Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 420/1998
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I 420/98 Vr

                         I. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Borella, Rüedi
und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Lauper

                Urteil vom 18. Februar 2000

                         in Sachen

Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 33, Bern,
Beschwerdeführer,
                           gegen

H.________, 1941, Beschwerdegegnerin,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Ver-
fügung vom 24. April 1997 sprach die IV-Stelle Bern
A.________ rückwirkend ab Januar 1995 eine halbe Invaliden-
rente samt Zusatzrente für seine seit 1980 von ihm getrennt
lebende Gattin H.________ zu. Am 5. November 1997 ersuchte
H.________ die Verwaltung um direkte Auszahlung der Zusatz-
rente, welchem Begehren die IV-Stelle am 11. November 1997
für die Zeit ab Dezember 1997 verfügungsweise entsprach.

     B.- In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde
verpflichtete das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die

IV-Stelle, H.________ die Zusatzrente rückwirkend ab Anfang
1995 direkt auszubezahlen (Entscheid vom 23. Juli 1998).

     C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheides.
     Während H.________ auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde schliesst, trägt die IV-Stelle auf deren
Gutheissung an.
     Auf die Begründung der einzelnen Rechtsschriften wird,
soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Bei Streitigkeiten um Drittauszahlung geht es
nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versiche-
rungsleistungen (BGE 118 V 88 Erw. 1a mit Hinweisen; vgl.
auch BGE 121 V 18 Erw. 2). Bei Prozessen um den Auszah-
lungsmodus hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
daher nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bun-
desrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen fest-
gestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104
lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Da keine Abgabe-
streitigkeit vorliegt, darf es weder zu Gunsten noch zu
Ungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 114 Abs. 1 OG; Art. 132
lit. c OG e contrario).

     2.- Das kantonale Gericht hat die vorliegend mass-
geblichen gesetzlichen Bestimmungen über die Direktaus-
zahlung der Zusatzrente an den getrennt lebenden Ehegatten
(Art. 34 Abs. 1 und 2 IVG in der bis Ende 1996 gültig ge-

wesenen Fassung; SVR 1996 IV Nr. 71 S. 207) zutreffend
wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.

     3.- a) Die Vorinstanz hat das Direktauszahlungsbegeh-
ren für die Zeit von Januar 1995 bis Ende November 1997
geschützt mit der Begründung, die Verwaltung hätte die Ren-
tenverfügung vom 24. April 1997 nicht nur dem Ehegatten,
sondern auch der Beschwerdegegnerin eröffnen müssen. Damit
nämlich der berechtigte Ehegatte seinen Anspruch auf direk-
te Auszahlung der Zusatzrente geltend machen könne, müsse
er vom Entscheid über die seinem Ehegatten zugesprochene
Invalidenrente überhaupt erst Kenntnis erlangen. Dies sei
hier aus von der Ansprecherin nicht zu verantwortenden
Gründen nicht der Fall gewesen. Sie habe damit bis im
Herbst 1997 keine Gelegenheit gehabt, die direkte Auszah-
lung zu verlangen. Durch die unterbliebene Eröffnung der
Zusprechungsverfügung sei ihr diese Möglichkeit vorent-
halten worden.
     Demgegenüber macht das BSV geltend, bei der Zusatz-
rente handle es sich um eine akzessorische Leistung zur
Invalidenrente, welche - unabhängig vom Auszahlungsmodus -
der Erleichterung der Unterhaltspflicht des invalid gewor-
denen Ehemannes und nicht der Bereicherung des Unterhalts-
empfängers diene. Diese Unterhaltspflicht entfalle bei
einer Trennung nicht. Entsprechend gelange die Zusatzrente
in der Regel gemeinsam mit der Hauptrente zur Ausrichtung
(Art. 34 Abs. 1 IVG). Eine Ausnahme hievon bilde unter an-
derem die Auszahlung der Zusatzrente an die vom Ehemann ge-
trennt lebende Ehefrau nach Art. 34 Abs. 2 IVG. Diese Aus-
zahlung sei jedoch an die Bedingung geknüpft, dass sie aus-
drücklich verlangt werde. Dabei seien aber die Durchfüh-
rungsstellen nicht verpflichtet, eine getrennt lebende Ehe-
frau auf ihren direkten Auszahlungsanspruch hinzuweisen.
Dies gründe im Umstand, dass die Zusatzrente bei getrennt
lebenden Ehegatten in erster Linie dem unterhaltsverpflich-
teten Ehemann zukommen soll.

     b) Der Auffassung des Bundesamtes kann nicht gefolgt
werden. Es trifft zwar zu, dass es sich bei der Zusatzrente
lediglich um einen vom Bestehen der Hauptrente abhängigen
Anspruch handelt. Dies ist jedoch im vorliegenden Zusammen-
hang ebenso unerheblich wie die Frage bezüglich des Zwecks
der Zusatzrente. Entscheidwesentlich ist, dass Art. 34
Abs. 2 IVG dem getrennt lebenden Ehegatten einen gesetz-
lichen Anspruch auf direkte Auszahlung gibt. Dieses Recht
kann er klarerweise aber nur dann wahrnehmen, wenn er über
den Leistungsanspruch des andern in Kenntnis gesetzt worden
ist, weshalb denn auch die Rechtsprechung, wonach die
Drittauszahlung grundsätzlich erst in demjenigen Zeitpunkt
zu laufen beginnt, in welchem ein diesbezügliches Gesuch
vorliegt und die Rente noch nicht zur Zahlung angewiesen
worden ist (BGE 103 V 131 Erw. 5), in solchen Fällen nicht
zur Anwendung gelangen kann. Das heisst nicht, dass die
Verwaltung in jedem Fall - ohne Vorliegen konkreter An-
haltspunkte - gehalten wäre, den aktuellen Zivilstand ab-
zuklären. Geht aber - wie hier - aus den Akten, namentlich
der Anmeldung zum Rentenbezug (siehe Rz 1.5 und 2.4 f. der
Anmeldung zum Bezug von IV-Leistungen für Erwachsene) her-
vor, dass die anspruchsberechtigte Person und deren Ehe-
gatte in (gerichtlich) getrennter Ehe leben, hat sie letz-
terem, sei dies brieflich, sei dies mittels Zustellung
einer Verfügungskopie, von der Rentenberechtigung des Gat-
ten Kenntnis zu geben und ihn auf die Möglichkeit einer
getrennten Auszahlung der Zusatzrente aufmerksam zu machen
(vgl. unveröffentlichtes Urteil W. vom 5. Januar 1979;
I 274/78). Gegenteiliges kann den vom Bundesamt zitierten
(unveröffentlichten) Urteilen des Eidgenössischen Versiche-
rungsgerichts nicht entnommen werden.
     Da die Verwaltung besagter Pflicht unbestrittenermas-
sen nicht nachgekommen ist, muss es beim vorinstanzlichen
Entscheid sein Bewenden haben.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
     Abteilung, der IV-Stelle Bern, der Ausgleichskasse des
     Kantons Bern und A.________ zugestellt.

Luzern, 18. Februar 2000

                    Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
            Der Präsident der I. Kammer:

              Der Gerichtsschreiber: