Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 92/1998
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I 92/98 Gb

                        II. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiber Lauper

                Urteil vom 3. Oktober 2000

                         in Sachen

G.________, 1942, Beschwerdeführer, vertreten durch Für-
sprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, Bern,

                           gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegeg-
nerin,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- Der 1942 geborene G.________, angelernter Schrei-
ner, Mitbegründer und zuletzt geschäftsführender Allein-
aktionär der Firma X.________, steht seit 1984 wegen der
Folgen eines 1982 erlittenen Verkehrsunfalles im Genuss
einer Invalidenrente der Schweizerischen Unfallversicherung

(SUVA) bei einer Erwerbsunfähigkeit von 25 %. Ferner be-
zieht er von der Militärversicherung wegen einer dienstlich
zugezogenen Schulterkontusion eine Invalidenrente von 10 %
sowie eine Integritätsschadenrente.
     Nach einem ersten, vom Verwaltungsgericht des Kantons
Bern mit Entscheid vom 17. September 1987 rechtskräftig
abgewiesenen Leistungsbegehren meldete sich G.________ am
11. Juni 1993 unter Hinweis auf beidseitige Schulterbe-
schwerden bei der Invalidenversicherung unter anderem zum
Rentenbezug an. Die Verwaltung zog die Akten von Unfall-
und Militärversicherung, die Geschäftsabschlüsse der Jahre
1987 bis 1994 sowie die Steuererklärungen 1987/88 bis
1993/94 bei, holte Berichte des Dr. med. R.________, Innere
Medizin FMH (vom Juli 1993 und 27. April 1994), sowie der
Firma X.________ (vom 25. Oktober 1994) ein und liess den
Versicherten polydisziplinär begutachten (Expertise des
Zentrums für Medizinische Begutachtung [ZMB] vom 1. März
1995). Ferner klärte sie die erwerblichen Verhältnisse an
Ort und Stelle ab (Bericht vom 22. Februar 1996). Gestützt
darauf gelangte die IV-Stelle Bern zum Schluss, dass der
Ansprecher seit Dezember 1992 zu 60 % invalid sei. Dement-
sprechend sprach sie ihm - nach Durchführung des Vorbe-
scheidverfahrens - für die Zeit ab 1. Dezember 1992 eine
halbe Rente zu; gleichzeitig verrechnete sie die von der
Firma X.________ geschuldeten paritätischen Sozialversiche-
rungsbeiträge mit der Rentennachzahlung (Verfügung vom
1. Oktober 1996).

     B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher der
Versicherte im Wesentlichen die Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente sowie die Aufhebung der Verrechnung beantra-
gen liess, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern im
Verrechnungspunkt gut; im Übrigen wies es die Beschwerde ab
(Entscheid vom 13. Januar 1998).

     C.- G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit dem Antrag, es ihm eine ganze Invalidenrente zu
gewähren. Eventuell sei die Sache zur Aktenergänzung und
neuer Verfügung an die Verwaltung zurückzuweisen.
     Die IV-Stelle trägt auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde an. Das Bundesamt für Sozialversicherung
hat sich nicht vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgeb-
lichen gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend
wiedergegeben. Es betrifft dies den Begriff der Invalidität
(Art. 4 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditäts-
grades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommens-
vergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 116 V 249
Erw. 1b, 114 V 313 Erw. 3a, 104 V 136 Erw. 2a und b; ZAK
1987 S. 305 Erw. 1, 1986 S. 412 Erw. 1c; RKUV 1989 Nr. U 69
S. 176 Erw. 1) bzw. nach dem erwerblich gewichteten Betäti-
gungsvergleich für Selbstständigerwerbende (ausserordentli-
ches Bemessungsverfahren; BGE 104 V 137 Erw. 2c; ZAK 1990
S. 519 Erw. 3b) sowie die Rechtsprechung zur Bedeutung
ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung
(BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1
am Ende; vgl. auch BGE 107 V 174 Erw. 3; ZAK 1991 S. 319
Erw. 1c, 1989 S. 118 Erw. 5a, 1986 S. 189 Erw. 2a). Darauf
kann verwiesen werden.
     Zu ergänzen ist, dass in Fällen, in welchen für die
Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise
noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) von
Tabellenlöhnen ausgegangen wird, es sich nicht rechtfer-
tigt, für jedes Merkmal, das ein unter den Durchschnitts-
werten liegendes Einkommen erwarten lässt, separat quanti-
fizierte Abzüge vom in den Lohn- und Strukturerhebungen

(LSE) des Bundesamtes für Statistik ausgewiesenen Durch-
schnittsverdienst vorzunehmen und diese zusammenzuzählen,
da damit Wechselwirkungen ausgeblendet werden. Vielmehr ist
ganz allgemein der Einfluss aller Merkmale auf das Invali-
deneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienst-
jahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäfti-
gungsgrad) unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach
pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Der Abzug
vom statistischen Lohn ist unter Berücksichtigung aller
jeweils in Betracht fallenden Merkmale auf insgesamt höchs-
tens 25 % zu begrenzen (zur Publikation bestimmtes Urteil
A. vom 9. Mai 2000, I 482/99; vgl. AHI 1999 S. 181 und
S. 243 Erw. 4c, 1998 S. 292 oben).

     2.- Streitig und zu prüfen ist, ob der im Wesentlichen
an einem Impingement beider Schultergelenke bei Status nach
Rotatorenmanschettenrupturen beidseits, an einem Status
nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion beidseits mit Acro-
mioplastik, an einem HWS- und LWS-Syndrom bei fortgeschrit-
tenen degenerativen Veränderungen sowie an einer ausgepräg-
ten depressiv-resignativen Entwicklung auf der Basis einer
depressiven Neurose mit Somatisierungstendenzen (Gutachten
des ZMB vom 1. März 1995) leidende Beschwerdeführer anstel-
le der halben eine ganze Invalidenrente beanspruchen kann.
Dabei geht aus den Akten hervor und ist unbestritten, dass
er in seiner angestammten Tätigkeit als Küchenbauer und
Immobilienhändler insgesamt zu 30 %, in einer anderen ihm
zumutbaren Tätigkeit zur Hälfte arbeitsfähig ist.

     a) Das Valideneinkommen ermittelte die Verwaltung da-
durch, indem sie den gemäss den IK-Auszügen vor Eintritt
des Gesundheitsschadens erzielten durchschnittlichen Jah-
resverdienst 1978 bis 1982 von Fr. 41 823.- herbeizog und
diesen Betrag der bis 1992 aufgelaufenen Teuerung gemäss
Landesindex der Konsumentenpreise anpasste, woraus ein
hypothetisches jährliches Einkommen von Fr. 66 000.- resul-

tierte. Auch wenn die Anpassung nicht auf den praxisgemäss
massgeblichen Zeitpunkt des Verfügungserlasses (1. Oktober
1996; BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) erfolgte, lässt
sich diese Einkommensgrösse im Ergebnis nicht beanstanden,
da sich der Beschwerdeführer gemäss den Geschäftsabschlüs-
sen der Jahre 1990 bis 1994 - ungeachtet des Geschäftsgan-
ges oder der gesundheitlichen Verhältnisse - stets ein
Gehalt dieser Grössenordnung zubilligte. Insoweit er nun
offenbar geltend machen will, dass er ohne Gesundheitsscha-
den einen Verdienst von gegen Fr. 87 000.- erzielen könnte,
kann ihm nicht gefolgt werden, dies umso weniger, als der
fragliche Betrag entgegen seinen Ausführungen nicht auf
Annahmen des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern im Ent-
scheid vom 17. September 1987 selber, sondern seinen eige-
nen damaligen, auf dem Stand von 1992 indexierten erwerbli-
chen Angaben beruhte.

     b) Wird der Betrag von Fr. 40 000.-, welchen der Be-
schwerdeführer unbestrittenermassen für die Einstellung
einer 50 %igen Hilfskraft aufwenden müsste, von dem ohne
Gesundheitsschaden möglichen hypothetischen Einkommen abge-
zogen, resultiert ein Invalideneinkommen von Fr. 26 000.-.
Vergleicht man dieses Einkommen mit dem hypothetischen
Validenlohn von Fr. 66 000.-, resultiert ein den Anspruch
auf eine ganze Rente ausschliessender Invaliditätsgrad von
60,60 %. Nicht anders verhielte es sich, wenn er den Ver-
weisungsberuf eines Taxifahrers ausüben würde. Gemäss
Tabelle 7 LSE betrug der Lohn (inkl. Anteil 13. Monatslohn)
männlicher Arbeitskräfte im Bereich "Transport von Perso-
nen, Waren und Nachrichten" 1996 Fr. 5295.- im Monat oder
Fr. 63 540.- im Jahr (Medianwert; BGE 124 V 323
Erw. 3b/aa). Mit seinem hälftigen Leistungsvermögen könnte
er mit dieser Tätigkeit ein Jahreseinkommen von
Fr. 31 770.- erzielen. Um den Maximalsatz von 25 % (Erw. 1
hievor) reduziert ergäbe dies ein Invalideneinkommen von
(aufgerundet) Fr. 23 827.- bzw. - verglichen mit dem Vali-

denlohn von Fr. 66 000.- - einen Invaliditätsgrad von knapp
64 %.

     c) Sämtliche weiteren Einwendungen in der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde vermögen zu keinem anderen Schluss zu
führen. Insoweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei
im Betrieb nicht einsetzbar, so hat dies seinen Grund nicht
in gesundheitlichen, sondern in anderweitigen, invalidi-
tätsfremden Gründen, für welche die Invalidenversicherung
nicht einzustehen hat. Zudem hat er sich in Nachachtung der
ihm obliegenden Schadenminderungspflicht (vgl. BGE 117 V
278 Erw. 2b, 400, je mit Hinweisen) betriebsintern so zu
organisieren, dass er das verbliebene Leistungsvermögen
bestmöglich verwerten kann. Nicht stichhaltig ist auch der
Einwand bezüglich der ihm von den Ärzten des ZMB attestier-
ten Arbeitsunfähigkeit von 70 %. Die Teilerwerbsfähigkeit
des Selbstständigerwerbenden ist in der Regel höher zu
bewerten als die medizinische Schätzung der körperlichen
Arbeitsfähigkeit, weil die für den Betriebsertrag wesentli-
chen leitenden Funktionen von körperlichen Behinderungen im
Allgemeinen kaum beeinträchtigt werden (ZAK 1971 S. 338).
     Die vorinstanzlich bestätigte Verwaltungsverfügung er-
weist sich damit als rechtens.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
     Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
     zugestellt.

Luzern, 3. Oktober 2000

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                              Der Gerichtsschreiber: