Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.45/1999
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1P.45/1999
1P.47/1999/odi

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       14. April 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Féraud, Catenazzi, Favre und Gerichts-
schreiberin Widmer.

                         ---------

                         In Sachen

1P.45/1999
Einwohnergemeinde  U r t e n e n, Beschwerdeführerin,
vertreten durch den Gemeinderat, dieser vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Rudolf Stüdeli, Zürichstrasse 95, Küsnacht,

                            und

1P.47/1999
Einwohnergemeinde  F e r e n b a l m, Beschwerdeführerin,
vertreten durch den Gemeinderat, dieser vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Rudolf Stüdeli, Zürichstrasse 95, Küsnacht,

                           gegen

Regierungsrat des Kantons  B e r n, vertreten durch die
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern,

                         betreffend
                     Gemeindeautonomie
     (Kantonaler Sachplan Abbau, Deponie, Transporte),

hat sich ergeben:

     A.- Der Regierungsrat des Kantons Bern genehmigte am
16. September 1998 den kantonalen Sachplan Abbau, Deponie,
Transporte (Sachplan ADT) und eröffnete diesen am 10. Dezem-
ber 1998 den betroffenen Gemeinwesen und Behörden. Der Sach-
plan bezweckt insbesondere das Sicherstellen der nötigen
Abbau- und Deponiereserven für eine langfristig ausreichende
Versorgung mit Baurohstoffen und Entsorgung der nichtver-
wertbaren Bauabfälle sowie des haushälterischen Umgangs mit
den natürlichen Kiesressourcen, wobei er das gegenseitige
Abstimmen der einzelnen Planungen ermöglichen soll. Der
Sachplan sieht für das Sicherstellen der Abbau- und Deponie-
reserven das Prinzip der regionalen Selbstvorsorge vor, bei
dem er es grundsätzlich den Regionen überlässt, geeignete
Standorte festzulegen. Für den Fall, dass die regionalen und
kommunalen Planungsbemühungen nachweislich erfolglos verlau-
fen sollten, hat der Regierungsrat im Sachplan vorsorglich
Standorte von kantonaler Bedeutung bestimmt, an denen er nö-
tigenfalls mit eigenen planerischen Massnahmen eingreifen
will. Für die Region Bern wurde als Standort von kantonaler
Bedeutung betreffend Kiesabbau und Inertstofflagerung das
Gebiet Bubenloo in der Gemeinde Urtenen bestimmt; für die
Region Laupen wurde das Gebiet Biberen in der Gemeinde
Ferenbalm für den Kiesabbau vorgesehen.

     B.- Die Einwohnergemeinden Urtenen und Ferenbalm sind
gegen den regierungsrätlichen Genehmigungsentscheid mit
staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht gelangt. Sie
beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, even-
tualiter nur soweit, als er sie betrifft. Sie rügen eine
Verletzung der Gemeindeautonomie sowie weiterer Verfassungs-
rechte, wobei sie insbesondere geltend machen, der Kanton

habe auf ihrem Gebiet Standorte von kantonaler Bedeutung
bezeichnet, ohne die Geeignetheit vorher ausreichend abzu-
klären und eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.

        Der Regierungsrat des Kantons Bern hat sich zu den
staatsrechtlichen Beschwerden vernehmen lassen und deren Ab-
weisung beantragt, soweit darauf einzutreten sei. Aufforde-
rungsgemäss haben die Gemeinden ihre Beschwerden ergänzt
(Art. 93 Abs. 2 OG). Der Regierungsrat hat zu diesen Ergän-
zungen Stellung genommen und an seinen Anträgen auf Abwei-
sung der Beschwerden festgehalten.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Der rechtserhebliche Sachverhalt ergibt sich mit
hinreichender Klarheit aus den Akten. Den Anträgen auf
Durchführung eines Augenscheins und Einholung von Gutachten
ist daher nicht zu entsprechen (vgl. BGE 123 II 248 E. 2a).

        b) Beide Beschwerden richten sich gegen die Geneh-
migung des kantonalen Sachplans ADT und enthalten im Wesent-
lichen dieselben Rügen. Es ist daher gerechtfertigt, die
Beschwerdeverfahren zu vereinigen und sie in einem Entscheid
zu behandeln (BGE 113 Ia 390 E. 1).

     2.- a) Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
freier Kognition, ob und inwieweit auf eine Beschwerde ein-
zutreten ist (BGE 125 I 14 E. 2a; 125 III 461 E. 2 mit Hin-
weisen). Das Recht der Gemeinden, die Verletzung ihrer Auto-
nomie mit Beschwerde beim Bundesgericht zu rügen, ist in der

am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bundesverfassung vom
18. April 1999 (BV) ausdrücklich in Art. 189 Abs. 1 lit. b
gewährleistet.

        b) Mit dem vorliegenden Sachplan konkretisiert der
Kanton seine Vorsorgepolitik im Sachbereich Abbau, Deponie
und Transporte. Der Sachplan umfasst die Ziele, Grundzüge
und Grundsätze dieser Politik. Er soll als Grundlage für die
geplante Überarbeitung des aus den 80er-Jahren stammenden
kantonalen Richtplans dienen (Ziff. 1.6 Abs. 3). Sein Inhalt
bedarf somit noch der richtplanerischen Umsetzung. Dies hat
in Abstimmung mit den übrigen Interessen, den Richtplänen
der Nachbarkantone und den Sachplänen des Bundes zu erfolgen
(Art. 6 RPG). Insoweit enthält der Sachplan keine definiti-
ven raumbezogenen Ergebnisse, gegen welche sich die nachge-
ordneten Planungsträger mit einer selbständigen Autonomiebe-
schwerde beim Bundesgericht wehren könnten.

        Der umstrittene Sachplan verfolgt indessen noch ei-
nen anderen Zweck: Er legt bereits "Standorte von kantonaler
Bedeutung" fest. Dabei handelt es sich nicht um eine rein
informatorische Aufzählung bedeutsamer Kiesressourcen, die
sich zum Abbau eignen würden. Es wurden 138 Standorte einer
gewissen Evaluierung unterzogen und davon 31 als Abbaustand-
orte bzw. 24 als Standorte für Inertstoffdeponien bestimmt.
Für diese Standorte enthält der Sachplan Vorgaben an die
nachgeordneten Planungsträger. So haben die Regionen, Ge-
meinden und zuständigen Fachstellen hinsichtlich der Stand-
orte von kantonaler Bedeutung den Auftrag, für spätere
Interventionen den notwendigen Handlungsspielraum zu berück-
sichtigen und insbesondere für langfristige Entwicklungs-
möglichkeiten zu sorgen (Ziff. 5.3 Abs. 3). Kommt in der
regionalen Abbau- und Deponieplanung an einem der vorgesehe-
nen kantonalen Standorte keine Festsetzung zustande, be-
stimmt die Region einen gleichwertigen Alternativstandort
(Ziff. 5.3 Abs. 4). Bei ungenügenden oder ergebnislosen pla-

nerischen Massnahmen der Regionen und Gemeinden interveniert
der Kanton an den Standorten von kantonaler Bedeutung mit
eigenen planerischen Instrumenten, namentlich dem Mittel der
kantonalen Überbauungsordnung nach Art. 102 des bernischen
Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG). Der Kanton gewährleis-
tet die Versorgung und Entsorgung im Umfang regionaler und
kommunaler Planungsdefizite, welche nachweisbar auf erfolg-
lose Planungsbemühungen der Regionen oder Gemeinden zurück-
zuführen sind, an den vorgesehenen Standorten von kantonaler
Bedeutung (Ziff. 5.3 Abs. 2 und 5.4 a.E.).

        c) Gemäss Art. 57 Abs. 1 BauG sind Sachpläne behör-
denverbindlich (vgl. zur Bindungswirkung von Sachplänen:
Peter Balmer, Die Richtpläne nach dem bernischen Baugesetz
vom 7. Juni 1970, Diss. Bern 1977, S. 11 f. und 15). Der
vorliegende Sachplan enthält in Bezug auf die Standorte von
kantonaler Bedeutung verbindliche Vorgaben an die Gemeinden.
Diese Vorgaben engen schon heute den kommunalen Handlungs-
spielraum ein. Es ist den Gemeinden verwehrt, an den be-
zeichneten Standorten nutzungsplanerische Massnahmen oder
Baubewilligungsentscheide zu treffen, die dem Kiesabbau bzw.
der Inertstoffablagerung entgegenstehen. Sie haben ihre Pla-
nung nach diesen Festsetzungen auszurichten. In dieser Hin-
sicht erfüllt der Sachplan richtplanähnliche Funktionen. Es
ist daher angezeigt, die von der Rechtsprechung für die An-
fechtung kantonaler Richtpläne entwickelten Kriterien auf
den vorliegenden Sachplan anzuwenden (BGE 119 Ia 285 E. 3b
S. 289 f.; 111 Ia 129 E. 3). Die beschwerdeführenden Gemein-
den sind demnach befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde
geltend zu machen, der Sachplan verletze ihre Autonomie,
soweit er für ihr Gebiet vorsorglich Abbau- und Deponie-
standorte bestimme. Ob den Gemeinden im betreffenden Bereich
tatsächlich Autonomie zusteht, ist keine Frage des Eintre-
tens, sondern Gegenstand der materiellen Beurteilung
(BGE 124 I 223 E. 1b; 119 Ia 214 E. 1c und 285 E. 4a
S. 294). Darüber hinaus bleibt es aber dabei, dass kein de-

finitiver Rechtsakt vorliegt, der mit Autonomiebeschwerde
angefochten werden könnte. Soweit die beschwerdeführenden
Gemeinden Punkte aufgreifen, die nicht in unmittelbarem Zu-
sammenhang mit den sie betreffenden Standortfestsetzungen
stehen, kann auf ihre Beschwerden nicht eingetreten werden.
Daraus folgt auch, dass sie nicht befugt sind, die vollum-
fängliche Aufhebung des angefochtenen Genehmigungsbeschlus-
ses zu verlangen.

        Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt
sind, ist mit der erwähnten Einschränkung auf die staats-
rechtlichen Beschwerden einzutreten.

     3.- a) Die Gemeindeautonomie ist seit dem 1. Januar
2000 ausdrücklich in Art. 50 BV gewährleistet. Nach der bun-
desgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Gemeinde in einem
Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht
abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der
Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ
erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (BGE 124 I 223
E. 2b S. 226 f. mit Hinweisen). Art. 109 in Verbindung mit
den Art. 107 ff. der Verfassung des Kantons Bern (KV) ge-
währleistet den Gemeinden die Autonomie im Rahmen des kanto-
nalen Rechts, das ihnen einen möglichst weiten Handlungs-
spielraum gewähren soll. Gemäss Art. 108 Abs. 1 KV verfügen
die Gemeinden über ein eigenes Gebiet und Vermögen. Verfas-
sungsmässige Schranken bei der Umschreibung der Gemeindeau-
tonomie durch die kantonale Gesetzgebung sind für den hier
betroffenen Bereich nicht ersichtlich und auch nicht vorge-
bracht worden. Die Autonomie der Gemeinden reicht deshalb so
weit, als dies die kantonale Gesetzgebung zum Planungs- und
Baurecht zulässt.

        b) Nach der bundesgerichtlichen Praxis kann der
kantonale Gesetzgeber durch Gesetzesänderung die von ihm
einmal gezogenen Schranken der Autonomie nachträglich enger
ziehen, solange nicht irgend welche unmittelbar durch die
Verfassung gewährleisteten Befugnisse oder Anforderungen
verletzt werden; gleiches muss für Autonomiebeschränkungen
gelten, die sich durch Erlass oder Änderung der kantonalen
Richtplanung ergeben (BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 mit Hin-
weisen). Wird eine Gemeinde durch eine kantonale Raumpla-
nungsmassnahme in ihrer Autonomie eingeschränkt, so kann sie
mit staatsrechtlicher Beschwerde insbesondere verlangen,
dass die kantonale Behörde ihre verfahrensmässigen Befugnis-
se nicht überschreitet und in materieller Hinsicht die kan-
tonal- und bundesrechtlichen Vorschriften, die den autonomen
Bereich der Gemeinde betreffen, nicht verletzt. Sie kann
insbesondere vorbringen, der Eingriff in ihre Autonomie sei
materiell rechtswidrig, etwa weil die planerische Anordnung
den gesetzlichen Zweck des betreffenden Planungsinstruments
verfehle (BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 f. mit Hinweisen). So-
weit die Handhabung von eidgenössischem oder kantonalem Ver-
fassungsrecht zur Diskussion steht, prüft das Bundesgericht
das Vorgehen der kantonalen Behörden mit freier Kognition,
ansonsten unter dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 124 I 223
E. 2b S. 226 f.; 122 I 279 E. 8b und 8c S. 290 f.; 120 Ia
203 E. 2a; je mit Hinweisen).

        c) Wie das Bundesgericht wiederholt festgehalten
hat, sind die Gemeinden des Kantons Bern im Bereich der
Ortsplanung autonom (Art. 55 Abs. 1 sowie Art. 65 BauG;
Urteil des Bundesgerichts vom 18. März 1991 in Sachen Ein-
wohnergemeinde Thun, E. 4b [veröffentlicht in ZBl 92/1991
S. 278 ff.]). In Bezug auf grössere, mehrere Gemeinden um-
fassende, wirtschaftlich und geografisch zusammenhängende
Gebiete ist die Raumplanung Aufgabe der Regionen (Art. 55
Abs. 2 BauG), zu denen sich die Gemeinden zwecks Erfüllung

gemeinsamer Aufgaben der Raumplanung in Form von öffentlich-
oder privatrechtlichen Vereinigungen zusammenschliessen müs-
sen (Art. 97 Abs. 1 BauG).

        d) Zu prüfen ist, ob der Regierungsrat die Autono-
mie der beschwerdeführenden Gemeinden verletzt hat, indem er
die Gebiete Bubenloo und Biberen im Sachplan als mögliche
und - für den Fall der innert Frist nachweislich fehlenden
Planungsbemühungen seitens der Regionen und der Gemeinden -
als endgültige Standorte für den Kiesabbau bzw. die Inert-
stofflagerung vorgesehen hat. Vorerst ist aber auf die
formellen Rügen einzugehen, die zu erheben die Beschwerde-
führerinnen befugt sind, da sie durch die angefochtenen
Massnahmen des Sachplanes in ihrer Autonomie berührt sind.

     4.- a) Die Gemeinden rügen eine Verletzung des rechtli-
chen Gehörs, weil sich die kantonalen Organe mit den von der
Gemeinde Urtenen gegen die Ausweisung eines kantonalen Stan-
dortes im Bubenloo vorgebrachten Argumente in keiner Weise
auseinander gesetzt hätten und die von der Gemeinde Feren-
balm beim Kanton beantragte Besprechung bezüglich des im
Gebiet Biberen geplanten Standorts erst nach Erlass des
Sachplans stattgefunden habe.

        b) Der aus Art. 4 der alten Bundesverfassung vom
29. Mai 1874 (aBV) abgeleitete Anspruch auf rechtliches Ge-
hör, der heute inhaltlich unverändert in Art. 29 Abs. 2 BV
gewährleistet ist (vgl. BBl 1997 I 182; Amtl. Bull. N 1998
234; Amtl. Bull. S 1998 50 f.), dient der Sachaufklärung und
garantiert dem Betroffenen ein persönlichkeitsbezogenes Mit-
wirkungsrecht im Verfahren. Er soll sich vor der Beschluss-
fassung zur Sache äussern, erhebliche Beweise beibringen,
Einsicht in die Akten nehmen und an der Erhebung von Bewei-
sen mitwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis äussern

können, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beein-
flussen (BGE 124 I 241 E. 2 und 49 E. 3a; 124 V 180 E. 1a,
372 E. 3b, je mit Hinweisen).

        c) Aus den Akten ergibt sich, dass die Gemeinden im
Rahmen des breit angelegten Vernehmlassungsverfahrens Gele-
genheit zur Stellungnahme erhielten und davon auch Gebrauch
gemacht haben. Ihre zum Sachplanentwurf eingenommenen Stand-
punkte sind - zusammen mit denjenigen anderer bernischer Ge-
meinden, die sich vernehmen liessen - in einem Bericht des
Amts für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern vom Juli
1998 je in knapper Form zusammengefasst. Dass die kantonalen
Behörden weder in diesem Bericht noch im Sachplan selbst de-
tailliert auf die einzelnen Stellungnahmen eingegangen sind,
ist angesichts der Weiträumigkeit der Abbau- und Deponiepla-
nung sowie der eher allgemein gehaltenen Zielsetzung des
Sachplans, die hauptsächlich in der Vorgabe der Kriterien
für die Standortbestimmungen und die Planungsmodalitäten an
die nachfolgenden Planungsträger besteht, nicht zu beanstan-
den. Aus denselben Gründen verstösst auch die Tatsache, dass
die Gemeinde Ferenbalm trotz ihres noch vor Erlass des Sach-
plans gestellten Gesuchs um eine Besprechung mit den kanto-
nalen Behörden erst im Nachhinein Gelegenheit zu weiteren
Ausführungen erhielt, nicht gegen den Anspruch auf rechtli-
ches Gehör. Diesem wurde demnach in beiden Fällen Genüge ge-
tan. Ob und inwieweit das Festhalten an den umstrittenen
Standorten mit dem einschlägigen materiellen Recht vereinbar
ist, bzw. ob die fraglichen Standortfestsetzungen im Sach-
plan überhaupt erfolgen durften, sind demgegenüber Fragen,
die sich im Zusammenhang mit der Gemeindeautonomie stellen
(s. unten E. 5).

     5.- a) Der Sachplan legt, wie aus seinen einleitenden
Bestimmungen hervorgeht, ein Konzept für die Planung der Ab-
bau- und Deponiereserven fest, gestützt auf welches die Re-

gionen nach dem Prinzip der Selbstvorsorge für ihr Gebiet
die geeigneten Standorte zu ermitteln haben (Ziff. 1.3 bis
1.6). Die Abstimmung auf der übergeordneten, insbesondere
auch überkantonalen Ebene soll dabei mit Hilfe des - auf der
Grundlage des Sachplans zu überarbeitenden - Richtplans er-
folgen (Ziff. 1.6).

        b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht kommen für die
Planung von Abfall- und Kiesabbaustandorten im Kanton Bern
mangels entsprechender Sondervorschriften auf kantonaler
oder eidgenössischer Ebene die dort allgemein geltenden
planungsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze zum Tragen
(vgl. für den Abfallbereich: Hans-Peter Fahrni, Abfallpla-
nung und Entsorgungspflicht, in: URP 1999 16 ff., S. 26
oben). Nach Art. 99 Abs. 1 BauG bezeichnet der Regierungsrat
die Grundlagen, Konzepte und Sachpläne, mit denen die räum-
liche Entwicklung des Kantons bestimmt werden soll, und er
beauftragt die Direktionen mit der Erarbeitung; er beauf-
sichtigt die Abstimmung der raumwirksamen Tätigkeiten im
Kanton und entscheidet im Konfliktsfall. Art. 53 Abs. 2 BauG
sieht vor, dass die Gemeinden, die Regionen und der Kanton
die zur Erfüllung ihrer raumwirksamen Aufgaben nötigen Pla-
nungen erarbeiten und aufeinander abstimmen.

        Bei der Erfüllung raumplanerischer Aufgaben haben
die Planungsbehörden die Gesamtheit der normierten Ziele und
Grundsätze optimal zu berücksichtigen. Solche ergeben sich
aus dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht. Dazu gehören
auch die Ziele und Planungsgrundsätze, wie sie in Art. 1 und
3 RPG umschrieben sind. Was die bevorstehende Abstimmung des
Sachplans mit dem Richtplan betrifft, ist zu beachten, dass
Richtpläne eine doppelte Funktion erfüllen: Sie dienen so-
wohl der Nutzungsrichtplanung als auch der Koordinations-
richtplanung (Art. 8 RPG). Hinsichtlich letzterer dient der
Richtplan der Koordination raumwirksamer Tätigkeiten, indem
er die Aufgaben aller Sachbereiche und aller staatlichen

Ebenen miteinander verknüpft und die Handlungsbeiträge der
zuständigen Aufgabenträger zur erwünschten Raumordnung be-
zeichnet. Zu den raumwirksamen Tätigkeiten, die mit Hilfe
des Richtplans aufeinander abgestimmt werden, zählt auch die
Festsetzung von Nutzungsplänen. Diese wirken wegen ihres
grundsätzlich flächendeckenden Zugriffs, wegen ihrer auf
Interessenausgleich verpflichteten breiten Optik und wegen
ihrer Allgemeinverbindlichkeit als zentrales Instrument der
Raumplanung. Daher hat der Richtplan die Nutzungsplanung in
der Sache selbst anzuleiten und sich zu diesem Zweck zu den
erforderlichen Änderungen an der geltenden Nutzungsordnung -
soweit sie auf andere raumwirksame Tätigkeiten oder auf die
anzustrebende Entwicklung hin abgestimmt werden muss - zu
äussern (Pierre Tschannen, Kommentar RPG, Vorbemerkungen zu
Art. 6 - 12, Rz. 6 ff.).

        Hinsichtlich der Planung und Abstimmung raumwirksa-
mer Tätigkeiten schreibt Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung
über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 (RPV; SR 700.1)
vor, im Hinblick auf eine Lösung die in Betracht fallenden
Alternativen und Varianten zu prüfen. Soweit den Behörden im
Rahmen der Planung Handlungsspielräume zustehen, haben sie
die davon berührten Interessen gegeneinander abzuwägen und
in der Begründung ihrer Beschlüsse darzulegen (Art. 3 RPV).
Was die definitive Festlegung von Kiesabbau- und Abfalldepo-
niestandorten betrifft, so ist in Bezug auf die Beurteilung
ihrer Eignung neben der Prüfung gewisser natürlicher Gege-
benheiten insbesondere den Anliegen des Umweltschutzes Rech-
nung zu tragen (für den Kiesabbau: vgl. BGE 123 II 88 E. 2a
S. 93; für den Abfallbereich: Entscheid des Bundesgerichts
vom 28. März 1994 i.S. B., E. 4 [publ. in: URP 1994 148
ff.]; BGE 116 Ib 50 E. 3b S. 55 a.E.).

        c) Aus den umfangreichen Akten, insbesondere den
Protokollen der Projektleitung, des Verwaltungsausschusses
und der Sonderkommission sowie im Übrigen auch aus dem Sach-

plan selbst ergibt sich, dass die umstrittenen Standorte in
den kommunalen Gebieten Bubenloo und Biberen in erster Linie
aus dem Blickwinkel der ausreichenden Kiesversorgung fest-
gelegt wurden. Eine stufengerechte Prüfung der Erschlies-
sungsproblematik, der Luftbelastungen und des Natur- und
Heimatschutzes hat indessen nicht stattgefunden, obwohl im
Bubenloo ein Naherholungsgebiet und im Gebiet Biberen ein
Landschaftsschutzgebiet betroffen ist. Diese Aufgabe ist im
Sachplan vielmehr den bernischen Regionen überbunden worden
(Ziff. 1.5, 5.1 a.E.). Zudem ergibt sich aus dem den Stand-
ort Bubenloo betreffenden Objektblatt 1995, dass hinsicht-
lich der Abfallplanung die gemäss Anhang 2 zur Technischen
Verordnung über Abfälle vom 10. Dezember 1990 (TVA;
SR 814.600) vorgeschriebenen Nachweise verschiedener natür-
licher Gegebenheiten, die nach Art. 30 TVA für die Standort-
wahl vorausgesetzt werden, nur teilweise erbracht sind. Eine
flächendeckende Ermittlung aller für die Region Bern in Be-
tracht fallenden Kiesabbau- und Deponiestandorte sowie eine
stufengerechte Bewertung ihrer Geeignetheit sind für die
Festlegung von Standorten jedoch unerlässlich.

        Dass die Festsetzungen vorwiegend aus der Sicht
ausreichender Kiesversorgung erfolgten, ergibt sich indirekt
auch aus der Zusammensetzung der Projektleitung, die zusam-
men mit dem Verwaltungsausschuss und einer Sonderkommission
die Projektorganisation bildete und an der Erarbeitung des
Sachplans massgeblich beteiligt war: Die Projektleitung
setzte sich aus vier Vertretern der kantonalen Verwaltung
(Amt für Gemeinden und Raumordnung, Amt für Gewässerschutz
und Abfallwirtschaft) und fünf Privaten zusammen, davon ein
privater Raumplaner (Bruno Berz), zwei Vertreter der Stif-
tung Landschaft und Kies (Kurt Baumgartner und Karl Hof-
stetter, die gleichzeitig für die Kiesunternehmung K. und
U. Hofstetter AG in Hindelbank tätig sind) und zwei Vertre-
ter der CSD Colombi Schmutz Dorthe AG (Martin Hostettler und
Ernst Schläppi), einem Ingenieur- und Planungsbüro, das re-

gelmässig im Auftrag der Kiesindustrie tätig ist. Die CSD AG
beriet die Projektleitung und war federführend für die Bear-
beitung der Objektblätter, die der Standortauswahl zugrunde
liegen. Wie aus dem Vortrag der kantonalen Baudirektion an
den Regierungsrat vom 2. August 1990 hervorgeht, erfolgte
die Finanzierung der Sachplanung zu 50% durch das daran
interessierte Kiesgewerbe, vertreten durch die Stiftung
Landschaft und Kies, einer Interessenvertreterin der Kies-
wirtschaft. Zudem ist unbestritten, dass die CSD AG für die
Unternehmung KSU Kiesabbau Bubenloo im Rahmen eines Kiesab-
baubewilligungsverfahrens Aufträge ausführte; das bereits am
7. April 1975 gestellte Kiesabbaugesuch über 2'230'000 m3
ist noch heute hängig, nachdem die Gemeinde Urtenen und die
Kiesabbauunternehmung der Sistierung des Rechtsmittelverfah-
rens zugestimmt haben. Mitglied der KSU Kiesabbau Bubenloo
ist u.a. die Kiesunternehmung K. und U. Hofstetter AG in
Hindelbank. Es nahmen demnach mehrere Mitglieder in der Pro-
jektleitung Einsitz, die am hängigen Verfahren betreffend
die Genehmigung des beantragten Kiesabbaus im Bubenloo be-
teiligt waren. Selbst wenn die Mitwirkung von Wirtschafts-
vertretern an der Sachplanung grundsätzlich als sachdienlich
und zweckmässig zu betrachten ist (vgl. Art. 41a USG), darf
diese im Ergebnis nicht zu einer Vernachlässigung der öf-
fentlichen Anliegen führen. Auch wäre etwa hinsichtlich des
Kiesvorkommens in der Gemeinde Ferenbalm aus umweltschutz-
und erschliessungstechnischen Gründen eine Abstimmung mit
dem Kiesabbau in der freiburgischen Nachbargemeinde Ulmiz
erforderlich gewesen, was seitens der Behörden indessen
nicht veranlasst wurde.

        d) In einem Sachplan können Standorte unter dem
eingeengten Blickwinkel der Bedürfnisse der Kiesversorgung
bestimmt werden, wenn damit bloss das Versorgungsinteresse
für die künftige Richtplanung angemeldet wird. Um den raum-
planungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, bedarf es dann
der Überführung der Sachplanfestsetzungen in den Richtplan.

Dies setzt eine Abstimmung mit anderen Sach- und Entwick-
lungsplänen sowie eine Koordination mit den benachbarten
Kantonen voraus (vgl. die im Rahmen der Sachplanung einge-
holten Vernehmlassungen des Bundesamts für Raumplanung vom
2. Februar 1998 und des Bundesamts für Umwelt, Wald und
Landschaft vom 26. Februar 1998). Der vorliegende Sachplan
beruht weder auf einer solchen Abstimmung noch auf einer
hinreichenden Interessenabwägung. Dennoch enthält er behör-
denverbindliche Standortfestsetzungen mit entsprechenden
Vorgaben an die betroffenen Gemeinden: Es ist ihnen ver-
wehrt, an den bezeichneten Standorten nutzungsplanerische
Massnahmen oder Baubewilligungsentscheide zu treffen, die
dem Kiesabbau beziehungsweise der Inertstoffablagerung ent-
gegenstehen. In dieser Hinsicht erfüllt der Sachplan Richt-
planfunktionen, ohne aber den Anforderungen an die Richtpla-
nung in formeller und materieller Hinsicht zu genügen (s.
vorne E. 2b und 5b). Damit übersteigt der Sachplan seinen
Zweck, die Grundlagen und das Konzept für die nachgeordnete
Planung aufzuzeigen.

        Es ergibt sich somit, dass die beiden umstrittenen
Festlegungen von Abbaustandorten von kantonaler Bedeutung
über den Inhalt eines reinen Sachplanes hinausgehen und da-
durch gegen die Gemeindeautonomie der Beschwerdeführerinnen
verstossen. Diese für die beiden Standorte aufgezeigten Män-
gel am Sachplan können im Rahmen der nachfolgenden Planungs-
schritte zweckmässig nachgeholt werden.

        e) Bei diesem Ausgang des Verfahrens erübrigt es
sich, auf die weiteren Rügen einzugehen. Dies betrifft ins-
besondere die Einwände, der Sachplan sei unter Verletzung
der Ausstandsvorschriften zustande gekommen und enthalte
entgegen Art. 5 RPG keine Regelung über den Ausgleich der
Vor- und Nachteile, die den Gemeinden durch die Planungen
entstünden.

     6.- Demnach sind die staatsrechtlichen Beschwerden we-
gen Verletzung der Gemeindeautonomie gutzuheissen, soweit
darauf eingetreten werden kann, und die angefochtenen Stand-
ortfestlegungen aufzuheben. Auf die Erhebung von Gerichts-
kosten wird verzichtet (Art. 156 Abs. 2 OG). Praxisgemäss
wird der Kanton Bern verpflichtet, die beschwerdeführenden
Gemeinden Urtenen und Ferenbalm für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtlichen Beschwerden werden gutgeheis-
sen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der Sachplan
ADT vom 16. September 1998 wird aufgehoben, soweit er in den
Gemeinden Urtenen und Ferenbalm Standorte für den Kiesabbau
bzw. die Inertstofflagerung festlegt.

     2.- Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzich-
tet.

     3.- Der Kanton Bern hat die Gemeinden Urtenen und
Ferenbalm für das bundesgerichtliche Verfahren mit je
Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

     4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen und
der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern
schriftlich mitgeteilt.
                       ______________

Lausanne, 14. April 2000

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:         Die Gerichtsschreiberin: