Kassationshof in Strafsachen 6A.84/1999
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6A.84/1999/bue K A S S A T I O N S H O F ************************* Sitzung vom 30. März 2000 Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Bundesrichterin Escher und Gerichtsschreiber Borner. --------- In Sachen X.________, Beschwerdeführerin, gegen Verwaltungsgericht des Kantons A a r g a u, betreffend Entzug des Führerausweises (Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 7. September 1999), hat sich ergeben: A.- X.________ fuhr am Nachmittag des 31. Dezember 1996 mit ihrem Personenwagen in Obfelden auf der Dorf- strasse von Muri kommend in Richtung Affoltern am Albis. In einer leichten Linkskurve geriet ihr Fahrzeug auf der mit Schneematsch bedeckten Fahrbahn ins Schleudern und stiess mit einem auf der Gegenfahrbahn in Richtung Muri fahrenden Personenwagen zusammen. Durch die Kollision wurde dieses Fahrzeug nach rechts zum Trottoir bzw. Liegenschaftsvorplatz geschoben, wo es seitlich gegen einen dort parkierten Personenwagen prallte. An allen Fahrzeugen entstand Sachschaden. B.- Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau entzog X.________ am 6. März 1997 den Führerausweis wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Stras- senverhältnisse, Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und Verursachens eines Verkehrsunfalls innerorts mit Sach- schaden für die Dauer eines Monats. Eine Verwaltungsbeschwerde der Betroffenen wies das Departement des Innern des Kantons Aargau am 19. No- vember 1998 ab. Eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diesen Entscheid wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau am 7. September 1999 ab. C.- X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei eine Verwarnung auszusprechen. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlas- sung verzichtet; das Bundesamt für Strassen beantragt sinngemäss, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Die Beschwerdeführerin hat weder im Strafver- fahren noch im Beschwerdeverfahren oder im vorinstanz- lichen Verfahren den Sachverhalt bestritten. Hinsicht- lich der gefahrenen Geschwindigkeit zitiert das Depar- tement des Innern die Aussage der Beschwerdeführerin im Polizeirapport, wonach sie ungefähr mit 60 km/h gefahren sei, und ihre Angabe in der Verwaltungsbeschwerde, wo- nach ihre Geschwindigkeit mit 50 km/h ermittelt worden sei. Diese Geschwindigkeitsangabe hat sie im kantonalen Verfahren nicht in Frage gestellt. Mit ihrer jetzigen Behauptung, sie sei mit einer Geschwindigkeit von bloss ca. 35 - 40 km/h gefahren, vermag sie gerade angesichts ihrer eigenen Angaben im kantonalen Verfahren nicht dar- zulegen, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt offen- sichtlich unrichtig festgestellt haben sollte (Art. 105 Abs. 2 OG). Dasselbe gilt für die Bestreitung der vorinstanzlichen Feststellung, die Strasse sei mit Schneematsch bedeckt gewesen. Denn gemäss Polizeiproto- koll war die Strasse "schneebedeckt", laut Aussagen der Beschwerdeführerin und des Unfallgegners hatte es "Schneepflotsch" und in ihrer Eingabe vom 14. Februar 1997 an das Strassenverkehrsamt gibt die Beschwerde- führerin selbst an, fünf Minuten nach dem Unfall seien der Schneepflug und der Salzwagen vorbeigefahren und hätten "die Strasse von Schneematsch und Eis" befreit. 2.- a) Bei der Anordnung von Administrativmassnah- men unterscheidet die Vorinstanz zwischen dem besonders leichten, dem leichten, dem mittelschweren und schweren Fall. Die wesentlichen Kriterien für die Zuordnung seien das Mass der Verkehrsgefährdung und die Schwere des Verschuldens; bei der Beurteilung, ob es sich um einen leichten Fall handle, sei ausserdem der automobilisti- sche Leumund zu berücksichtigen. Die in Anwendung von Art. 16 Abs. 2 SVG vorgesehenen Massnahmen müssten sich stets als verhältnismässig erweisen. Die Vorinstanz erachtet die Gefährdung, die die Beschwerdeführerin durch ihre Fahrweise hervorgerufen hat, als schwer. Das Verschulden wiege zumindest mittel- schwer, da sie sich vorhalten lassen müsse, die Umstände falsch eingeschätzt und ihre Fahrweise nur ungenügend den konkreten Verhältnissen angepasst zu haben. Zudem weist die Vorinstanz auf eine Alkoholisierung (0,4 Pro- mille) der Beschwerdeführerin hin, weil bereits ab Blutalkoholkonzentrationen von 0,3 bis 0,4 Promille verkehrssicherheitsrelevante Leistungseinbussen nach- gewiesen seien. b) Kürzlich hat das Bundesgericht die Recht- sprechung zur Beurteilung des leichten Falles gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG geändert: Neben dem Verschulden der Fahrzeuglenkerin und deren automobilistischen Leumund ist die Schwere der Verkehrsgefährdung nur insoweit von Bedeutung, als sie auch verschuldensmässig relevant ist (BGE 125 II 561 E. 2b). Wie die Vorinstanzen zutreffend festhalten, hat die Beschwerdeführerin, indem sie innerorts mit 50 km/h ins Schleudern geriet und so ihr Fahrzeug nicht mehr unter Kontrolle halten konnte, eine schwere Verkehrs- gefährdung verursacht. Denn nach der allgemeinen Lebens- erfahrung besteht in solchen Situationen, gerade auch innerorts, ein grosses Risiko von Folgeunfällen, weil das Verhalten eines solchen Fahrzeugs unberechenbar ist. Weder kann eine Automobilistin situationsgerecht auf den übrigen Verkehr reagieren, noch können die anderen Ver- kehrsteilnehmer das Verhalten eines ins Schleudern ge- ratenen Wagens abschätzen. Zu prüfen bleibt, in welchem Mass die Beschwerdeführerin die Gefährdung auch ver- schuldet hat. Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts von 50 km/h darf nur unter günstigen Strassen-, Ver- kehrs- und Sichtverhältnissen ausgefahren werden (Art. 4a Abs. 1 lit. a VRV). Die Fahrzeugführerin hat unter anderem langsam zu fahren, wo die Strasse verschneit und vereist ist (Art. 4 Abs. 2 VRV). Das Wissen darum, dass die Schleudergefahr und damit die Unfallgefahr auf ver- schneiten Strassen gross ist, kann allgemein voraus- gesetzt werden. Ebenso bekannt ist der Umstand, dass sich diese Gefahr mit zunehmender Geschwindigkeit und insbesondere beim Kurvenfahren drastisch erhöht. Inwie- fern die Beschwerdeführerin diese Zusammenhänge nicht gekannt haben sollte, ist nicht ersichtlich. Gemäss Polizeiprotokoll besitzt das benutzte Fahrzeug keinen Vierradantrieb, oder er war nicht eingeschaltet. Zu Gunsten der Beschwerdeführerin könnte höchstens berück- sichtigt werden, dass die Strasse im fraglichen Zeit- punkt nicht mit Schnee, sondern mit Schneematsch bedeckt war. Doch entlastet dies die Beschwerdeführerin nicht wesentlich, weil bei Schneematsch auf Strassen immer auch mit vereisten Stellen gerechnet werden muss. Jeden- falls erlaubten die konkreten Strassenverhältnisse kein Ausfahren der Innerortshöchstgeschwindigkeit und dies erst recht nicht in einer - wenn auch bloss leichten - Kurve. Da die Beschwerdeführerin die schwere Verkehrs- gefährdung zum grossen Teil hätte voraussehen können und müssen, hat sie die Gefährdung auch verschuldet. Deshalb ist jedenfalls von einem mittelschweren Verschulden der Beschwerdeführerin auszugehen. c) Unter diesen Umständen ist eine blosse Ver- warnung, wie sie die Beschwerdeführerin beantragt, auf Grund der klaren Regelung von Gesetz (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG) und Verordnung (Art. 31 Abs. 2 VZV) nicht möglich. Denn auch ein langjähriger ungetrübter auto- mobilistischer Leumund kann nur bei leichtem Verschulden zur Anordnung einer Verwarnung anstelle eines Ausweis- entzuges führen. Dies mag in Fällen wie hier, wo die Fahrzeugführerin auf Grund des von ihr verschuldeten Unfalls genügend gewarnt sein dürfte, als Härte empfun- den werden. Diese Rechtslage kann nur der Gesetzgeber ändern, sei es, dass er für derartige Fälle auch den bedingten Ausweisentzug vorsieht oder den Anwendungs- bereich der Verwarnung bei gutem automobilistischem Leu- mund ausweitet auf den Bereich des mittelschweren Ver- schuldens. d) Auch die geltend gemachte berufliche Ange- wiesenheit auf den Führerausweis rechtfertigt es nicht, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit auf einen Führerausweisentzug zu verzichten. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Im Übrigen kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG). 3.- Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist zu entsprechen, da die Rechtsbegehren nicht von vorn- herein aussichtslos erschienen und die finanziellen Voraussetzungen glaubhaft gemacht sind (Art. 152 Abs. 1 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird ab- gewiesen. 2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 3.- Es werden keine Kosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 4.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Verwaltungsgericht (4. Kammer) und dem Strassenverkehrs- amt des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. ---------- Lausanne, 30. März 2000 Im Namen des Kassationshofes des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: