Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.435/1999
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5P.435/1999/bnm

               II. Z I V I L A B T E I L U N G
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                       17. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivil-
abteilung, Bundesrichter Weyermann, Bundesrichter Raselli
und Gerichtsschreiber Gysel.

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                          In Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. Roland Gerne, Nordstrasse 274, 8037 Zürich,

                            gegen

B.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher
lic. iur. Hanspeter Thür, Igelweid 1, Postfach, 5001 Aarau,
Obergericht (5. Zivilkammer) des Kantons  A a r g a u,

                         betreffend
                rechtliches Gehör und Willkür
            (Schutz der ehelichen Gemeinschaft),

hat sich ergeben:

     Mit Urteil vom 27. Mai 1999 erkannte die Gerichtsprä-
sidentin 4 von Baden, die Eheleute A.________ und B.________
seien auf Grund von Art. 175 ZGB zum Getrenntleben auf un-
bestimmte Zeit berechtigt. Sie stellte die beiden Kinder
C.________, geboren am 4. September 1985, und D.________,
geboren am 16. Juni 1987, unter die Obhut der Mutter und
verplichtete A.________, an den Unterhalt der Kinder je
Fr. 600.-- im Monat und an denjenigen der Ehefrau Fr. 480.--
im Monat zu zahlen.

     A.________ erhob Beschwerde an das Obergericht des
Kantons Aargau und verlangte die Herabsetzung der Unterhalts-
beiträge auf Fr. 400.--, eventuell Fr. 425.--, subeventuell
Fr. 500.-- je Kind und Monat sowie auf Fr. 190.--, eventuell
Fr. 238.--, subeventuell Fr. 381.40 je Monat für die Ehefrau.

     Das Obergericht (5. Zivilkammer) hiess die Beschwerde
insofern teilweise gut, als es den B.________ persönlich
zugesprochenen Unterhaltsbeitrag neu auf monatlich Fr. 180.--
festsetzte (Dispositiv-Ziffer 1 lit. a); im Übrigen wies es
die Beschwerde ab (Dispositiv-Ziffer 1 lit. b).

     A.________ führt staatsrechtliche Beschwerde und bean-
tragt, Dispositiv-Ziffer 1 lit. a und b des obergerichtlichen
Entscheids aufzuheben und die Streitsache an die kantonale
Instanz zurückzuweisen; diese sei anzuweisen, bei der Bemes-
sung der Unterhaltsbeiträge an die Beschwerdegegnerin und die
beiden Kinder auf die Regeln des Bundesgesetzes über Ergän-
zungsleistungen zur AHV (ELG; SR 831.30), allenfalls auf das
an seinem Wohnort geltende betreibungsrechtliche Existenz-
minimum abzustellen. Ausserdem ersucht der Beschwerdeführer
darum, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unent-
geltliche Rechtspflege zu gewähren.

     Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt
worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Zulässig, aber überflüssig ist das Beschwerdebegeh-
ren, die Sache (zu neuer Beurteilung) an das Obergericht zu-
rückzuweisen: Sollte der Antrag auf Aufhebung des Entscheids
vom 20. September 1999 gutzuheissen sein, hätte die kantonale
Instanz - unter Berücksichtigung der Ergebnisse des vorlie-
genden Verfahrens und ohne ausdrückliche Anweisungen - neu zu
entscheiden (dazu BGE 117 Ia 119 E. 3c S. 126; 112 Ia 353
E. 3c/bb S. 354 mit Hinweis; vgl. auch BGE 122 I 250 E. 2
S. 251).

     2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es
habe die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende
Pflicht einer Behörde, ihre Entscheide zu begründen, ver-
letzt, weil es seinen ersten Eventualantrag, seine wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit nach den an seinem Wohnort
(Zürich) geltenden Regeln zum betreibungsrechtlichen Exis-
tenzminimum zu berechnen, ohne Begründung abgewiesen habe.

     a) Den Notbedarf der Parteien hatte die Eheschutzrich-
terin in Anwendung des Kreisschreibens des Aargauer Oberge-
richts vom 13. Dezember 1993 ermittelt. Das Obergericht hat
dieses Vorgehen als richtig erachtet und festgehalten, auch
die daraus resultierenden Berechnungen seien nicht zu bean-
standen. Die kantonale Beschwerdeinstanz hat in der Tat nicht
ausdrücklich dargelegt, weshalb das Existenzminimum des
Beschwerdeführers nicht nach den am Wohnort, d.h. in Zürich,

massgebenden (betreibungsrechtlichen) Richtlinien zu ermit-
teln sei.

     b) Bei der aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf
rechtliches Gehör (früher abgeleitet aus Art. 4 [a]BV, heute
ausdrücklich verankert in Art. 29 Abs. 2 [n]BV) sich erge-
benden Pflicht einer Behörde, ihre Entscheide zu begründen,
geht es darum, dass sich der vom Entscheid Betroffene über
dessen Tragweite ein Bild machen und ihn in voller Kenntnis
der Sache gegebenenfalls bei der oberen Instanz anfechten
kann; es besteht indessen kein Anspruch auf ausführliche
Begründung, namentlich darauf, dass auf jede Einwendung ein-
gegangen wird (dazu BGE 124 II 146 E. 2a S. 149 mit Hinweis;
119 Ia 264 E. 4d S. 269 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer
behauptet nicht, er sei wegen der von ihm gerügten Lückenhaf-
tigkeit der Begründung nicht in der Lage gewesen, gegen den
Entscheid des Obergerichts sachgerecht Beschwerde zu führen;
er hat ihn denn auch in diesem Punkt angefochten.

     Im Übrigen war aus der Begründung der an das Obergericht
gerichteten Beschwerde keineswegs klar hervorgegangen, dass
die Differenz zwischen dem von der Eheschutzrichterin mit gut
2'500 Franken und dem (im Jahr zuvor) vom Betreibungsamt
Zürich 3 mit 2'800 Franken eingesetzten Existenzminimum für
den Beschwerdeführer auf die im Kanton Zürich angeblich hö-
heren Lebenshaltungskosten zurückzuführen sei. Ein Vergleich
zwischen den beiden Berechnungen zeigt vielmehr, dass der
Unterschied vor allem daherrührt, dass das Betreibungsamt
einen Zuschlag von 300 Franken gewährt hatte für Mehrkosten
auswärtiger Verpflegung; dieser Zuschlag hatte offensichtlich
nichts mit ortsbedingten höheren Lebenshaltungskosten zu tun.
Zu diesem Punkt wie auch zu den andern teilweise unterschied-
lich berücksichtigten, wenn auch weniger ins Gewicht fallen-
den, Positionen hatte sich der Beschwerdeführer in der kan-
tonalen Beschwerde überhaupt nicht geäussert. Unter diesen

Umständen bestand für das Obergericht keine Veranlassung, auf
die vom Beschwerdeführer hervorgehobene und einzig mit der
unterschiedlichen Höhe der Lebenshaltungskosten begründete
Differenz in den Notbedarfsermittlungen einzugehen. Die Rüge
der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist auch aus dieser
Sicht unbegründet.

     3.- Die Ermittlung seines Notbedarfs nach den für das
betreibungsrechtliche Existenzminimum geltenden Richtlinien
statt, wie von ihm beantragt, nach den für die Bemessung der
Ergänzungsleistungen zur AHV massgebenden Grundlagen rügt der
Beschwerdeführer als willkürlich, da es vorliegend um die für
eine unbestimmte Zeit geltende Regelung der Trennungsfolgen,
nicht um eine längstens ein Jahr dauernde Lohnpfändung gehe.

     a) Die schweizerische Rechtsordnung kennt verschiedene
Bemessungsregeln zur Festsetzung des Existenzminimums, so na-
mentlich den betreibungsrechtlichen Notbedarf gemäss Art. 93
SchKG, der durch die Richtlinien der Konferenz der Betrei-
bungs- und Konkursbeamten der Schweiz konkretisiert wird,
oder das fürsorgerechtliche Existenzminimum, das in der Pra-
xis häufig auf Grund der von der Schweizerischen Konferenz
für öffentliche Fürsorge (SKöF) herausgegebenen Richtlinien
bemessen wird. Eine eigene Umschreibung der Bedarfsbedingun-
gen bzw. der anzuerkennenden Ausgaben findet sich in dem vom
Beschwerdeführer angerufenen ELG (SR 831.30), wonach Leistun-
gen zu entrichten sind, die erlauben sollen, den Existenz-
bedarf des Rentenbezügers zusammen mit den von AHV und IV
erbrachten Leistungen angemessen zu decken (Art. 34quater
Abs. 2 dritter Satz aBV und Art. 11 ÜbBest.aBV bzw. Art. 112
Abs. 2 lit. b und Art. 196 Ziff. 10 nBV).

     b) Im Zusammenhang mit der Festsetzung einer Bedürftig-
keitsrente (Art. 152 ZGB) hat das Bundesgericht - in einem

Berufungsverfahren und damit bei freier Kognition - erklärt,
es gehe nicht an, bei der Bedarfsermittlung die SKöF-Richt-
linien statt der für das Betreibungsrecht geltenden Grund-
sätze anzuwenden (BGE 121 III 49 E.1c S. 51). Der Beschwer-
deführer setzt sich mit diesem Entscheid nicht auseinander
und legt auch nicht etwa dar, inwiefern die Verhältnisse hier
anders lägen als im Fall, der vom Bundesgericht im erwähnten
Urteil zu beurteilen war. Seine Ausführungen sind zudem rein
appellatorischer Natur und daher von vornherein nicht geeig-
net aufzuzeigen, dass die Bemessung nach den - ohnehin nicht
schematisch anzuwendenden - betreibungsrechtlichen Richt-
linien vollkommen unhaltbar sein soll (dazu BGE 117 Ia 10
E. 4b S. 11 f. mit Hinweisen). Insbesondere versäumt der
Beschwerdeführer, detailliert anzugeben (vgl. BGE 123 III 261
E. 4a S. 270; 122 I 70 E. 1c S. 73 mit Hinweisen), welche
Positionen bei der Bedarfsermittlung in willkürlicher Weise
unberücksichtigt geblieben sein sollen und weshalb der ange-
fochtene Entscheid auch im Ergebnis vollkommen unhaltbar sein
soll (dazu BGE 124 I 247 E. 5 S. 250 mit Hinweisen).

     c) Offensichtlich verfehlt ist die in diesem Zusammen-
hang erhobene weitere Rüge der Verletzung der persönlichen
Freiheit und der Menschenwürde: Der Unterhaltsschuldner,
dessen Notbedarf gedeckt ist, hat keinen verfassungsrechtlich
geschützten Anspruch auf einen Betrag zur freien Verfügung,
der zu Lasten seiner bereits unter dem Existenzminimum le-
benden Familie ginge.

     4.- Willkür erblickt der Beschwerdeführer schliesslich
auch darin, dass, wenn schon die Richtlinien für den betrei-
bungsrechtlichen Notbedarf herangezogen worden seien, nicht
auf die für seinen Wohnkanton, Zürich, gültigen Ansätze ab-
gestellt worden sei, betrage doch sein Existenzminimum, wie
sich aus einer Pfändungsurkunde des Betreibungsamtes Zürich 3

vom 25. November 1998 ergebe, 2'800 Franken. Was die Diffe-
renz zwischen diesem Betrag und dem von der Eheschutzrich-
terin auf Grund des Kreisschreibens des Obergerichts des Kan-
tons Aargau ermittelten Betrag von gut 2'500 Franken wie auch
die Vorbringen des Beschwerdeführers im kantonalen Beschwer-
deverfahren betrifft, ist auf das oben in Erw. 2b in dieser
Hinsicht Ausgeführte zu verweisen. Auch in der staatsrechtli-
chen Beschwerde begnügt sich der Beschwerdeführer mit dem
undifferenzierten Hinweis auf die um rund 300 Franken vonein-
ander abweichenden Beträge. Zu bemerken ist allerdings, dass
er wegen des grundsätzlichen Novenverbots (dazu BGE 119 II 6
E. 4a S. 7; 118 Ia 20 E. 5a S. 26, mit Hinweisen) seine Be-
gründung im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht hätte erwei-
tern können. Auf die Beschwerde ist demnach auch in diesem
Punkt nicht einzutreten.

     5.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesag-
ten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Sie erschien
von vornherein als aussichtslos. Das Gesuch des Beschwerde-
führers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unent-
geltliche Rechtspflege zu gewähren, ist deshalb abzuweisen
(vgl. Art. 152 Abs. 1 OG), und es ist die Gerichtsgebühr dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine
Vernehmlassungen eingeholt worden sind, sind der Beschwerde-
gegnerin keine Kosten erwachsen, so dass für die Zusprechung
einer Parteientschädigung kein Anlass besteht.

              Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:
              _________________________________

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
(5. Zivilkammer) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

                       _______________

Lausanne, 17. Januar 2000

             Im Namen der II. Zivilabteilung des
               SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:              Der Gerichtsschreiber: