Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.428/1999
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1999
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1999


1P.428/1999/hzg

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                      24. Februar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Bundesrichter Catenazzi und Gerichts-
schreiberin Leuthold.

                         ---------

                         In Sachen

Rechtsanwalt X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Hans Ludwig Müller, Schifflände 6, Zürich,

                           gegen

Bezirksanwaltschaft I für den Kanton  Z ü r i c h, Büro 10,
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

                         betreffend
              Kosten- und Entschädigungsfolgen
                     im Rekursverfahren,

hat sich ergeben:

     A.- Die Bezirksanwaltschaft I für den Kanton
Zürich, vertreten durch Bezirksanwältin A.________,
führt gegen Rechtsanwalt X.________ und dessen Sohn
Y.________ ein Strafverfahren wegen Verdachts der
Erpressung, der Nötigung und des Betruges sowie der
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer. X.________ wird vor-
geworfen, er habe von Angehörigen eines ausländischen
Staatsangehörigen Geldbeträge für die Verteidigung
verlangt und entgegengenommen, obwohl er bereits als
vom Staat bezahlter amtlicher Verteidiger bestellt wor-
den sei. Ausserdem sollen X.________ und sein Sohn
Y.________ ausländische Staatsangehörige, vor allem
Asylanten, welche die Schweiz hätten verlassen müssen,
unter falschen Angaben aufgefordert haben, im Lande zu
verbleiben.

        Am 23. März 1999 verlangte X.________ im Hin-
blick auf die auf den 16. April 1999 angesetzte Schluss-
einvernahme Einsicht in sämtliche Untersuchungsakten. Die
Bezirksanwältin verfügte am gleichen Tag, dem Angeschuldig-
ten werde Einsicht in die Akten gewährt, soweit sie seine
Person beträfen, zum Vorwurf Stellung genommen worden sei
und Zeugeneinvernahmen stattgefunden hätten; hingegen werde
ihm die Einsicht in diejenigen Akten, die ihm nicht vorge-
halten worden seien bzw. zu denen er bis anhin keine Aus-
sagen gemacht habe, bis zum Abschluss der Untersuchung ver-
weigert, um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden. Gegen
diese Verfügung rekurrierte X.________ am 12. April 1999 an
die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Am 10. Mai 1999
teilte ihm die Bezirksanwältin mit, die vollständigen Akten
stünden ihm nun zur Einsicht zur Verfügung. Die Staatsanwalt-
schaft fragte ihn daraufhin an, ob er unter diesen Umständen
den Rekurs zurückziehe, was zur Abschreibung des Verfahrens
ohne Kostenfolge führen würde. X.________ antwortete, er
ziehe den Rekurs nicht zurück, sondern beharre auf einem
Entscheid unter Entschädigungsfolgen zu seinen Gunsten. Am
7. Juni 1999 wies die Staatsanwaltschaft den Rekurs ab und
auferlegte die Kosten von Fr. 1'013.-- dem Rekurrenten.

     B.- X.________ erhob gegen diesen Entscheid am
14. Juli 1999 beim Bundesgericht staatsrechtliche Be-
schwerde. Er beantragt, der Entscheid der Staatsanwalt-
schaft sei aufzuheben, "unter Entschädigungsfolgen zu-
gunsten des Beschwerdeführers".

     C.- Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Ver-
nehmlassung. Die Bezirksanwaltschaft reichte eine kurze
Beschwerdeantwort ein, stellte aber keinen Antrag.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
freier Kognition, ob es auf die bei ihm eingereichte staats-
rechtliche Beschwerde eintreten kann (BGE 124 I 11 E. 1 mit
Hinweisen).

        b) Der hier in Frage stehende Rekursentscheid
der Zürcher Staatsanwaltschaft ist ein letztinstanzlicher
kantonaler Entscheid (§ 409 der Strafprozessordnung des Kan-
tons Zürich). Er schliesst aber das gegen den Beschwerdefüh-
rer laufende Strafverfahren nicht ab und stellt daher keinen
End-, sondern einen Zwischenentscheid dar. Die Staatsanwalt-
schaft wies mit diesem Entscheid den Rekurs ab, den der Be-
schwerdeführer gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft
betreffend Verweigerung der vollumfänglichen Akteneinsicht
erhoben hatte, und auferlegte ihm die Verfahrenskosten von
Fr. 1'013.--. Der Beschwerdeführer hält in der staatsrecht-
lichen Beschwerde mit Recht fest, er könne die Rekursabwei-
sung als solche nicht anfechten, denn es fehle insoweit an
einem aktuellen praktischen Interesse, weil ihm nach Ein-
reichung des Rekurses die verlangte vollständige Aktenein-
sicht gewährt worden sei. Seine Beschwerde richtet sich
gegen die im Rekursentscheid getroffene Regelung der Kosten-
und Entschädigungsfolgen. Der Beschwerdeführer erblickt da-
rin, dass ihm die Staatsanwaltschaft die Kosten des Rekurs-
verfahrens auferlegte und keine Entschädigung zusprach, eine
Verletzung des Willkürverbots nach Art. 4 der alten Bundes-
verfassung vom 29. Mai 1874 (aBV) sowie einen Verstoss gegen
den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäss Art. 6 EMRK und
gegen Art. 13 EMRK, welche Vorschrift dem Betroffenen für
den Fall einer Konventionsverletzung das Recht einräumt,
eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz ein-
zulegen.

        c) In der neuen Bundesverfassung vom 18. April
1999 (BV), die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist
(AS 1999 2555), wird das Willkürverbot in Art. 9 BV gewähr-
leistet. Art. 87 OG, der sich auf Beschwerden wegen Verlet-
zung von Art. 4 aBV bezieht, wurde mit Bundesgesetz vom
8. Oktober 1999 über prozessuale Anpassungen an die neue
Bundesverfassung geändert. Dieses Gesetz ist noch nicht in
Kraft getreten (BBl 1999 8680 ff.). Bis zum Inkrafttreten
des neuen Art. 87 OG ist die Zulässigkeit einer staatsrecht-
lichen Beschwerde, welche gestützt auf Art. 4 aBV einge-
reicht wurde, aufgrund des alten Art. 87 OG zu beurteilen.

        d) Nach dieser Vorschrift ist die staatsrecht-
liche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 aBV gegen
letztinstanzliche Zwischenentscheide nur zulässig, wenn
sie für den Betroffenen einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil zur Folge haben. Diese beschränkte Anfechtbarkeit
von Zwischenentscheiden gilt nicht für Beschwerden, mit
denen neben der Rüge der Verletzung des Art. 4 aBV weitere
Rügen erhoben werden, sofern diese selbständige Bedeutung
haben und nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet
sind (BGE 122 I 109 E. 1a, 120 E. 2b, je mit Hinweisen).

        Die Staatsanwaltschaft hat dadurch, dass sie
dem Beschwerdeführer die Kosten des Rekursverfahrens auf-
erlegte und keine Entschädigung zusprach, weder den Grund-
satz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK noch das Recht
auf Erhebung einer wirksamen Beschwerde bei einer nationalen
Instanz gemäss Art. 13 EMRK verletzt. Die Rügen, die der Be-
schwerdeführer neben der Berufung auf das Willkürverbot er-
hebt, sind offensichtlich unbegründet. Die Anfechtung des
vorliegenden Zwischenentscheids ist daher nur zulässig, wenn
er für den Beschwerdeführer einen nicht wieder gutzumachen-
den Nachteil zur Folge hat.

        Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt
Art. 87 OG auch dann zur Anwendung, wenn ein Zwischenent-
scheid nur in Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen
angefochten wird (BGE 117 Ia 251 E. 1a mit Hinweisen). Der
Betroffene kann gegen die in einem Zwischenentscheid getrof-
fene Kostenregelung auch dann im Anschluss an den kantonalen
Endentscheid staatsrechtliche Beschwerde führen, wenn ihm
die Legitimation zur Anfechtung des Endentscheids in der
Sache selber fehlt (BGE 117 Ia 251 E. 1b). Der Beschwerde-
führer könnte demzufolge gegen die hier in Frage stehende
Kostenauflage selbst im Anschluss an einen für ihn günstig
lautenden Endentscheid staatsrechtliche Beschwerde erheben,
die sich ausschliesslich gegen die im Zwischenentscheid vom
7. Juni 1999 getroffene Kostenregelung zu richten hätte.
Diese hat daher für den Beschwerdeführer keinen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil zur Folge. Auf die vorliegende Be-
schwerde ist daher nicht einzutreten.

     2.- Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Ver-
fahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156
Abs. 1 OG), und er hat keinen Anspruch auf eine Entschädi-
gung (Art. 159 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht
eingetreten.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Bezirksanwaltschaft I für den Kanton Zürich, Büro 10, und
der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich mit-
geteilt.

                       ______________

Lausanne, 24. Februar 2000

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: