Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 35/1998
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 1998
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 1998


I 35/98 Hm

                        II. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und nebenamt-
licher Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Attinger

                 Urteil vom 16. März 2000

                         in Sachen

M.________, 1942, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwalt N.________,
                           gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich,
Beschwerdegegnerin,
                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Der 1942 geborene M.________ leidet an einer aus-
geprägten posttraumatischen Gonarthrose rechts, an einem
lumbo-spondylogenen Syndrom bei Wirbelsäulenfehlform und
degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sowie an einer
schizotypen Persönlichkeitsstörung und leichter Minder-
intelligenz (Bericht der Klinik X.________ vom 27. Juli
1991, Gutachten des Sozialpsychiatrischen Dienstes

der Klinik Y.________ vom 27. Februar 1992). Mit Verfügung
vom 17. August 1992 lehnte die Ausgleichskasse des Kantons
Zürich das Rentenbegehren des Versicherten ab, nachdem
dieser der Verwaltung die Einsicht in das von ihr in Auf-
trag gegebene, hievor erwähnte psychiatrische Gutachten
verwehrt hatte, indem er die Entbindung der Klinik von der
ärztlichen Schweigepflicht widerrufen hatte. Diese leis-
tungsablehnende Verfügung erwuchs unangefochten in Rechts-
kraft.
     Nachdem sich der Versicherte am 28. März 1993 erneut
zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung angemeldet
hatte, verneinte die Ausgleichskasse zunächst mit Verfügung
vom 7. April 1994 einen Rentenanspruch. In der Folge sprach
die Verwaltung jedoch M.________ unter Zugrundelegung eines
Invaliditätsgrades von 80 % wiedererwägungsweise eine ganze
Invalidenrente ab 1. März 1994 zu (Verfügung der Aus-
gleichskasse Nidwalden vom 4. November 1994 bzw. der
IV-Stelle des Kantons Zürich vom 5. Januar 1995).

     B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
wies die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher
M.________ u.a. einen früheren Beginn der Rentenberechti-
gung geltend gemacht hatte, mit Entscheid vom 24. November
1997 ab.

     C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit dem Antrag, "die IV-Rente (sei) mit Wirkung ab
1.1.1985, eventualiter ab 1.3.1991, eventualiter ab
1.10.1991 oder eventualiter ab 1.3.1992 zu leisten". Über-
dies ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechts-
pflege (Kostenerlass und unentgeltliche Verbeiständung).
     Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) hiezu nicht vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Ent-
scheid die vorliegend massgebende gesetzliche Bestimmung
über den Beginn der Rentenberechtigung (Art. 29 Abs. 1
lit. b IVG) richtig wiedergegeben. Darauf kann verwiesen
werden.

     2.- Streitig ist allein der Rentenbeginn. Verwaltung
und Vorinstanz haben ihn auf den 1. März 1994 festgesetzt,
wogegen der Beschwerdeführer eine Rente ab 1. Januar 1985,
eventuell ab 1. März 1991, 1. Oktober 1991 oder 1. März
1992 verlangt.

     3.- Wie bereits erwähnt, lehnte die Ausgleichskasse
des Kantons Zürich das Rentenbegehren mit unangefochten in
Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 17. August 1992 ab,
nachdem der Beschwerdeführer die Entbindung des Sozialpsy-
chiatrischen Dienstes der Klinik Y.________ von der ärzt-
lichen Schweigepflicht widerrufen und damit der Verwaltung
die Einsicht in das von dieser Stelle verfasste Gutachten
vom 27. Februar 1992 verwehrt hatte. Aus den Akten ergeben
sich keine Anhaltspunkte, und es wird auch nicht geltend
gemacht, dass der Versicherte nicht in der Lage gewesen
wäre, die Rechtsfolgen seiner Weigerung einzusehen. Ein
Rentenbeginn für die Zeit vor Erlass der Verfügung vom
17. August 1992 fällt somit von vornherein ausser Betracht.
Unerheblich sind die (in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingehend dargelegten) Umstände, die dazu geführt haben,
dass über die Neuanmeldung vom 10. November 1986 erst mit
Verfügung vom 17. August 1992 entschieden worden ist.
     Den Widerstand gegen die Einsichtnahme der IV-Organe
in das Gutachten des Sozialpsychiatrischen Dienstes der
Klinik Y.________ vom 27. Februar 1992 hat der Beschwerde-
führer erst im Laufe des Verwaltungsgerichtsbeschwerdever-
fahrens aufgegeben. Die Verwaltung ist indessen ungeachtet
der Verfügung vom 17. August 1992 auf die Neuanmeldung vom

28. März 1993 eingetreten und hat ergänzende Abklärungen
vorgenommen, in deren Folge das Rentenbegehren - wie er-
wähnt - mit Verfügung vom 7. April 1994 zunächst abgewie-
sen, mit Verfügung vom 4. November 1994 bzw. 5. Januar 1995
wiedererwägungsweise jedoch gutgeheissen wurde. Für die
Beurteilung des Rentenbeginns ist daher von der Neuanmel-
dung vom 28. März 1993 auszugehen.

     4.- Mit der streitigen Verfügung hat die IV-Stelle
- abweichend von der Stellungnahme des BSV vom 8. Juli
1994, wonach der Rentenbeginn in Anwendung von Art. 88bis
Abs. 1 lit. c IVV auf den 1. Juli 1994 festzulegen gewesen
wäre - den Beginn der Rentenberechtigung auf den 1. März
1994 festgesetzt. Entgegen den Ausführungen im Beiblatt zum
IV-Kommissionsbeschluss vom 22. Juli 1994 hat sie damit
nicht die Verfügung vom 17. August 1992 in Wiedererwägung
gezogen, sondern in Aufhebung der Verfügung vom 7. April
1994 dem Versicherten wiedererwägungsweise eine ganze Rente
zugesprochen und den Rentenbeginn auf Grund der Neuanmel-
dung vom 28. März 1993 in der Weise festgesetzt, dass sie
für den Beginn der einjährigen Wartezeit gemäss Art. 29
Abs. 1 lit. b IVG auf den Zeitpunkt ebendieser Neuanmeldung
abstellte. Dabei ging sie davon aus, dass sich der Gesund-
heitszustand des Beschwerdeführers in diesem Zeitpunkt ver-
schlechtert hatte.
     Die IV-Stelle hat zu Recht erkannt, dass Art. 88bis
Abs. 1 lit. c IVV (vgl. hiezu BGE 110 V 296 Erw. 3d) auf
den vorliegenden Fall nicht Anwendung findet, da der Ver-
sicherte gegen die rentenablehnende Verfügung vom 7. April
1994 mit an die Verwaltung gerichtetem Schreiben vom 4. Mai
1994 Beschwerde erhoben hatte und die IV-Organe im Rahmen
eines Art. 58 VwVG entsprechenden Verfahrens auf die letzt-
genannte Verfügung zurückkamen (BGE 103 V 107; ZAK 1992
S. 117 Erw. 5a; SVR 1996 IV Nr. 93 S. 283 Erw. 4b/aa). Der
Rentenbeginn richtet sich unter diesen Umständen nach der
allgemeinen Regel von Art. 29 Abs. 1 IVG. Die Annahme der

Verwaltung bezüglich des Beginns der einjährigen Wartezeit
(lit. b der genannten Bestimmung) findet in den Akten in-
dessen keine Stütze. Auf Grund des nunmehr vorliegenden
Gutachtens des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Klinik
Y.________ vom 27. Februar 1992 (von welchem die Verwaltung
Kenntnis erhalten hat und wozu sie im Verwaltungsgerichts-
beschwerdeverfahren Stellung nehmen konnte, so dass sich
prozessuale Weiterungen erübrigen) ist vielmehr davon aus-
zugehen, dass schon längere Zeit vor der Begutachtung (nach
den Angaben der Klinik seit 1985) eine für den Beginn der
Wartezeit relevante Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Auf
die gegenteiligen Angaben im gutachtlichen Bericht von
Dr. B.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychothe-
rapie, vom 8. Oktober 1993 kann nicht abgestellt werden,
nachdem die Verwaltung dieser Beurteilung nicht gefolgt ist
und dem Beschwerdeführer eine ganze IV-Rente zugesprochen
hat.
     Weil die einjährige Wartezeit von Art. 29 Abs. 1
lit. b IVG nicht nur längere Zeit vor der Neuanmeldung vom
28. März 1993 eröffnet worden, sondern auch abgelaufen war,
hat der Beschwerdeführer gemäss Art. 48 Abs. 2 IVG und
unter Berücksichtigung der rechtskräftigen rentenablehnen-
den Verfügung vom 17. August 1992 (vgl. Erw. 3 hievor)
Anspruch auf Nachzahlung der Rente ab 1. September 1992, in
welchem Sinn die Rentenverfügung vom 5. Januar 1995 abzuän-
dern ist.

     5.- Das Begehren des Versicherten um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten
ist gegenstandslos, da in der hier zu beurteilenden Streit-
sache auf Grund von Art. 134 OG keine Verfahrenskosten
erhoben werden.
     Beim vorliegenden Verfahrensausgang steht dem anwalt-
lich vertretenen Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
zu Lasten der Verwaltung zu (Art. 159 in Verbindung mit
Art. 135 OG), weshalb sich dessen Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung ebenfalls als gegenstandslos erweist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbe-
     schwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungs-
     gerichts des Kantons Zürich vom 24. November 1997 und
     die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom
     5. Januar 1995 insoweit aufgehoben, als der Renten-
     beginn auf den 1. März 1994 festgesetzt wurde, und es
     wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Wir-
     kung ab 1. September 1992 Anspruch auf eine Rente der
     Invalidenversicherung hat.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerde-
     führer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Ver-
     sicherungsgericht eine Parteientschädigung von
     Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah-
     len.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse
     Nidwalden und dem Bundesamt für Sozialversicherung
     zugestellt.

Luzern, 16. März 2000
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                             Der Gerichtsschreiber: