I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.604/1999
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1P.604/1999/boh I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 21. Januar 2000 Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Aeschlimann, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Pfäffli. --------- In Sachen Aktionäre der Biber Holding AG, Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Peyer, Löwenstrasse 17, Postfach 7678, Zürich, gegen Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Z ü r i c h, Büro 13, Staatsanwaltschaft des Kantons Z ü r i c h, betreffend Rechtsverweigerung (Stellung als Geschädigte), hat sich ergeben: A.- Auf Strafanzeige von A.________ und 29 weiteren Aktionären der Biber Holding AG führt die Bezirksanwalt- schaft III für den Kanton Zürich eine Strafuntersuchung ge- gen die verantwortlichen Organe der Biber Holding AG in Kon- kurs wegen Verdachts der unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe (Art. 152 StGB). Den Beschuldigten wird insbesondere vorgeworfen, die Anzeigeerstatter durch verschiedene unwahre Angaben in Mitteilungen an die Aktionäre, im Geschäftsbe- richt und der Bilanz für das Jahr 1995 zum Kauf von Aktien veranlasst zu haben. Die Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich gewährte vorerst den Anzeigeerstattern die Stellung von Ge- schädigten. Anlässlich der bezirksanwaltschaftlichen Einver- nahme vom 16. August 1999 erhob der Rechtsvertreter eines Angeschuldigten den Einwand, dass der Vertreter der Aktionä- re keinen Anspruch auf Teilnahme an der Einvernahme habe, da der Öffentlichkeit - mithin den Anzeigern - bei einem ab- strakten Gefährdungsdelikt keine Geschädigtenstellung zukom- men könne. In der Folge verfügte der zuständige Bezirksan- walt am 16. August 1999 den Ausschluss des Rechtsbeistandes der Anzeigeerstatter von der weiteren Teilnahme an der Ein- vernahme des Angeschuldigten. Gegen diese Verfügung reichten die Anzeigeerstatter am 16. August 1999 eine "Aufsichtsbeschwerde" und am 6. Sep- tember 1999 einen Rekurs bei der Staatsanwaltschaft des Kan- tons Zürich ein. Diese vereinigte die beiden Eingaben, be- handelte sie als Rekurs und wies ihn mit Entscheid vom 8. September 1999 ab. B.- A.________ und 29 weitere Aktionäre der Biber Holding AG führen mit Eingabe vom 13. Oktober 1999 staats- rechtliche Beschwerde sowohl gegen den Entscheid der Staats- anwaltschaft des Kantons Zürich vom 8. September 1999 als auch gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich vom 16. August 1999. Sie stellten die Anträge, die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass den von den Unterzeichneten der vorlie- genden Beschwerde vertretenen Geschädigten alle Rechte eines Geschädigten gemäss § 10 sowie 395 ff. StPO zustehen. C.- Die Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 125 II 293 E. 1a mit Hinweisen). a) Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich kam in ihrem angefochtenen Rekursentscheid zum Schluss, dass den Beschwerdeführern keine Geschädigtenstellung im Sinne von § 395 Abs. 1 Ziff. 2 des Gesetzes betreffend die Strafpro- zessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO) zu- komme. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare Handlung Geschädigte zur Rüge befugt, er sei im kantonalen Verfahren zu Unrecht nicht als Geschädig- ter anerkannt und deshalb von den einem solchen zustehenden Rechten ausgeschlossen worden (BGE 120 Ia 220 E. 2a S. 222). Demnach sind die Beschwerdeführer zur Rüge legitimiert, der angefochtene Entscheid verletze § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO und bewirke eine Rechtsverweigerung. b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen rein kassatorischer Natur. Auf die vorliegende Beschwerde kann somit nicht ein- getreten werden, soweit die Beschwerdeführer ein Feststel- lungsbegehren stellen (BGE 124 I 327 E. 4a S. 332 mit zahl- reichen Hinweisen). c) Nach Art. 86 OG ist die staatsrechtliche Be- schwerde von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen nur gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig. Ein Entscheid einer unteren Instanz kann dabei mitangefochten werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor Bundesgericht erhobenen Rügen unterbreitet werden konnten oder wenn solche Rügen zwar von der letzten kantonalen In- stanz beurteilt wurden, jedoch mit einer engeren Prüfungsbe- fugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht (BGE 118 Ia 165 E. 2b mit Hinweisen). Dies trifft vorliegend nicht zu. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit die Auf- hebung der Verfügung der Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich vom 16. August 1999 beantragt wird. 2.- Die Beschwerdeführer werfen der Staatsanwaltschaft vor, sie verneine zu Unrecht die ihnen nach kantonalem Recht zustehende Geschädigtenstellung. a) Im zürcherischen Strafverfahren gelten nach § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO diejenigen Personen als Geschädig- te, denen durch die fragliche Straftat unmittelbar ein Scha- den zugefügt wurde oder zu erwachsen drohte. In Übereinstim- mung mit der Regelung in anderen Kantonen ist als Geschädig- ter anzusehen, wer Träger des durch die Strafdrohung ge- schützten Rechtsguts ist, gegen das sich die Straftat ihrem Begriff nach richtet (vgl. BGE 119 Ia 342 E. 2). Bei Delik- ten, die primär allgemeine Interessen schützen, werden nur diejenigen als Geschädigte betrachtet, deren private Inte- ressen dadurch unmittelbar mitbeeinträchtigt werden, weil diese Beeinträchtigung die unmittelbare Folge der tatbe- standsmässigen Handlung ist (BGE 120 Ia 220 E. 3b; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. Aufl. 1997, N. 508). b) Die Staatsanwaltschaft geht in ihrem angefochte- nen Entscheid davon aus, dass durch den Straftatbestand von Art. 152 StGB das Vertrauen des Publikums in die Richtigkeit von Mitteilungen von Handelsgesellschaften und Genossen- schaften und damit das öffentliche Interesse am Geschäftsbe- trieb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben geschützt wer- de. Da Art. 152 StGB in erster Linie öffentlichen Interessen und nicht direkt dem Schutz von Individualgütern diene, könne es bei dieser Strafbestimmung grundsätzlich keine Ge- schädigten im Sinne von § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StGB geben. c) Das tatbestandsmässige Verhalten nach Art. 152 StGB besteht darin, dass der Täter "in öffentlichen Bekannt- machungen oder in Berichten oder Vorlagen an die Gesamtheit der Gesellschafter oder Genossenschafter oder an die an einem andern Unternehmen Beteiligten unwahre oder unvoll- ständige Angaben von erheblicher Bedeutung macht oder machen lässt, die einen andern zu schädigenden Vermögensverfügungen veranlassen können". Diese Bestimmung enthält einen Gefähr- dungstatbestand, durch den die Gesellschafter, Genossen- schafter oder sonst an einem Unternehmen Beteiligten vor un- wahren oder unvollständigen Angaben geschützt werden sollen, die zu geschäftlichen (Fehl-)Dispositionen Anlass geben könnten (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage 1995, § 16 N. 61). Die Vor- schrift schützt somit das Vermögen vor der Gefährdung durch Fehldispositionen (Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafge- setzbuch, Kurzkommentar, 2. Auflage 1997, Art. 152 N. 1; Georg Pfister, Unwahre Angaben über Handelsgesellschaften und Genossenschaften (Art. 152 StGB) und das Verhältnis zum Betrug (Art. 148 StGB), Diss. Zürich 1978, S. 33 ff.). Dem- entsprechend ist denn auch der Straftatbestand von Art. 152 StGB im Strafgesetzbuch systematisch bei den strafbaren Handlungen gegen das Vermögen eingeordnet. Das schliesst nicht aus, dass neben dem Vermögen ebenfalls das öffentliche Interesse am Geschäftsbetrieb der Handelsgesellschaften und Genossenschaften nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Georg Pfister, a.a.O, S. 34), wie das die Staatsanwalt- schaft in ihrem angefochtenen Entscheid geltend gemacht hat, geschütztes Rechtsgut von Art. 152 StGB ist. Schliesslich kann auch dem von der Staatsanwaltschaft zitierten Bundesge- richtsentscheid (BGE 104 IV 77 E. 5 S. 85) nicht entnommen werden, dass Art. 152 StGB einzig den Schutz der Öffentlich- keit bezwecke. Der Entscheid äussert sich zur Frage, was eine öffentliche Mitteilung im Sinne von Art. 152 StGB sei, nicht jedoch zur Frage des geschützten Rechtsgutes dieser Strafnorm. d) Wie die Staatsanwaltschaft an sich zu Recht aus- führt, handelt es sich bei der Strafnorm von Art. 152 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (BBl 1991 II 1033). Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, Art. 152 StGB diene nicht dem Schutz von Individualgütern bzw. es gebe insoweit keine Geschädigten im Sinne von § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO. Mit dem Gefährdungstatbestand wird einzig der Schutz des Vermögens so weit vorverlegt, dass es keiner wirklichen Schädigung bedarf (Günter Stratenwerth, a.a.O., § 16 N. 61). Schliesslich ist es unerheblich, dass es bei dieser Strafnorm unter Umständen zu einer grossen Anzahl von Geschädigten kommen kann, welche allenfalls in das Verfahren einzubeziehen sind. Allfällige Praktikabilitätsüberlegungen dürfen die kantonalen Behörden nicht davon abhalten, die Geschädigtenstellung aufgrund von § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO zu bestimmen. e) Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen er- gibt, ist der Schluss der Staatsanwaltschaft, dass es beim Straftatbestand von Art. 152 StGB grundsätzlich keine Ge- schädigten im Sinne von § 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO geben könne, willkürlich. Der angefochtene Entscheid ist daher in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. 3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Kanton Zürich die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Ver- fahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). Von der Erhebung von Kosten ist abzusehen (Art. 156 Abs. 2 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der Rekursent- scheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 8. Sep- tember 1999 wird aufgehoben. 2.- Es werden keine Kosten erhoben. 3.- Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädi- gen. 4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Be- zirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich, Büro 13, und der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich mitge- teilt. ______________ Lausanne, 21. Januar 2000 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: