Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.430/1999
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5P.430/1999/min

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       31. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivil-
abteilung, Bundesrichter Weyermann, Bundesrichter Merkli und
Gerichtsschreiber von Roten.

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                          In Sachen

Z.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Adrian Rüesch, Oberer Graben 43, 9000 St. Gallen,

                            gegen

P.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechts-
anwalt Hubert Gmünder, Poststrasse 23, 9001 St. Gallen,
Kantonsgericht  S t.  G a l l e n,  Einzelrichter für Rekurse
SchKG,

                         betreffend
                 Art. 4 aBV (Arrestkaution),

         wird festgestellt und in Erwägung gezogen:

     1.- Am 1. Oktober 1993 erwirkte die P.________ AG gegen
den im Fürstentum Liechtenstein wohnhaften Z.________ einen
Arrest für die Forderungssumme von Fr. 5'407'305.--. Als For-
derungsgrund nennt der Arrestbefehl "Werklohn für Überbauung
X.________ gemäss den beiden Subgeneralunternehmerverträgen
vom 22.7.1986". Verarrestiert wurde der hälftige Miteigen-
tumsanteil des Schuldners an sieben Wohnungen und an zehn
Autoeinstellplätzen auf dem Grundstück Nr. ..., Grundbuchamt
St. Gallen (Stockwerkeigentumsanteile Grundstück Nrn. ...
sowie Autoeinstellhalle Grundstück Nr. ..., und zwar die
Plätze Grundstück Nrn. ... ).

        Der rechtzeitig eingeleitete Arrestprosequierungs-
prozess ist hängig. Am 28. Mai 1999 stellte Z.________ das
Gesuch, den Arrest aufzuheben, eventuell die P.________ AG zu
einer Sicherheitsleistung von mindestens 2 Mio. Franken zu
verpflichten. Seine Begehren blieben erfolglos; in zweiter
Instanz wies der Einzelrichter am Kantonsgericht St. Gallen
seinen Rekurs ab (Entscheid vom 25. Oktober 1999).

        Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 4 aBV beantragt Z.________ dem Bundesgericht, den
Rekursentscheid aufzuheben und die Streitsache zur Neubeur-
teilung hinsichtlich der Sicherheitsleistung an den Einzel-
richter für Rekurse SchKG am Kantonsgericht zurückzuweisen.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

     2.- Der kantonal letztinstanzliche Entscheid über die
Pflicht des Gläubigers zur Sicherheitsleistung im Sinne von
Art. 273 Abs. 1 SchKG (sog. Arrestkaution) unterliegt der
staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 aBV

(Art. 87 OG; BGE 93 I 278 E. 3 S. 281; vgl. BGE 115 III 125
E. 1a, in: SJ 1990 S. 242 f., und Urteil des Bundesgerichts
vom 23. August 1994, E. 1, in: Zeitschrift für Walliser
Rechtsprechung, ZWR 1995 S. 188). Der Rückweisungsantrag ist
überflüssig, soweit er nicht bloss verdeutlicht, dass die
Aufhebung des angefochtenen Rekursentscheids nur insoweit
verlangt wird, als das Begehren um Sicherheitsleistung ab-
gewiesen worden ist. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen
geben zu keinen Bemerkungen Anlass, wobei auf die formellen
Anforderungen an die Beschwerdeschrift bei der Beurteilung
der einzelnen Rügen zurückzukommen sein wird (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG; allgemein: BGE 125 I 71 E. 1c S. 76; 122 I 70
E. 1c S. 73, je mit Hinweisen).

     3.- Der Einzelrichter hat das Bestehen einer Arrestfor-
derung gestützt auf eine Expertise W.________ als wahrschein-
lich angesehen. Der Beschwerdeführer wendet dagegen eine
Verweigerung des rechtlichen Gehörs ein.

        a) Abweichende Gesetzesvorschrift vorbehalten
(z.B. für den Vermittler, Art. 133 Abs. 1 ZPO/SG), kann ein
Richter im Prozess über eigene Wahrnehmungen zum Zwecke der
Feststellung von Tatsachen, mithin als Zeuge, einvernommen
werden (vgl. etwa Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zür-
cherischen Zivilprozessordnung, 3.A. Zürich 1997, N. 1a vor
§ 157 und N. 2 zu § 165). Nicht auf eigener Wahrnehmung be-
ruht, sondern als vorläufige und unpräjudizierliche Auffas-
sung gilt, was der Richter in einer Vorverhandlung, Referen-
tenaudienz oder Vergleichsverhandlung hinsichtlich der strei-
tigen Tat- und Rechtsfragen äussert (z.B. Levi, Der Richter
als Vermittler, SJZ 63/1967 S. 255 ff.; Temperli, Vom Verbot
des Berichtens, FS von Castelberg, Zürich 1997, S. 245 ff.,
S. 257). Blosse Meinungsäusserung, ist eine solche Aussage
nicht geeignet, über eine strittige Tatsache Beweis zu er-
bringen; diesen "Zeugen" nicht einzuvernehmen, bedeutet keine

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, der nur die
Berücksichtigung erheblicher und tauglicher Beweismittel-
anträge garantiert (BGE 117 Ia 262 E. 4b S. 268/269; allge-
mein: BGE 124 V 372 E. 3b S. 375 mit Hinweisen). Der Einzel-
richter hat den verfassungsmässigen Beweisanspruch des Be-
schwerdeführers daher nicht verletzt, indem er den Bezirks-
gerichtspräsidenten, der sich anlässlich der Vorbereitungs-
verhandlung im hängigen Forderungsprozess über die Expertise
W.________ in einer bestimmten Richtung geäussert haben soll,
weder als Zeugen einvernommen noch einen Amtsbericht zu
dessen Äusserungen eingeholt hat.

        b) Unter dem Titel der Verweigerung des rechtlichen
Gehörs rügt der Beschwerdeführer ferner, der Einzelrichter
habe die Tatsache gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass
der Gutachter W.________ zwei Minderkostenpositionen ver-
gessen habe (unter Hinweis auf S. 12 der Rekursschrift und
das dort angegebene Beweismittel). Der Einzelrichter hat
dieses Vorbringen indessen nicht übersehen und wörtlich
ausgeführt: "Dieser Betrag (scil. eine Forderung zu Gunsten
der P.________ AG von Fr. 743'288.--) kann als glaubhaft
gemacht betrachtet werden, auch wenn seitens Z.________
dagegen noch gewisse Einwendungen erhoben worden sind
(2 Positionen Minderkosten; Teuerung)" (S. 12 des angefoch-
tenen Entscheids). Ob die beiden Minderkostenpositionen an
der Glaubhaftigkeit jener Forderung etwas änderten, ist somit
nicht eine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der richti-
gen bzw. willkürfreien Beweiswürdigung, die der Beschwerde-
führer in diesem Zusammenhang nicht anficht (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG).

        c) Eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs erblickt
der Beschwerdeführer schliesslich darin, dass es der Einzel-
richter abgelehnt habe, Akten aus dem Hauptprozess beizuzie-
hen. Der Einzelrichter hat dazu ausgeführt, es könne nicht
Aufgabe des Rekursrichters sein, Akten aus dem Hauptprozess

zu edieren, wenn diese Akten ohne Weiteres auch von der sich
darauf berufenden Partei hätten eingereicht werden können.
Inwiefern dieser Standpunkt als verfassungswidrig erscheinen
könnte, namentlich der Einzelrichter seinen Editionsanspruch
verletzt haben soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); er behauptet lediglich, die Akten
befänden sich beim Bezirksgericht und nicht vollständig bei
den Parteien, doch ist dieser Einwand mit Blick auf die zum
Beweis verlangten Akten nicht stichhaltig (vgl. S. 13 der Re-
kursschrift: Klageschrift, Replik sowie bekl.act. 35 und 60)
und hätte zumindest näher begründet werden müssen. Urkunden
aber, die sich in eigenen Händen befinden, hat der Beweisfüh-
rer selber dem Gericht einzureichen (sog. Realproduktion;
statt vieler: Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht,
3.A. Zürich 1979, S. 330 und S. 418); eine gerichtliche Edi-
tion darf er nicht für Urkunden beanspruchen, die er ohne
amtliche Hilfe selbst beschaffen kann (z.B. Frank/Sträuli/
Messmer, N. 5 zu § 183 ZPO/ZH). Eine Bestimmung kantonalen
Rechts, die der Einzelrichter mit seiner Vorgehensweise ver-
letzt haben könnte, nennt der Beschwerdeführer nicht (Art. 90
Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 110 Ia 1 E. 2b S. 4; 113 Ia 161
E. 3 S. 163; 118 Ia 112 E. 2c S. 118).

     4.- Der Einzelrichter ist davon ausgegangen, dass eine
hohe Wahrscheinlichkeit für den Bestand einer Arrestforderung
spreche, und zwar im Betrag von mindestens ca. Fr. 660'000.--
zuzüglich Zinsen. Dies bedeute, dass sich der Arrest mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit im diesen Betrag überstei-
genden Umfang als rechtswidrig erweisen könnte. Es sei des-
halb zu prüfen, ob und in welchem Umfang dem Gesuchsteller
und heutigen Beschwerdeführer daraus Schaden erwachse. Der
Einzelrichter hat diese Frage verneint und das Begehren um
Sicherheitsleistung mangels Wahrscheinlichkeit eines Schadens
abgewiesen. Der Beschwerdeführer rügt diese Beurteilung als
willkürlich.

        a) Die Arrestkaution bezweckt, die Schadenersatzan-
sprüche sicherzustellen, die aus ungerechtfertigtem Arrest
erwachsen und ihre Grundlage in der Nichtverfügbarkeit der
arrestierten Güter haben (BGE 113 III 94 E. 11a S. 102; zit.
Urteil, E. 2b, in: ZWR 1995 S. 189); ob es angebracht ist,
die Sicherheitsleistung anzuordnen oder zu erhöhen, bestimmt
die kantonale Behörde frei und allein unter dem Vorbehalt des
Verbots der Willkür (BGE 112 III 112 E. 2c S. 115; zit. Ur-
teil, E. 2a, in: ZWR 1995 S. 189). Dass die Verpflichtung
dazu eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Entstehen eines
Schadens voraussetzt, entspricht der bisherigen kantonalen
Praxis, die das Bundesgericht im Rahmen von Willkürbeschwer-
den nicht beanstandet hat (z.B. Luzern, LGVE 1978 I S. 510
Nr. 450; Zürich und Urteil des Bundesgerichts vom 19. April
1983, in: ZR 83/1984 S. 80 ff. Nr. 26; vgl. etwa Walder, Fra-
gen der Arrestbewilligungspraxis, Zürich 1982, N. 82 S. 40;
E. Meier, Die Sicherheitsleistung des Arrestgläubigers (Ar-
restkaution) gemäss SchKG 273 I, Diss. Zürich 1977, S. 6 f.;
kritisch: Gasser, Das Abwehrdispositiv der Arrestbetroffenen
nach revidiertem SchKG, ZBJV 130/1994 S. 582 ff., S. 611 bei
Anm. 137). In rechtlicher Hinsicht bringt der Beschwerdefüh-
rer nichts vor, was geeignet wäre, diese Praxis zu überden-
ken. Er macht vielmehr geltend, der Einzelrichter sei in-
sofern in Willkür verfallen, als er nur den eingetretenen
Schaden berücksichtigt, den bevorstehenden oder künftig
drohenden hingegen ausser Betracht gelassen habe; der Be-
schwerdeführer schliesst dies nicht aus den rechtlichen
Erwägungen im angefochtenen Entscheid, sondern aus der
Beurteilung in der Sache.

        b) Der Einzelrichter hat es als im Grundsatz nach-
vollziehbar bezeichnet, dass Entschädigungsansprüche infolge
der Unverkäuflichkeit der verarrestierten Miteigentumsanteile
bestehen könnten, und die Gründe dargelegt, weshalb der Ver-
kauf der Wohnungen bislang offensichtlich nicht am Arrest
gescheitert sei; es fehlten jegliche Anhaltspunkte für wegen

des Arrests bereits entstandene Schwierigkeiten. Mit den vom
Einzelrichter angeführten Gründen setzt der Beschwerdeführer
sich nicht auseinander, sondern wiederholt einfach seine im
kantonalen Verfahren aufgestellten Behauptungen und versucht,
nunmehr dem Bundesgericht seinen Schaden glaubhaft zu machen;
eigene Sachdarstellung, die naturgemäss nicht mit den vom
Sachrichter gezogenen Schlüssen übereinstimmt, ist nicht ge-
eignet, Willkür in dessen Beweiswürdigung darzutun (BGE 116
Ia 85 E. 2b S. 88 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer
geltend macht, es gehe um das ihm drohende, enorme Schadenpo-
tenzial und nicht um bereits eingetretenen Schaden, kann hier
nachgetragen werden (BGE 124 Ia 208 E. 4a S. 211; 112 Ia 166
E. 3f S. 172 mit Hinweis), dass die Voraussetzungen für eine
Arrestkaution glaubhaft gemacht werden müssen (BGE 112 III
112 E. 2b S. 115; zit. Urteil, E. 2a, in: ZWR 1995 S. 189),
dass damit - wenn auch nicht der strikte Beweis - mehr ver-
langt wird als blosse Behauptungen (allgemein: BGE 120 II 393
E. 4c S. 398) und dass dieses Erfordernis auch für die zuge-
gebenermassen schwierig abschätzbare Wahrscheinlichkeit künf-
tigen Schadeneintritts gilt (vgl. zit. Urteil, E. 2b, in: ZWR
1995 S. 189, betreffend Urteilsbegründung in diesem Punkt).
Die Vorbringen des Beschwerdeführers dürfen dazu willkürfrei
als nicht geeignet betrachtet werden; mehr als Parteibehaup-
tungen sind nicht ersichtlich.

        c) Anerkannt hat der Einzelrichter eine Gegenforde-
rung des Beschwerdeführers für Vertretungskosten in bisheri-
gen Verfahren; diese Position werde sich aber im Prosequie-
rungsverfahren verrechnen lassen, wobei mit Rücksicht darauf,
dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Arrestforde-
rung von mindestens Fr. 660'000.-- zuzüglich Zinsen geschützt
werden könnte, der Beschwerdeführer auch bei einem entspre-
chend der Wahrscheinlichkeit bloss teilweisen Schutz kein
Schaden erwachsen sollte. Was der Beschwerdeführer dagegen-
hält, vermag den Entscheid nicht als im Ergebnis willkürlich
erscheinen zu lassen: Die von ihm angeführte Praxis, wonach

die Sicherheitsleistung in Prozenten der Arrestforderung oder
des Wertes der Arrestgegenstände bestimmt werde, entspricht
von vornherein nicht der Auffassung des Bundesgerichts, dass
die Arrestkaution allein nach dem eventuellen Schaden zu be-
stimmen ist (BGE 113 III 94 E. 12 S. 104; zit. Urteil, E. 2b,
in: ZWR 1995 S. 189; Gasser, a.a.O., S. 611 f. bei Anm. 138);
gegen die Annahme der Verrechenbarkeit lässt sich bei einem
mutmasslichen Schaden im Umfang der angeblich rechtskräftig
festgelegten Vertretungskosten von rund Fr. 145'000.-- nichts
einwenden.

     5.- Der Beschwerdeführer unterliegt und wird damit kos-
tenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, so-
weit darauf einzutreten ist.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsge-
richt St. Gallen (Einzelrichter für Rekurse SchKG) schrift-
lich mitgeteilt.
                        _____________

Lausanne, 31. Januar 2000

               Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
        Der Präsident:         Der Gerichtsschreiber: