Sozialrechtliche Abteilungen K 132/1998
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K 132/98 Vr IV. Kammer Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Nussbaumer Urteil vom 28. Januar 2000 in Sachen S.________, 1964, Deutschland, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. H.________, gegen Wincare Versicherungen, Konradstrasse 14, Winterthur, Beschwerdegegnerin, und Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen A.- S.________, deutscher Staatsangehöriger mit Wohn- sitz in Deuschland, arbeitete als Grenzgänger bis zur Kon- kurseröffnung am 30. Juni 1995 bei der M.________ GmbH in der Schweiz. In dieser Eigenschaft war er Mitglied der von seiner Arbeitgeberin bei der KFW Winterthur, Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung (heute: Wincare Versiche- rungen) abgeschlossenen Kollektiv-Krankentaggeldversiche- rung. Dieser Kollektivvertrag wurde infolge der Konkurs- eröffnung über die M.________ GmbH per 30. Juni 1995 auf- gelöst. Zu diesem Zeitpunkt war S.________ wegen Krankheit vollständig arbeitsunfähig. Mit Antrag vom 8. August 1995 trat er in die Einzelversicherung über. Die KFW erbrachte bis zum 30. August 1995 Taggeldleistungen von Fr. 214.- pro Tag. Seit 29. August 1995 war S.________ für die L.________ AG in der Schweiz mit Arbeitsgebiet in der Bundesrepublik Deutschland tätig. Ab 22. Dezember 1995 war er erneut 100 % arbeitsunfähig. Zunächst richtete die KFW wiederum bis zum 30. Januar für 37 Tage Krankentaggelder im Betrag von insgesamt Fr. 7918.- aus. In der Folge stellte sie die Taggeldzahlungen ein. Mit Verfügung vom 6. August 1996 löste sie die Taggeldversicherung rückwirkend auf den 31. August 1995 auf und verpflichtete S.________ unter Berücksichtigung der einbezahlten Prämien zur Rückerstat- tung von Fr. 3038.50. Daran hielt sie mit Einspracheent- scheid vom 18. November 1996 fest. B.- Hiegegen liess S.________ Beschwerde erheben mit dem Antrag, es seien ihm für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 1996 Taggeldleistungen im Gesamtbetrag von Fr. 38'948.- (182 Tage à Fr. 214.-) auszurichten. Mit Entscheid vom 26. Juni 1998 hiess das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Beschwerde teilweise gut und verpflichtete die Wincare Versicherungen, dem Beschwerde- führer Fr. 4123.80 zu bezahlen. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das im vorinstanzlichen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern. Die Wincare Versicherungen reicht eine Vernehmlassung ein, ohne einen bestimmten Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Der Streit um die Mitgliedschaft (Kassenaus- schluss) oder einen Versicherungsvorbehalt betrifft nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleis- tungen im Sinne des Art. 132 OG. Daher ist die Überprü- fungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts eingeschränkt (Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Häufig ist jedoch im gleichen Beschwerdeverfahren nebst dem Kassenausschluss oder einem Vorbehalt auch die damit begründete Verweigerung von Kassenleistungen oder die Rückforderung bereits erbrachter Kassenleistungen streitig. Diesfalls muss für beide Streitfragen der gleiche Sachver- halt zu Grunde gelegt werden, der vom Eidgenössischen Ver- sicherungsgericht mit der erweiterten Kognition überprüft wird (Attraktionsprinzip; BGE 108 V 247 Erw. 1b, 98 V 276 Erw. 3). Dagegen richtet sich die rechtliche Beurteilung nach der Natur der einzelnen Streitpunkte; für den Leis- tungsstreit ist das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht an die Parteibegehren gebunden und es kann die Ange- messenheit frei prüfen; für den streitigen Kassenausschluss bzw. Vorbehalt aber gilt die eingeschränkte Kognition (vgl. BGE 108 V 247 Erw. 1b mit Hinweisen; RKUV 1986 Nr. K 687 S. 312). Diese Grundsätze kommen auch sinngemäss im Zusammen- hang mit dem Übertritt von der Kollektiv- in die Einzel- versicherung zur Anwendung (nicht veröffentlichte Erw. 1 von RKUV 1996 Nr. K 977 S. 107). 2.- a) Im Streit liegt zunächst, ob die Beschwerdegeg- nerin zu Recht den gestützt auf den Antrag vom 8. August 1995 abgeschlossenen Vertrag zum Übertritt aus der Kollek- tivversicherung in die Einzelversicherung für Krankentag- gelder rückwirkend per 31. August 1995 aufgelöst hat. Dabei ist die Streitsache anhand des bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911 (KUVG) und der zugehörigen, ebenfalls bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Verordnungen sowie der damals in Kraft gestandenen Kassenreglemente zu beurteilen (BGE 122 V 89 Erw. 3). b) Scheiden Versicherte aus dem Kreis der von einer Kollektivversicherung erfassten Personen aus oder fällt der Kollektivversicherungsvertrag dahin, so haben sie das Recht, in die Einzelversicherung der Kasse überzutreten, wenn sie in deren Tätigkeitsgebiet wohnen oder dem Betrieb, Beruf oder Berufsverband angehören, auf den die Kasse ihre Tätigkeit beschränkt. Die Kassen sind verpflichtet, den Übertretenden im Rahmen der Einzelversicherung den bisheri- gen Umfang der Leistungen zu wahren (Art. 5bis Abs. 4 KUVG). Nach der Rechtsprechung haben grundsätzlich auch Grenzgänger im Rahmen der Krankentaggeldversicherung das Recht auf Übertritt in die Einzelversicherung, wenn sie aus einer Kollektivversicherung ausscheiden müssen. Dies gilt auch dann, wenn die Grenzgängerbewilligung abläuft und krankheitsbedingt nicht erneuert wird, so lange der Betref- fende in der benachbarten Grenzzone wohnt und dort den von der Krankenkasse für notwendig erachteten medizinischen und administrativen Kontrollen zugänglich bleibt (BGE 103 V 71, EVGE 1968 S. 8, RKUV 1991 Nr. K 864 S. 81 und 1987 Nr. K 741 S. 269). Diese Rechtsprechung, welche eine Durch- brechung des Territorialitätsprinzips darstellt, stützt sich auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit gemäss Art. 3 Abs. 3 KUVG sowie das Gebot der Gleichbehandlung der Ver- sicherten ab (RKUV 1996 Nr. K 977 S. 107, 1987 Nr. K 741 S. 268 Erw. 2). c) Gestützt auf diese Rechtslage hat der Beschwerde- führer Anspruch auf Übertritt in die Einzelversicherung. Soweit Art. 10 Ziff. 1 der hier massgebenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) über die Kollektivversiche- rung bestimmt, dass Versicherte, die aus dem Kreis von der Kollektivversicherung erfassten Personen ausscheiden oder wenn der Kollektivvertrag dahinfällt, das Recht haben, innert 30 Tagen in die Einzelversicherung der KFW überzu- treten, sofern sie in deren Tätigkeitsgebiet (Schweiz und Fürstentum Liechtenstein, Art. 4 der Kassenstatuten) woh- nen, erweist er sich als gesetzwidrig. Entgegen der Auf- fassung der Beschwerdegegnerin ist die Weiterführung der Grenzgängerbeschäftigung ebenfalls nicht Voraussetzung des Übertrittsanspruchs, weil es genügt, dass der Beschwerde- führer im Zeitpunkt des Dahinfallens des Kollektivvertrages infolge Konkurseröffnung über die Arbeitgeberin als Grenz- gänger beschäftigt und damit kollektivversichert gewesen ist. Unter diesen Umständen ist die der Beschwerdegegnerin nie verschwiegene, aber von ihr erst nachträglich bemerkte Tatsache, dass der Beschwerdeführer für den neuen schweize- rischen Arbeitgeber nicht als Grenzgänger arbeitete, für die Weiterführung der (Einzel-)Mitgliedschaft ohne Bedeu- tung. Abgesehen davon wäre die Beschwerdegegnerin nach Erhalt des Übertrittsformulars gehalten gewesen, auf Grund der rudimentären Angaben des Beschwerdeführers die Sachlage und das Vorhandensein der Übertrittsvoraussetzungen näher abzuklären. Wenn sie dies aus Nachlässigkeit unterlassen hat, kann sie nicht nachträglich den von ihr bewilligten Übertritt in die Einzelversicherung rückwirkend auflösen. Durch ihre Unterlassung hat sie eine allenfalls statuten- widrige Weiterführung der Mitgliedschaft in Kauf genommen. Unter diesen Umständen lässt sich sodann ein rückwirkendes Zurückkommen auf den von ihr bewilligten Übertritt in die Einzelversicherung nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbaren. Auch aus diesem Grund erweist sich die Auffassung der Beschwerdegegnerin als unzutreffend, selbst wenn die Voraussetzung im vorliegenden Fall für den Über- tritt in die Einzelversicherung nicht gegeben wäre. 3.- a) Was die Dauer des Taggeldanspruchs betrifft, so beginnt die zweite Arbeitsunfähigkeitsperiode am 22. Dezem- ber 1995 und dauert unbestrittenermassen bis 31. Juli 1996. Damit hat sich der rechtserhebliche Sachverhalt in den Jah- ren 1995 und 1996 verwirklicht. In übergangsrechtlicher Hinsicht richtet sich der Taggeldanspruch nach Art. 103 Abs. 2 KVG, wonach beim Inkrafttreten des KVG laufende Krankengelder aus bestehenden Krankengeldversicherungen bei anerkannten Krankenkassen noch für längstens zwei Jahre nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts über die Leis- tungsdauer zu gewähren sind. Massgebend ist somit nach wie vor das KUVG samt dazu gehörenden Verordnungen und die zu dieser Zeit gültig gewesenen Kassenreglemente. b) Gemäss Art. 16 des massgebenden Reglements für die Taggeldversicherung wird das Taggeld bei Arbeitsunfähigkeit im Ausland nur während der Dauer eines Heilanstaltsaufent- halts ausgerichtet. Diese Bestimmung ist an und für sich gesetzmässig (vgl. RKUV 1996 Nr. K 977 S. 107, 1987 Nr. K 741 S. 266). Gestützt auf das Gegenseitigkeitsprinzip haben (übergetretene) Grenzgänger nach der Rechtsprechung indessen bei nicht stationärem Aufenthalt im Ausland einen Taggeldanspruch, wenn der Aufenthalt in der Schweiz nicht zumutbar und die Arbeitsunfähigkeit im grenznahen Ausland kontrollierbar ist (BGE 105 V 280). Im vorliegenden Fall erweist sich ein Aufenthalt in der Schweiz für den im grenznahen Ausland wohnenden Beschwerdeführer als unzumut- bar, umso mehr als er an einem psychischen Leiden erkrankt war. Die Beschwerdegegnerin hat denn auch dem Beschwerde- führer Taggeldleistungen ausgerichtet, bevor sie aus ande- ren Gründen als fehlendem Heilanstaltsaufenthalt ihre Leis- tungen einstellte. Dauer und Umfang der Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers sind ausgewiesen und die diesbezüg- lichen Ausführungen der Vorinstanz, auf welche verwiesen wird, bestreitet die Beschwerdegegnerin nicht. Aus dem Ge- sagten folgt, dass der Beschwerdeführer bis 31. Juli 1996 einen Anspruch auf Krankentaggelder hat. Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 26. Juni 1998 und der Einsprache- entscheid der KFW vom 18. November 1996 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Taggeldleistungen für die Zeit vom 22. Dezember 1995 bis zum 31. Juli 1996 hat. II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. III. Die Wincare Versicherungen hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versiche- rungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. IV. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Pro- zesses zu befinden haben. V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialver- sicherung zugestellt. Luzern, 28. Januar 2000 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: