Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.342/1999
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 1999
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 1999


5P.342/1999/min

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
              ********************************

                       6. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivil-
abteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Merkli und
Gerichtsschreiber Mazan.

                          ---------

                          In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat
Dr. Stefan Suter, Clarastrasse 56, 4021 Basel,

                            gegen

Fürsorgebehörde der Politischen Gemeinde  S t.  G a l l e n,
9004 St. Gallen, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rodolphe Dettwiler, Fürsorgeamt St. Gallen, Brühlgasse 1,
9004 St. Gallen,
Kantonsgericht  S t.  G a l l e n  (II. Zivilkammer),

                         betreffend
        Art. 4 und 59 aBV (Verwandtenunterstützung),

         wird festgestellt und in Erwägung gezogen:

     1.- Die in St. Gallen wohnhafte B.________ (1954) ist
Mutter der fünf Kinder C.________ (1984), D.________
(1986), E.________ (1988) sowie der Zwillinge F.________ und
G.________ (1992). Am 9. September 1994 wurde B.________ von
ihrem Ehemann A.________, Vater der drei Kinder C.________,
D.________ und E.________, geschieden. H.________, Vater der
Zwillinge F.________ und G.________, verpflichtete sich, ab
1. November 1995 an den Unterhalt der Zwillinge monatlich je
Fr. 300.- zu bezahlen, welche Pflicht während des Zusammen-
lebens mit der Mutter auch durch Haus- und Betreuungsarbeit
getilgt werden könne. Für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis
zum 31. Juli 1996 sind B.________ sowie ihren fünf Kindern
effektive Fürsorgeleistungen von insgesamt Fr. 55'391.20
ausbezahlt worden. Seit dem 1. August 1996 muss B.________
nicht mehr fürsorgerechtlich unterstützt werden.

        Am 12. Juni 1995 klagte die Politische Gemeinde
St. Gallen gegen die geschiedenen Eltern von B.________ - den
in Basel wohnhaften X.________ und die in Muttenz wohnhafte
Y.________ - auf Bezahlung von Fr. 55'391.20. Mit Urteil vom
20. August 1997 verpflichtete das Bezirksgericht St. Gallen
X.________ zur Bezahlung von Fr. 17'425.80 und Y.________ zur
Bezahlung von Fr. 34'851.40. Gegen dieses Urteil erhoben
sowohl X.________ als auch Y.________ Berufung ans Kantonsge-
richt St. Gallen. Mit Entscheid vom 7. Juli 1999 verpflich-
tete das Kantonsgericht X.________, der Politischen Gemeinde
St. Gallen Fr. 17'425.80 zu bezahlen. Demgegenüber wurde die
Klage gegen Y.________ abgewiesen.

        Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 15. September
1999 beantragt X.________ dem Bundesgericht im Wesentlichen,
den Entscheid des Kantonsgerichtes St. Gallen vom 7. Juli
1999 aufzuheben und das Kantonsgericht anzuweisen, die Klage
der Politischen Gemeinde St. Gallen abzuweisen. Auf die Ein-
holung von Vernehmlassungen wurde verzichtet.

        In der gleichen Sache gelangt X.________ auch mit
Berufung ans Bundesgericht.

     2.- Erhebt eine Partei gleichzeitig staatsrechtliche
Beschwerde und Berufung, so ist in der Regel zuerst über die
staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und der Entscheid
über die Berufung wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Der
Beschwerdeführer verlangt zwar, das vorliegende Verfahren bis
zur Erledigung der Berufung zu sistieren, legt aber nicht
dar, aus welchen Gründen von der Regel abzuweichen sei. Da
keine Gründe ersichtlich sind, zuerst die Berufung zu behan-
deln, ist vorab über die staatsrechtliche Beschwerde zu ent-
scheiden.

     3.- Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
freier Kognition, ob und inwieweit auf ein Rechtsmittel ein-
zutreten ist (BGE 124 I 223 E. 1 S. 224 m.w.H.).

        a) Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um
einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, da eine Nich-
tigkeitsbeschwerde ans kantonale Kassationsgericht nicht zur
Verfügung steht (Art. 238 lit. a und b ZPO/SG). Insoweit ist
die staatsrechtliche Beschwerde zulässig.

        b) Unzulässig ist die Beschwerde hingegen insoweit,
als die Beschwerdeführerin beantragt, die Vorinstanz sei an-

zuweisen, die Klage der Beschwerdegegnerin abzuweisen. Die
staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht zutreffenden
Ausnahmen abgesehen - kassatorischer Natur (BGE 120 Ia 256
E. 1b S. 257 m.w.H.), so dass die Anträge, mit denen mehr als
die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt wird,
unzulässig sind.

        c) Sodann ist auf die Beschwerde auch insoweit nicht
einzutreten, als der Beschwerdeführer eine Verletzung von
Art. 59 aBV geltend macht, weil er an seinem Wohnsitz im
Kanton Basel-Stadt hätte eingeklagt werden müssen und die
Behörden des Kantons St. Gallen nicht zuständig seien. Das
Kantonsgericht hat seine örtliche Zuständigkeit aus bundes-
rechtlichen Zuständigkeitsvorschriften abgeleitet (Art. 329
Abs. 3 in Verbindung mit Art. 279 Abs. 2 ZGB). Diesbezüglich
stehe die Berufung zur Verfügung (Art. 43 Abs. 1 OG), und
eine staatsrechtliche Beschwerde ist ausgeschlossen (Art. 84
Abs. 2 OG). Im Übrigen kann das Bundesgericht die Verfas-
sungsmässigkeit von Bundesrecht nicht überprüfen (Art. 113
Abs. 3 aBV).

        d) Ferner ist auf die Beschwerde auch insoweit nicht
einzutreten, als die Feststellung als willkürlich beanstandet
wird, der Beschwerdeführer habe an der Hochzeit seiner Toch-
ter teilgenommen. Im Verfahren vor Kantonsgericht hatte
B.________ als Zeugin ausgesagt, dass kein Hochzeitsfest
gefeiert worden sei, sondern dass zwei Jahre später die Taufe
der Kinder und die Hochzeit zusammen gefeiert worden seien;
anschliessend gab sie wörtlich zu Protokoll: "[Der Vater] kam
auch an das Fest mit seiner zweiten Frau und dem Kind". Ange-
sichts dieser Aussage ist mit der schlichten Behauptung des
Beschwerdeführers, er habe an der Hochzeit der Tochter nicht
teilgenommen, nicht dargetan, dass die gegenteilige Annahme
des Kantonsgerichtes willkürlich ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b
OG).

        e) Als unzulässig erweist sich die Beschwerde sodann
auch insoweit, als der Beschwerdeführer eine Verletzung von
Art. 4 aBV geltend macht, weil der ihm zugemutete Eingriff
ins Vermögen seinen Anspruch auf Sicherung des Existenzmini-
mums und der Existenzsicherung verletze und ihn gegenüber
einer Person, die ihr Alterskapitel in eine Versicherung
investiert habe, schlechter stelle. Die Frage, ob überhaupt
und in welchem Umfang einem Pflichtigen im Rahmen der Unter-
stützungspflicht zuzumuten ist, das Vermögen anzugreifen,
beurteilt sich nach Bundesrecht (Art. 329 Abs. 2 ZGB). Da
diesbezüglich die Berufung zur Verfügung steht (Art. 43
Abs. 1 OG), ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben
(Art. 84 Abs. 2 OG).

        f) Weiter ist auf die Beschwerde auch insoweit nicht
einzutreten, als der Beschwerdeführer dem Kantonsgericht
Willkür vorwirft, weil nach den Bestimmungen des kantonalen
Fürsorgegesetzes ein Rückgriff auf eine unterstützungspflich-
tige Person nur zulässig sei, wenn diese unverzüglich darüber
informiert worden sei, dass Unterstützungsleistungen durch
das Gemeinwesen erbracht worden seien, welche Voraussetzung
hier nicht erfüllt sei. Der Beschwerdeführer unterlässt es
darzutun, inwieweit die angeblich im kantonalen Gesetz über
die öffentliche Fürsorge vorgesehene - in der Beschwerde
nicht einmal näher dokumentierte - Verpflichtung, die unter-
stützungspflichtigen Verwandten sofort zu Hilfeleistungen
aufzufordern, nach zutreffendem Verständnis als formelle
Voraussetzung einer Rückforderung konzipiert sein soll.
Ebenso wenig wird dargetan, weshalb die Geltendmachung der
Verwandtenunterstützung willkürlich sein soll, wenn die Ver-
wandten nicht unverzüglich zur Hilfeleistung aufgefordert
worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

        g) Schliesslich erweist sich die Beschwerde auch
insoweit als unzulässig, als der Beschwerdeführer dem Kan-
tonsgericht vorwirft, dass ihm in willkürlicher Weise für das
erstinstanzliche Verfahren die Gerichtsgebühr auferlegt und
keine Parteientschädigung zugesprochen worden sei, obwohl die
Beschwerdegegnerin zunächst ein Rechtsbegehren mit einer
Klageforderung von mehreren hunderttausend Franken einge-
reicht und dieses erst anlässlich der Hauptverhandlung auf
Fr. 55'391.20 herabgesetzt habe. Der behauptete Streitwert
von "mehreren hunderttausend Franken" ist nicht einmal an-
satzweise dargetan. Vielmehr hat die Beschwerdegegnerin in
ihrer Klage von 12. Juni 1995 für die Zeit vom 1. Juni 1994
bis 31. Mai 1995 Fr. 32'807.35 und für die künftige Unter-
stützung Fr. 2'400.--/Monat eingeklagt, wobei diese Leistun-
gen ab 1. August 1996 eingestellt werden konnten.

     4.- Insgesamt ergibt sich somit, dass auf die staats-
rechtliche Beschwerde nicht einzutreten ist. Bei diesem Aus-
gang des Verfahrens ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerde-
führer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehm-
lassung eingeholt wurde, entfällt eine Entschädigungspflicht.

              Demnach erkennt das Bundesgericht
                im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht ein-
getreten.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantons-
gericht St. Gallen (II. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 6. Januar 2000

               Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: