I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.427/1999
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1P.427/1999/mks I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 9. Februar 2000 Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Steinmann. --------- In Sachen Schweizerische Volkspartei des Kantons Luzern (SVP), Postfach 14362, Luzern, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Müller, Huobmattstrasse 7, Postfach, Meggen gegen Grosser Rat des Kantons L u z e r n, vertreten durch Rechtskonsulent des Regierungsrates des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, Luzern, betreffend Art. 4 aBV und § 96 StV/LU, Beschluss Grosser Rat des Kantons Luzern betreffend Sitzzuteilung in den ständigen Kommissionen in der Legislaturperiode 1999 - 2003, hat sich ergeben: A.- Nach der Wahl des Grossen Rates des Kantons Luzern am 18. April 1999 galt es, im Hinblick auf die neue Legis- laturperiode 1999/2003 die ständigen Kommissionen des Gros- sen Rates zu besetzen. Auf Grund eines Entwurfes der Staats- kanzlei beschloss die Präsidentenkonferenz des Grossen Rates am 5. Mai 1999 eine Sitzverteilung für die Geschäftsprü- fungskommission (17 Mitglieder), die Redaktionskommission (5 Mitglieder) sowie die acht übrigen Kommissionen (je 13 Mitglieder). Danach erhielt die Fraktion der Schweizeri- schen Volkspartei Luzern (SVP) in der Geschäftsprüfungs- kommission 3 Sitze, in der Redaktionskommission 1 Sitz, in sechs der übrigen acht Kommissionen je 2 Sitze und in zwei Kommissionen 3 Sitze. In der Folge reichte die SVP-Fraktion ein Wieder- erwägungsgesuch ein und forderte in allen acht Kommissionen mit 13 Mitgliedern 3 Sitze. Die Präsidentenkommission lehnte dieses Ersuchen am 31. Mai 1999 ab und bestätigte die Sitz- verteilung. Anlässlich der Grossratssitzung vom 15. Juni 1999 wiederholte die SVP-Fraktion ihr Begehren. Der Grosse Rat lehnte dieses ab und bestellte die ständigen Kommissionen gemäss dem Vorschlag der Präsidentenkonferenz nach folgendem Schlüssel: CVP LPL SVP SP GB Total Sitze Kommis- sionen GPK 7 4 3 2 1 17 Finanzk. 5 3 3 1 1 13 Staatspol. 5 4 2 1 1 13 Justiz 5 3 3 1 1 13 Erziehung 5 4 2 1 1 13 Wirtsch. 5 4 2 1 1 13 Raumplan. 6 3 2 1 1 13 Verkehr 6 3 2 1 1 13 Gesundheit 5 3 2 2 1 13 Redaktion 1 1 1 1 1 5 Präsidien 4 3 2 1 - 10 Total Sitze 126 B.- Gegen diesen Beschluss des Grossen Rates hat die Schweizerische Volkspartei Luzern (SVP) beim Bundesgericht am 14. Juli 1999 staatsrechtliche Beschwerde erhoben und dessen Aufhebung verlangt. Sie beanstandet die Sitzvertei- lung in den acht Kommissionen mit 13 Mitgliedern. Sie stützt ihre Beschwerde auf Art. 84 Abs. 1 lit. a OG und macht eine Verletzung von § 96 der Staatsverfassung des Kantons Luzern (StV) sowie von Art. 4 der alten Bundesverfassung (aBV) wegen willkürlicher Anwendung von § 22 des Grossratsgeset- zes geltend. Sie beansprucht eine gleichmässige Besetzung der Kommission entsprechend ihren Mandaten und daher für alle Kommissionen mit 13 Mitgliedern 3 Sitze. Sie bemängelt als unbegründete Praxisänderung, dass die insgesamt zur Verfügung stehenden Kommissionssitze gesamthaft und nicht pro Kommission verteilt werden. Der Grosse Rat beantragt mit ausführlicher Vernehm- lassung die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hält in ihrer Beschwerde- ergänzung an ihren Anträgen und Rügen fest. Desgleichen bestätigt der Grosse Rat in der Vernehmlassungsergänzung seinen früheren Standpunkt. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Die Schweizerische Volkspartei Luzern führt staats- rechtliche Beschwerde wegen Verletzung von § 96 der Staats- verfassung des Kantons Luzern (StV) und wegen willkürlicher Anwendung des Gesetzes über die Organisation und Geschäfts- führung des Grossen Rates (Grossratsgesetz, GRG). Die ent- sprechenden Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: § 96 StV - Berücksichtigung der politischen Minderheiten Bei der Bestellung des Regierungsrates, des Erziehungs- rates, der Gerichte und der Kommissionen des Grossen Rates ist auf die Vertretung der politischen Parteien angemessen Rücksicht zu nehmen, ebenso bei der Bestel- lung der Gemeinderäte und der Gemeindeausschüsse der Einwohner- und Bürgergemeinden, in denen diese Behörden nicht nach dem Verhältniswahlverfahren gewählt werden. § 20a GRG - Wahl 1Der Grosse Rat wählt zu Beginn der Amtsdauer aus seiner Mitte die ständigen Kommissionen. 2Nichtständige Kommissionen wählt er nach Bedarf. § 22 GRG - Vertretung der Fraktionen 1Die Fraktionen sollen in der Regel in den Kommissionen im Verhältnis ihrer Mitgliederzahl vertreten sein. 2Der Grosse Rat kann die Kommissionen in besondern Fällen durch fraktionslose Mitglieder erweitern. 3Bei der Wahl der Kommissionspräsidenten ist auf einen angemessenen Wechsel unter den Fraktionen zu achten. a) Der angefochtene Beschluss betrifft die Beset- zung der ständigen Kommissionen des Grossen Rates und stellt - anders als eine durch das Volk vorgenommene Wahl - eine sog. indirekte Wahl dar. Nach der Rechtsprechung ist im Grundsatz die staatsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG zulässig, soweit sich der Betrof- fene auf ein verfassungsmässiges Recht im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG berufen kann und nach Art. 88 OG in recht- lich geschützten Interessen betroffen und daher zur Be- schwerde legitimiert ist (ZBl 92/1991 S. 260 E. 1, 95/1994 S. 366 E. 1a, mit zahlreichen Hinweisen). b) Nach der Rechtsprechung bildet § 96 StV eine Norm, auf die sich die politischen Minderheiten im Sinne eines verfassungsmässigen Rechtes berufen können. § 96 StV stellt nicht nur eine organisatorische Vorschrift für die Bestellung verschiedener Behörden dar, sondern hat die Be- deutung einer die politischen Minderheiten schützenden Norm. Die politischen Parteien sollen bei der Bestellung gewisser Behörden angemessen berücksichtigt werden, auch wenn die Norm keinen Anspruch darauf einräumt, dass unbedingt der von der Minderheitspartei vorgeschlagene Kandidat tatsächlich gewählt wird. Das Bundesgericht hat erkannt, dass diese Be- stimmung der Staatsverfassung justiziabel, praktikabel und durchsetzbar sei (ZBl 95/1994 S. 366 E. 1, 92/1991 S. 260 E. 1). Es besteht kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. § 96 StV räumt demnach den politischen Par- teien Ansprüche auf eine angemessene Vertretung in verschie- denen Behörden und Gremien ein. Dessen Verletzung kann daher mit staatsrechtlicher Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG angefochten werden. Im vorliegenden Fall stellt sich allerdings die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin tatsächlich auf § 96 StV berufen kann. Sie verfügt im Grossen Rat mit 120 Mit- gliedern (§ 45 StV in der Fassung vom 27. September 1998) über 22 Sitze (18,3% der Mandate) und bildet im Grossen Rat die drittgrösste Fraktion. Bei dieser Sachlage ist fraglich, ob die SVP eine politische Minderheit im Sinne des Margina- les von § 96 StV ist. Diese Bestimmung will in erster Linie eine Berücksichtigung der politischen Minderheiten garantie- ren. Im eigentlichen Text ist demgegenüber in neutraler und allgemeiner Weise von der Rücksichtnahme auf die politischen Parteien die Rede. Daraus ist zu schliessen, dass sich über eigentliche Minderheitsparteien auch andere Parteien auf § 96 StV berufen können. Demnach kann die Beschwerdeführe- rin auch im vorliegenden Fall eine Verletzung von § 96 StV rügen. Sie ist von der Wahl in die ständigen Kommissionen im Sinne von Art. 88 OG betroffen. Bei dieser Sachlage kann sie zudem eine willkürliche Anwendung von § 22 GRG geltend machen. c) Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Wahlbeschlusses des Grossen Rates in seiner Gesamtheit. Aus der Beschwerdebegründung geht indessen hervor, dass die Beschwerdeführerin die Besetzung der Geschäftsprüfungs- und der Redaktionskommission nicht beanstandet. Demnach ist im eigentlichen Sinn lediglich die Besetzung der acht 13 Mit- glieder umfassenden Kommissionen umstritten. 2.- Die Beschwerdeführerin beanstandet in genereller Weise, dass sie in den Kommissionen untervertreten sei und die Kommissionen daher in Verletzung von § 96 StV bzw. von § 22 GRG besetzt worden seien. Hierfür gilt es vorerst, die tatsächlichen Umstände sowie die angewendeten Normen und Kriterien der umstrittenen Wahl darzulegen. a) Die 120 Sitze des Grossen Rates werden von den fünf Fraktionen wie folgt besetzt; fraktionslose Mitglieder gibt es zur Zeit nicht. Parteien/ Sitze Anteile der Mandate Fraktionen im Grossen Rat CVP 48 40% LPL 31 25,833% SVP 22 18,333% SP 12 10% GB 7 5,883% Insgesamt gab es zehn Kommissionen zu wählen. Davon umfassen die Geschäftsprüfungskommission 17 Sitze und die Redaktionskommission 5 Sitze. Alle übrigen acht Kommissionen weisen je 13 Mitglieder auf. Gesamthaft ergibt das die Zahl von 126 Kommissionssitzen. Gestützt auf diese Zahlenverhältnisse errechnete sich der prozentuale Anspruch der Fraktionen auf Sitze in den Kommissionen bei einer Gesamtbetrachtung aller Kommis- sionen wie folgt: Parteien/ Rechnerischer Anteil Fraktionen in Sitzen CVP 50,40 LPL 32,55 SVP 23,10 SP 12,60 GB 7,35 Der Grosse Rat gelangte zu folgender parteipoliti- scher Besetzung der Kommissionen. Dabei ging er bei einer Gesamtbetrachtung über alle Kommissionen von einem prozen- tualen Anspruch der Fraktionen aus und nahm gewisse Anpas- sungen und Rundungen vor. Parteien/ Rechnerischer Sitze in Rundung Fraktionen Sitzanteil den Kom. CVP 50,40 50 - 0,40 LPL 32,55 32 - 0,55 SVP 23,10 22 - 1,10 SP 12,60 12 - 0,60 GB 7,35 10 + 2,65 b) Für die konkrete Verteilung der Kommissionssitze haben verschiedene materielle Kriterien zusammengespielt. Ausgehend von einer proportionalen Vertretung der Parteien in den Kommissionen entsprechend ihrer Fraktionsstärke hat die Präsidentenkonferenz folgende Gesichtspunkte formuliert (Protokoll der Präsidentenkonferenz vom 31. Mai 1999; vgl. auch die vorläufige Fassung im Protokoll vom 5. Mai 1999): 1. Jede Fraktion soll wenn möglich in allen stän- digen Kommissionen vertreten sein. 2. Jedes Ratsmitglied soll die Möglichkeit haben, in mindestens einer Kommission mitzuarbeiten. 3. Basis für die Berechnung des Vertretungsan- spruchs der Fraktion ist die Gesamtzahl der zu verteilenden Sitze in den ständigen Kommissionen und die Fraktionsstärke. 3.- Zur Hauptsache beanstandet die Beschwerdeführerin, dass die Verteilung der Kommissionssitze auf die einzelnen Fraktionen aus einer Gesamtbeurteilung auf Grund der Gesamt- zahl von 126 Kommissionssitzen für sämtliche ständigen Kom- missionen heraus vorgenommen wurde. Sie vertritt die Auffas- sung, in jeder einzelnen Kommission müssten die Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke vertreten sein. Das bedeute für die SVP-Fraktion, dass sie in allen acht Kommissionen mit 13 Mitgliedern Anspruch auf 3 Sitze habe. Die vorgenommene Sitzverteilung erachtet die Beschwerdeführerin schliesslich als Verletzung elementarer Regeln der Arithmetik. a) § 96 StV schreibt vor, dass bei der Bestellung der einzelnen Behörden und Gremien auf die Vertretung der politischen Parteien "angemessen Rücksicht" zu nehmen ist. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit den Grundzügen des Proporzwahlsystems und dem damit verbundenen Grundsatz der Erfolgswertgleichheit bei Volkswahlen (vgl. BGE 125 I 21 E. 3d/dd S. 33 und 125 I 289 E. 6 S. 295). Der in § 96 StV verwendete Ausdruck der angemessenen Rücksichtnahme bedeutet indessen nach der bisherigen Rechtsprechung nicht, dass aus der Kantonsverfassung ein Anspruch auf verhältnismässige, mathematisch exakte Vertretung etwa entsprechend der Sitz- zahl im Grossen Rat abgeleitet werden könne. Es könne weder eine entsprechende Berücksichtigung in jeder einzelnen Be- hörde erwartet noch verlangt werden, dass ein bestimmter Kandidat tatsächlich gewählt werde. Im Sinne einer Gesamt- betrachtung sei es auch zulässig, dass für die Beurteilung der angemessenen Berücksichtigung in einer Behörde oder einem Gremium auch auf die Vertretung in andern vergleich- baren Organen abgestellt wird. Dem Wahlkörper komme ein weiter Ermessensspielraum zu. Von einer Verletzung der Staatsverfassung könne erst gesprochen werden, wenn eine Partei systematisch und bei mehreren Gelegenheiten über- gangen oder benachteiligt werde (ZBl 95/1994 S. 366 E. 3, mit Hinweisen). In ähnlicher Weise umschreibt § 22 GRG den Anspruch der Fraktionen auf Berücksichtigung in den Kommis- sionen. Danach sollen die Fraktionen in der Regel in den Kommissionen im Verhältnis ihrer Mitgliederzahl vertreten sein. Die Wendung "in der Regel" deutet ebenfalls darauf hin, dass keine mathematisch exakte Repräsentation verlangt wird und dem Wahlkörper ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht. Sowohl aus der Staatsverfassung als auch aus dem Grossratsgesetz ergibt sich danach mit hinreichender Deut- lichkeit, dass mit der Berücksichtigung der politischen Parteien in den einzelnen Behörden und Gremien kein mathe- matisch exaktes Spiegelbild der Kräfte im Grossen Rat ver- langt wird. Derartiges wäre schon rein tatsächlich nicht möglich und ist rechtlich nicht verlangt. Zulässig ist zudem eine Gesamtsicht über eine Behörde oder ein Organ hinaus. Dementsprechend gross ist der Spielraum, der dem Wahlkörper zukommt. Weshalb dem Grossen Rat bei der Bestellung der ständigen Kommissionen kein Ermessen zukommen soll, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, ist unerfindlich. b) In Anbetracht dieser Normen, der Rechtsprechung zu § 96 StV sowie des weiten Spielraums hält es vor der Ver- fassung stand, dass der Grossrat bei der Bestellung der ständigen Kommissionen auf die Gesamtzahl der Kommissions- sitze abstellt und diese entsprechend auf die Fraktionen aufteilt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war der Wahlkörper daher von Verfassungs wegen nicht gehalten, die acht ständigen 13-er Kommissionen in identischer Frak- tionsstärke zu besetzen. Er durfte die Zusammensetzung in den einzelnen Kommissionen variieren und aus einer Gesamt- sicht heraus Ausgleiche schaffen. Einem solchen Vorgehen stehen weder Wortlaut noch Sinn von § 96 StV und § 22 GRG entgegen. Gerade die Entstehung der angefochtenen Ordnung macht deutlich, wie sehr sich die Präsidentenkonferenz und der Grosse Rat darum bemühten, mit dem eingeschlagenen Weg eine angemessene und möglichst genaue Vertretung der Frak- tionen zu realisieren. Die Beschwerdeführerin bleibt denn auch den Beweis schuldig, wie sich ihr Anspruch auf 3 Sitze in allen 13-er Kommissionen mit dem Anspruch der andern Par- teien nach § 96 StV und § 22 GRG vertragen würde. Demnach ist es von Verfassungs wegen nicht zu be- anstanden und ist mit § 22 GRG vereinbar, dass der Grosse Rat bei der Besetzung der ständigen Kommissionen auf die Gesamtzahl der Kommissionssitze abstellte und diese dann entsprechend auf die Fraktionen verteilte. Bei dieser Sach- lage geht die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage zum Vornherein fehl. c) Die Beschwerdeführerin macht allerdings weiter geltend, diese Betrachtungsweise des Grossen Rates stehe im Widerspruch zur bisherigen Praxis und stelle eine Praxis- änderung dar, für die nachvollziehbare, ernsthafte und ob- jektive Gründe fehlten. Darin liege ein Verstoss gegen das Willkürverbot im Sinne von Art. 4 aBV. Nach der Rechtsprechung zu Art. 4 aBV muss sich eine Praxisänderung auf ernsthafte und sachliche Gründe stützen können. Der Richter oder Rechtsanwender kann aller- dings nicht von Verfassungs wegen angehalten werden, an einer bisherigen Auffassung festzuhalten, wenn er zur Ein- sicht gelangt, dass eine andere Lösung dem Gesetz oder der Gerechtigkeit besser entspreche. Eine Praxisänderung ver- stösst daher nicht gegen Art. 4 aBV, wenn sie mit objektiven Umständen begründet werden kann und sich etwa auf eine bes- sere Einsicht über den verfolgten Gesetzeszweck, auf ver- änderte äussere Umstände oder Wandlungen von Anschauungen abstützen kann. Je gefestigter die bisherige Praxis ist, je besser ist die Praxisänderung zu begründen (BGE 122 I 57 E. 3c/aa S. 59, 111 V 161 E. 5b S. 170, 108 Ia 122 E. 2a S. 125, mit Hinweisen; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage 1999, S. 405 f.). Im vorliegenden Fall können solche ernsthafte und sachliche Gründe ohne weiteres namhaft gemacht werden. Sie liegen im Wesentlichen darin, dass der Parlamentsbetrieb im Grossen Rat eine grundlegende Änderung erfahren hat. Der Grosse Rat ist mit der Änderung von § 45 Abs. 1 StV am 27. September 1998 von 170 auf 120 Mitglieder reduziert worden. Im gleichen Zug ist das Grossratsgesetz und die Geschäftsordnung des Grossen Rates einer Überarbeitung unterzogen worden. Neu sollte die wesentliche Vorarbeit in (zehn) ständigen (Fach-)Kommissionen geleistet werden; nichtständige Kommissionen sollen nur noch nach Bedarf eingesetzt werden und die Ausnahme bilden. Auch wenn schon früher eine gewisse Anzahl von ständigen Kommissionen bestanden hat, wie die Beschwerdeführerin und der Grosse Rat in ihren Rechtsschriften ausführen, so zeigt sich doch, dass die Neuordnung eine wesentliche Änderung und Verwesentli- chung der Kommissionsarbeit mit sich gebracht hat. Diese Neuordnung legt es durchaus nahe, den Par- teienproporz nicht so sehr auf die einzelne ständige Kommis- sion zu beziehen, sondern die Bestellung der Kommissionen aus einer Gesamtsicht heraus vorzunehmen. Diese Gesamtbe- trachtung erlaubt es, in vermehrter Weise dem Gedanken der anteilmässigen Vertretung aller Parteien Rechnung zu tragen und entsprechend den Kriterien der Präsidentenkonferenz und den Materialien zur Änderung von Grossratsgesetz und Ge- schäftsordnung zusätzlich zu ermöglichen, dass alle Frak- tionen in allen ständigen Kommissionen vertreten sind und wenn möglich jeder Parlamentarier die Möglichkeit der Mit- arbeit in einer ständigen Kommission erhält. Bei dieser Sachlage sind dem Grossen Rat beachtenswerte Gründe dafür anzuerkennen, dass er die ständigen Kommissionen mit einem Gesamtbeschluss bestellte und die Sitze aus einer Gesamt- sicht heraus auf die einzelnen Parteien verteilte. An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass die Präsi- dentenkonferenz die Zuteilungskriterien in seinem ersten Beschluss vom 5. Mai 1999 vorerst anders formulierte als anlässlich der Behandlung des Wiedererwägungsgesuches am 31. Mai 1999. Damit erweist sich die Rüge, der Grosse Rat habe in Verletzung von Art. 4 aBV seine Praxis geändert, als unbe- gründet. d) Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin als Verstoss gegen § 96 StV und Art. 22 GRG, dass die Regeln der Arithmetik bei der Sitzverteilung verletzt worden seien und sie daher nicht angemessen berücksichtigt worden sei. Diese Rüge erweist sich von vornherein als unbe- gründet. Zum einen verfügt der Grosse Rat bei der Anwen- dung der genannten Rechtsgrundlagen, wie dargelegt, über einen erheblichen Ermessensspielraum und braucht die Be- stellung seiner Kommissionen nicht den Kräfteverhältnissen entsprechend streng arithmetisch vorzunehmen. Zum andern zeigt die oben wiedergegebene Liste, dass bei der Sitzzu- teilung an die SVP der mathematisch ausgewiesene Anspruch von 23,10 Sitzen auf 22 Sitze reduziert worden ist. Reduk- tionen haben auch die andern Parteien in Kauf nehmen müs- sen, um der kleinsten Fraktion des Grünen Bündnisses den Einzug in jede ständige Kommission zu ermöglichen. Die Reduktion um 1,10 Sitz bei der SVP nimmt für sich genommen kein Ausmass an, das eine schwerwiegende und systematische Benachteiligung der Beschwerdeführerin im Sinne der oben wiedergegebenen Auslegung von § 96 StV darstellen würde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Reduktion bei der Beschwerdeführerin am grössten ausgefallen ist. Denn die Aufstellung in E. 2a zeigt auch, dass die Abgabe eines Sitzes bei allen anderen Parteien (ausser dem Grünen Bündnis, das sonst nicht in allen zehn Kommissionen ver- treten wäre) zu einer grösseren Reduktion geführt hätte. Schliesslich darf im Gesamtzusammenhang berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführerin ein bzw. zwei weitere Sitze angeboten worden sind (Protokoll der Präsidenten- konferenz vom 31. Mai 1999), diese indessen auf einer Vertretung von 3 Sitzen in allen 13-er Kommissionen bzw. auf dem Kompromissvorschlag von 3 weitern Sitzen beharrte; auch in diesem Angebot der andern Parteien kommt zum Aus- druck, dass die SVP-Fraktion keineswegs diskriminierend übergangen worden ist. Damit erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkte als unbegründet. 4.- Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Angesichts des besondern Charakters der vorliegenden Beschwerde, die einer Stimmrechtsbeschwerde nahe kommt, sind der Beschwer- deführerin trotz ihres Unterliegens keine Kosten aufzuer- legen (vgl. die unveröffentlichten Erwägungen in den Ur- teilen ZBl 95/1994 S. 366 und 92/1991 S. 260). Die Zu- sprechung einer Parteientschädigung fällt ausser Betracht (Art. 159 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 2.- Es werden keine Kosten erhoben. 3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Grossen Rat des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 9. Februar 2000 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: