Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 163/1998
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I 163/98 Vr

                        III. Kammer

Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiber Maillard

                  Urteil vom 9. März 2000

                         in Sachen

1. S.______, Rechtsanwalt,
2. D.______, 1960,
vertreten durch Rechtsanwalt S.______, Beschwerdeführer,

                           gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich,
Beschwerdegegner,
                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Der 1960 geborene D.______ meldete sich am
22. September 1993 unter Hinweis auf seit einem Verhebe-
trauma vom 9. Februar 1993 bestehende Rückenbeschwerden bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Ab-
klärungen in medizinischer und beruflicher Hinsicht ver-
neinte die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom
8. Januar 1996 einen Anspruch auf eine Invalidenrente.

     B.- Im Verlauf des hiegegen eingeleiteten Beschwerde-
verfahrens, in dem die Ausrichtung einer ganzen Invaliden-
rente beantragt wurde, hob die IV-Stelle die Verfügung vom
8. Januar 1996 wiedererwägungsweise auf und sprach D.______
mit Verfügung vom 2. August 1996 rückwirkend ab 1. März
1994 eine bis 31. Mai 1995 befristete halbe Invalidenrente
zu, welche sie mit Verfügung vom 4. April 1997 unter Be-
rücksichtigung der spanischen Versicherungszeiten neu be-
rechnete. Mit Entscheid vom 16. März 1998 hiess das Sozial-
versicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde
teilweise gut, sprach D.______ eine halbe Rente zu und
legte den Rentenbeginn auf den 1. Februar 1994 fest; im
Übrigen wies es die Beschwerde ab (Dispositiv-Ziffer 1).
Weiter sprach es D.______ eine reduzierte Parteientschädi-
gung von Fr. 550.- zu (Dispositiv-Ziffer 3), wies den An-
trag auf Verpflichtung der IV-Stelle zur Erstattung der
Kosten der vom Rechtsvertreter veranlassten Begutachtung
bei Dr. med. H.______ (Expertise vom 19. November 1995) ab
(Dispositiv-Ziffer 4) und setzte die Entschädigung für die
unentgeltliche Verbeiständung auf Fr. 1650.- fest (Be-
schluss-Ziffer 2).

     C.- D.______ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen und beantragen, ihm sei ab Februar 1994 eine ganze
und unbefristete Rente zuzusprechen. Dispositiv-Ziffer 3
und Beschluss-Ziffer 2 (gegen die Rechtsanwalt S.______
auch in eigenem Namen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt)
seien insoweit aufzuheben, als die Entschädigung gesamthaft
auf lediglich Fr. 2200.- festgesetzt worden sei; die Ange-
legenheit sei an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Fest-
setzung einer rechtskonformen Entschädigung. Weiter sei die
IV-Stelle zur Erstattung der Kosten des Gutachtens von
Dr. med. H.______ zu verpflichten. Auch wird um Gewährung
der unentgeltlichen Verbeiständung für das Verfahren vor
dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ersucht.

     Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt für Sozial-
versicherung nicht vernehmen lässt.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Ent-
scheid die massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und
Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1
IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenan-
spruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur rich-
terlichen Beweiswürdigung von Arztberichten (BGE 122 V 160
Erw. 1c; siehe auch BGE 125 V 352 ff. Erw. 3) und zur Be-
deutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditäts-
schätzung (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V
158 Erw. 1) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen
werden. Richtig ist auch, dass bei rückwirkender Zuspre-
chung einer abgestuften oder befristeten Invalidenrente die
für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen analog anzu-
wenden sind (BGE 109 V 126 f. Erw. 4a).

     2.- Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer ab
1. Februar 1994 Anspruch auf eine Rente der Invalidenversi-
cherung hat. Umstritten ist indessen deren Höhe sowie die
Frage, ob der Versicherte über den 31. Mai 1995 hinaus da-
rauf Anspruch hat.

     3.- a) Es steht fest, dass der Beschwerdeführer in der
früher ausgeübten Tätigkeit als Maurer voll arbeitsunfähig
und ihm aus somatischer Sicht eine körperlich leichte und
rückenschonende Tätigkeit zu 50 % zumutbar ist. In einläss-
licher und sorgfältiger Würdigung der umfangreichen medizi-
nischen Akten, insbesondere des im Administrativverfahren
eingeholten Gutachtens der Medizinischen Begutachtungsstel-

le X.______ vom 6. Juni 1995, beinhaltend den Konsiliar-
bericht des Dr. med. T.______, Psychiatrie und Psychothera-
pie FMH, des Berichtes des Dr. med. V.______ vom 11. Juni
1997, der den Beschwerdeführer in der Zeit vom 17. Oktober
1996 bis 18. Februar 1997 psychotherapeutisch behandelte,
sowie unter Berücksichtigung des im kantonalen Verfahren
vom Beschwerdeführer ins Recht gelegten Privatgutachtens
des Dr. med. H.______, Psychiatrie und Psychotherapie FMH,
vom 19. November 1995, zog das kantonale Gericht den
Schluss, es liege beim Versicherten kein geistiger Gesund-
heitsschaden mit Krankheitswert vor, der ihn an der Aus-
übung einer zumutbaren Arbeit hindere. Was der Beschwerde-
führer gegen die überzeugend begründete vorinstanzliche
Schlussfolgerung vorbringt, ist unbehelflich.

     b) Das Privatgutachten des Dr. med. H.______ ist in
keiner Weise geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der ein-
leuchtenden und nachvollziehbaren Stellungnahme zur Ar-
beitsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht im Gutachten der
Medizinischen Begutachtungsstelle X.______ aufkommen zu
lassen (zum Rang eines Privatgutachtens und zur Prüfungs-
pflicht des Gerichts im Bereich des Unfallversicherungs-
rechts siehe BGE 125 V 354 Erw. 3c, was nach dem nicht
veröffentlichten Urteil V. vom 24. Januar 2000, I 128/98,
auch gilt, wenn mit einem Privatgutachten Einwendungen
gegen eine von einer IV-Stelle im Rahmen des Abklärungs-
verfahrens eingeholte Expertise erhoben werden), vermag er
doch nicht zu erklären, warum der Beschwerdeführer, auf-
grund seiner psychischen Verfasstheit, nicht mehr die Kraft
aufbringen könnte, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, wie es
die Rechtsprechung zum invalidisierenden geistigen Gesund-
heitsschaden verlangt (BGE 102 V 165 f.).
     Aus dem nicht veröffentlichten Urteil A. vom 18. Okto-
ber 1996, U 221/95, wo dem Eidgenössischen Versicherungsge-
richt - indessen fallbezogen - zweifelhaft schien, ob den
Dres. med. T.______ und W.______ vom Institut für Medizi-
nische Begutachtung (IMB) die Stellung von neutralen Gut-

achtern zukommt, weil sie vom Unfallversicherer bereits im
Administrativverfahren beratend beigezogen worden war,
lässt sich ebenfalls nichts zu Gunsten des Beschwerdefüh-
rers ableiten, war dies doch vorliegend nicht der Fall.

     4.- Zu prüfen bleiben die erwerblichen Auswirkungen
dieses Gesundheitsschadens.
     Während das Valideneinkommen unbestrittenermassen
Fr. 53'190.- beträgt, herrscht über das Invalideneinkommen
Uneinigkeit. Die Vorinstanz hat zur Festlegung des Invali-
deneinkommens zu Recht sogenannte Tabellenlöhne beigezogen,
hat doch der Versicherte nach Eintritt des Gesundheitsscha-
dens keine oder jedenfalls keine ihm an sich zumutbare neue
Erwerbstätigkeit aufgenommen (vgl. BGE 124 V 322). Bei der
Anwendung der statistischen Angaben haben sich indessen
verschiedene Fehler eingeschlichen. So hat das kantonale
Gericht übersehen, dass der Tabellengruppe A der vom Bun-
desamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohn-
strukturerhebung (LSE) 1994 generell eine Arbeitszeit von
40 Wochenstunden zugrunde liegt, während die betriebsübli-
che durchschnittliche Arbeitszeit 41,9 Stunden beträgt
(vgl. LSE S. 42). Weiter ist für den Verwendungszweck des
Einkommensvergleichs auf die Zahlen in den A-Tabellen im
Anhang der LSE 1994, genauer auf die jeweiligen Zentralwer-
te (Median) des monatlichen Bruttolohnes, abzustellen (BGE
124 V 323 Erw. 3b/aa), und nicht auf den Durchschnitt ver-
schiedener unterer Quartilbereiche.
     Laut Tabelle A 1.1.1. der LSE 1994 belief sich der
Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben
(Anforderungsniveau 4) beschäftigten Männer im privaten
Sektor (bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden)
im Jahre 1994 auf Fr. 4127.-, was bei Annahme einer be-
triebsüblichen durchschnittlichen Arbeitszeit von
41,9 Stunden ein Gehalt von monatlich Fr. 4323.- oder
Fr. 51'876.- im Jahr ergibt. Der Arbeitsfähigkeit des Be-
schwerdeführers von 50 % entspricht ein Wert von
Fr. 25'938.-. Aus der Gegenüberstellung mit dem Validenein-

kommen von Fr. 53'190.- resultiert ein Invaliditätsgrad von
51 %. Selbst wenn angenommen wird, der Beschwerdeführer sei
auch bei leichten Hilfsarbeitertätigkeiten behindert (wofür
sich in den Akten keine Anhaltspunkte finden), im Vergleich
zu voll leistungsfähigen und entsprechend einsetzbaren Ar-
beitnehmern lohnmässig benachteiligt und müsse deshalb in
der Regel mit unterdurchschnittlichen Lohnansätzen rechnen
(vgl. BGE 124 V 323 Erw. 3b/bb mit Hinweisen), weshalb vom
Tabellenlohn ein Abzug von höchstens 25 % vorgenommen wer-
den könnte, ergäbe sich ein Betrag von Fr. 19'453.-. Aus
dem Vergleich mit dem hypothetischen Einkommen ohne Invali-
dität (Fr. 53'190.-) würde mit einer Erwerbseinbusse von
rund 63 % ein Invaliditätsgrad resultieren, der auch ledig-
lich zu einer halben Rente berechtigt, womit sich die Zu-
sprechung einer solchen im Ergebnis jedenfalls als richtig
erweist.

     5.- Nicht gefolgt werden kann den Überlegungen der
Vorinstanz, die zur revisionsweisen Aufhebung der halben
Rente per 1. Juni 1995 führten, hat sie doch insbesondere
den Berichten der Klinik Y.______ ungenügend Rechnung ge-
tragen. Diese sind zwar nach dem für die Beurteilung einer
Rentenrevision massgebenden Zeitpunkt entstanden (11. April
1997, 23. und 27. Mai 1997), haben dem kantonalen Gericht
aber vorgelegen und enthalten auch Aussagen, die für den
massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses Gültigkeit
haben. Nach dem Bericht vom 27. Mai 1997 hat sich der Ge-
sundheitszustand des Versicherten seit 28. März 1994 nicht
wesentlich verändert (Antwort auf Frage 1.1.), dieser ist
vielmehr stationär bis leicht schlechter als 1994 (Antwort
auf Frage 1.4). Die Arbeitsfähigkeit bei leichten Tätigkei-
ten in nicht unebenem Gelände wird halbtägig als gegeben
bejaht (Antwort auf Frage 1.5). Dass der Zustand des Versi-
cherten von 1993-1997 etwa gleich geblieben ist, ergibt
sich weiter aus dem Bericht des Dr. med. E.______ vom
16. Mai 1997. Im Übrigen tut auch das Gutachten der Medizi-
nischen Begutachtungsstelle der Medizinischen Begutach-

tungsstelle X.______ vom 6. Juni 1995, auf welches die Vor-
instanz vollumfänglich abstellt, nicht dar, inwiefern sich
der Gesundheitszustand des Versicherten gebessert haben
soll. Die Bejahung der 100 %igen Arbeitsfähigkeit als
Hilfsarbeiter für leichtere bis mittelschwere Arbeit in
wechselnder Körperposition stellt eine andere ärztliche
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei unverändert geblie-
benem Gesundheitszustand und damit rechtsprechungsgemäss
keine revisionsbegründende Änderung im Sinne von Art. 41
IVG dar (vgl. dazu BGE 112 V 372 Erw. 2b; SVR 1996 IV
Nr. 70 S. 204 Erw. 3a; Meyer-Blaser, Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum IVG, S. 259 mit Hinweisen). Die revi-
sionsweise Aufhebung der rückwirkend zugesprochenen halben
Rente lässt sich nach dem Gesagten nicht bestätigen.

     6.- Der angefochtene Entscheid ist sodann in Bezug auf
die Abweisung des Begehrens um Vergütung der Kosten des
Privatgutachtens von Dr. med. H.______ nicht zu beanstan-
den, war doch dieses zur Klärung der medizinischen Sachlage
nicht erforderlich (vgl. BGE 115 V 62).

     7.- Da das kantonale Gericht ohnehin über eine Neuver-
legung der Parteikosten für das kantonale Verfahren ent-
sprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu
befinden haben wird, erübrigt sich eine Prüfung der in die-
sem Zusammenhang vorgebrachten Rügen; die entsprechenden
Begehren in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweisen sich
unter diesen Umständen als hinfällig.

     8.- Weil es im vorliegenden Verfahren (mit Ausnahme
von Erw. 7) um Versicherungsleistungen  geht, sind gemäss
Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Entsprechend
dem Ausgang des Verfahrens hat die IV-Stelle dem Beschwer-
deführer eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 159 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG). Insoweit
ist dessen Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gegen-
standslos. Soweit der Beschwerdeführer unterliegt, kann

seinem Begehren um Bewilligung der unentgeltlichen Verbei-
ständung entsprochen werden (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und und die
Vertretung geboten war (BGE 124 V 309 Erw. 6; ARV 1998
Nr. 32 S. 178 Erw. 5a mit Hinweisen). Es wird indessen aus-
drücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach
die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
     teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozial-
     versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. März
     1998 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zü-
     rich vom 4. April 1997 insoweit aufgehoben werden, als
     die Rente bis 31. Mai 1995 befristet ist. Im Übrigen
     wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerde-
     führer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Ver-
     sicherungsgericht eine Parteientschädigung von
     Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu be-
     zahlen.

 IV. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwalt S.______ für das Verfahren vor dem
     Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichts-
     kasse eine Entschädigung (einschliesslich Mehrwert-
     steuer) von Fr. 1200.- ausgerichtet.

  V. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird
     über eine Neuverlegung der Parteikosten für das kanto-

     nale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztin-
     stanzlichen Prozesses zu befinden haben.

 VI. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse
     des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialver-
     sicherung zugestellt.

Luzern, 9. März 2000

                   Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der III. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: