Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.250/1999
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1A.250/1999/hzg

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                        18. Mai 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay,
Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Karlen.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer,

                           gegen

Einwohnergemeinde  K e r n e n r i e d, vertreten durch
den Gemeinderat,
Regierungsstatthalter von  B u r g d o r f,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons  B e r n,
Verwaltungsgericht des Kantons  B e r n, verwaltungsrecht-
liche Abteilung,

                         betreffend
             Ausnahmebewilligung für Kiesabbau,

hat sich ergeben:

     A.- A.________ ist Eigentümer der bisher landwirt-
schaftlich genutzten Parzelle Nr. ... im Gebiet "Ischlag"
in der Gemeinde Kernenried. Sie liegt in der Nähe der Auto-
bahn A 1 und grenzt an die künftige Neubaustrecke der SBB.
A.________ beabsichtigt, auf diesem Grundstück Kies abzu-
bauen und die Grube mit Material, das beim Bau der neuen
Eisenbahnlinie anfällt, wieder aufzufüllen. Der Regierungs-
statthalter von Burgdorf verweigerte am 17. November 1998
jedoch die für dieses Vorhaben erforderliche Gesamtbaube-
willigung, da ihm überwiegende gewässerschutzrechtliche
Interessen entgegenstünden. Die von A.________ gegen den
Bauabschlag erhobenen Beschwerden an die Bau-, Energie- und
Verkehrsdirektion und an das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern blieben ohne Erfolg.

     B.- A.________ hat den Entscheid des Verwaltungs-
gerichts mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht angefochten und beantragt dessen Aufhebung
sowie die Erteilung der Kiesabbaubewilligung.

        Die Einwohnergemeinde Kernenried stellt den Antrag,
es sei die Beschwerde gutzuheissen oder es seien die berni-
schen Behörden zumindest anzuhalten, einen Bauentscheid auf
Grund einer Gesamtwürdigung des Projekts zu fällen. Das Ver-
waltungsgericht ersucht um Abweisung der Beschwerde. Die
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion hat auf eine Vernehm-
lassung verzichtet. Das Eidgenössische Departement für Um-
welt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) hat zu den
gewässerschutzrechtlichen Fragen des beabsichtigten Kiesab-
baus Stellung genommen und erklärt, der Entscheid des Ver-
waltungsgerichts stehe mit dem Bundesrecht im Einklang. Den
Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich zur Vernehmlas-
sung des UVEK zu äussern.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Gegen Entscheide über die Erteilung bzw. Verwei-
gerung von Ausnahmebewilligungen nach Art. 24 des Bundesge-
setzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700)
kann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
ergriffen werden (Art. 34 Abs. 1 RPG). Der Beschwerdeführer,
dem im angefochtenen Entscheid der Kiesabbau auf seinem Land
untersagt wird, ist zur Erhebung dieses Rechtsmittels legi-
timiert. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher
einzutreten.

     2.- Im angefochtenen Entscheid wird zwar die Standort-
gebundenheit des Kiesabbauvorhabens des Beschwerdeführers
gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG bejaht, dieses jedoch wegen
entgegenstehender gewässerschutzrechtlicher Interessen abge-
lehnt. Die für den Kiesabbau vorgesehene Parzelle liege im
Zuströmbereich der Grundwasserfassung Fraubrunnen-Rüetligen-
wald (Gemeindeverband Wasserversorgung Vennersmühle) und die
Kiesausbeutung gefährde daher ein Grundwasservorkommen, das
sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung eigne.
In diesem Fall sei nach Art. 44 Abs. 3 des Bundesgesetzes
über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 (GSchG; SR
814.20) ein Kiesabbau zwar nicht ausgeschlossen, doch räume
diese Bestimmung den Bewilligungsbehörden ein Ermessen ein
und eine fehlerhafte Ermessensausübung der Vorinstanzen
liege nicht vor.

        Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, dass
das für den Kiesabbau vorgesehene Land im Zuströmbereich
der genannten Wasserfassung liege. Zumindest seien die für
eine solche Annahme getroffenen Abklärungen ungenügend. Da-
neben wirft der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgericht vor,
einzelne Gesichtspunkte bei der gebotenen Interessenabwägung

nicht oder nicht ausreichend gewürdigt und daher eine Ermes-
sensverletzung der Vorinstanzen zu Unrecht verneint zu haben.

     3.- a) Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen
Entscheid festgestellt, dass die für den Kiesabbau bestimmte
Parzelle nach den Bestimmungen der neuen Gewässerschutzver-
ordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV; SR 814.201), die am
1. Januar 1999 in Kraft getreten ist, dem Zuströmbereich
Zu der Grundwasserfassung Fraubrunnen-Rüetligenwald zuzu-
ordnen sei. Da in der massgeblichen Gewässerschutzkarte des
Kantons Bern die Ausscheidung der Zuströmbereiche nach den
neuen Vorschriften noch nicht erfolgt ist, traf es diese
Feststellung direkt gestützt auf Ziff. 113 des Anhangs 4
der GSchV allein für die fragliche Parzelle. Es stützte
sich dabei auf den Bericht "Grundlagen für Schutz und Be-
wirtschaftung der Grundwasser des Kantons Bern - Hydrogeo-
logie Urtenental" des Wasser- und Energiewirtschaftsamts
des Kantons Bern, Ausgabe 1994/96.

        b) Der Beschwerdeführer kritisiert diese Beurtei-
lung unter Berufung auf die von ihm in Auftrag gegebene
hydrogeologische Beurteilung der Firma Sieber Cassina +
Partner AG. Darin wird zwar ebenfalls davon ausgegangen,
dass die fragliche Parzelle im Einzugsbereich der Grund-
wasserfassung Fraubrunnen-Rüetligenwald liege. Wegen der
grossen Distanz zur Fassung und der wegen des geringen
Gefälles sehr kleinen Fliessgeschwindigkeit könne jedoch
davon ausgegangen werden, dass der Zuströmbereich Zu von
den zuständigen Organen nicht bis zum fraglichen Grundstück
des Beschwerdeführers gezogen werde.

        Ob die Parzelle Nr. ... im "Ischlag" tatsächlich
dem Zuströmbereich Zu zuzuweisen ist, kann im vorliegenden
Zusammenhang offen bleiben. Das UVEK weist in seiner Ver-

nehmlassung zu Recht darauf hin, dass eine solche Zuordnung
Auswirkungen auf die Bodenbewirtschaftung, aber nicht auf
die Zulässigkeit der Kiesausbeutung hat (vgl. Ziff. 212 des
Anhangs 4 der GSchV). Massgeblich ist im Rahmen der Interes-
senabwägung gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG vielmehr, dass
die Parzelle Nr. ... in einem Gebiet mit Grundwasservor-
kommen liegt, das gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. a GSchV und
Ziff. 111 des Anhangs 4 der GSchV einem Gewässerschutz-
bereich Au zuzuweisen ist. Dass eine solche Zuweisung ge-
boten ist, ergibt sich nicht nur aus dem Schreiben des Amts
für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft des Kantons Bern
vom 14. April 1999 und der erwähnten Vernehmlassung des
UVEK, sondern auch aus der hydrogeologischen Beurteilung
der Firma Sieber Cassina + Partner AG. Auch das Verwaltungs-
gericht geht davon aus, dass das für den Kiesabbau vorge-
sehene Land in einem Gebiet mit Grundwasservorkommen liegt,
das sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung
eignet. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese
Beurteilung in Frage stellen könnte.

     4.- a) Art. 44 Abs. 3 GSchG lässt die Kiesausbeutung
oberhalb des Grundwasserspiegels unter gewissen Vorausset-
zungen zu. Er gibt jedoch dem Grundeigentümer keinen Ansp-
ruch auf eine Bewilligung zum Abbau einer über dem Grund-
wasser liegenden Kiesschicht. Das Verwaltungsgericht geht
zu Recht davon aus, dass sich die Rechtslage in dieser Hin-
sicht mit dem Inkrafttreten des neuen Gewässerschutzgesetzes
nicht geändert hat. Es fragt sich daher, ob die kantonalen
Behörden die Bewilligung für den Kiesabbau nach der bereits
zum alten Gewässerschutzgesetz entwickelten Praxis (BGE 103
Ib 296 E. 2e und f S. 300 ff.) aus Gründen des Grundwasser-
schutzes verweigern durften. Danach kann wie erwähnt der
Kiesabbau auch in Fällen verweigert werden, in denen das
Bundesrecht die Erteilung einer Bewilligung nicht aus-

schliessen würde. Doch hat der Entscheid in jedem Fall
auf Grund einer umfassenden Abwägung der für und gegen
den Kiesabbau sprechenden Gesichtspunkte zu erfolgen.

        b) Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungs-
gericht vor, es habe die vom geplanten Kiesabbau ausgehende
Gefährdung für das Grundwasser nicht ausreichend geprüft und
zu Unrecht die Behauptung des kantonalen Amts für Gewässer-
schutz und Abfallwirtschaft übernommen, wonach die Kiesaus-
beutung zu einer unverhältnismässig hohen Gefährdung des
Grundwassers führe.

        Diese Rüge ist teilweise verständlich. Der Be-
schwerdeführer behauptet zwar zu Unrecht, es bestünden
für die fragliche Parzelle keine einschränkenden planeri-
schen Massnahmen. Denn sein Kiesland liegt bereits heute
in einem Gewässerschutzbereich A und wird - wie bereits
dargelegt (E. 3b) - künftig einem Gewässerschutzbereich Au
zuzuweisen sein. Doch erscheint die Gefährdung des Grund-
wassers durch den geplanten Kiesabbau nicht nur nach dem
vom Beschwerdeführer eingereichten Privatgutachten der Firma
Sieber Cassina + Partner AG, sondern auch nach Einschätzung
des UVEK als gering. Das kantonale Gewässerschutzamt hat
ebenfalls nicht aufgezeigt, worin die von ihm ursprünglich
geltend gemachte erhebliche Gefährdung liegen sollte. Es ist
daher davon auszugehen, dass der beabsichtigte Kiesabbau
lediglich diejenigen Risiken für das Grundwasser mit sich
bringt, die sich auch bei sachgerechtem Vorgehen nie ganz
vermeiden lassen.

        Allerdings übersieht der Beschwerdeführer, dass
der geplante Kiesabbau in einem Gebiet erfolgen soll, in
dem das Grundwasservorkommen durch das von der Düngung stam-
mende Nitrat bereits erheblich belastet und durch mehrere
Altlasten gefährdet ist. Das UVEK legt zu Recht dar, dass

in einer solchen Situation ein erhebliches öffentliches
Interesse daran besteht, jegliche weitere Gefährdungen des
Grundwasservorkommens konsequent zu vermeiden, auch wenn
sie für sich allein genommen gering sind. Die Rüge, dem
Abbauvorhaben stünden keine Interessen des Grundwasser-
schutzes entgegen, geht daher fehl.

        c) Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat das
Verwaltungsgericht auch die für einen Kiesabbau sprechenden
Gesichtspunkte unzutreffend gewürdigt. So gehe aus dem im
angefochtenen Entscheid erwähnten kantonalen Sachplan "Ab-
bau, Deponie, Transporte" nicht hervor, dass in der Region
genügend Kies vorhanden sei und dementsprechend kein Bedarf
für einen weiteren Abbau bestehe. Es trifft wohl zu, dass
der erwähnte Sachplan keine Angaben über die gegenwärtige
Versorgung mit Kies in der Region des Abbauvorhabens ent-
hält. Er zeigt vielmehr auf, wie inskünftig die Kiesver-
sorgung im Kanton Bern sichergestellt werden soll und regio-
nalen Unterschieden bezüglich geeigneter Abbaustandorte
Rechnung zu tragen ist. Das kantonale Gewässerschutzamt
hat jedoch mehrfach dargelegt, dass zur Zeit in der Region
des Abbauvorhabens kein Kiesmangel bestehe und die Umset-
zung der Vorgaben des kantonalen Sachplans - die Deckung
des eigenen Kiesbedarfs - in den Regionen Burgdorf und
Oberes Emmental keine Probleme biete. Der Beschwerdeführer
setzt sich mit dieser Darstellung nicht auseinander, sondern
verweist allein auf das Interesse des örtlichen Baugewerbes,
den Kies möglichst in der Nähe beschaffen zu können. Dieses
Ziel kann indessen auch ohne das umstrittene Vorhaben er-
reicht werden. Zudem erscheint das vorliegende, lediglich
punktuelle Abbauprojekt wegen seiner präjudiziellen Wirkung
als unerwünscht. Bei dieser Sachlage trifft es nicht zu,
dass ein öffentliches Interesse an der vorgesehenen Kies-
ausbeutung besteht.

        Zu berücksichtigen ist freilich auch das
private Interesse des Beschwerdeführers, auf seinem Land
Kies abbauen zu dürfen. Diesem Interesse kommt allerdings
nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur ein relativ
geringes Gewicht zu, weil es sich dabei nicht um eine übli-
che Bodennutzung, sondern um eine einmalige, nur wenigen
Eigentümern mögliche Ausbeutung handelt. Mit einem Verbot
wird die normale Nutzung des Bodens nicht tangiert, sondern
nur eine zusätzliche einmalige Gewinnerzielung verunmöglicht
(vgl. BGE 103 Ib 296 E. 2e S. 302). Die kantonalen Instanzen
durften daher den Anliegen des Grundwasserschutzes (E. 4b)
unter den gegebenen Umständen ein grösseres Gewicht bei-
messen als den wirtschaftlichen Interessen des Beschwerde-
führers.

     5.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
demnach als unbegründet und ist daher abzuweisen.

        Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundes-
gerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Einwohnergemeinde Kernenried, dem Regierungsstatthalter von
Burgdorf, der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und dem

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, verwaltungsrechtliche
Abteilung, sowie dem Eidgenössischen Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 18. Mai 2000

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: