Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.567/1999
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1P.567/1999/mng

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                      28. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay,
Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Karlen.

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                         In Sachen

L.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Beat Hess, Franz-Zelgerstrasse 7, Postfach 256, Rothenburg,

                           gegen

B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hansjörg
Bolliger, Sihlfeldstrasse 10, Postfach 9708, Zürich,
M.________, vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Peter
Buchschacher, Susenbergstrasse 31, Zürich,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft des Kantons  O b w a l d e n,
Obergericht des Kantons  O b w a l d e n,

                         betreffend
               willkürliche Beweiswürdigung,

hat sich ergeben:

     A.- Am 21. April 1996 fuhr L.________ mit seiner Frau
auf den Glaubenberg. In einer Rechtskurve kurz vor der Pass-
höhe kollidierte sein Personenwagen mit dem herabfahrenden
Motorroller von M.________. Dieser und seine Mitfahrerin
B.________ wurden durch den Zusammenstoss weggeschleudert
und verletzt.

        Das Verhöramt Obwalden stellte am 5. Juni 1997 das
Strafverfahren gegen M.________ wegen ungenügenden Rechts-
fahrens mangels Beweisen ein. L.________ dagegen verurteilte
es mit Strafbefehl des gleichen Datums wegen fahrlässiger
schwerer Körperverletzung zu einer Busse von Fr. 2'000.--.
Auf eine dagegen erhobene Einsprache hin bestätigte das
Kantonsgericht des Kantons Obwalden am 13. August 1998 den
Schuldspruch, setzte die Busse aber auf Fr. 1'600.-- an. Die
Appellation, die L.________ gegen dieses Urteil einreichte,
wies das Obergericht des Kantons Obwalden am 12. August 1999
ab.

     B.- L.________ hat gegen das Urteil des Obergerichts
vom 12. August 1999 eine staatsrechtliche Beschwerde beim
Bundesgericht eingereicht und beantragt dessen Aufhebung. Er
rügt eine willkürliche Beweiswürdigung.

        Beide Beschwerdegegner, die Staatsanwaltschaft und
das Obergericht beantragen die Abweisung des Rechtsmittels.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Streitgegenstand bildet allein die Beweiswürdigung
im angefochtenen Entscheid. Der Beschwerdeführer stellt sich
auf den Standpunkt, die darin getroffenen Feststellungen
seien willkürlich und verletzten daher Art. 4 aBV (jetzt
Art. 9 BV) sowie Art. 6 Ziff. 2 EMRK.

        Das Obergericht ist zum Schluss gelangt, bei Würdi-
gung aller vorhandenen Beweismittel könne kein Zweifel be-
stehen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Personenwagen
in der Kurve unterhalb der Alphütte Glaubenberg auf die lin-
ke Fahrspur geraten sei und dadurch die Kollision mit dem
herabfahrenden Motorroller verursacht habe. Es räumt zwar
ein, dass die genaue Kollisionsstelle nicht habe ermittelt
werden können, doch sprächen die verschiedenen vorhandenen
Beweismittel unzweifelhaft für ein Ausschwenken des Fahr-
zeugs des Beschwerdeführers über die Mittellinie hinaus auf
die linke Fahrbahn. Massgebliches Gewicht misst das Gericht
dabei den vom Beschwerdeführer kurz nach dem Unfall gemach-
ten Aussagen zu. Danach habe er - auf eine Bemerkung seiner
Ehefrau hin - einen Moment zur Skihütte oberhalb der Strasse
geblickt und dann sogleich den Motorroller vor seinem Wagen
gesehen, ohne dass noch Zeit zum Reagieren geblieben sei.
Weiter habe der Zeuge N.________ berichtet, dass der Be-
schwerdeführer nach der Kollision aus seinem Wagen gestiegen
sei und in einem Schockzustand mehrfach gesagt habe, er sei
schuld am Unfall, da er zur Alphütte geschaut habe und dabei
auf die linke Strassenseite geraten sei. Diese Darstellung
des Unfallhergangs werde im Übrigen durch die festgestellten
Schäden an den Fahrzeugen und die Erwägungen im Gutachten
des wissenschaftlichen Diensts der Stadtpolizei Zürich ge-
stützt.

        Der Beschwerdeführer wendet sich hauptsächlich ge-
gen die Würdigung seiner eigenen Aussagen und jener des Zeu-
gen N.________, da diese wesentliche Umstände ausser Acht
lasse und daher unhaltbar sei. Ferner macht er geltend, auch
auf Grund der übrigen Beweismittel könne der Unfallhergang
nicht rekonstruiert werden. Die Beweiswürdigung des Oberge-
richts sei auch in dieser Hinsicht einseitig und wider-
sprüchlich.

     2.- a) Das Obergericht erachtete es als erwiesen, dass
sich der Beschwerdeführer nach der Kollision in einem
Schockzustand befand. Dieser hat jedoch nach seiner Auffas-
sung das Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen des Beschwer-
deführers nicht so stark beeinträchtigt, dass seine Aussage,
er sei wegen des Blicks zur Alphütte auf die linke Strassen-
seite geraten, als unzutreffend betrachtet werden müsse. Wä-
re ihm der Motorroller auf der falschen Fahrspur entgegenge-
kommen, so hätte er sich nach Ansicht des Obergerichts trotz
des Schockzustands daran erinnert und sich nach der Kolli-
sion über die Fahrweise des Motorrollers entrüstet.

        Diese Sicht kritisiert der Beschwerdeführer mit dem
Hinweis darauf, dass er nach dem Unfall wegen des Schockzu-
stands zu beweismässig erstellten Belangen falsche Aussagen
gemacht habe. Die Unstimmigkeit seiner Ausführungen zu eher
untergeordneten Punkten (Vollbremsung, Rückwärtsrollen nach
dem Unfall) stellt jedoch seine Darstellung des Unfallher-
gangs nicht ohne weiteres gänzlich in Frage. Dem Obergericht
ist nicht entgangen, dass die Aussagen des Beschwerdeführers
wegen des Schockszustands mit Vorsicht zu würdigen waren. Es
hat jedoch berücksichtigt, dass seine Darstellung sehr plau-
sibel erscheint und sie überdies teilweise (Blick zur Alp-

hütte) durch seine - nicht unter Schock stehende - Ehefrau
sowie durch die Erwägungen im Gutachten des wissenschaft-
lichen Diensts der Stadtpolizei Zürich bestätigt worden ist.
Bei dieser Sachlage kann die obergerichtliche Würdigung
nicht als willkürlich bezeichnet werden.

        b) Der Zeuge N.________ hat vor dem Verhöramt er-
klärt, er habe nach der Kollision gesehen, dass der Perso-
nenwagen des Beschwerdeführers so weit in die linke Fahrbahn
geragt habe, dass entgegenkommende Fahrzeuge blockiert gewe-
sen seien, d.h. sie nur hätten kreuzen können, wenn sie
rechts auf das Strassenbord aufgefahren wären. Das Oberge-
richt sieht in dieser Aussage eine Bestätigung dafür, dass
der Beschwerdeführer durch einen Schwenker auf die linke
Fahrbahn die Kollision mit dem Motorroller verursacht hat.

        In der Beschwerde wird gegen diese Folgerung einge-
wendet, aus den Aussagen des genannten Zeugen könne nicht
geschlossen werden, dass sich nach der Kollision der Perso-
nenwagen des Beschwerdeführers zum grossen Teil auf der lin-
ken Fahrbahn befunden habe; deshalb ergebe sich daraus auch
nicht zwingend, dass sich der Zusammenstoss auf der linken
Fahrspur ereignet habe, zumal der Personenwagen des Be-
schwerdeführers erst nach der Kollision zum Stillstand ge-
kommen sei. Es trifft wohl zu, dass aus den Aussagen von
N.________ die genaue Kollisionsstelle nicht bestimmt werden
kann. Das Obergericht hat indessen keine solche Feststellung
getroffen, sondern in den Erklärungen des Zeugen lediglich
ein Indiz dafür gesehen, dass der Zusammenstoss auf der
linken Fahrbahnhälfte erfolgt ist. Diese Annahme liegt inso-
fern auf der Hand, als das Fahrzeug des Beschwerdeführers
nach dem Stillstand immerhin erheblich auf die linke Fahr-
bahn geragt haben muss, da sonst der Gegenverkehr dadurch
nicht blockiert gewesen wäre. Von einer willkürlichen Wür-
digung der Aussagen von N.________ kann unter diesen Um-
ständen nicht gesprochen werden.

        c) Im angefochtenen Entscheid werden auch die
Strassenverhältnisse aus der Sicht des Lenkers des Motor-
rollers sowie dessen 36jährige Fahrpraxis gewürdigt. Das
Obergericht schliesst daraus jedoch entgegen der Behauptung
des Beschwerdeführers keineswegs direkt auf ein Fehlverhal-
ten von seiner Seite. Es erwähnt diese Tatsachen vielmehr im
Zusammenhang mit der gesamthaften Würdigung aller Anhalts-
punkte zum Unfallhergang. Dabei folgt es im Wesentlichen dem
Gutachten des wissenschaftlichen Diensts der Stadtpolizei
Zürich, das es auf Grund der Stellung der Fahrzeuge beim Zu-
sammenprall und physikalischer Gesetzmässigkeiten beim Be-
fahren von Kurven ausschliesst, dass der Motorroller bei der
Kollision auf der Gegenfahrbahn fuhr. Der Verweis des Be-
schwerdeführers auf die abweichende Würdigung der Spuren
durch die Staatsanwaltschaft geht fehl, weil diese gestützt
darauf ebenfalls zum Schluss gelangt ist, er sei über die
Mittellinie hinausgefahren. Schliesslich steht die Begrün-
dung der Einstellungsverfügung gegen den Lenker des Motor-
rollers, die sich im Nachhinein als unzutreffend erwiesen
hat, der Bejahung eines Fehlverhaltens des Beschwerdeführers
nicht entgegen. Im angefochtenen Entscheid wird im Übrigen
ausdrücklich erklärt, den Lenker des Motorrollers treffe
kein Mitverschulden, woraus sich ergibt, dass das Verfahren
gegen diesen nicht mangels Beweisen, sondern auf Grund er-
wiesener Unschuld hätte eingestellt werden sollen.

        d) Auch bei gesamthafter Betrachtung erscheint die
Beweiswürdigung des Obergerichts nicht willkürlich. Es
trifft nicht zu, dass nur wenige Indizien für ein Fehlver-

halten des Beschwerdeführers sprechen und diese im angefoch-
tenen Entscheid lediglich isoliert betrachtet wurden. Das
Obergericht stützt die Verurteilung keineswegs allein auf
die Aussagen des Beschwerdeführers und des Zeugen
N.________, sondern ebenfalls auf das die äusseren Umstände
(Schadenbilder, Strassenverhältnisse und Spuren) auf Grund
besonderer Fachkenntnisse umfassend würdigende Gutachten des
wissenschaftlich Diensts der Stadtpolizei Zürich.

     3.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich dem-
nach als unbegründet und ist daher abzuweisen.

        Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesge-
richtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat überdies die Beschwerdegegner
für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschä-
digen, wobei zu berücksichtigen ist, dass beide eine wört-
lich übereinstimmende Beschwerdeantwort eingereicht haben
(Art. 159 Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für
das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr. 1'000.-- zu ent-
schädigen.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwalt-
schaft und dem Obergericht des Kantons Obwalden schriftlich
mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 28. Januar 2000

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: