I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.659/1999
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1P.659/1999/boh I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 25. Februar 2000 Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Aeschlimann, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Dreifuss. --------- In Sachen - U.________, - R.________, Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Christian Boll, Hauptgasse 30, Postfach 245, Appenzell, gegen H.________, Beschwerdegegner, Staatsanwaltschaft des Kantons A p p e n z e l l A.Rh., Obergericht von A p p e n z e l l A.Rh., 2. Abteilung, betreffend Strafverfahren, Parteientschädigung, hat sich ergeben: A.- Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden sprach U.________ und R.________ mit Urteil vom 24. Sep- tember 1998 vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung und der Drohung zum Nachteil von H.________ frei. Es auferlegte letzterem die Verfahrens- und Parteikosten, weil dieser als Urheber der ganzen Auseinandersetzung bezeichnet werden müsse und das Strafverfahren als Strafkläger durch unwahre Angaben ohne Grund in Gang gesetzt habe. Gegen dieses Urteil erklärte H.________ als Ge- schädigter Appellation beim Obergericht von Appenzell Aus- serrhoden. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 verzichtete der Präsident des Obergerichts auf eine Sicherstellung der amtlichen Kosten und der Parteikosten der Angeklagten. Diesen Verzicht widerrief der Obergerichtspräsident nach Durchführung des Schriftenwechsels mit Verfügung vom 23. Juli 1999, weil sich ergeben hatte, dass H.________ in der Türkei über Grundeigentum verfügt. Gleichentags wies er das Gesuch von R.________ um amtliche Verteidigung ab. H.________ liess die Frist zur Leistung des ihm auferlegten Kostenvorschusses ungenutzt verstreichen. Daraufhin schrieb das Obergericht die Appellation mit Beschluss vom 28. Sep- tember 1999 ab und auferlegte H.________ die Kosten des Ap- pellationsverfahrens von Fr. 500.--. Dem Antrag von U.________ und R.________ auf Ausrichtung einer Parteient- schädigung gab das Obergericht nicht statt. B.- U.________ und R.________ führen gegen den Par- teikostenentscheid mit Eingabe vom 4. November 1999 staats- rechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots und des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ausser der Aufhe- bung des angefochtenen Entscheids beantragen sie, die Sache zur Zusprechung einer Parteientschädigung an das Obergericht zurückzuweisen. C.- H.________ liess sich zur Beschwerde nicht verneh- men. Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Staatsanwaltschaft schliesst auf Abweisung der Beschwer- de. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist, abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen, rein kassatorischer Natur. Soweit die Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangen, kann auf ihre Be- schwerde nicht eingetreten werden (BGE 125 II 86 E. 5a S. 96 mit Hinweisen). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der staats- rechtlichen Beschwerde sind erfüllt und geben zu keinen Be- merkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist unter dem vorste- henden Vorbehalt grundsätzlich einzutreten. 2.- Nach Art. 246 Abs. 1 (in Verbindung mit Art. 249) der Strafprozessordnung des Kantons Appenzell A.Rh. vom 30. April 1978 (StPO; StPO/AR) kann dem im Appellationsver- fahren obsiegenden Angeklagten eine Entschädigung zugespro- chen werden. Art. 247 StPO bestimmt, dass der Geschädigte oder Anzeiger unter der Voraussetzung von Art. 243 StPO ganz oder teilweise zur Bezahlung der Entschädigung und der Kos- ten der amtlichen Verteidigung verpflichtet werden kann. Nach Art. 243 StPO können ihm Kosten ganz oder teilweise überbunden werden, wenn er das Verfahren erschwert oder durch verwerfliches oder unkorrektes Verhalten veranlasst hat (Abs. 1); wird eine Sicherheitsleistung verlangt haftet er ausserdem für die Kosten aller Untersuchungshandlungen, die er veranlasst hat, soweit sie erfolglos verlaufen, sowie für die Gerichtskosten im Falle eines Freispruchs (Abs. 2). Das Obergericht führte im angefochtenen Entscheid aus, eine Pflicht des Geschädigten, dem freigesprochenen An- geklagten die Verteidigungskosten zu ersetzen, bestehe nach Art. 243 Abs. 2 StPO nur im Falle einer Sicherheitsleistung. Einen allfälligen bis zu diesem Zeitpunkt gehabten Aufwand hätten die Angeklagten selbst zu tragen. Ein die Entschädi- gungspflicht begründendes prozessuales Verschulden des Be- schwerdegegners (Art. 247 in Verbindung mit Art. 243 Abs. 1 StPO) liege nicht vor. 3.- a) Die Beschwerdeführer rügen, das Obergericht habe der Pflicht zur Begründung seines Entscheids nicht Genüge getan. So habe es nicht dargelegt, warum sich das vom Kan- tonsgericht im Sachurteil festgestellte prozessuale Ver- schulden des Strafklägers im Appellationsverfahren nicht mehr ausgewirkt haben sollte. Ebenso wenig habe es dargetan, weshalb die falschen Angaben des Beschwerdegegners zu seiner Vermögenssituation im Appellationsverfahren kein prozessua- les Verschulden darstellen sollen. Ferner habe es das Ober- gericht zu begründen unterlassen, warum keine Parteientschä- digung zu Lasten des Staates zugesprochen wurde; es habe den entsprechenden Eventualantrag nicht behandelt und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. b) Der verfassungsmässige Mindestanspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass eine Behörde die Vorbringen der vom Entscheid Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksich- tigt. Daraus folgt die grundsätzliche Pflicht, einen Ent- scheid zu begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 124 II 146 E. 2a; 124 V 180 E. 1a; 123 I 31 E. 2c; 121 I 54 E. 2c, je mit Hinweisen). Der Anspruch auf eine Begründung gilt grundsätzlich auch für die Verlegung von Verfahrens- und Parteikosten. c) aa) Die in vorstehender Erwägung 2 dargestellte Begründung des Obergerichts, weshalb den Beschwerdeführern keine Parteientschädigung zu Lasten des Beschwerdegegners zugesprochen wurde, ist zwar knapp, hält aber den verfas- sungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungspflicht stand. Sie enthält die Überlegungen, auf welche sich der obergerichtliche Entscheid insoweit stützt. Die Beschwerde- führer machen denn auch nicht geltend und es ist - wie die Begründung der vorliegenden Beschwerde zeigt - nicht er- sichtlich, dass ihnen die Begründung des Obergerichts nicht erlaubt hätte, den Entscheid sachgerecht anzufechten. bb) Die Beschwerdeführer hatten in ihrer Appella- tionsantwort an das Obergericht den Eventualantrag gestellt, es sei ihnen eine Entschädigung zu Lasten des Staates aus- zurichten (vgl. dazu Art. 246 Abs. 1 StPO; BGE 110 Ia 156 E. 1b; Bänziger/Stolz/Kobler, Kommentar zur StPO/AR, 2.A., Herisau 1992, Rz. 2 ff. zu Art. 246). Die Ablehnung dieses Antrags hat das Obergericht mit keinem Wort begründet. Der Entscheid ist demnach insoweit nicht so abgefasst, dass sich die Beschwerdeführer über seine Tragweite ein Bild hätten machen und ihn sachgerecht anfechten können. Auch die ober- gerichtliche Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde enthält keinerlei Angaben zu den Gründen, weshalb den Be- schwerdeführern keine Entschädigung zu Lasten des Staates zugesprochen wurde. Eine ausnahmsweise Heilung des Mangels im bundesgerichtlichen Verfahren (vgl. BGE 107 Ia 1 ff., 244 E. 4) fällt ausser Betracht. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich damit insoweit als begrün- det. Aufgrund der formellen Natur des Anspruchs auf recht- liches Gehör ist der angefochtene Parteikostenentscheid un- geachtet der Erfolgsaussichten des gestellten Begehrens in der Sache selbst schon aus diesem Grund aufzuheben (BGE 125 I 113 E. 3; 122 II 469 E. 4a; 120 Ib 379 E. 3b je mit Hin- weisen). Es wird mit genügender Begründung neu zu entschei- den sein, ob die Beschwerdeführer materiell einen Anspruch auf eine Parteikostenentschädigung zu Lasten des Staates haben. Da ein solcher Anspruch noch nicht feststeht und auch sein Verhältnis zur vorliegend behaupteten Pflicht des Be- schwerdegegners zur Leistung einer Entschädigung offen ist, ist nachfolgend zu prüfen, ob das Obergericht eine solche Pflicht in verfassungsmässig haltbarer Weise verneinte. 4.- a) Die Beschwerdeführer rügen, die obergerichtliche Feststellung, dass den Beschwerdegegner im Appellationsver- fahren kein prozessuales Verschulden im Sinne von Art. 247 in Verbindung mit Art. 243 Abs. 1 StPO treffe, sei willkür- lich. Das bereits vom Kantonsgericht festgestellte prozes- suale Verschulden habe im Appellationsverfahren seine Fort- setzung gefunden. Hinzu komme, dass der Beschwerdegegner im Appellationsverfahren seine Vermögenswerte verheimlicht habe, um die Befreiung von der Sicherstellungspflicht zu erwirken. Ohne diese Befreiung hätte er, wie sein Verhalten nach dem Widerruf beweise, auf die Appellation verzichtet. Unhaltbar sei auch die obergerichtliche Begründung, dass nach Art. 243 Abs. 2 StPO die Pflicht des Geschädigten, dem freigesprochenen Angeklagten die Verteidigungskosten zu er- setzen, erst nach Leistung der Sicherheit bestehe. b) Nach den Feststellungen des Kantonsgerichts im Urteil vom 24. September 1998 hatte der Beschwerdegegner das Strafverfahren durch falsche Angaben veranlasst und er- schwert. Es qualifizierte sein Verhalten als verwerflich oder unkorrekt im Sinne von Art. 243 Abs. 1 StPO und aufer- legte ihm die Verfahrens- und Parteikosten. Mit dem Entfal- len der Appellation infolge Nichtleistens des Kostenvor- schusses durch den Beschwerdegegner erwuchs das Urteil des Kantonsgerichts in Rechtskraft. Damit ist von der darin festgestellten Unrichtigkeit der vom Beschwerdegegner gegen die Beschwerdeführer erhobenen Anschuldigungen auszugehen. Indem der Beschwerdegegner unter Aufrechterhaltung dieser Anschuldigungen Appellation erhob, hatte er auch das Appel- lationsverfahren durch das selbe verwerfliche oder unkorrek- te Verhalten veranlasst. Die Verneinung seines "prozessualen Verschuldens" durch das Obergericht erscheint unter diesen Umständen als willkürlich. Die Beschwerde erweist sich somit auch insoweit als begründet, soweit sie sich dagegen rich- tet, dass das Obergericht eine Parteikostenentschädigung zu Lasten des Beschwerdegegners gestützt auf Art. 243 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 247 StPO ausgeschlossen hat. Unabhängig davon lässt sich aus Art. 243 Abs. 2 StPO (in Verbindung mit Art. 247 StPO) nicht entnehmen, dass den Appellanten erst mit der Sicherheitsleistung ein Kosten- risiko trifft, wie das Obergericht entschied. Der Wortlaut von Art. 243 Abs. 2 StPO deutet einzig auf eine Verschärfung der Haftung des Strafklägers bei auferlegter Pflicht zur Sicherheitsleistung hin. Ausnahmslos erst nach einer Sicher- heitsleistung eine Kostentragungspflicht des Strafklägers anzunehmen, würde im vorliegenden Fall zum krass stossenden Ergebnis führen, dass der Beschwerdegegner aus der Befreiung von der Sicherstellungspflicht aufgrund seiner unbestritte- nermassen unwahren Angaben über seine Vermögenslage einen Vorteil zu Lasten der Beschwerdeführer ziehen könnte. Dies entspricht offensichtlich nicht dem Sinn und Zweck von Art. 243 Abs. 2 StPO. Bei der gegebenen Sachlage erübrigen sich vorliegend weitere Erwägungen über die - in Lehre und Rechtsprechung nicht unumstrittene - Tragweite dieser Be- stimmung (vgl. Bänziger/Stolz/Kobler, a.a.O., Rz. 3 zu Art. 243). Das Obergericht hat auch diese Vorschrift in offensichtlich unhaltbarer Weise angewendet, indem es vor- liegend entschied, die Beschwerdeführer hätten einen bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung gehabten Aufwand, selbst zu tragen. Auch insoweit ist die Beschwerde gutzuheissen. 5.- Nach dem Dargelegten ist die staatsrechtliche Be- schwerde gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der angefochtene Entscheid hinsichtlich der Par- teikostenentschädigung (Ziff. 3 des Dispositivs) aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Appenzell A.Rh. hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfah- ren angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und die Ziffer 3 des Disposi- tivs des Beschlusses des Obergerichts von Appenzell Ausser- rhoden vom 28. September 1999 aufgehoben. 2.- Es werden keine Kosten erhoben. 3.- Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat die Beschwer- deführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 4.- Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwalt- schaft des Kantons Appenzell A.Rh. und dem Obergericht von Appenzell A.Rh., 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 25. Februar 2000 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: