Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 246/1998
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I 246/98 Ge

                        IV. Kammer

Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
Gerichtsschreiber Schürer

                Urteil vom 9. Februar 2000

                         in Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
M.________,

                           gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegeg-
nerin,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- A.________, geboren 1954, erlitt am 11. Dezember
1992 einen Verkehrsunfall. Seither hat er gesundheitliche
Probleme. Am 16. April 1996 meldete er sich bei der Invali-

denversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem diese mit
Vorbescheid vom 9. Januar 1997 insbesondere die Ausrichtung
einer Rente sowie die Gewährung von beruflichen Eingliede-
rungsmassnahmen abgelehnt hatte, reichte er der IV-Stelle
Bern u.a. ein Gutachten der Rehaklinik Rheinfelden vom
30. Juli 1996 ein. Dieses veranlasste die IV-Stelle, eine
erneute medizinische Beurteilung durch die Medizinische
Begutachtungsstelle des Spitals X.________ anzuordnen
(Mitteilung an A.________ sowie Auftrag an Spital
X.________ je vom 11. März 1997). Am 17. März 1997 teilte
der Rechtsvertreter des Versicherten der IV-Stelle mit,
weitere medizinische Abklärungen seien nicht nötig. Nachdem
das Spital X.________ am 17. April 1997 den Versicherten
zur Abklärung aufgeboten hatte, gelangte der Rechtsvertre-
ter am 6. Mai 1997 erneut an die IV-Stelle mit der Mittei-
lung, A.________ werde sich der angeordneten Begutachtung
nicht unterziehen; die IV-Stelle möge diesbezüglich eine
anfechtbare Verfügung erlassen. Diesem Ersuchen entsprach
die IV-Stelle mit Verfügung vom 15. Mai 1997, mit welcher
sie die Notwendigkeit einer multidisziplinären medizini-
schen Abklärung sowie die Auftragserteilung an das Spital
X.________ bestätigte.

     B.- Hiegegen erhob A.________ Beschwerde mit dem
Begehren um Zusprechung der gesetzlichen Leistungen. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat mit Entscheid vom
20. April 1998 mit der Begründung, es liege keine anfecht-
bare Verfügung vor, auf die Beschwerde nicht ein.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert
A.________ sein vorinstanzliches Rechtsbegehren. Zudem
ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
     Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung
haben keine Vernehmlassung eingereicht.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Mit der vor Vorinstanz angefochtenen Verfügung der
IV-Stelle vom 15. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer ver-
pflichtet, sich im Spital X.________ einer ärztlichen
Begutachtung zu unterziehen. Auf die hiegegen erhobene
Beschwerde ist die Vorinstanz mit der Begründung nicht
eingetreten, die Anordnung vom 15. Mai 1997 sei "keine
Verfügung im Rechtssinn", es fehle somit an einem Anfech-
tungsobjekt. Auf das weitere Begehren des Beschwerde-
führers, es seien ihm die gesetzlichen Versicherungsleis-
tungen zuzusprechen, trat die Vorinstanz nicht ein, weil
die IV-Stelle diesbezüglich noch nicht verfügt habe.
     Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zunächst
gerügt, das kantonale Gericht sei zu Unrecht auf die Be-
schwerde nicht eingetreten. Ob diese Rüge begründet ist,
wird unter Erwägung 2 hienach beurteilt. Stellung zu nehmen
ist ferner zum vom Beschwerdeführer erneut an die Adresse
der IV-Stelle erhobenen Vorwurf der Rechtsverweigerung und
-verzögerung (Erw. 3 hienach).
     Auf das Begehren um Zusprechung der gesetzlichen Ver-
sicherungsleistungen kann das Eidgenössische Versicherungs-
gericht mangels Anfechtungsgegenstandes nicht eintreten
(BGE 117 V 122 Erw. 1).

     2.- Die Vorinstanz hat erwogen, aus einem in RKUV 1997
Nr. U 284 S. 331 publizierten Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts ergebe sich, dass die IV-Stelle die
Anordnung zur Begutachtung am 15. Mai 1997 zu Unrecht in
die Form einer Verfügung gekleidet habe. Jenes Urteil be-
traf die Unfallversicherung nach UVG; wie die Frage für die
Invalidenversicherung zu beantworten ist, lässt sich ihm
nicht unmittelbar entnehmen. Hingegen gelangte das Eidge-
nössische Versicherungsgericht im noch nicht veröffent-
lichten Urteil D. vom 19. November 1999, I 204/98, Erw. 4c
und d, in Änderung der Rechtsprechung von AHI 1998

S. 125 f. mit Hinweisen zum Schluss, der Anordnung einer
Begutachtung durch eine IV-Stelle komme nicht Verfügungs-
charakter zu. Demzufolge hat die IV-Stelle die Anordnung
vom 15. Mai 1997 zu Unrecht in Form einer Verfügung erlas-
sen, die Vorinstanz ist somit zu Recht auf die Beschwerde
vom 11. Juni 1997 nicht eingetreten. Daran ändert der Ein-
wand des Beschwerdeführers, er habe sich nach Treu und
Glauben auf die in der Verfügung vom 15. Mai 1997 enthalte-
ne Rechtsmittelbelehrung verlassen dürfen, nichts; insbe-
sondere hat er nicht im Vertrauen auf die Richtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung irgendwelche Dispositionen getroffen,
welche nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden könn-
ten (BGE 121 V 66 Erw. 2a).

     3.- Der Beschwerdeführer macht wie bereits vor Vorin-
stanz geltend, die IV-Stelle habe sich mit der Anordnung
einer nach seiner Auffassung unnötigen medizinischen Begut-
achtung der Rechtsverweigerung und -verzögerung schuldig
gemacht. Das kantonale Gericht hat zu dieser Rüge nicht
Stellung genommen. Dies zu Unrecht. Im Ergebnis ist der
vorinstanzliche Entscheid indessen auch diesbezüglich zu
bestätigen, da Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungs-
beschwerden im Bereich der Invalidenversicherung nicht an
die erstinstanzlichen Beschwerdeinstanzen zu richten sind,
sondern an das Bundesamt für Sozialversicherung (BGE 114 V
145).

     4.- Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Ver-
beiständung kann entsprochen werden. Da das zitierte Urteil
vom 19. November 1999, gemäss welchem der Anordnung einer
Begutachtung in der Invalidenversicherung nicht Verfügungs-
charakter zukommt, im Zeitpunkt der Einreichung der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde noch nicht ergangen, die streitige
Rechtsfrage also letztinstanzlich noch nicht entschieden
war, kann diese nicht als aussichtslos qualifiziert werden.
Zudem ist die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgewie-

sen und der Beizug eines Rechtsvertreters geboten (Art. 152
Abs. 1 und 2 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wo-
nach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, so-
     weit darauf einzutreten ist.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwalt M.________ für das Verfahren vor dem
     Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichts-
     kasse eine Entschädigung (einschliesslich Mehrwert-
     steuer) von Fr. 2500.- ausgerichtet.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungs-
     gericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtli-
     che Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
     und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 9. Februar 2000

                                 Im Namen des
                     Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                         Der Präsident der IV. Kammer:

                            Der Gerichtsschreiber: