Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 557/1998
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I 557/98 Gi

                        III. Kammer

Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiber Krähenbühl

                  Urteil vom 3. Mai 2000

                         in Sachen

A.________, 1947, Beschwerdeführer, vertreten durch Für-
sprecher P.________,

                           gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegne-
rin,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- Der 1947 geborene A.________ leidet nach einem im
November 1993 erlittenen Berufsunfall und mehreren Verhebe-
traumata an einem persistierenden lumbalen Schmerzsyndrom.
Zudem besteht eine arterielle Hypertonie. Am 23. Dezember
1993 musste A.________ seine Arbeit in der W.________ AG,
wo er seit Juni 1986 im Strassenbau beschäftigt war, nie-
derlegen. Seither geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr
nach.

     Am 23. August 1994 meldete sich A.________ wegen Rü-
ckenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leis-
tungsbezug an. Auf Grund der Ergebnisse ihrer Abklärungen
medizinischer und erwerblicher Art lehnte die IV-Stelle
Bern das Begehren mangels anspruchsrelevanter Invalidität
mit Verfügung vom 18. April 1996 ab. Das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern hiess eine dagegen gerichtete Beschwerde
indessen mit Entscheid vom 28. Januar 1997 in dem Sinne
gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sa-
che an die Verwaltung zurückwies, damit diese eine psychi-
atrische Begutachtung veranlasse und anschliessend über die
Leistungsberechtigung des Versicherten neu verfüge.
     Nachdem die IV-Stelle eine Expertise des Psychiaters
und Psychotherapeuten Dr. med. I.________ vom 7. Juli 1997
eingeholt hatte, setzte sie den Invaliditätsgrad neu auf
64 % fest. Mit Verfügung vom 4. Februar 1998 sprach sie
A.________ deshalb rückwirkend ab 1. Januar 1995 eine halbe
Invalidenrente mit Zusatzrente für die Ehefrau und - be-
fristet für die Zeit bis Ende Januar 1996 - eine halbe Kin-
derrente zu.

     B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwal-
tungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 2. Oktober
1998 ab.

     C.- A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen und erneut die Gewährung einer ganzen Invalidenrente
beantragen.
     Die IV-Stelle schliesst unter Hinweis auf die Ausfüh-
rungen im kantonalen Entscheid auf Abweisung der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversiche-
rung hat sich nicht vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über
die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Um-
fang (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) sowie über die Invalidi-
tätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Einkommensver-
gleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) sind in dem von der
IV-Stelle am 18. Juli 1997 erlassenen Vorbescheid zutref-
fend dargestellt worden, worauf verwiesen wird.

     2.- Wegen der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
bei chronischem Lumbovertebralsyndrom sowie leichten dege-
nerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Iliosakral-
gelenke ist dem Beschwerdeführer seine frühere Betätigung
als Strassenbau-Arbeiter unbestrittenermassen nicht mehr
zumutbar. Für leichte Tätigkeiten ohne Tragen schwerer Las-
ten und mit der Möglichkeit zu Positionswechseln ist die
Arbeitsfähigkeit gemäss Gutachten des Dr. med. I.________
vom 7. Juli 1997 hingegen trotz der objektivierbaren soma-
tischen Befunde "im Prinzip durchaus voll erhalten" geblie-
ben. Nach Einschätzung des Psychiaters muss bei einer sol-
chen Beschäftigung jedoch auf Grund des psychischen Gesund-
heitszustandes von einem um 50 % reduzierten Leistungsver-
mögen ausgegangen werden.

     3.- a) Der im Jahre 1994 ohne gesundheitliche Beein-
trächtigung realisierbare Lohn (Valideneinkommen) ist von
der Vorinstanz mit lediglich Fr. 44'304.- ganz offensicht-
lich zu tief angesetzt worden, hatte der Beschwerdeführer
doch in der ehemaligen Arbeitgeberfirma schon 1992 Einkünf-
te in Höhe von Fr. 49'668.- erzielt und 1993 insgesamt
Fr. 54'038.- verdient. Gemäss Auskunft der W.________ AG
vom 17. November 1994 wäre 1994 ein Stundenlohn von
Fr. 21.30 ausgerichtet worden. Die Umrechnung auf ein
Jahresgehalt bereitet insofern Schwierigkeiten, als die
mutmassliche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden nicht zu-

verlässig bestimmt werden kann. Wie die näheren Abklärungen
des Berufsberaters der IV-Stelle laut dessen Bericht vom
24. Mai 1995 jedoch ergeben haben, machte der Stundenlohn
im Jahre 1993 noch Fr. 20.60 aus. Überträgt man die demnach
für 1994 resultierende prozentuale Erhöhung des Stunden-
lohnes von (aufgerundet) 3,4 % auf den Jahreslohn, ergibt
sich, ausgehend von dem 1993 erreichten Gehalt von
Fr. 54'038.-, für 1994 ein hypothetisches Einkommen von
Fr. 55'875.-. Dieser den in der Verwaltungsgerichtsbe-
schwerde geltend gemachten Wert von Fr. 55'263.- leicht
übersteigende Betrag kann für die Belange der Invaliditäts-
bemessung als Valideneinkommen eingesetzt werden.

     b) Die unter zumutbarem Einsatz bei einer leidensange-
passten Tätigkeit trotz Behinderung möglichen Einkünfte
(Invalideneinkommen) veranschlagte die Verwaltung zunächst
gestützt auf die von der Schweizerischen Unfallversiche-
rungsanstalt (SUVA) beigezogenen konkreten Arbeitsplatz-
dokumentationen auf Fr. 19'500.-. Entgegen der Argumenta-
tion in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde besteht kein An-
lass, diesen Wert als übersetzt zu betrachten.
     Dies bestätigt ein Vergleich mit dem Ergebnis einer
Bestimmung des Invalideneinkommens unter Zuhilfenahme der
vom Bundesamt für Statistik vorgenommenen Lohnstrukturer-
hebung (LSE), einer Methode, die nach der Rechtsprechung
bei Versicherten zur Anwendung gelangen kann, welche nach
Eintritt ihrer Gesundheitsschädigung keine ihnen an sich
zumutbare Erwerbstätigkeit mehr ausüben (BGE 124 V 322
Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Gemäss der Lohnstrukturerhebung
für das Jahr 1994 (LSE 1994) belief sich der Zentralwert
für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Anforde-
rungsniveau 4) beschäftigten Männer im privaten Sektor bei
einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf monat-
lich Fr. 4'127.- (Tabelle A 1.1.1 der LSE 1994). Weshalb
die Vorinstanz demgegenüber ausschliesslich die im Bauge-
werbe bezahlten, leicht höheren Löhne berücksichtigen woll-

te, ist nicht ersichtlich. Bei einer betriebsüblichen wö-
chentlichen Arbeitszeit von 41,9 Stunden und der im konkre-
ten Fall zu erwartenden bloss 50 %igen Leistung resultiert
ein Jahresgehalt von Fr. 25'938.-. Ob überhaupt und gegebe-
nenfalls inwiefern die Behinderung zu einer lohnmässigen
Benachteiligung führen würde und der Beschwerdeführer des-
halb selbst bei leichten Hilfsarbeiten mit unterdurch-
schnittlichen Lohnansätzen rechnen müsste, ist von der Vor-
instanz zu Recht in Frage gestellt worden, braucht jedoch
nicht abschliessend geklärt zu werden. Zumindest kann davon
ausgegangen werden, dass es sich angesichts der bei geeig-
neten Tätigkeiten nicht mehr gravierenden Auswirkung der
Behinderung nicht rechtfertigen liesse, einen gegenüber den
ausgewiesenen Tabellenlöhnen um mehr als 25 % tieferen Ver-
dienst einzusetzen. Auch wenn man dem Beschwerdeführer tat-
sächlich einen derart hohen Abzug zugestehen wollte, ergäbe
sich ein Invalideneinkommen von Fr. 19'453.-, was ziemlich
genau mit dem von der Verwaltung auf Grund der Arbeits-
platzdokumentation der SUVA ermittelten Betrag von
Fr. 19'500.- übereinstimmt.

     c) Dem Valideneinkommen von Fr. 55'875.- wäre demnach
im für den Beschwerdeführer vorteilhaftesten Fall ein Inva-
lideneinkommen von Fr. 19'453.- gegenüberzustellen, womit
ein Invaliditätsgrad von rund 65 % resultiert. Die Vernei-
nung einer den Anspruch auf eine ganze Rente auslösenden
Invalidität durch Vorinstanz und Verwaltung ist somit im
Ergebnis nicht zu beanstanden.

     4.- Dass der Einkommensvergleich auf der Basis von für
1994 massgebenden Verdienstannahmen beruht, ändert daran
nichts. Der nur wenig unter der für die Zusprechung einer
ganzen Rente relevanten Grenze liegende Invaliditätsgrad
ist Resultat eines unter Zugrundelegung von für den Be-
schwerdeführer jeweils günstigsten Prämissen erfolgten Ein-
kommensvergleichs. Es kann daher davon ausgegangen werden,

dass sich die in den Folgejahren sowohl beim Validen- als
auch beim Invalideneinkommen ungefähr in gleichem Ausmass
zu erwartenden Lohnentwicklungen auf das Verhältnis dieser
beiden Vergleichsgrössen nicht wesentlich auswirken werden.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
     Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und
     dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 3. Mai 2000

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der III. Kammer:

                             Der Gerichtsschreiber: