Sozialrechtliche Abteilungen I 501/1998
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I 501/98 Hm III. Kammer Bundesrichter Schön, Meyer und nebenamtlicher Richter Zollikofer; Gerichtsschreiber Lauper Urteil vom 2. März 2000 in Sachen S.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Für- sprecher U.________, gegen IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegne- rin, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern A.- Der 1959 geborene S.________ kam 1980 in die Schweiz, wo er zunächst im Strassenbau, dann für kurze Zeit im Gastgewerbe und ab 1988 als angelernter Gipser arbeite- te, dies zuletzt bei der Firma X.________. Seit 1988 leidet er an Rückenschmerzen im LWS-Bereich. Am 16. März 1993 schlug er bei Bauarbeiten die Innenseite des rechten Ell- bogens an, in dessen Folge sich eine Epicondylitis ulnaris entwickelte, welche im Dezember 1994 eine Operation notwen- dig machte. Ab 7. März 1995 konnte er die Arbeit wieder zur Hälfte aufnehmen, legte diese aber bereits im April 1995 wieder nieder. Die Schweizerische Unfallversicherungsan- stalt (SUVA) erbrachte für den Berufsunfall die gesetzli- chen Leistungen. Am 1. September 1995 musste sich der Ver- sicherte zudem einer Discushernienoperation im HWS-Bereich unterziehen. Am 3. November 1995 meldete sich S.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Verwaltung holte Berichte des Dr. med. C.________, Spezialarzt für Phys. Medizin + Rheuma (vom 1. April 1996), und der Dres. G.________ und R.________ von der Neurologisch-Neurochirur- gischen Poliklinik des Spitals Y.________ (vom 29. April 1996) sowie Auskünfte der letzten Arbeitgeberin (vom 29. April 1996) ein und zog die Akten der SUVA bei. Ferner ordnete sie eine berufliche Abklärung an (Bericht der Be- ruflichen Abklärungsstelle [MEDAS] vom 6. Juni 1997). Ge- stützt darauf gelangte sie zum Schluss, dass der Versicher- te nicht in rentenbegründendem Ausmass invalid sei. Dement- sprechend wies die IV-Stelle Bern - nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens - das Gesuch im Rentenpunkt ab (Ver- fügung vom 13. November 1997). B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwal- tungsgericht des Kantons Bern in dem Sinne teilweise gut, dass es die Sache unter Annahme eines rentenbegründenden Invaliditätsgrades zur Prüfung der wirtschaftlichen Voraus- setzungen für eine Härtefallrente an die Verwaltung zurück- wies (Entscheid vom 24. Juni 1998). C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm eine ganze, eventuell eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungs- gerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- a) Das kantonale Gericht hat die vorliegend mass- geblichen gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstäti- gen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie den Rentenbeginn bei langdauern- den Krankheiten (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) zutreffend wie- dergegeben. Darauf kann verwiesen werden. b) Zu ergänzen ist, dass nach Art. 4 Abs. 1 IVG als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krank- heit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit gilt. Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG zu bewirken vermögen, gehören neben den eigent- lichen Geisteskrankheiten auch seelische Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als Auswirkungen einer krankhaften seelischen Verfassung und damit IV-rechtlich nicht als relevant gelten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, welche der Versicherte bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden vermöchte, wobei das Mass des Forderbaren weitgehend objek- tiv bestimmt werden muss. Es ist somit festzustellen, ob und in welchem Masse ein Versicherter infolge seines geis- tigen Gesundheitsschadens auf den ihm nach seinen Fähigkei- ten offenstehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann. Dabei kommt es darauf an, welche Tätigkeit ihm zugemutet werden darf. Zur Annahme einer durch einen geis- tigen Gesundheitsschaden verursachten Erwerbsunfähigkeit genügt es also nicht, dass der Versicherte nicht hinrei- chend erwerbstätig ist; entscheidend ist vielmehr, ob anzu- nehmen ist, die Verwertung der Arbeitsfähigkeit sei ihm sozial-praktisch nicht mehr zumutbar oder - als alternative Voraussetzung - sogar für die Gesellschaft untragbar (BGE 102 V 165; AHI 1996 S. 302 Erw. 2a, S. 305 Erw. 1a, S. 308 Erw. 2a; ZAK 1992 S. 170 Erw. 2a mit Hinweisen). In Bezug auf die Ursachen einer die Arbeits- und Er- werbsfähigkeit beeinträchtigenden Krankheit kommt invalidi- tätsfremden Faktoren keine Bedeutung zu. Indessen können Leistungen der Invalidenversicherung nicht mit dem Argument verweigert werden, eine festgestellte psychische Erkran- kung, welche eine andauernde und erhebliche Erwerbsunfähig- keit bewirkt, sei auch durch eine sozio-kulturelle Überfor- derung des Versicherten verursacht worden (Pra 1997 Nr. 49 S. 256 Erw. 4b in fine). 2.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdefüh- rer Anspruch auf eine ganze oder halbe ordentliche Inva- lidenrente hat. a) Nach dem Bericht des Dr. med. C.________ vom 1. April 1996 leidet der Beschwerdeführer an einer post- traumatischen Epicondylitis rechts, an einer cervicalen Discushernie C5/C6 rechts, an einer chronischen Periarthri- tis humeroscapularis rechts sowie an einer chronischen Lum- balgie. Wegen der schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im Bereich der rechten Schulter, des rechten Ellbogens sowie des Nackens könne er die bisherige Arbeit als angelernter Gipser nicht mehr ausüben. Die Frage, welche (manuellen) Tätigkeiten noch zumutbar seien, müsse im Rahmen einer beruflichen Abklärung geprüft werden. Bei im wesentlichen gleicher Diagnosestellung erachteten auch die Ärzte des Spitals Y.________ die Ausübung der Gipsertätigkeit wegen dem damit verbundenen Tragen von schweren Lasten als unzu- mutbar. Die dem Versicherten möglichen Tätigkeiten seien im Rahmen einer praktischen Erprobung zu eruieren. Nach Auf- fassung der Neurochirurgen dürfte aber das Leistungsvermö- gen beim Vermeiden von schweren körperlichen Tätigkeiten auf 50 bis 100 % gesteigert werden (Bericht vom 29. April 1996). Die Ärzte der BEFAS schätzten die Arbeitsfähigkeit bei leichten, rückengerechten Tätigkeiten im Rahmen einer industriellen Produktion und Montage auf ca. 80 % (Bericht vom 6. Juni 1997). b) Wie bereits die Ärzte des Spitals Y.________ in dem zuhanden der SUVA verfassten Bericht vom 10. Juli 1995, so diagnostizierten auch die (medizinischen) Fachkräfte der BEFAS eine psycho-sozio-kulturell bedingte Schmerzverarbei- tungsstörung und Fehlentwicklung der gesundheitlichen Prob- leme. Der vollständige Rückzug in die Schmerzen sei weder durch eine körperliche noch durch eine psychische Störung oder Krankheit verursacht. Vielmehr sei von einer Verarbei- tungsstörung und Fehlentwicklung auszugehen (Bericht vom 6. Juni 1997). Dieser Auffassung ist beizupflichten. Zwar kann ein (mögliches) pathologisches Geschehen nicht einfach deshalb in einen invaliditätsfremden Faktor umgedeutet wer- den, nur weil es auch sozio-kulturelle Ursachen hat (Erw. 1b in fine hiervor). Indes finden sich weder im Be- richt des Spitals Y.________ noch der Abklärungsstelle kon- krete Anzeichen dafür, dass die fraglichen Störungen ein pathologisches Ausmass angenommen haben könnten. Weitere Anhaltspunkte für eine psychische Fehlentwicklung finden sich in den Akten nicht, weshalb sich beweismässige Weite- rungen erübrigen. Unter diesen Umständen ist die Störung als invaliditätsfremd zu qualifizieren und bei der Inva- liditätsbemessung nicht zu berücksichtigen. c) Kommt nach dem Gesagten der psycho-sozio-kulturel- len Störung kein Krankheitswert zu, ist aufgrund der (medi- zinischen) Akten mit Verwaltung und Vorinstanz davon aus- zugehen, dass der Versicherte für leichtere Tätigkeiten zu 80 % arbeitsfähig ist. Mit diesem Leistungsvermögen ist es ihm möglich und zumutbar, das vom kantonalen Gericht ermit- telte Invalideneinkommen zu erzielen. Was der Beschwerde- führer hiegegen vorbringt, vermag nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Nicht durchzudringen vermag er ins- besondere mit dem Einwand, der von den kantonalen Richtern getätigte Abzug vom Tabellenlohn (vgl. hiezu BGE 124 V 323 f. Erw. 3b/bb mit Hinweisen; AHI 1999 S. 180 f. Erw. 3b) in der Höhe von 20 % sei den Verhältnissen nicht angemessen. Denn nach der Rechtsprechung kann der Sozialversicherungs- richter sein Ermessen nicht ohne weiteres an die Stelle desjenigen der Verwaltung oder des Vorrichters setzen. Vielmehr muss er triftige Gründe ins Feld führen können, welche eine abweichende Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (statt vieler BGE 123 V 152 Erw. 2 mit Hinweisen). Solche triftigen Gründe für eine Erhöhung des Abzugs vom Tabellenlohn von 20 auf 35 % sind hier jedoch ausweislich der Akten nicht gegeben. Ebensowenig zu bean- standen ist, dass die Vorinstanz bei der Ermittlung des Valideneinkommens nicht den Maximalbetrag, sondern den Mit- telwert des von der Firma angegebenen Monatslohns von Fr. 4800.- bis Fr. 5000.- (Auskunft vom 29. April 1996) genommen hat. Im Übrigen kann auf die einlässlichen Ausfüh- rungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden, denen das Eidgenössische Versicherungsgericht weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht etwas beizufügen hat. Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 2. März 2000 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: