I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.728/1999
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1999
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1999
1P.728/1999/mng I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 13. März 2000 Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Störi. --------- In Sachen Niklaus S c h e r r, Feldstrasse 125, Zürich, Mieterinnen- und Mieterverband Zürich, Tellstrasse 31, Zürich, Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Fredy Messmer, Tellstrasse 31, Zürich, gegen Regierungsrat des Kantons Z ü r i c h, betreffend Willkür (Nichtwiedereinsetzung der Formularpflicht beim Abschluss eines neuen Mietvertrages), hat sich ergeben: A.- Der Kanton Zürich fügte am 20. Februar 1994 folgen- de Bestimmung in sein Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911 (EG zum ZGB) ein: "§ 229b. In Zeiten von Wohnungsmangel sind Vermiete- rinnen und Vermieter von Wohnräumen verpflichtet, beim Abschluss eines Mietvertrages das in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene Formular zu verwenden. (..)" Der Regierungsrat des Kantons Zürich setzte diese Bestimmung am 28. September 1994 auf den 1. November 1994 in Kraft. Zugleich stellte er fest, der Leerwohnungsbestand im ganzen Kanton habe am 1. Juni 1994 0,59% betragen, weshalb Woh- nungsmangel im Sinne von § 229b EG zum ZGB herrsche. Dem- entsprechend erklärte er die Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrags im ganzen Kanton Zürich für obligatorisch. Am 28. Mai 1997 beschloss der Regierungsrat: " I. Wohnungsmangel gemäss Art. 270 Abs. 2 OR und § 229b EG zum ZGB liegt vor, wenn im ganzen Kanton ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1% besteht. Der Regierungsrat legt gestützt auf den durch das kantonale Statistische Amt per 1. Juni er- mittelten Leerwohnungsbestand fest, wenn sich eine Änderung bezüglich der Pflicht zur Verwen- dung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrages ergibt. Eine Änderung tritt jeweils am 1. November des gleichen Jah- res in Kraft. II. Die Verpflichtung, das in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene offizielle Formular beim Abschluss eines neuen Mietvertrages zu verwenden, wird mit Inkrafttreten dieses Beschlusses aufgeho- ben." Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt und in der Gesetzessamm- lung veröffentlicht und auf den 1. Juni 1997 in Kraft ge- setzt. B.- Niklaus Scherr sowie der Mieterinnen- und Mieter- verband Zürich fochten diesen Beschluss mit staatsrechtli- cher Beschwerde beim Bundesgericht an. Dieses kam mit Urteil vom 27. Mai 1998 (= BGE 124 I 127) zum Schluss, Ziffer I des angefochtenen Beschlusses verstosse weder gegen den Grund- satz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts noch denje- nigen der Gewaltenteilung: einmal seien die Kantone befugt, festzulegen, dass ein Wohnungsmangel, der zum Gebrauch des offiziellen Formulares verpflichte, dann bestehe, wenn im ganzen Gebiet des Kantons Zürich der Leerwohnungsbestand bis zu 1% betrage. Anderseits sei der Regierungsrat befugt, den von § 229 b Abs. 1 EG zum ZGB verwendeten Begriff des Woh- nungsmangels in einer Verordnung näher zu umschreiben (BGE 124 I 127 E. 2 und 3). Hingegen hielt es die gegen Ziff. II des Beschlusses gerichtete Willkürrüge für teil- weise begründet, weil sich der Regierungsrat über die in Ziff. I festgelegten Regeln hinweggesetzt und für den Zeit- raum vom 1. Juni 1997 bis zum 31. Oktober 1997 die Formular- pflicht aufgehoben hatte, obwohl der Leerwohnungsbestand am 1. Juni 1996 0,98% und damit weniger als 1% betragen hatte. Für die Zeit ab dem 1. November 1997 schützte das Bundesge- richt die Aufhebung der Formularpflicht indessen, da der Leerwohnungsbestand am 1. Juni 1997 auf 1,17% gestiegen war. C.- Am 20. Oktober 1999 teilte die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (u.a.) der Vereinigung Zürcher Mieterinnen- und Mieterverbände mit, der Regierungs- rat habe an seiner Sitzung vom 20. Oktober 1999 davon Kennt- nis genommen, "dass die Leerwohnungsziffer aufgrund der Er- hebungen des Statistischen Amtes per 1. Juni 1999 auf 0,97% gesunken" sei. Der Regierungsrat habe "darauf verzichtet, die in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene Verwendung des offi- ziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrages im Kanton Zürich obligatorisch zu erklären. Er liess sich davon leiten, dass die Leerwohnungsziffer aufgrund der un- terschiedlichen Erhebungsweise in den Gemeinden eine grosse Unschärfe beinhalte. Es sei deshalb davon auszugehen, dass tatsächlich mehr leerstehende Wohnungen auf dem Markt seien, als die Leerwohnungsziffer zum Ausdruck bringe. Deshalb sei bei dieser Betrachtungsweise der Leerwohnungsbestand tat- sächlich grösser als die im Beschluss vom 28. Mai 1997 vor- gesehenen 1%. Es herrsche folglich im Kanton Zürich nach wie vor kein Wohnungsmangel im Sinne von Art. 270 Abs. 2 OR bzw. § 229b EG zum ZGB". Da es somit bei der am 28. Mai 1997 be- schlossenen, aufgrund des Urteils des Bundesgerichts vom 27. Mai 1998 per 1. November 1997 wirksamen Aufhebung der Formularpflicht bleibe, ergehe in dieser Sache kein neuer Beschluss des Regierungsrates. Da sich indessen verschiedene Interessenverbände nach der Formularpflicht erkundigt hät- ten, setze die Direktion der Justiz und des Inneren diese "auf diesem Wege über die nicht selbstverständliche Auffas- sung des Regierungsrates in Kenntnis". Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 23. November 1999 fechten Niklaus Scherr und der Mieterinnen- und Mieter- verband Zürich den Regierungsratsbeschluss vom 20. Oktober 1999 wegen Willkür an und beantragen: "1. Der angefochtene Beschluss sei aufzuheben. 2. Es sei gleichzeitig festzustellen, dass gemäss RRB Nr. 1114 vom 28. Mai 1997 die Formular- pflicht bei Abschluss eines neuen Mietvertrages im Kanton Zürich ab 1. November 1999 wieder in Kraft steht. 3. Den Beschwerdeführern sei Gelegenheit zu geben, zur Vernehmlassung des Regierungsrates Stellung zu nehmen. 4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdegegners. Zugleich bitte ich das Bundesgericht, mir den Termin einer allfälligen öffentlichen Verhand- lung bekanntzugeben." D.- In seiner Vernehmlassung beantragt der Regierungs- rat, die Beschwerde abzuweisen. Zur Begründung führt er an, die Messung des Leerwohnungsbestandes sei ungenau; erfah- rungsgemäss würden nicht alle Leerwohnungen gemeldet, so dass trotz des vom Statistischen Amt des Kantons Zürich per 1. Juni 1999 ermittelten Leerwohnungsbestandes von 0,97% davon auszugehen sei, dass der effektive Leerwohnungsbestand 1% überschreite. Angesichts der Unschärfe der Messmethode sei eine erhebliche Rechtsunsicherheit sowohl auf der Ver- mieter- als auch auf der Mieterseite zu befürchten, wenn heute bei einer so nahe am Grenzwert liegenden Ziffer die Formularpflicht wieder eingeführt werde mit dem Risiko, dass sie bei einem theoretischen Wert von 1,01% schon nächstes Jahr wieder abgeschafft werden müsste. In ihrer Replik halten Niklaus Scherr und der Mie- terinnen- und Mieterverband des Kantons Zürich an ihrer Be- schwerde vollumfänglich fest. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Auf die Beschwerde ist aus den gleichen Gründen und im gleichen Umfang einzutreten wie beim Urteil des Bundesge- richts vom 27. Mai 1998 (BGE 124 I 127). Dass angesichts der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde auf die Anträge nicht eingetreten werden kann, soweit sie über die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hinausgehen, wurde den Beschwerdeführern in diesem Entscheid ebenfalls bereits dargelegt (E. 1d); darauf ist zu verweisen (Art. 36a Abs. 3 OG). 2.- Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat Will- kür vor, weil er sich nicht an die von ihm in Ziffer 1 des Beschlusses vom 28. Mai 1997 selber aufgestellten Regeln ge- halten habe. Die Rüge ist offensichtlich zutreffend: per 1. Juni 1999 betrug im Kanton Zürich der Leerwohnungsbestand nach den vom Regierungsrat in seinem Beschluss vom 28. Mai 1997 für massgeblich erklärten Ermittlungen des kantonalen Sta- tistischen Amtes 0,97%, was ihn nach diesem Beschluss hätte veranlassen müssen, per 1. November 1999 die Formularpflicht wieder einzuführen. Dass es willkürlich ist, sich über die- sen Beschluss hinwegzusetzen, hat das Bundesgericht in BGE 124 I 127 E. 5 bereits entschieden: darauf kann verwie- sen werden (Art. 36a Abs. 3 OG). Der Regierungsrat bringt zwar vor, der vom statis- tischen Amt ermittelte Leerwohnungsbestand weise eine gewis- se Unschärfe auf. Werte in diesem Unschärfebereich nahe bei 1% seien zufällig; stelle man auf sie ab, könne das die un- erwünschte Folge haben, dass die Formularpflicht im Jahres- rhythmus eingeführt bzw. wieder abgeschafft werden müsse. Dieser Einwand ist offensichtlich unbehelflich und verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da es der Regie- rungsrat selber war, der im Beschluss vom 28. Mai 1997 die jährliche Überprüfung der Formularpflicht festlegte und den vom Statistischen Amt ermittelten Wert verbindlich erklärte. Auch entsteht Rechtsunsicherheit nur, wenn sich der Regie- rungsrat nicht daran hält und nicht umgekehrt. 3.- Die Willkürrüge ist somit begründet. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Hingegen hat der Kanton Zürich den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der angefochtene Ent- scheid des Regierungsrates vom 20. Oktober 1999 aufgehoben. 2.- Es werden keine Kosten erhoben. 3.- Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführern für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie dem Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 13. März 2000 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: