Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.393/1999
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5P.393/1999/bnm

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       11. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivil-
abteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Nordmann
sowie Gerichtsschreiber Zbinden.

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                          In Sachen

Z.________ Kranken- und Unfallversicherung, Beschwerde-
führerin,

                            gegen

Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Ueli Sommer, c/o Walder Wyss & Partner, Rechtsanwälte,
Münstergasse 2, Postfach 4081, 8022 Zürich,
Obergericht des Kantons  S c h a f f h a u s e n,

                    betreffend Art. 4 aBV
      (Parteientschädigung im Rechtsöffnungsverfahren),

hat sich ergeben:

     A.- Am 4. März 1999 stellte die Z.________ Kranken- und
Unfallversicherung (nachfolgend: Gesuchstellerin oder Be-
schwerdeführerin) beim Bezirksrichter Schaffhausen gegen
Y.________ (nachfolgend: Gesuchsgegnerin oder Beschwerde-
gegnerin) in der Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes
Schaffhausen ein Begehren um provisorische Rechtsöffnung für
Prämien von insgesamt Fr. 246.-- nebst Zins zu 5% seit dem
1. Januar 1998; am 28. Mai 1999 zog sie das Begehren nach
Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels zurück. Der
Bezirksrichter schrieb am 7. Juni 1999 das Verfahren als
erledigt ab, überband die Gerichtskosten der Gesuchstellerin
und verpflichtete diese ausserdem, die Gesuchsgegnerin mit
Fr. 5'472.60 prozessual zu entschädigen. Mit Entscheid vom
24. September 1999 setzte das Obergericht des Kantons Schaff-
hausen in teilweiser Gutheissung eines Rekurses der Gesuch-
stellerin die prozessuale Entschädigung neu auf Fr. 3'982.70
fest.

     B.- Die Gesuchstellerin hat staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 4 aBV erhoben mit den Antrag, den
Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Die Gesuchsgegnerin
schliesst dahin, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei
nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen; das Ober-
gericht hat auf einen Antrag verzichtet, jedoch auf die Er-
wägungen des angefochtenen Entscheides verwiesen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe in
ihrer Rekursschrift an das Obergericht ausgeführt, dass das
Anwaltsbüro Walder Wyss & Partner insgesamt 22 Versicherte
vertreten habe, für welche sie (die Beschwerdeführerin) die
Prämien der Zusatzkrankenversicherung eingefordert habe; alle
Fälle hätten den gleichen Sachverhalt betroffen. Der Anwalt
der Beschwerdegegnerin, Mitglied der besagten Kanzlei, habe
zwar in der Vernehmlassung erklärt, der Fall der Beschwerde-
führerin sei als erster rechtshängig gewesen, weshalb es sich
rechtfertige, den ganzen Aufwand im Rahmen dieses Falles gel-
tend zu machen. Das Obergericht habe es indessen unterlassen,
ihr (der Beschwerdeführerin) Gelegenheit zur Stellungnahme zu
diesem Vorbringen einzuräumen. Dazu sei zu bemerken, dass sie
(die Beschwerdeführerin) bereits am 3. März 1999 bzw. am 16.
März 1999 je ein Rechtsöffnungsbegehren gegen andere Versi-
cherte gestellt habe, wobei diese Verfahren im Kanton Zürich
durchgeführt worden seien. Erwähnenswert sei hierbei, dass
zum Zeitpunkt der ersten Stellungnahme von Rechtsanwalt Som-
mer im Verfahren der Beschwerdegegnerin der Entscheid des
ersten im Kanton Zürich angehobenen Verfahrens bereits vor-
gelegen habe. Im Übrigen habe der Anwalt der Beschwerdegeg-
nerin gegenüber dem Vertreter der Beschwerdeführerin einge-
räumt, dass er den Aufwand im Kanton Schaffhausen geltend
gemacht habe, weil dort im Gegensatz zum Kanton Zürich der
Anwaltstarif zur Anwendung gelange. Aus all dem erhelle, dass
der zeitliche Aufwand von 20 Stunden nicht nur mit dem Fall
der Beschwerdegegnerin in Verbindung stehen könne. Das Ober-
gericht sei indessen im angefochtenen Entscheid mit keinem
Wort auf dieses Vorbringen eingegangen und habe damit das
rechtliche Gehör verletzt.

        a) Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sach-
aufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezo-
genes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar,
welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu
gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Er-
lass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides
zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Ein-
sicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise
entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis
zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu be-
einflussen (BGE 115 Ia 11 E. 2b mit Hinweisen; 116 Ia 99
E. 3b; 118 Ia 17 E. 1c ). Aus Art. 4 aBV lässt sich überdies
ein Recht auf Replik ableiten, sofern in der Beschwerdeant-
wort neue und erhebliche Gesichtspunkte geltend gemacht wer-
den, zu denen der Beschwerdeführer noch keine Stellung nehmen
konnte (BGE 111 Ia 3).

        b) Der Beschwerdeführerin war von Anfang an bekannt,
dass das Anwaltsbüro Walder Wyss & Partner mehrere Versicher-
te vertrat, und sie konnte somit auch wissen, dass der Fall
der Beschwerdegegnerin als erster hängig gemacht worden ist.
Damit aber wäre es ihr auch möglich gewesen, bereits in der
Rekursschrift ausführlich zu diesem Problemkreis Stellung zu
nehmen, und es trifft damit auch nicht zu, dass sie von den
Ausführungen der Beschwerdegegnerin überrascht, d.h. mit
einem völlig neuen Gesichtspunkt konfrontiert worden ist. Im
Übrigen wurde ihr die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin am
23. August 1999, mithin fast einen Monat vor dem Datum des
Entscheides, zur Kenntnisnahme zugestellt, so dass sie über
reichlich Zeit verfügt hat, einen weiteren Schriftenwechsel
zu beantragen. Das hätte sie denn auch tun müssen, wenn die
Stellungnahme der Beschwerdegegnerin angeblich Grund für
einen weiteren Schriftenwechsel geboten hat. Damit aber kann
von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Rede sein.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den Verfahren in
Zürich und zum Grund, weshalb der Aufwand im Kanton Schaff-
hausen geltend gemacht worden sei, erweisen sich als neu und
unzulässig (BGE 118 III 37 E. 2a S. 39), zumal die Beschwer-
deführerin nicht dartut, geschweige denn belegt, dass sie die
entsprechenden Einwendungen bereits im kantonalen Verfahren
dem kantonalen Prozessrecht entsprechend vorgetragen hat.

     2.- Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass
Art. 62 Abs. 1 GebVSchKG dem Obergericht bei der Gewährung
von Parteientschädigungen ein Ermessen einräumt; sie macht
aber geltend, das Obergericht habe sein Ermessen angesichts
des Rechtsöffnungsverfahrens betreffend Prämienansprüche in
der Höhe von Fr. 246.-- eindeutig überschritten, indem die
Parteientschädigung auf Fr. 3'982.70 festgesetzt worden sei.
Der Vorwurf erweist sich als begründet:

        a) Nach Art. 62 Abs. 1 der Gebührenverordnung vom
23. September 1996 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs (SR 281.35; GebVSchKG) kann der Richter der obsiegen-
den Partei für Zeitversäumnisse und Auslagen auf Kosten der
unterliegenden Partei eine angemessene Entschädigung zuspre-
chen. Das Bundesgericht hat bereits in seiner Rechtsprechung
zum inhaltlich praktisch gleichlautenden Art. 68 Abs. 1
GebVSchKG vom 7. Juli 1971 erkannt, dass als Auslagen im
Sinne dieser Bestimmung namentlich auch die Kosten zu berück-
sichtigen seien, die der obsiegenden Partei durch die bei
objektiver Würdigung notwendig erscheinenden Inanspruchnahme
eines Anwaltes entstehen (BGE 113 III 110 E. 3b; 119 III 68
E. 3a). Dabei gilt der Anwalt dann als angemessen entschä-
digt, wenn sein zeitlicher Aufwand, die Schwierigkeit der
sich stellenden Rechtsfragen und die mit dem Fall verbundene
Verantwortung, die sich auch in der Höhe des Streitwertes
zeigen kann, berücksichtigt werden. Diese Beurteilung erfolgt

in Anwendung von Bundesrecht (Art. 62 Abs. 1 GebVSchKG), wes-
halb der kantonale Anwaltstarif zwar hilfsweise beizuziehen
ist, ohne dass aber dessen Ansätze unbesehen zu übernehmen
sind. Die sich aus einem solchen Tarif ergebende Entschädi-
gung muss den vom Anwalt erbrachten Diensten und den Umstän-
den des Einzelfalles gerecht werden (vgl. dazu BGE 119 III 68
E. 3b)

        b) Auch wenn der Fall gewisse nicht alltägliche
Schwierigkeiten aufgeworfen haben mag, so ist dabei zu beden-
ken, dass es nicht um einen Forderungsstreit, sondern um ein
Rechtsöffnungsverfahren ging, welches im Übrigen auch noch
einen geringen Streitwert aufwies. Nun hebt der Anwalt der
Beschwerdegegnerin seinerseits hervor, in diesem Verfahren
sei im Vordergrund gestanden, ob ein fünfjähriger Kündigungs-
ausschluss zulässig sei. Damit verkennt er indessen den Sinn
dieses Verfahrens, in dem diese Frage nicht abschliessend zu
behandeln ist. Der Rechtsöffnungsentscheid spricht sich nicht
über die materielle Begründetheit einer Forderung aus, son-
dern er hat rein betreibungsrechtliche Wirkung und das auch
nur für die hängige Betreibung (Amonn/Gasser, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. Bern 1997 § 19
N. 22, S. 120; Gilliéron, Poursuite pour dettes, faillite et
concordat, 3. Aufl. 1993, Kapitel V, § 1, Ziff. 6, S. 143
f.). Angesichts des Streitwertes von Fr. 246.-- erweist sich
eine Parteientschädigung von Fr. 3'982.70 als offensichtlich
unverhältnismässig. Das Obergericht hat demnach das ihm ein-
geräumte Ermessen in krasser Weise überschritten.

        c) Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach gut-
zuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der
angefochtene Entscheid aufzuheben. Das Obergericht wird neu
über die Parteientschädigung zu entscheiden und dabei nebst
der Schwierigkeit des Falles insbesondere auch der anwaltli-
chen Verantwortung Rechnung zu tragen und dabei für ein ange-

messenes Verhältnis zwischen Streitwert und Honorar zu sorgen
haben.

     3.- Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdegeg-
nerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Die nicht anwalt-
lich vertretene Beschwerdeführerin hat keine anderen Auslagen
ausgewiesen, und es liegen auch keine besonderen Verhältnisse
vor, welche die Zusprechung einer Parteientschädigung an die
Beschwerdeführerin rechtfertigen würden (BGE 109 Ia 5 E. 5
S. 11 f.; 113 Ia 353 E. 6b S. 357).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen,
soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid des Oberge-
richts des Kantons Schaffhausen vom 24. September 1999 wird
aufgehoben.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Be-
schwerdegegnerin auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.

                       _______________

Lausanne, 11. Januar 2000

             Im Namen der II. Zivilabteilung des
               SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:             Der Gerichtsschreiber: