Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.794/1999
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1P.794/1999/odi

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       25. April 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Nay, präsidierendes Mitglied
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Féraud, Jacot-Guillarmod und Gerichtsschreiber Störi.

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                         In Sachen

W.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Bernard Rosat, Dufourstrasse 18, Postfach, Bern,

                           gegen

Gemeindeverband Spital  I n t e r l a k e n, Weissenau-
strasse 27, Unterseen, Beschwerdegegner, vertreten durch
Fürsprecher Dr. Karl Ludwig Fahrländer, Enge-Bonstetten-
strasse 13, Postfach 12, Bern,
Regierungsstatthalter von  I n t e r l a k e n,
Verwaltungsgericht des Kantons  B e r n, Verwaltungs-
rechtliche Abteilung,

                         betreffend
    (Auflösung des Anstellungsverhältnisses als Chefarzt
      und des Mietverhältnisses für die Privatpraxis),

hat sich ergeben:

     A.- Am 30. Januar 1988 schlossen das Regionalspital
Interlaken und W.________ per 1. Januar 1988 einen Anstel-
lungsvertrag, dessen Ziffer 1 wie folgt lautet:

        "1. Anstellung / Auflösung

        1.1.  Herr PD Dr. med. W.________ ist durch die Spi-
              talkommission am 28. März 1987 als hauptamtli-
              cher Chefarzt für innere Medizin gewählt und
              angestellt worden.

        1.2.  Dieser Vertrag beginnt bei Amtsantritt, d.h.
              am 1. Januar 1988 und gilt für die Amtsdauer
              vom 1.1.1988 - 31.12.1991 mit jeweiliger Wie-
              derwählbarkeit auf die Dauer von vier Jahren.

        1.3.  Das Anstellungsverhältnis kann gegenseitig je
              auf das Ende eines Kalenderhalbjahres unter
              Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten
              gekündigt werden.

              Vorbehalten bleiben Nichtwiederwahl nach Ab-
              lauf einer Amtsdauer und die Auflösung aus
              wichtigem Grund."

Nach Ziffer 10.1. des Vertrages sind für die "Anwendung und
Auslegung des vorliegenden Vertrages" die regierungsrätli-
chen Richtlinien vom 6. Juli 1983 massgebend. Nach Zif-
fer 10.2. bilden das Organisations- und Verwaltungsreglement
des Gemeindeverbandes Regionalspital Interlaken vom 18. Ok-
tober 1975/17. Dezember 1977 (OVR) sowie das Betriebsregle-
ment 1967 des Bezirksspitales Interlaken integrierende Be-
standteile des Vertrages. Ziffer 10.3. bestimmt Folgendes:

        "Für alle Teile des Dienstverhältnisses, die nicht
         durch diesen Vertrag oder nicht in Ziff. 10.1. ge-
         regelt sind, gelten die Bestimmungen des Schweiz.
         Obligationenrechts, insbesondere diejenigen über
         den Arbeitsvertrag."

        Am 12. November 1998 verfügte der Spitalrat des Ge-
meindeverbandes Spital Interlaken die Auflösung des Anstel-
lungsverhältnisses zwischen dem Spital Interlaken und
W.________ als Chefarzt Innere Medizin auf den 30. Juni 1999
sowie des Mietverhältnisses für dessen Privatpraxis auf den
gleichen Zeitpunkt. Für den Fall, dass die Vertragsverhält-
nisse zivilrechtlicher Natur seien, kündigte er beide auf
den 30. Juni 1999. Zur Begründung führte er an, die Prüfung
der von Seiten der Ärzteschaft erhobenen Vorwürfe habe er-
geben, "dass das für eine erfolgreiche Führung der Inneren
Medizin am Spital Interlaken nötige Vertrauensverhältnis
zwischen der Ärzteschaft des Spitals und der Hausärzte ei-
nerseits und PD Dr. med. W.________ anderseits tatsächlich
nicht mehr besteht".

     B.- Mit Beschwerde vom 11. Dezember 1998 beantragte
W.________ dem Regierungsstatthalter von Interlaken, die
Verfügung des Spitalrates vom 12. November 1998 "mangels
triftigen Grundes" vollständig aufzuheben und festzustellen,
das Anstellungs- und das Mietverhältnis bestünden auf unbe-
stimmte Zeit fort.

        Mit Entscheid vom 21. Mai 1999 wies der Regierungs-
statthalter von Interlaken die Beschwerde ab.

        Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde von W.________
hin erwog das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil
vom 12. November 1999, das Dienstverhältnis von W.________
sei als öffentlichrechtlicher Vertrag zu qualifizieren. Der
Regierungsstatthalter habe daher fälschlicherweise im Be-
schwerde- anstatt im Klageverfahren entschieden. Das schade
aber nicht, da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von
W.________ als Appellation entgegengenommen werden könne. In
der Sache wies es diese ab. Das Vertrauensverhältnis zwi-

schen W.________ und einem grossen Teil der Ärzteschaft so-
wie der Spitalleitung sei tiefgreifend und irreversibel ge-
stört gewesen, und zwar in erster Linie aus Gründen, für die
W.________ einzustehen habe; es habe deshalb ein triftiger
Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses von
W.________ bestanden.

     C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 17. Dezember
1999 wegen Verletzung von Art. 4 aBV beantragt W.________:

        "Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
         vom 12.11.1999 wie auch der Entscheid des Regie-
         rungsstatthalters von Interlaken vom 21.5.1999
         seien vollumfänglich aufzuheben und es seien die
         Vorinstanzen in den Erwägungen des Bundesgerichts
         anzuweisen, die vom Beschwerdegegner ausgesprochene
         Kündigung des Anstellungsverhältnisses mit dem Be-
         schwerdeführer als Chefarzt innere Medizin des Re-
         gionalspitals Interlaken und des damit verbundenen
         Mietverhältnisses betreffend Privatpraxis als ver-
         fassungs- und rechtswidrig aufzuheben."

     D.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragt
in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei. Den gleichen Antrag stellt der Ge-
meindeverband Spital Interlaken.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerde-
führung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich sol-
cher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbind-
liche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen
erlitten haben. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann mit

staatsrechtlicher Beschwerde lediglich die Verletzung in
rechtlich geschützten Interessen gerügt werden; zur Verfol-
gung bloss tatsächlicher Vorteile oder zur Geltendmachung
allgemeiner öffentlicher Interessen ist die staatsrechtliche
Beschwerde nicht gegeben (BGE 118 Ia 46 E. 3a S. 51; 118 Ia
232 E. 1 S. 234; 117 Ia 90 E. 2a S. 93). Die eigenen recht-
lichen Interessen, auf die sich der Beschwerdeführer berufen
muss, können entweder durch kantonales oder eidgenössisches
Gesetzesrecht oder aber auch unmittelbar durch ein ange-
rufenes spezielles Grundrecht geschützt sein, sofern die
Interessen auf dem Gebiet liegen, welches die betreffende
Verfassungsbestimmung beschlägt (BGE 118 Ia 46 E. 3a S. 51;
117 Ia 90 E. 2b S. 93). Da aus Art. 4 aBV - die neue Bundes-
verfassung vom 18. April 1999 (BV) findet noch keine Anwen-
dung, da sie im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids noch
nicht in Kraft stand - indessen kein selbständiger Anspruch
auf willkürfreies staatliches Handeln folgt (BGE 112 Ia 174
E. 3c S. 178; 110 Ia 72 E. 2a S. 75), ist die Legitimation
zur Willkürbeschwerde nur gegeben, soweit das Gesetzesrecht,
dessen willkürliche Anwendung behauptet wird, dem Beschwer-
deführer einen Rechtsanspruch einräumt oder gerade den
Schutz seiner beeinträchtigten Interessen bezweckt (BGE 117
Ia 90 E. 2b S. 93). Das in Art. 4 aBV enthaltene allgemeine
Willkürverbot verschafft für sich allein demnach noch keine
geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG (BGE 118
Ia 46 E. 3a S. 51 mit Hinweisen).

        b) In Anwendung dieser Legitimationsvoraussetzungen
hat das Bundesgericht entschieden, dass der öffentlichrecht-
lich Angestellte, dem gekündigt worden ist, grundsätzlich
nicht befugt ist, staatsrechtliche Beschwerde zu führen, es
sei denn, das kantonale Recht mache die Kündigung von beson-
deren Voraussetzungen abhängig (BGE 120 Ia 110 E. 1b).

        Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Anstel-
lungsverhältnis sei ohne triftigen Grund und damit rechts-
widrig aufgelöst. Das Verwaltungsgericht bezweifelt in der
Vernehmlassung, dass es dazu überhaupt triftiger Gründe be-
durft hätte. Diese Frage betrifft nach dem Gesagten eine
Sachurteilsvoraussetzung, die frei zu prüfen ist (BGE 121 I
93 E. 1; 120 Ia 165 E. 1).

     2.- a) Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses zwi-
schen dem Regionalspital Interlaken und dem Beschwerdeführer
ist in Ziff. 1.3. des Anstellungsvertrages dahingehend ge-
regelt, dass es - unter Vorbehalt der Nichtwiederwahl nach
Ablauf einer Amtsdauer und der Auflösung aus wichtigem Grund
- von jeder Vertragspartei je auf das Ende eines Kalender-
halbjahres unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Mo-
naten gekündigt werden kann. Diese Vertragsklausel ist ohne
weiteres aus sich heraus verständlich und ergibt einen
vernünftigen Sinn, nämlich dass der Anstellungsvertrag, ab-
gesehen von der Möglichkeit der Nichtwiederwahl und der Auf-
lösung aus wichtigem Grund, auf zwei bestimmte Termine - per
30. Juni und 31. Dezember - unter Einhaltung einer bestimm-
ten Frist gekündigt werden kann.

        Dass die Parteien die ordentliche Kündigung von
weiteren Voraussetzungen - insbesondere dem Vorliegen trif-
tiger Gründe - abhängen lassen wollten, lässt sich dieser
Vertragsklausel offensichtlich nicht entnehmen. Das lässt
sich im Gegenteil schon deswegen ausschliessen, weil die
Kündigung für beide Vertragsparteien gleich geregelt ist und
der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend macht, auch er
hätte das Anstellungsverhältnis nur bei Vorliegen eines
triftigen Grundes auflösen dürfen. Bestätigt wird dies auch
durch Abs. 2 von Ziff. 1.3., wo besonders erwähnt wird, eine
ausserordentliche Kündigung ohne Beachtung von Kündigungs-

fristen sei nur bei Vorliegen eines "wichtigen" Grundes mög-
lich, was den Umkehrschluss nahe legt, dass eine ordentliche
Kündigung ohne derartigen Grund zulässig sein soll.

        Aus den Richtlinien des Regierungsrates vom 6. Juli
1983 "über die private Tätigkeit der Ärzte in den öffent-
lichen Spitälern" bzw. den gestützt darauf von der Ärzte-
gesellschaft des Kantons Bern und dem Verband bernischer
Krankenhäuser erarbeiteten, von der Gesundheitsdirektion am
17. Juli 1985 genehmigten "Leitfaden für Chefarztverträge"
lässt sich nichts anderes ableiten. Erstere enthalten keine
einschlägigen Vorschriften über die Vertragsbeendigung,
letztere schlagen in Ziffer 4 die Regelung vor, dass sich
der Vertrag jeweils um ein Jahr verlängert, sofern er nicht
sechs Monate vor dessen Ablauf gekündigt wurde. Besondere
Kündigungsvoraussetzungen oder auch nur eine Begründungs-
pflicht sind darin nicht vorgesehen.

        b) Der Beschwerdeführer macht geltend, nach Art. 22
Abs. 3 des Personalgesetzes vom 5. November 1992 (PG), an
welche sich das Reglement "Anstellungs- und Dienstbedingun-
gen des Regionalspitals Interlaken" (ohne Datum) nach dessen
Ziff. 1.2. anlehne, habe die Behörde für die Auflösung eines
öffentlichrechtlichen Angestelltenverhältnisses "triftige
Gründe" anzugeben. Dieses Reglement behält indessen in
Ziff. 1.2. ausdrücklich abweichende Regelungen im Arbeits-
vertrag vor, sodass der Beschwerdeführer aus diesem Verweis
nichts zu seinen Gunsten ableiten kann.

        c) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Anstel-
lungsvertrag zwischen dem Regionalspital Interlaken und dem
Beschwerdeführer die ordentliche Kündigung des Vertragsver-
hältnisses geregelt hat und diese, vom Einhalten von Kündi-
gungsfrist und -termin abgesehen, an keine weiteren besonde-
ren Voraussetzungen gebunden hat. Unter diesen Umständen war

der Spitalrat des Gemeindeverbandes Spital Interlaken bei
der Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen ihm und dem
Beschwerdeführer nur an das für alle Behörden immer geltende
Willkürverbot von Art. 4 aBV (Art. 9 BV) gebunden.

        Daraus ergibt sich nach der in E. 1 dargelegten Le-
gitimationspraxis des Bundesgerichts, dass auf die Beschwer-
de nicht einzutreten ist. Unter diesen Umständen kann offen
bleiben, ob der Auffassung des Verwaltungsgerichts gefolgt
werden könnte, dass sich das Erfordernis des "triftigen
Grundes" als Voraussetzung für die ordentliche Kündigung in
der Beachtung des verfassungsrechtlichen Willkürverbotes er-
schöpft.

     3.- Auf die Beschwerde ist damit nicht einzutreten. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kos-
tenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG), und er hat ausserdem dem
Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu be-
zahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht ein-
getreten.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für
das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung
von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien, dem Regierungs-
statthalter von Interlaken und dem Verwaltungsgericht (Ver-
waltungsrechtliche Abteilung) des Kantons Bern schriftlich
mitgeteilt.
                       ______________

Lausanne, 25. April 2000

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                Das präsidierende Mitglied:

                   Der Gerichtsschreiber: