Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.477/1999
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5P.477/1999/min

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       27. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivil-
abteilung, Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Merkli und
Gerichtsschreiber Levante.

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                          In Sachen

S.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin
Beatrice Müller-Wirth, Signalstrasse 6, 5000 Aarau,

                            gegen

K.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher
Martin Schwaller, Obere Vorstadt 37, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons  A a r g a u  (5. Zivilkammer),

                         betreffend
  Art. 4 aBV (vorsorgliche Massnahmen nach aArt. 145 ZGB),

hat sich ergeben:

     A.- Die Eheleute S.________ und K.________ stehen seit
dem 19. März 1999 im Scheidungsprozess. Am 17. Mai 1999 traf
das Gerichtspräsidium Aarau gestützt auf aArt. 145 ZGB vor-
sorgliche Massnahmen für die Dauer des Verfahrens. S.________
wurde verpflichtet, ihrem Ehemann ab März 1999 monatliche
Unterhaltsbeiträge von Fr. 900.-- zu bezahlen.

     B.- Im Beschwerdeverfahren erhöhte das Obergericht des
Kantons Aargau (5. Zivilkammer) mit Entscheid vom 26. Oktober
1999 die monatlich vorschüssig zu bezahlenden Unterhalts-
beiträge auf Fr. 1'759.20 und bestimmte, diese seien ab dem
19. März 1999 geschuldet.

     C.- S.________ beantragt mit staatsrechtlicher Beschwer-
de vom 23. Dezember 1999 dem Bundesgericht, den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 26. Oktober 1999 aufzu-
heben und die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht
zurückzuweisen. Zugleich ersucht sie um Gewährung der unent-
geltlichen Rechtspflege unter Beiordnung der beauftragten
Rechtsanwältin. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
freier Kognition, ob und inwieweit auf ein Rechtsmittel
einzutreten ist (BGE 124 I 223 E. 1 S. 224 m.w.H.).

        a) Das Obergericht des Kantons Aargau hat im Rahmen
von vorsorglichen Massnahmen gemäss aArt. 145 ZGB kantonal
letztinstanzlich über die von der Beschwerdeführerin geschul-
deten Unterhaltsbeiträge entschieden. Dagegen steht gemäss
Art. 87 OG die staatsrechtliche Beschwerde offen (BGE 100 Ia
12 E. 1a und b).

        b) Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen,
ist die staatsrechtliche Beschwerde rein kassatorischer Natur
(BGE 121 I 326 E. 1b S. 328 mit Hinweisen). Zulässig ist
somit grundsätzlich einzig das Rechtsbegehren, den Entscheid
des Obergerichts aufzuheben. Sollte dieser Antrag gutzuheis-
sen und der angefochtene Entscheid aufzuheben sein, hätte die
kantonale Instanz - unter Berücksichtigung der Ergebnisse des
vorliegenden Verfahrens - ohne besondere Anweisung durch die
erkennende Abteilung neu zu entscheiden (vgl. BGE 112 Ia 353
E. 3c/bb S. 354 mit Hinweis). Das Begehren der Beschwerde-
führerin, die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht
zurückzuweisen, ist demnach überflüssig.

        c) Die Beschwerdeführerin beruft sich in ihrer
Eingabe auf die Lohnabrechnung vom 1. September 1999, die
beiden Versicherungsprämienübersichten vom 9. Oktober 1999
und das ärztliche Zeugnis vom 10. Dezember 1999, um die vom
6. Dezember 1999 bis zum 30. Januar 2000 dauernde 20-prozen-
tige Arbeitsunfähigkeit zu belegen. Diese Dokumente sind aus
dem Recht zu weisen, da in der staatsrechtlichen Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 4 aBV neue Vorbringen unzulässig
sind (BGE 120 Ia 369 E. 3b S. 374; 119 II 6 E. 4a).

        d) Ebenfalls unbeachtlich sind die Ausführungen
der Beschwerdeführerin zur Erhöhung der Krankenkassenprämien
und des monatlichen BVG-Beitrages im Jahre 2000; die staats-
rechtliche Beschwerde ermöglicht nur die Überprüfung eines
Entscheids auf Verfassungsmässigkeit, nicht aber appellato-
rische Kritik unter Hinweis auf neue Entwicklungen und Be-

weise (BGE 121 I 225 E. 4c S. 230; 120 Ia 369 E. 3a S. 373).
Wenn die Beschwerdeführerin geltend machen will, die Ver-
hältnisse hätten sich geändert oder seien falsch oder irr-
tümlich festgestellt worden, ist sie auf die Möglichkeit
einer Änderung des Massnahmenentscheids hinzuweisen (vgl.
Lüchinger/Geiser, Basler Kommentar, N 26 zu Art. 145 ZGB, mit
Hinweisen), soweit den kantonalen Behörden keine willkürliche
Beweiswürdigung vorzuwerfen ist (vgl. dazu E. 3a hiernach).

     2.- Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, das
Obergericht hätte bei der Beurteilung ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der monatlichen Steuerbelastung von
Fr. 684.-- Rechnung tragen sollen. Inwiefern das Obergericht
durch die Nichtberücksichtigung dieser Belastung gegen die
Verfassung verstossen haben soll, legt sie freilich nicht
genügend klar dar (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 121 I 225
E. 4c S. 230), weshalb auf die auch in diesem Punkt rein
appellatorische Kritik nicht eingetreten werden kann.

     3.- Die Beschwerdeführerin wirft sodann dem Obergericht
hinsichtlich des für sie zumutbaren Erwerbseinkommens in
zweifacher Hinsicht eine Verfassungsverletzung vor. Zum einen
macht sie geltend, das Obergericht habe den Sachverhalt
willkürlich festgestellt, indem es von ihrer vollen Arbeits-
fähigkeit ausgegangen sei und über die aus gesundheitlichen
Gründen gebotene und tatsächlich vorgenommene Beschränkung
ihres Arbeitspensums nicht Beweis geführt habe. Zum anderen
habe das Obergericht sein Ermessen willkürlich ausgeübt, wenn
es ein monatliches Erwerbseinkommen als zumutbar erachtet
habe, das ihrer früheren vollen Erwerbstätigkeit entspreche.

        a) Das Obergericht ist von einem Monatseinkommen
der Beschwerdeführerin von Fr. 4'623.-- ausgegangen und hat
hierzu auf den Lohnausweis vom 2. März 1999 verwiesen, in dem

die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus der damaligen vollen
Erwerbstätigkeit aufgelistet worden sind. Es hat dazu ausge-
führt, die Beschwerdeführerin habe zwar behauptet, sie könne
nicht mehr voll arbeiten; sie habe den Beweis dafür aber
nicht erbracht, weil sie kein Arztzeugnis vorgelegt habe.

        Die Beschwerdeführerin hat für ihre Vorbringen in
der Anschlussbeschwerde, sie sei aus gesundheitlichen Gründen
nicht mehr in der Lage, zu 100% zu arbeiten, in der Tat weder
Beweise eingereicht noch angeboten. Unter diesen Umständen
ist nicht ersichtlich, inwiefern das Obergericht die Beweise
willkürlich gewürdigt oder Tatsachen aktenwidrig festgestellt
haben sollte, wenn es von einer unbewiesenen Behauptung aus-
gegangen ist.

        Im Weiteren nennt die Beschwerdeführerin keine
kantonale Vorschrift (BGE 118 Ia 112 E. 2c S. 118), die das
Obergericht willkürlich angewendet haben sollte, indem es sie
nicht zum Einreichen bestimmter Beweise aufgefordert oder von
sich aus Beweismassnahmen angeordnet hat. Daher hat sie die
Rüge, es sei ihr die Möglichkeit zur Beweisführung verwehrt
worden, nicht rechtsgenüglich erhoben (Art. 90 Abs. 1 lit. b
OG; BGE 122 I 70 E. 1c S. 73); abgesehen davon müsste die
Rüge, so wie sie vorgebracht worden ist, auch als offensicht-
lich unbegründet bezeichnet werden, wenn sie in der Sache zu
beurteilen wäre.

        b) Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich
vorbringt, das Obergericht sei von einem fiktiven Einkommen
ausgegangen, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Da
das Obergericht die Notwendigkeit einer gesundheitsbedingten
Reduktion der Erwerbstätigkeit als unbewiesen betrachten
durfte, hat es sein Ermessen klarerweise nicht willkürlich
ausgeübt, wenn es für die Beschwerdeführerin ein volles
Arbeitspensum als zumutbar erachtet und deren finanzielle
Leistungsfähigkeit entsprechend bemessen hat.

     4.- Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Be-
schwerde abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwer-
deführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Partei-
entschädigung ist nicht geschuldet, weil auf eine Beschwerde-
vernehmlassung verzichtet worden ist und dem Beschwerdegegner
deshalb keine Kosten erwachsen sind (Art. 159 Abs. 2 OG).

        Da die Beschwerde weitgehend an den formellen Vor-
aussetzungen scheitert und im Übrigen offensichtlich unbe-
gründet ist, erweist sie sich als aussichtslos, weshalb das
Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege
abzuweisen ist (Art. 152 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Be-
schwerdeführerin auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
des Kantons Aargau (5. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
                        _____________

Lausanne, 27. Januar 2000

               Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
        Der Präsident:         Der Gerichtsschreiber: