Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 76/1998
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K 76/98 Gb

                        III. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Spira und Bundesrichterin
Widmer; Gerichtsschreiberin Kopp Käch

                Urteil vom 23. Oktober 2001

                         in Sachen

Visana, Juristischer Dienst, Weltpoststrasse 19/21, 3000
Bern 15, Beschwerdeführerin,

                           gegen

L.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Charles Wick, Schwanengasse 8, 3011 Bern,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- Die 1944 geborene L.________ ist bei der Visana
krankenversichert. Wegen eines mediastinalen Tumors musste
sie sich in der Zeit von Dezember 1990 bis Februar 1991
einer Chemotherapie und im April 1991 einer Strahlenthera-
pie unterziehen. Im Mai 1995 wurde L.________ von ihrem
Privatzahnarzt an die Dentalhygieneschule X.________ über-

wiesen, wo eine mässig bis stark fortgeschrittene generali-
sierte Parodontitis festgestellt wurde. Dr. med. dent.
W.________ extrahierte 1996 vier Zähne und führte eine pro-
thetische Behandlung durch. Die Rechnung über den Gesamtbe-
trag von Fr. 6504.40 reichte L.________ der Visana am
11. Oktober 1996 zur Rückerstattung ein. Mit Schreiben vom
14. Oktober 1996 lehnte die Krankenkasse eine Kostenüber-
nahme ab. L.________ machte daraufhin geltend, die Zahnbe-
handlung stehe in einem Zusammenhang mit der fünf Jahre
zuvor durchgeführten Chemotherapie, und ersuchte um erneute
Überprüfung des Leistungsbegehrens. Nachdem die Visana die
Röntgenbilder eingefordert und das Dossier ihrem Vertrau-
enszahnarzt Dr. med. dent. C.________ unterbreitet hatte,
erliess sie auf Verlangen der Versicherten am 25. März 1997
eine anfechtbare Verfügung und verneinte die Ausrichtung
von Leistungen an die Zahnbehandlung sowohl aus der obliga-
torischen Krankenpflegeversicherung wie auch aus der Zu-
satzversicherung. Nach Einholung des Austrittsberichts des
Spitals Y.________, Klinik für Radio-Onkologie der Univer-
sität Y.________ vom 17. Mai 1991, eines Berichts der Kli-
nik für Radio-Onkologie vom 5. Mai 1997, des Instituts für
Medizinische Onkologie der Universität Y.________ vom
18. Juli 1997 sowie des behandelnden Zahnarztes Dr. med.
dent. W.________ vom 18. Juli 1997 und nach Beizug des
Schreibens der Dentalhygieneschule X.________ vom 20. Au-
gust 1997 sowie einer weiteren Beurteilung des Dr. med.
dent. W.________ vom 3. September 1997 hielt die Visana auf
Einsprache hin gestützt auf eine vertrauensärztliche Beur-
teilung durch Dr. med. A.________ vom 10. September 1997
mit Entscheid vom 30. September 1997 an ihrem Standpunkt
fest.

     B.- Mit Beschwerde liess L.________ beantragen, die
Visana habe die Kosten der zahnärztlichen Behandlung durch
Dr. med. dent. W.________ in der Höhe von Fr. 6504.40 nebst

Zins sowie der bisher entstandenen Kosten der Dentalhygie-
neschule X.________ im Betrag von Fr. 1411.90 zu überneh-
men. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die
Beschwerde mit Entscheid vom 24. März 1998 gut, hob den
Einspracheentscheid vom 30. September 1997 sowie die Ver-
fügung vom 25. März 1997 auf und wies die Sache an die
Visana zurück, damit diese nach zusätzlichen Abklärungen
über den Leistungsanspruch neu verfüge.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
Visana die Aufhebung des Entscheids vom 24. März 1998.
     L.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialver-
sicherung weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass
die Beurteilung einer allfälligen Kausalität zwischen Che-
motherapie und Parodontitis von der entscheidenden Frage
abhänge, ob vor der Chemotherapie ein gesundes, altersadä-
quates Parodont bestanden habe oder bereits vermeidbare
parodontische Effekte zu erkennen gewesen seien. Mangels
einer Darlegung durch die Versicherte, dass ihr Parodont
vor der Chemotherapie keine Defekte aufgewiesen habe, müsse
seiner Meinung nach eine Leistungspflicht abgelehnt werden.

     D.- Am 28. März 2000 hat das Eidgenössische Versiche-
rungsgericht eine Expertengruppe mit der Erstellung eines
zahnmedizinischen Grundsatzgutachtens beauftragt. Das vor-
liegende Verfahren wurde deshalb mit Verfügung vom 3. April
2000 sistiert. Das Grundsatzgutachten ging am 31. Oktober
2000 beim Gericht ein und wurde am 16. Februar 2001 mit den
Experten erörtert. Am 21. April 2001 erstellten die Exper-
ten einen Ergänzungsbericht.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Da das Gericht im Hinblick auf die sich hier stel-
lenden medizinischen Fragen Fachpersonen konsultiert hat,
wurde das Verfahren sistiert. Nach Vorliegen des Berichtes
mit Ergänzungen ist der Grund der Sistierung weggefallen.
Sie ist daher aufzuheben.

     2.- a) Die Leistungen, deren Kosten von der obligato-
rischen Krankenpflegeversicherung bei Krankheit zu überneh-
men sind, werden in Art. 25 des Bundesgesetzes über die
Krankenversicherung (KVG) in allgemeiner Weise umschrieben.
Im Vordergrund stehen die Leistungen der Ärzte und Ärztin-
nen, dann aber auch der Chiropraktoren und Chiropraktorin-
nen sowie der Personen, die im Auftrag von Ärzten und Ärz-
tinnen Leistungen erbringen.
     Die Leistungen der Zahnärzte und Zahnärztinnen sind in
der genannten Bestimmung nicht aufgeführt. Die Kosten die-
ser Leistungen sollen im Krankheitsfalle der obligatori-
schen Krankenpflegeversicherung - wie die Vorinstanz zu-
treffend darlegt - nur in eingeschränktem Masse überbunden
werden, nämlich wenn die zahnärztliche Behandlung durch
eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems
(Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG) oder durch eine schwere Allge-
meinerkrankung oder ihre Folgen bedingt (Art. 31 Abs. 1
lit. b KVG) oder zur Behandlung einer schweren Allgemein-
erkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist (Art. 31 Abs. 1
lit. c KVG).

     b) Gestützt auf Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in Verbindung
mit Art. 33 lit. d KVV hat das Departement in der Verord-
nung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflege-
versicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung [KLV]) zu
jedem der erwähnten Unterabsätze von Art. 31 Abs. 1 KVG
einen eigenen Artikel erlassen, nämlich zu lit. a den
Art. 17 KLV, zu lit. b den Art. 18 KLV und zu lit. c den

Art. 19 KLV. In Art. 17 KLV werden die schweren, nicht ver-
meidbaren Erkrankungen des Kausystems aufgezählt, deren
Behandlungskosten von der obligatorischen Krankenversiche-
rung zu übernehmen sind. In Art. 18 KLV werden die schweren
Allgemeinerkrankungen und ihre Folgen aufgelistet, die zu
zahnärztlicher Behandlung führen können und deren Kosten
von der obligatorischen Krankenversicherung zu tragen sind.
Hier müssen die Allgemeinerkrankungen oder ihre Folgen
schwer sein, nicht hingegen die dadurch bedingte Erkrankung
des Kausystems. In Art. 19 KLV schliesslich hat das Depar-
tement die schweren Allgemeinerkrankungen aufgezählt, bei
denen die zahnärztliche Massnahme notwendiger Bestandteil
der Behandlung darstellt.

     3.- Zu prüfen ist zunächst die anwendbare Rechtsgrund-
lage.

     a) Die Krankenkasse verneint von vornherein jegliche
Leistungspflicht gestützt auf das KVG, da sie gemäss
Art. 19 KLV nur diejenigen Kosten einer zahnärztlichen
Behandlung zu übernehmen habe, die vorgängig einer Strah-
len- oder Chemotherapie notwendig seien, die Zahnsanierung
der Beschwerdegegnerin jedoch mehrere Jahre nach der Chemo-
therapie nötig geworden sei. Art. 18 KLV erwähne sodann
weder den mediastinalen Tumor noch die Strahlen- oder Che-
motherapie als schwere Allgemeinerkrankung beziehungsweise
konsekutive Behandlung, wobei es sich mit Blick auf Art. 19
KLV dabei nicht um ein offensichtliches Versehen oder Ver-
gessen des Verordnungsgebers handeln könne. Eine Leistungs-
pflicht gestützt auf Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV, welcher
irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten betreffe, kom-
me schliesslich nicht in Frage, da vorliegend keine Medika-
mente eingesetzt worden seien, die direkt zu Zahnfleisch-
schäden führten und die durch Chemotherapie indirekt über
Mundtrockenheit und Karies bedingte Parodontitis als ver-
meidbar gelte.

     b) Die Beschwerdegegnerin verneint im Wesentlichen die
Gesetzmässigkeit der Art. 17 und 18 KLV, da der Bundesrat
anstatt die zahnärztlichen Leistungen im Sinne von Art. 31
Abs. 1 KVG näher zu bezeichnen, eine auf nur wenige, zu-
fällig und willkürlich ausgewählte Krankheiten reduzierte
Liste aufgestellt habe.

     c) Die Vorinstanz schliesslich hat für den vorliegen-
den Fall die Voraussetzungen von Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV
geprüft und ist zum Schluss gelangt, dass aufgrund der vor-
handenen medizinischen Aussagen nicht abschliessend beur-
teilt werden könne, ob die Zahnschäden mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit auf irreversible Nebenwirkungen von
Medikamenten zurückzuführen seien. Während sie einen Zusam-
menhang mit der Radiotherapie ausschliesst, weist sie die
Sache zur Prüfung der Kausalität zwischen Chemotherapie und
Zahnschäden zu weiteren Abklärungen zurück. Auf die Art. 19
und 19a KLV ist das kantonale Gericht nicht eingegangen, da
deren Voraussetzungen klarerweise nicht erfüllt seien. Be-
züglich Art. 18 KLV liess es die Frage der gerügten Unvoll-
ständigkeit offen.

     d) Die Krankenkasse hält im Verwaltungsgerichtsbe-
schwerdeverfahren an ihrer Auffassung fest, wonach Art. 17
lit. b Ziff. 3 KLV bei Chemotherapie nicht anwendbar sei.

     4.- a) In Art. 17 KLV werden, wie bereits erwähnt, die
schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems
aufgezählt, deren Behandlungskosten von der obligatorischen
Krankenversicherung zu übernehmen sind. Die Enumeration
dieser Krankheiten wird gegliedert. In lit. a werden die
Erkrankungen der Zähne genannt, in lit. b die Erkrankungen
des Zahnhalteapparates (Parodontopathien), in lit. c die
Erkrankungen des Kieferknochens und der Weichteile, in
lit. d die Erkrankungen des Kiefergelenkes und des Bewe-
gungsapparates, in lit. e die Erkrankungen der Kieferhöhle

und in lit. f die Dysgnathien, die zu Störungen mit Krank-
heitswert führen. Im Vordergrund steht lit. b über die
Erkrankung des Zahnhalteapparates. Um diese Littera im
Zusammenhang mit der ganzen Regelung von Art. 17 KLV zu
verstehen, wird die Verordnungsbestimmung nachfolgend auf-
geführt:

Art. 17 Erkrankungen des Kausystems

Die Versicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen
Behandlungen, die durch eine der folgenden schweren, nicht
vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems bedingt sind
(Art. 31 Abs. 1 Bst. a KVG). Voraussetzung ist, dass das
Leiden Krankheitswert erreicht; die Behandlung ist nur so
weit von der Versicherung zu übernehmen, wie es der Krank-
heitswert des Leidens notwendig macht:

a. Erkrankungen der Zähne:

   1. Idiopathisches internes Zahngranulom,
   2. Verlagerung und Überzahl von Zähnen und Zahnkeimen
      mit Krankheitswert (z.B. Abszess, Zyste);

b. Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien):

   1. Präpubertäre Parodontitis,
   2. Juvenile, progressive Parodontitis,
   3. Irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten;

c. Erkrankungen des Kieferknochens und der Weichteile:

   1. Gutartige Tumore im Kiefer- und Schleimhautbereich
      und tumorähnliche Veränderungen,
   2. Maligne Tumore im Gesichts-, Kiefer- und Halsbereich,
   3. Osteopathien der Kiefer,
   4. Zysten (ohne Zusammenhang mit Zahnelementen),
   5. Osteomyelitis der Kiefer;

d. Erkrankungen des Kiefergelenks und des Bewegungsappara-
   tes:

   1. Kiefergelenksarthrose,
   2. Ankylose,
   3. Kondylus- und Diskusluxation;

e. Erkrankungen der Kieferhöhle:

   1. In die Kieferhöhle dislozierter Zahn oder Zahnteil,
   2. Mund-Antrumfistel;

f. Dysgnathien, die zu folgenden Störungen mit Krankheits-
   wert führen:

   1. Schlafapnoesyndrom,
   2. Schwere Störungen des Schluckens,
   3. Schwere Schädel-Gesichts-Asymmetrien.

     b) In BGE 124 V 185 hat das Eidgenössische Versiche-
rungsgericht entschieden, dass die in Art. 17-19 KLV er-
wähnten Erkrankungen, deren zahnärztliche Behandlung von
der sozialen Krankenversicherung zu übernehmen ist, ab-
schliessend aufgezählt sind. Demnach fallen nur Erkrankun-
gen des Kausystems, die in Art. 17 KLV genannt sind, unter
die Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung.

     c) Die Umschreibung der Erkrankungen in Art. 17 KLV
ist unterschiedlich. So begnügt sich der Verordnungsgeber
teils mit einzelnen Krankheitsbezeichnungen wie etwa der
Kiefergelenksarthrose (Art. 17 lit. d Ziff. 1 KLV) oder der
Mund-Antrumfistel (Art. 17 lit. e Ziff. 2 KLV), teils ver-
wendet er Umschreibungen wie in Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV,
wo ihm die Begriffe "Verlagerung und Überzahl von Zähnen
und Zahnkeimen" für sich allein zu unbestimmt erscheinen,
sodass er nur solche darunter verstanden wissen will, die
"Krankheitswert (z.B. Abszess, Zyste)" erreichen. Damit
stellt sich die Frage, ob dieser Krankheitswert ein anderer
ist als jener Krankheitswert, der nach Art. 17 KLV zur all-
gemeinen Voraussetzung dafür erhoben wird, dass die in die-
ser Bestimmung aufgezählten Erkrankungen in den Leistungs-
bereich der sozialen Krankenversicherung fallen. Weiter ist
danach zu fragen, ob der Krankheitswert, wie er in Art. 17
KLV allgemein oder in dessen lit. a Ziff. 2 bei verlagerten
und überzähligen Zähnen und Zahnkeimen verwendet wird, mit
dem in Art. 2 Abs. 1 KVG definierten Begriff der Krankheit
übereinstimmt.

     5.- Das Gericht hat dazu die von zwei verschiedenen
Berufsgruppen zur Leistungspflicht der sozialen Krankenver-
sicherung im Sinne von Art. 31 KVG herausgegebenen Leitfä-
den zu Rate gezogen (Atlas der Erkrankungen mit Auswirkun-
gen auf das Kausystem [SSO-Atlas], herausgegeben von der
Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO, 1996; KVG-Leit-
faden, Leistungspflicht im Fachbereich Kiefer- und Ge-
sichtschirurgie, herausgegeben von der Gesundheitspoliti-
schen Kommission der Schweizerischen Gesellschaft für Kie-
fer- und Gesichtschirurgie, 1999). In der Erkenntnis, dass
diese Unterlagen einerseits auf die sich stellenden Fragen
wenig grundsätzliche Antworten geben und die Thematik mehr
kasuistisch angehen und andererseits in vielen Einzelfragen
zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen, sowie an-
gesichts der grossen praktischen Bedeutung mit allfällig
weit reichenden finanziellen Folgen für die Versicherten
und die Versicherer hat das Gericht eine Expertengruppe mit
der Ausarbeitung eines Grundsatzgutachtens beauftragt. Die-
ses hatte die gestellten Fragen grundsätzlich, d.h. losge-
löst von den anstehenden Einzelfällen, zu beantworten und
so dem Gericht eine Grundlage zu bieten, welche es ihm er-
laubt, den gesetzlichen Bestimmungen einen Inhalt zu geben,
der auf einem zutreffenden Verständnis des der Regelung zu
Grunde liegenden medizinischen Fachwissens beruht. Bei den
drei Mitgliedern der Expertengruppe handelt es sich um PD
Dr. med. dent. Urs Gebauer, Klinik für Kieferorthopädie,
Bern, Dr. med. dent. Martin Chiarini, Ecole de Médecine
Dentaire, Genève, und Dr. med. dent. Wanda Gnoinski, Klinik
für Kieferorthopädie, Zürich. Diese Experten durften andere
Fachpersonen kontaktieren.

     6.- a) Die Experten wurden primär nach dem Krankheits-
wert befragt, der bei verlagerten und überzähligen Zähnen
und Zahnkeimen nach Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV Vorausset-
zung der Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung
ist. Die Fachpersonen erblicken in diesem Krankheitswert

einen gegenüber dem allgemein definierten Begriff der
Krankheit gemäss Art. 2 Abs. 1 KVG qualifizierten Begriff.
Ihm komme - so führen sie aus - Abgrenzungsfunktion zu.
Weil die Umschreibungen "Verlagerung" und "Überzahl" von
Zähnen und Zahnkeimen sowohl leichte wie auch schwere Er-
krankungen des Kausystems erfassten, würden auf diese Weise
die schweren, eben jene mit Krankheitswert, von den übrigen
Erkrankungen abgegrenzt, die nicht als schwer einzustufen
seien und daher der Leistungspflicht der sozialen Kranken-
versicherung gemäss Art. 31 Abs. 1 KVG nicht unterlägen.

     b) Das Gericht sieht keinen Grund, im Krankheitswert,
der nach Art. 17 KLV bei allen darin aufgeführten Erkran-
kungen erreicht sein muss, damit die Behandlung der Leis-
tungspflicht unterliegt, etwas anderes zu erblicken. Auch
hier dient der Begriff der Abgrenzung. Er drückt das Mass
der Schwere der Erkrankung als Voraussetzung für die Leis-
tungspflicht der sozialen Krankenversicherung aus. Nicht
schwere Erkrankungen sollen nach der gesetzlichen Vorgabe
des Art. 31 Abs. 1 KVG davon ausgeschlossen sein. Der in
Art. 17 KLV geforderte Krankheitswert übersteigt somit den
für die soziale Krankenversicherung allgemein geltenden
Krankheitswert des Art. 2 Abs. 1 KVG (vgl. zum Ganzen: Zur
Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehene Urteile
M. vom 19. September 2001, K 73/98, und J. vom 28. Septem-
ber 2001, K 78/98).

     7.- Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Erkran-
kung des Zahnhalteapparates, unter welcher die Beschwerde-
gegnerin unbestrittenermassen leidet, unter Art. 17 lit. b
Ziff. 3 KLV zu subsumieren ist. Diese Regelung erscheint
auf den ersten Blick nicht ganz klar. Während die übrigen
Ziffern allesamt Erkrankungen oder Dysgnathien mit Krank-
heitswert aufzählen, nennt lit. b Ziff. 3 keine Erkrankung.
Die Rede ist lediglich von irreversiblen Nebenwirkungen von
Medikamenten. Im Zusammenhang mit der Unterüberschrift von

lit. b "Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopa-
thien)" und den Ziffern 1 und 2, nämlich Ziff. 1, welche
die präpubertäre Parodontitis und Ziff. 2, welche die juve-
nile, progressive Parodontitis nennen, drängt sich jedoch
der Schluss auf, dass auch Ziff. 3 eine Parodontitis im
Auge hat, nämlich eine durch irreversible Nebenwirkungen
von Medikamenten verursachte Parodontitis. Diese Interpre-
tation verdient vor jeder anderen denkbaren Interpretation
den Vorzug. Insbesondere vermöchte nicht zu befriedigen,
die genannte Bestimmung von Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV als
systematisch falsch eingeordnet und als in Art. 18 KLV
gehörend zu bezeichnen. Eine solche Interpretation gelänge
nur durch die Bejahung eines systematischen Fehlers bei der
Gesetzgebung, wobei dann aber noch ein zweiter Fehler zu
überspringen wäre, nämlich dass eine Bezeichnung der schwe-
ren Allgemeinerkrankung immer noch fehlen würde, die nach
Art. 18 KLV doch genannt sein müsste. Die dargelegte Inter-
pretation indessen führt zu einem vernünftigen Sinn (zur
Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil
J. vom 28. September 2001, K 78/98).

     8.- Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzu-
weisen, dass die Vorinstanz zu Recht die Anwendbarkeit von
Art. 19 KLV verneint hat. Zwar wurden dieser Bestimmung be-
reits in der bis Ende 1998 gültigen Fassung nicht nur vor-
ausgehende zahnärztliche Behandlungen, sondern generell die
gesamte zahnärztliche Versorgung, die zur Behandlung einer
in der Verordnungsbestimmung erwähnten schweren Allgemein-
erkrankung notwendig war, zugeordnet (vgl. BGE 124 V 199
Erw. 2d; Gebhard Eugster, Krankenversicherungsrechtliche
Aspekte der zahnärztlichen Behandlung nach Art. 31 Abs. 1
KVG, in: LAMal - KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la
société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997,
S. 243), doch fällt der vorliegende Sachverhalt auch nicht
unter diesen weiter gefassten Anwendungsbereich des Art. 19
KLV. Der Wortlaut von Art. 19 KLV ist denn auch per 1. Ja-

nuar 1999 entsprechend geändert worden, was auf den konkre-
ten Fall jedoch keine Auswirkungen hat. Bezüglich Art. 18
KLV hat das kantonale Gericht sodann zutreffend ausgeführt,
dass in dieser Bestimmung die Tumorkrankheit der Beschwer-
degegnerin nicht als schwere Allgemeinerkrankung aufgeführt
ist, welche selbst oder ihre Folgen eine zahnärztliche
Behandlung notwendig machen. Die Aussage des Gerichts bezog
sich auf die bis Ende 1998 gültig gewesene Fassung der Ver-
ordnungsbestimmung; daran hat sich in der ab 1. Januar 1999
in Kraft stehenden Regelung nichts geändert. Da in den vor-
herigen Erwägungen die Anwendbarkeit von Art. 17 lit. b
Ziff. 3 KLV für den vorliegenden Fall grundsätzlich bejaht
worden ist, erübrigt sich hier jedoch eine Prüfung des
Art. 18 KLV auf seine Übereinstimmung mit dem Bundesgesetz
bezüglich der Frage, ob solche Leiden darin zu Unrecht
nicht aufgeführt sind, was dem Eidgenössischen Versiche-
rungsgericht nicht verwehrt ist, wobei es sich aber grosse
Zurückhaltung auferlegt (BGE 124 V 185).

     9.- Fallen somit zahnärztliche Behandlungen von Para-
dontopathien als Folge von irreversiblen Nebenwirkungen von
Medikamenten grundsätzlich unter die Pflichtleistungen der
obligatorischen Krankenversicherung, ist vorliegend ent-
scheidend, ob und inwieweit die Parodontitis sowie die
Zahnextraktion als Folge der Chemotherapie des mediastina-
len Tumors der Beschwerdegegnerin gemäss Art. 17 lit. b
Ziff. 3 KLV zu betrachten sind. Wie die Vorinstanz zutref-
fend darlegt, kann diese Frage aufgrund der bisherigen me-
dizinischen Aussagen nicht abschliessend beurteilt werden,
sondern sind weitere Abklärungen erforderlich. In diesem
Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die vom Eidgenössischen
Versicherungsgericht mit der Erstellung eines Grundsatzgut-
achtens beauftragten Experten allgemein die Auffassung ver-
treten, dass Chemotherapie zu Parodontose führen kann. Die
Krankenkasse wird nach Einholung der zusätzlichen Abklärun-
gen die Voraussetzungen der Kausalität - wie das Bundesamt

für Sozialversicherung zu Recht darauf hinweist unter Be-
rücksichtigung des Zustandes des Parodonts vor Beginn der
Chemotherapie - und der Irreversibilität zu prüfen und über
ihre Leistungen neu zu verfügen haben, wobei zu beachten
ist, dass sich der Umfang einer allfälligen Leistungs-
pflicht in jedem Fall nach den Grundsätzen der Wirksamkeit,
Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu richten hat
(Art. 32 Abs. 1 KVG).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Sistierung wird aufgehoben.

 II. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

 IV. Die Visana hat der Beschwerdegegnerin für das Verfah-
     ren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
     Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich
     Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

  V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
     Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
     zugestellt.

Luzern, 23. Oktober 2001

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der III. Kammer:

                             Die Gerichtsschreiberin: