonymität nicht Tatbestandsmerkmal. Zahlreiche
Anrufe ohne jeden Grund könnten den Tatbestand ebenfalls
erfüllen. Für Günter Stratenwerth (Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl. Bern 1995, § 12
N. 70) will die Vorschrift in erster Linie schikanöse
Anrufe zur Nachtzeit und telefonische Belästigungen mit
obszönen Äusserungen erfassen. Stefan Trechsel
(Kurzkommentar StGB, 2. Aufl. Zürich 1997, Art.
179septies N. 1) nennt in diesem Zusammenhang ganz
ähnlich Telefonate zur Unzeit, in grosser Häufigkeit,
obszönen Inhalts und mit Schweigen des Anrufers. Für
Jörg Rehberg/Niklaus Schmid (Strafrecht III, 7. Aufl.
Zürich 1997, S. 334) schränkt das Missbrauchsmerkmal den
Anwendungsbereich der Norm namentlich auf ständige oder
nächtliche Anrufe, anonyme Anrufe und unzüchtige
Äusserungen ein. Einzig Metzger (a.a.O., S. 126) hält
dafür, dass auch nur ein einziger Anruf den Tatbestand
erfüllen könne.

        b) aa) Angesichts der Unbestimmtheit des Miss-
brauchsmerkmals und des im Gesetz nicht näher umschrie-
benen Grades der vom Täter angestrebten Beunruhigung
oder Belästigung der betroffenen Person ist die Verbots-
materie der Strafnorm durch den Richter auf eindeutig
strafwürdige Verhaltensweisen zu begrenzen. Art.
179septies StGB schützt das Persönlichkeitsrecht des
Opfers nicht vor jeder Beeinträchtigung durch das Tele-
fon. Vielmehr müssen lästige und beunruhigende Tele-
fonate eine gewisse minimale quantitative Intensität
und/oder qualitative Schwere erreichen, damit sie als
strafbare Einwirkung in die Persönlichkeitssphäre des
Opfers zu qualifizieren sind. Bei leichten bis mittel-
schweren Persönlichkeitsverletzungen durch das Telefon
ist strafbarkeitsbegrenzend eine gewisse Häufung von
Einzelhandlungen zu fordern. Ab welcher Anzahl Anrufe
ein strafbarer Telefonmissbrauch gegeben ist, hängt von
den konkreten Umständen ab und lässt sich abstrakt nicht
beantworten. Ein einziger missbräuchlicher Anruf kann
nur dann allenfalls den objektiven Tatbestand des Art.
179septies StGB erfüllen, wenn er geeignet ist, beim
Betroffenen eine schwere Beunruhigung auszulösen.

        bb) Im hier zu beurteilenden Fall hatten sich
die Betroffenen nach zahlreichen Belästigungen und Dro-
hungen seitens des Beschwerdeführers wiederholt
telefonische Kontaktaufnahmen durch diesen verbeten.
Gleichwohl rief der Beschwerdeführer am 23. Mai 1997 zu
sehr früher Morgenstunde H.-D.________ und H.________
an. Das Telefonat erfolgte zweifellos zur Unzeit. Die
Bemerkung des Beschwerdeführers gegenüber H.________
konnte bei abstrakter Betrachtung als versteckte
"Drohung" verstanden werden, ihn und seine Freundin in
Zukunft nicht in Ruhe zu lassen. Diese Drohung wog
jedoch vor dem Hintergrund der zahlreichen und
erheblichen früheren Belästigungen durch den Be-
schwerdeführer, namentlich der zuvor gegenüber
H.________ ausgesprochenen Morddrohung, weitaus schwe-
rer. Am 10. Oktober 1996 hatte der Beschwerdeführer
H.________ angerufen und ihm gedroht, er werde ihn von
hinten erschiessen, falls er nicht von H.-D.________
ablasse. Für diese Äusserung wurde der Beschwerdeführer
von der Vorinstanz wegen versuchter Nötigung verurteilt.
Auch wenn weitere, ähnliche Vorfälle aus
materiell-rechtlichen Gründen zu Freisprüchen durch die
Vorinstanz führten, erhielt die telefonische Drohung vom
23. Mai 1997 auch dadurch besonderes Gewicht. Unter
diesen Umständen ist die vom Anruf und von der Drohung
ausgehende Beunruhigungs- und Belästigungswirkung
objektiv als schwer zu werten.

        Der vom Beschwerdeführer zwei Tage später am
25. Mai 1997 um 23.00 Uhr getätigte Anruf erscheint
selbst in einer Stadt wie Zürich als vergleichsweise
spät. Wenngleich von einem Anruf zur Unzeit wohl noch
nicht gesprochen werden kann, ist er unter Missbrauchs-
gesichtspunkten im Zusammenhang mit dem früheren Anruf
und der gegen H.________ ausgestossenen Morddrohung zu
würdigen. Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht

verbindlich feststellt (Art. 277bis Abs. 1 BStP), war
der vom Beschwerdeführer angegebene Grund für den Anruf
nur vorgeschoben. Es ging ihm wie schon beim ersten
Anruf allein darum, H.-D.________ und ihren neuen Freund
zu belästigen. Die neuerliche Störung war geeignet, die
durch den ersten Anruf ausgelöste Beunruhigung der
Betroffenen wieder wachzurufen und zu verstärken. Sie
wog damit nicht mehr leicht.

        Die beiden Anrufe des Beschwerdeführers er-
reichten zwar nicht quantitativ, jedoch qualitativ eine
dem Wesen des (objektiven) Tatbestandes des Telefon-
missbrauchs entsprechende Intensität. Sie waren vor dem
Hintergrund der früheren Morddrohung des Beschwerdefüh-
rers gegen H.________ und weiterer, vergleichbarer
Vorfälle geeignet, die angerufenen Personen erheblich zu
beunruhigen und zu belästigen. Nachdem die Vorinstanz in
subjektiver Hinsicht verbindlich feststellt, dass dem
Beschwerdeführer die Belästigung der Betroffenen eine
besondere Befriedigung oder gar Freude bereitete, ver-
letzt seine Verurteilung wegen Missbrauchs des Telefons
kein Bundesrecht.

     3.- Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuwei-
sen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Be-
schwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP).

           Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsan-
waltschaft und dem Obergericht (II. Strafkammer) des
Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

                       ---------

Lausanne, 22. November 2000

              Im Namen des Kassationshofes
           des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                     Der Präsident:

                 Der Gerichtsschreiber: