Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.434/1999
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1999
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1999


1P.434/1999/odi

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                      20. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Bundesrichter Jacot-Guillarmod und
Gerichtsschreiberin Widmer.

                         ---------

                         In Sachen

S.R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwältin Hana Wüthrich, Haselstrasse 5, Postfach 1562,
Baden,

                           gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons  A a r g a u,
Obergericht des Kantons  A a r g a u, 1. Strafkammer,

                         betreffend
                    Art. 6 Ziff. 2 EMRK
     (Willkürliche Beweiswürdigung; in dubio pro reo),

hat sich ergeben:

     A.- S.R.________ wurde von der zweiten Abteilung des
Bezirksgerichts Baden am 18. Dezember 1997 der mehrfachen
sexuellen Nötigung, der Vergewaltigung, der Drohung sowie
des mehrfachen Führens eines Personenwagens trotz Führeraus-
weisentzugs schuldig gesprochen und mit 3 1/4 Jahren Zucht-
haus abzüglich zwei Tagen Untersuchungshaft, einer Busse von
Fr. 500.-- sowie mit 10 Jahren Landesverweisung, bedingt
vollziehbar bei einer Probezeit von 5 Jahren, bestraft;
gleichzeitig wurde der mit Strafbefehl des Bezirksamts
Zurzach vom 22. Januar 1993 gewährte bedingte Strafvollzug
für eine Gefängnisstrafe von 30 Tagen widerrufen und eine
vollzugsbegleitende ambulante psychotherapeutische Behand-
lung angeordnet.

        Gegen dieses Urteil erhob S.R.________ Berufung
beim aargauischen Obergericht und beantragte den Freispruch
von den Anklagepunkten der mehrfachen sexuellen Nötigung und
der Vergewaltigung sowie eine mildere Strafzumessung. Nach
Durchführung einer Verhandlung mit Befragung von
S.R.________ wies die 1. Strafkammer des Obergerichts am
6. Mai 1999 die Berufung ab.

     B.- S.R.________ ist mit staatsrechtlicher Beschwerde
ans Bundesgericht gelangt und beantragt die Aufhebung des
obergerichtlichen Urteils hinsichtlich der Anklagepunkte der
mehrfachen sexuellen Nötigung, der Vergewaltigung, der mehr-
fachen Drohung sowie der einfachen Körperverletzung. Zur Be-
gründung beruft er sich auf Art. 4 der Bundesverfassung vom
29. Mai 1874 (aBV) und rügt, die Beweiswürdigung sei will-
kürlich erfolgt. In prozessualer Hinsicht ersucht er um Ge-
währung der unentgeltlichen Rechtspflege.

        Das Obergericht beantragt die Abweisung der Be-
schwerde. Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Stellungnahme
stillschweigend verzichtet.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
freier Kognition, ob und wieweit es auf eine Beschwerde ein-
treten kann (BGE 125 II 293 E. 1a S. 299 mit Hinweisen).

        b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier
nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer
Natur (BGE 125 II 86 E. 5a S. 96 mit Hinweisen). Soweit der
Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des ange-
fochtenen Urteils, kann darauf nicht eingetreten werden.
Dies betrifft die Anträge bezüglich der Anklagepunkte der
mehrfachen Drohung und der einfachen Körperverletzung: Der
bezirksgerichtliche Schuldspruch wegen Drohung ist vor Ober-
gericht unangefochten geblieben und daher in Rechtskraft
erwachsen; hinsichtlich des Vorwurfs der einfachen Körper-
verletzung wurde das Verfahren zufolge Rückzugs des Strafan-
trags bereits vor Bezirksgericht eingestellt. Das rechtlich
geschützte Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung
des angefochtenen, letztinstanzlichen Urteils kann sich
daher allein auf die Vorwürfe der sexuellen Nötigung und der
Vergewaltigung beziehen.

        Die Beschwerde enthält über weite Strecken rein
appellatorische Kritik am Urteil des Obergerichts, was im
Lichte von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG unzulässig ist. Soweit
im Folgenden auf Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht
eingegangen wird, geschieht dies deswegen, weil die Be-
schwerde im erwähnten Sinn den gesetzlichen Anforderungen

nicht genügt. Der Beschwerdeführer ist zur Erhebung der
staatsrechtlichen Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswür-
digung legitimiert (Art. 86 f. OG). Da die übrigen Sachur-
teilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist im dargelegten Umfang
auf die Beschwerde einzutreten.

     2.- a) In Bezug auf die beiden in Frage stehenden Vor-
fälle enthält die Anklageschrift vom 24. Oktober 1996 fol-
gende Angaben:

        "Die in Polen lebende Geschädigte L.________ hielt
         sich seit dem 09.02.96 als Gast bei der Familie
         R.________ in 5424 Unterehrendingen auf. Sie war in
         die Schweiz eingereist, um einen Bekannten,
         W.________, der sich in der Strafanstalt Lenzburg
         befindet, zu besuchen. Da S.R.________ den in
         Lenzburg Einsitzenden kennt, gewährte er L.________
         Kost und Logis. Die Geschädigte hat keinerlei Ver-
         wandte oder Bezugspersonen in der Schweiz.
         Die Geschädigte erstattete am 16.03.96 Anzeige
         gegen den Beschuldigten S.R.________ wegen (Mord-)-
         Drohung und Handlungen gegen die sexuelle Integri-
         tät. [...]

         - Am 18.02.96 begab sich der Beschuldigte um
         02.30 Uhr ins Arbeitszimmer in der Wohnung in
         Unterehrendingen. Er weckte die dort schlafende
         Geschädigte und verlangte von ihr Sex. Nachdem sie
         ihm gesagt hatte, dass sie die Menstruation habe,
         zwang er sie, ihn oral zu befriedigen, indem er sie
         heftig an den Haaren riss. Die Geschädigte musste
         sich aufgrund des oralen Verkehrs übergeben und be-
         gab sich hierzu in die Toilette. Danach zwang sie
         der Beschuldigte wieder ins Arbeitszimmer. Dort
         wollte der Beschuldigte mit der Geschädigten anal
         verkehren, was ihm aber aufgrund des alkoholisier-
         ten Zustands nicht gelang. Schliesslich führte er
         stattdessen seinen Finger in den Anus der Geschä-
         digten. Ausserdem verlangte er von der Geschädig-
         ten, dass sie ihn weiter oral befriedige und ver-
         suchte auch selbst, sich mit der Hand zu befriedi-
         gen, wobei er die Geschädigte aufforderte, es ihm
         gleich zu tun. Die Geschädigte bemerkte schliess-
         lich, dass das Bett, auf dem sie lag, quietschte
         und es gelang ihr aufgrund dieses Umstands, ge-
         nügend Lärm zu machen, um die Ehefrau des Beschul-
         digten zu wecken. Die wachgewordene Ehefrau des

         Beschuldigten kam schliesslich ins Arbeitszimmer,
         wo sich die Geschädigte und der Beschuldigte auf-
         hielten. Daraufhin verliess der Beschuldigte das
         Arbeitszimmer und legte sich im Wohnzimmer schla-
         fen. Die Geschädigte gibt an, sie habe grosse Angst
         vor Schlägen des Beschuldigten gehabt, denn sie
         habe ja gesehen, dass der Beschuldigte auch mit
         seinen Familienangehörigen unberechenbar und
         gewalttätig sei. Aus diesem Grund habe sie auch
         nicht gewagt, sich zu wehren.

         Die Ehefrau des Beschuldigten, M.R.________, gibt
         an, sie habe, als sie ins Arbeitszimmer trat, ihren
         Mann und die Geschädigte auf dem Bett liegend und
         nur mit einem T-Shirt bekleidet vorgefunden. Die
         Geschädigte habe geweint und ihr, nachdem der Be-
         schuldigte das Zimmer verlassen hatte, die ganze
         Geschichte in der oben beschriebenen Form erzählt.
         Da sie den Aussagen der Geschädigten Glauben ge-
         schenkt habe, habe sie daraufhin die Geschädigte
         zum Schlafen in ihr Zimmer genommen. Später habe
         die Geschädigte dem Beschuldigten ins Gesicht ge-
         sagt, dass er sie vergewaltigt habe. Dieser habe
         daraufhin die Geschädigte niedergeschlagen.

         - Am 07.03.96 hielten sich nur die Geschädigte und
         der Beschuldigte, sowie die zwei kleinen Kinder des
         Beschuldigten in der Wohnung in Unterehrendingen
         auf. Der Beschuldigte rief die Geschädigte um ca.
         19.00 bis 20.00 Uhr zu sich ins Schlafzimmer und
         schloss die Türe ab. Dann zwang er sie mit Gewalt
         zu ungeschütztem oralem sowie zu Geschlechtsver-
         kehr, wobei der Beschuldigte beide Male einen
         Samenerguss hatte. Die Geschädigte hatte Angst,
         insbesondere fürchtete sie auch, dass die zwei
         schlafenden Kinder etwas mitbekommen könnten. Daher
         verhielt sie sich ruhig. Da die Beschuldigte be-
         merkte, dass M.R.________ schon genug Probleme
         bezüglich der Familie hatte, erzählte sie diesen
         Vorfall vorerst nicht. Erst nachdem am 14.03.96 die
         Situation eskalierte, erzählte die Geschädigte von
         diesem Vorfall.

         [...] Der Beschuldigte bestreitet sämtliche Vor-
         würfe. Es soll in keiner Weise zu Vorkommnissen in
         der geschilderten Form gekommen sein. Der Beschul-
         digte gibt an, impotent zu sein, weshalb er die ge-
         nannten Handlungen gar nicht habe vornehmen können.
         Die Vorwürfe hat die Geschädigte laut Aussage des
         Beschuldigten erfunden, um sich zu rächen. Er ver-
         mutet, sie habe sich rächen wollen, weil er sie aus
         dem Haus werfen wollte.

         Die Ehefrau des Beschuldigten gab zu Protokoll,
         dass der Beschuldigte nur teilweise impotent sei
         bzw. es ihm ab und zu durchaus möglich sei, einen
         Samenerguss zu haben. [...]"

        b) Das Obergericht führte im angefochtenen Ent-
scheid im Wesentlichen aus, die Sachverhaltsdarstellung ge-
mäss der Anzeige vom 16. März 1996 stimme mit den Aussagen,
die L.________ am 21. und 22. März 1996 vor den Untersu-
chungsbehörden abgegeben habe, überein. Obwohl die familiä-
ren Verhältnisse Mitte März 1996 derart eskaliert seien,
dass der Beschwerdeführer in die Psychiatrische Klinik
Königsfelden habe eingeliefert werden müssen, bestehe kein
Anlass zur Annahme, dass diese Situation das Aussageverhal-
ten von L.________ beeinflusst habe. Diese sei zudem während
der Schilderung des Erlebten emotional bewegt gewesen, was
ebenfalls darauf schliessen lasse, dass sie den Beschwerde-
führer nicht habe falsch belasten wollen. Ihre Aussagen wie-
sen zudem einen hohen Detaillierungsgrad mit zahlreichen
Verankerungen in der konkreten Lebenssituation auf, weshalb
sie glaubhaft erschienen. So habe L.________ neben den zur
Anzeige gebrachten Geschehnissen auf weitere Belästigungen
seitens des Beschwerdeführers hingewiesen und die genauen
Umstände der fraglichen Vorfälle lebensnah beschrieben. Bei-
spielsweise habe sie bezüglich des Ereignisses vom 18. Fe-
bruar 1996 ausgeführt, wie sie, bevor es zu dem erzwungenen
oralen Sexualverkehr gekommen sei, den Beschwerdeführer
trotz ihrer inneren Ablehnung zu einem Besuch begleitet
habe, weil sie von seiner damaligen Ehefrau beschwichtigt
worden sei; diese habe in der Folge beide abholen müssen,
weil der Beschwerdeführer in einem Lokal in Ennetbaden
übermässig Alkohol konsumiert habe. Was den Vorfall an sich
betreffe, so spreche sowohl die Beschreibung der von
L.________ empfundenen Ekelgefühle sowie die Schilderung der
Erektionsunfähigkeit des Beschwerdeführers für die Wahrheit
der Aussagen, zumal die Geschädigte nur kurze Zeit bei der
Familie gewesen sei und von den Potenzschwierigkeiten des

Beschwerdeführers kaum anderweitig Kenntnis erlangt habe.
Ihre Darstellung stimme auch mit dem Bericht von Dr. med.
M. Horvath, Wettingen, vom 2. Februar 1998 überein, wonach
sich der Beschwerdeführer bis zum 15. Dezember 1995 wegen
Diabetes mellitus Typ II bei ihr in Behandlung befunden und
unter anderem über Potenzschwierigkeiten geklagt habe. In
diesem Bericht habe die Ärztin die Möglichkeit einer erekti-
len Impotenz erwähnt, was aber nicht bedeute, dass die Eja-
kulationsfähigkeit ausgeschlossen wäre. Die Aussage von
L.________ stimme zudem mit derjenigen der ehemaligen Frau
des Beschwerdeführers überein, wonach es diesem, wenn er
nicht angetrunken sei, von Zeit zu Zeit möglich wäre, den
Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Demgegenüber stelle sich
das Aussageverhalten des Beschwerdeführers vollkommen wider-
sprüchlich und unglaubwürdig dar. Nachdem er vor den Unter-
suchungsbehörden generell bestritten habe, dass es zu
irgendwelchen Vorfällen gekommen sei, habe er vor Bezirks-
und vor Obergericht die Vorfälle als sexuelle Belästigungen
seitens der Geschädigten dargestellt. Dies sei schon deshalb
nicht glaubwürdig, weil der Beschwerdeführer jederzeit die
Möglichkeit gehabt hätte, die Geschädigte aus seiner Wohnung
zu weisen. Das Obergericht erachtet es zudem nicht als aus-
geschlossen, dass der Beschwerdeführer die Geschädigte der-
art unter Druck zu setzen und einzuschüchtern vermochte,
dass sie - selbst dann, wenn sich seine damalige Ehefrau und
die Kinder in der Wohnung aufhielten - nicht um Hilfe zu
rufen wagte. Schliesslich habe die Geschädigte auch plausi-
bel erklärt, weshalb es am 7. März 1996 erneut zu einer
Missbrauchshandlung habe kommen können: An diesem Tag habe
sie die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers nicht beglei-
ten können, weil diese mit einem ihrer Kinder zwecks eines
Bewerbungsgesprächs für eine Lehrstelle nach Aarau gefahren
sei. Glaubhaft sei auch, dass sie sich in das Schlafzimmer
des Beschwerdeführers begeben habe, in der Hoffnung, ihn mit

einem Gespräch hinhalten zu können, und dass sie deshalb
nicht geschrien habe, weil sie die noch nicht schlafenden
Kinder nicht habe auf die Sache aufmerksam machen wollen.

        c) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht eine
willkürliche Beweiswürdigung vor, weil es den Sachverhalt
krass fehlerhaft festgestellt und gewürdigt habe. Hinsicht-
lich der Anklagepunkte der mehrfachen sexuellen Nötigung und
der Vergewaltigung habe das Obergericht seine Aussagen, wo-
nach er impotent und damit gar nicht in der Lage sei, den
Geschlechtsverkehr auszuführen, unberücksichtigt gelassen;
dies, obwohl seine Ärztin in ihrem Schreiben vom 2. Februar
1998 ausgeführt habe, dass er sich zwischen Oktober und De-
zember 1995 wegen Zuckerkrankheit bei ihr in Behandlung be-
funden habe, und dass es bekannt sei, dass diese Krankheit
bei den männlichen Patienten zu einer erektilen Impotenz
führen könne, über welche sich der Beschwerdeführer denn
auch beklagt habe. Folglich hätte das Obergericht den Aus-
sagen von L.________, wonach es - trotz der Potenzstörungen
- am 7. März 1996 zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, kei-
nen Glauben schenken dürfen, zumal davon ausgegangen werden
müsse, dass diese auf die Potenzstörungen nur hindeutete,
weil sie anlässlich der Verfassung der Anzeige von seiner
damaligen Ehefrau darüber informiert worden sei. Die Angaben
der angeblich Geschädigten seien aber auch deshalb nicht
glaubwürdig, weil sie nicht von ihr selbst in polnischer,
sondern vom damaligen Nachbar I.________ in deutscher Spra-
che verfasst worden seien, wobei dieser während der Anhörung
der beiden je anderssprachigen Frauen auch noch von seiner
Freundin juristisch beraten worden sei; aufgrund dieser ver-
schiedenen persönlichen Einflussnahmen und der Verwendung
juristischer Begriffe gebe der Bericht die wahren Gegeben-
heiten nicht unverfälscht wieder. Aus den Akten gehe zudem
hervor, dass seine damalige Ehefrau, die mit ihm zu jenem
Zeitpunkt stark zerstritten gewesen sei, zwei Tage vor der
Anzeigeerstattung ein Eheschutzbegehren verfasst habe, wobei

sie von I.________ unterstützt worden sei. Was schliesslich
die Details betreffe, die nach Auffassung des Obergerichts
die Aussagen als glaubwürdig erscheinen liessen, so seien
etliche davon überhaupt nicht zutreffend. Beispielsweise
könne die hinsichtlich des Vorfalls vom 18. Februar 1996 von
L.________ gemachte Angabe, wonach das Bett gequietscht
habe, schon deshalb nicht richtig sein, weil sich im fragli-
chen Raum kein Bett, sondern vielmehr eine gepolsterte Couch
befinde, die überhaupt keinen Krach verursache. Widersprüch-
lich sei auch die Beschreibung seiner Kleider; dass seine
Hose verschmutzt gewesen sei, habe L.________ jedenfalls
erstmals der Polizei gegenüber erwähnt. Im Übrigen hätte
L.________ unter den von ihr geschilderten Umständen be-
stimmt keine Zeit gehabt, seine Hose nach Schmutzspuren hin
zu untersuchen. Unerklärlich sei in diesem Zusammenhang
auch, wie es ihm als einbeinigem, sich auf zwei Krücken vor-
wärts bewegendem Mann hätte möglich sein sollen, in das Zim-
mer von L.________ einzudringen, seine Hose auszuziehen und
diese sexuell zu bedrängen. Auch in Bezug auf den Vorfall
vom 7. März 1996 seien die Erzählungen unglaubwürdig: Wenn
L.________ tatsächlich einen Grund gehabt hätte, sich wegen
sexueller Übergriffe vor ihm zu fürchten, so wäre sie am be-
sagten Abend, als seine damalige Ehefrau abwesend war, kaum
allein mit ihm und seinen beiden jüngern Kinder in der Woh-
nung geblieben. Ein Widerspruch bestehe zudem zwischen dem
Bericht von I.________ vom 16. März 1996 und der Anklage-
schrift: Gemäss dem Ersteren habe sich L.________ während
der Vergewaltigung ruhig verhalten, um die beiden jüngeren
Kinder, die ebenfalls in der Wohnung gewesen und noch nicht
geschlafen hätten, nicht auf sich aufmerksam zu machen; dem-
gegenüber habe sie laut der Anklageschrift deshalb keinen
Lärm gemacht, weil die beiden Kinder bereits geschlafen hät-
ten und sie diese nicht habe aufwecken wollen. Dass
L.________ die Kinder nicht um Hilfe gerufen hätte, sei im
Übrigen ebenfalls unglaubwürdig. Eine Nötigungshandlung sei
auch deshalb nicht dargetan, weil L.________ freiwillig in

sein Schlafzimmer gegangen sei. Weiter könne nicht ernsthaft
angenommen werden, dass er trotz seiner körperlichen Behin-
derung in der Lage gewesen wäre, diese junge, gesunde Frau
im Schlafzimmer einzuschliessen. Willkürlich sei auch die
Vermutung, dass er L.________ klare Befehle habe erteilen
können, da sie jeweils polnisch und er serbisch gesprochen
hätte und sie sich nicht gut miteinander hätten verständigen
können. Die Unhaltbarkeit der Beweiswürdigung ergebe sich
auch daraus, dass das Obergericht in der zusammenfassenden
Erwägung seines Urteils unter dem Datum vom 7. März 1996 die
angeblichen Geschehnisse vom 18. Februar 1996 beschrieben
und damit den Sachverhalt der beiden Vorfälle vermischt
habe. Das Obergericht hätte zudem zwingend den Umstand in
die Beurteilung miteinbeziehen müssen, dass L.________ den
von I.________ verfassten Bericht unterschrieben habe, bevor
er ihr von einer Dolmetscherin übersetzt worden sei. Auch
hätte berücksichtigt werden müssen, dass seine damalige Ehe-
frau bei dessen Erstellung mitgewirkt habe; entsprechend
stimmten die vor den Untersuchungsbehörden gemachten Aus-
sagen von L.________ mit den Angaben im Bericht von
I.________ nicht überein. Willkürlich nicht in die Beurtei-
lung miteinbezogen worden sei auch die Tatsache, dass sich
zufolge der Abreise von L.________ kein Gericht einen un-
mittelbaren Eindruck von ihr - und damit von der Glaubwür-
digkeit ihrer Aussagen - habe verschaffen können. Gleiches
gelte für den Umstand, dass L.________ eine falsche Adresse
angegeben und weder von der Opferhilfestelle noch von ihrer
Anwältin Hilfe angenommen habe. Unhaltbar sei schliesslich,
dass das Obergericht für die Glaubwürdigkeit von L.________
auf ihre Attraktivität abgestellt habe, die sich aus den
Fotos ergebe.

     3.- a) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor,
die Beweise willkürlich gewürdigt und gegen den Grundsatz
"in dubio pro reo" verstossen zu haben. Im Bereich dieser

formellrechtlichen Rügen hat die am 1. Januar 2000 in Kraft
getretene neue Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV;
SR 101; siehe AS 1999 S. 2556 ff.) an der Rechtslage zwar
nichts geändert. Dennoch rechtfertigt es sich, den Bezug zu
den neuen Verfassungsbestimmungen herzustellen.

        b) In der Funktion als Beweiswürdigungsregel geht
der Schutz der aus der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV
und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) abgeleiteten Rechtsregel "in dubio
pro reo" nicht über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinaus.
Gemäss dem Prinzip "in dubio pro reo" ist bis zum gesetzli-
chen Nachweis seiner Schuld zu vermuten, dass der wegen
einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Als
Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich der
Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklag-
ten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn
bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der
Sachverhalt so verwirklicht hat. Die Beweiswürdigungsregel
ist verletzt, wenn der Strafrichter an der Schuld des Ange-
klagten hätte zweifeln müssen. Dabei sind bloss abstrakte
und theoretische Zweifel nicht massgebend, weil solche immer
möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden
kann. Entscheidend ist, ob die Zweifel erheblich und nicht
zu unterdrücken sind, d.h. sich nach der objektiven Sachlage
aufdrängen (BGE 124 IV 86 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2c S. 37, zu
Art. 4 aBV).

        Bei der Beurteilung von Fragen der Beweiswürdigung
beschränkt sich das Bundesgericht auf eine Willkürprüfung.
Willkür liegt nach der Rechtsprechung nicht schon vor, wenn
eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzu-
ziehen wäre. Das Bundesgericht weicht vom Entscheid der kan-
tonalen Behörde nur ab, wenn dieser offensichtlich unhaltbar
ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtssatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken

zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 125
II 129 E. 5b S. 134 und 10 E. 3a mit Hinweisen, zu Art. 4
aBV). Demnach kann das Bundesgericht nur eingreifen, wenn
der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei
objektiver Würdigung des ganzen Beweisergebnisses offen-
sichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrü-
ckende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden (BGE 124 IV 86
E. 2a; 120 Ia 31 E. 2d S. 38, zu Art. 4 aBV). Der Sachrich-
ter verfällt nicht in Willkür, wenn seine Schlussfolgerungen
nicht mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstim-
men (BGE 116 Ia 85 E. 2b, zu Art. 4 aBV) und jedenfalls im
Ergebnis haltbar sind. Eine einseitige Berücksichtigung der
Beweismittel verstösst indessen gegen das Willkürverbot.

        c) Die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände
lassen die Beweiswürdigung des Obergerichts nicht als will-
kürlich erscheinen. Auch wenn gestützt auf die Akten davon
auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer während des frag-
lichen Zeitraums an Potenzstörungen litt, so lassen diese
weder eine Vergewaltigung noch andere sexuelle Nötigungs-
handlungen als unmöglich erscheinen. Anlässlich der poli-
zeilichen Einvernahme vom 21. März 1996 gab L.________
bezüglich des Vorfalls vom 7. März 1996 zu Protokoll, der
Beschwerdeführer sei in ihre Vagina eingedrungen, obwohl
sein Penis nicht sehr erregt gewesen sei. Diese Aussage
deckt sich mit den Angaben, welche die damalige Ehefrau des
Beschwerdeführers an der Hauptverhandlung vor dem Bezirksge-
richt machte und wonach der Beschwerdeführer trotz seiner
Zuckerkrankheit nicht völlig impotent gewesen sein soll. Wie
das Obergericht in haltbarer Weise erwogen hat, sind die von
L.________ abgegebenen Beschreibungen des Tathergangs zudem
derart detailliert und auf die konkrete Lebenssituation des
Beschwerdeführers zugeschnitten, dass anzunehmen ist, dass
sie der Wahrheit entsprechen. Für die Glaubwürdigkeit der
Schilderungen von L.________ spricht auch die Zeugenaussage

von I.________, wonach diese emotional aufgewühlt gewesen
sei, als sie ihm am 16. März 1996 von den Vorfällen er-
zählte. Daran ändert nichts, dass sie der deutschen Sprache
nicht mächtig ist. Selbst unter Berücksichtigung der Bezie-
hungsprobleme zwischen dem Beschwerdeführer und seiner da-
maligen Ehefrau ist es haltbar, dass das Obergericht den
Aussagen der beiden Frauen Glauben schenkte, zumal nicht
einzusehen ist, welchen praktischen Vorteil sich dieselben -
abgesehen von ihrem persönlichen Schutz - von der Festnahme
des Beschwerdeführers hätten versprechen können. Ebenfalls
vertretbar ist die Erwägung des Obergerichts, wonach die vor
den Behörden gemachten Aussagen der beiden Frauen mit dem
von I.________ verfassten Bericht übereinstimmten; die an-
geblichen Widersprüche in den Aussagen, auf die der Be-
schwerdeführer hinweist, sind von derart untergeordneter
Bedeutung, dass sie die vom Obergericht vorgenommene Beweis-
würdigung im Ergebnis nicht umzustossen vermögen: Dass hin-
sichtlich des Vorfalls vom 18. Februar 1996 im Bericht von
I.________ von einem "Bett" anstelle einer "Couch" die Rede
ist, lässt die Belastungen noch nicht als unglaubwürdig er-
scheinen, zumal der Beschwerdeführer am 19. März 1996 gegen-
über der Polizei selber aussagte, L.________ habe in seinem
Büro geschlafen, wo ihr ein "provisorisches Bett" zur Verfü-
gung gestanden sei. Dasselbe gilt mit Bezug auf den Vorfall
vom 7. März 1996 für die Aussage von L.________, sie habe
sich deshalb nicht laut gegen die Vergewaltigung gewehrt,
weil sie die beiden noch nicht schlafenden Kinder nicht habe
auf sich aufmerksam machen wollen: Da keine Aktenstelle er-
sichtlich ist, wonach sich L.________ diesbezüglich wider-
sprochen hätte, dürfte es sich ohnehin um ein Versehen
seitens der Staatsanwaltschaft handeln, dass sie in der An-
klageschrift ausführte, die beiden jüngeren Kinder hätten
zur Tatzeit geschlafen. Im Übrigen ist es nachvollziehbar,
dass L.________ die beiden Kinder, die damals zehn bzw.
fünfzehn Jahre alt waren, nicht in die Angelegenheit hätte
miteinbeziehen wollen. Hingegen erweckt die Tatsache, dass

L.________ trotz des Vorfalls vom 18. Februar 1996 ihre
Gastfamilie nicht augenblicklich verliess, tatsächlich ge-
wisse Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen. Indes-
sen ist dieses Verhalten erklärbar, wenn man berücksichtigt,
dass sie in der Schweiz keine andere Unterkunftsmöglichkeit
hatte und mit ihrem Freund, der kurz vor der Entlassung aus
der Strafanstalt Lenzburg stand, ohnehin bald die Schweiz -
und damit auch die Gastfamilie - verlassen wollte. Ebenfalls
haltbar ist die Annahme, der Beschwerdeführer hätte
L.________ sowohl körperlich als auch psychisch derart unter
Druck zu setzen vermocht, dass sie sich gegen die fraglichen
Handlungen nicht habe zur Wehr setzen können. Dass der Be-
schwerdeführer nur noch über ein Bein verfügt, schliesst
seine diesbezügliche Überlegenheit jedenfalls nicht aus,
zumal er - was aktenkundig und unbestritten ist - dazu ten-
dierte, seine Familienangehörigen zu kontrollieren und zu
dominieren, wobei er ab und zu Gewalt einsetzte. Nicht zu-
treffend ist entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers
schliesslich, dass das Obergericht bei der Beurteilung der
beiden fraglichen Vorfälle gewisse Sachverhaltselemente ver-
tauscht hat.

     4.- Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit da-
rauf eingetreten werden kann. Dem Gesuch des Beschwerdefüh-
rers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinn
von Art. 152 Abs. 1 und 2 OG kann entsprochen werden.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

     2.- Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche
Rechtspflege gewährt:

        a) Es werden keine Kosten erhoben;

        b) Rechtsanwältin Hana Wüthrich, Baden, wird als
amtliche Anwältin des Beschwerdeführers bezeichnet und für
das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse
mit Fr. 1'500.-- entschädigt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (1. Strafkammer) des
Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
                       ______________

Lausanne, 20. Januar 2000

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: