Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 376/1998
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H 376/98 Hm

                        III. Kammer

Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiber Arnold

                  Urteil vom 5. Juli 2000

                         in Sachen

K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch lic. oec. HSG
Hanspeter Attenhofer, Attenhofer Steuerberatung & Treuhand,
Barzstrasse 5, Zurzach,
                           gegen

Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Kirchen-
weg 4, Zürich, Beschwerdegegnerin,

                            und

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

     A.- Anlässlich einer am 15. und 16. August 1996 durch-
geführten Arbeitgeberkontrolle wurde festgestellt, dass die
Firma X.________ über verschiedene in den Jahren 1995 und
1996 an den im EDV-Bereich tätigen K.________ ausgerichtete
Entgelte für Projektarbeiten nicht abgerechnet hatte. Mit

Verfügung vom 2. Dezember 1997 verpflichtete die Aus-
gleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie daher die
Gesellschaft zur Nachzahlung paritätischer AHV/IV/EO/
ALV-Beiträge inkl. Verwaltungskosten im Betrage von
Fr. 14'589.75 nebst Verzugszinsen in der Höhe von
Fr. 766.35. Die Verfügung wurde sowohl K.________ als auch
der X.________ eröffnet.

     B.- Die von K.________ hiegegen erhobene Beschwerde
wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab, ohne
dass die X.________ zum Verfahren beigeladen worden war
(Entscheid vom 27. Oktober 1998).

     C.- K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Rechtsbegehren führen, der vorinstanzliche Entscheid
und die Nachzahlungsverfügung vom 2. Dezember 1997 seien
aufzuheben; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zu-
rückzuweisen, damit sie ergänzende Abklärungen vornehme;
subeventuell seien Unkosten im Betrage von Fr. 13'521.-
(für das Geschäftsjahr 1995/96, recte: 1994/95) und von
Fr. 36'811.- (für das Geschäftsjahr 1995/96) zu berücksich-
tigen. Mit Eingabe vom 5. Februar 1999 reicht er verschie-
dene Urkunden ein.
     Die Ausgleichskasse beantragt Abweisung der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde. Eventuell sei diese in dem Sinne
gutzuheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben
und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werde, damit
diese der Gesellschaft das rechtliche Gehör gewähre und neu
entscheide. Letztere, welche gemäss Auszug aus dem Schwei-
zerischen Handelsamtsblatt (SHAB) Nr. ... nunmehr unter der
Bezeichnung Y.________ firmiert, lässt sich nicht verneh-
men. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf
eine Stellungnahme.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Da keine Versicherungsleistungen streitig sind,
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen,
ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, ein-
schliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich
unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2
OG).
     Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das
Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten
an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Pro-
zess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrich-
tige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts
geht. Entsprechend dem Prinzip der Rechtsanwendung von
Amtes wegen beschränkt sich das Gericht nicht darauf, den
Streitgegenstand bloss im Hinblick auf die von den Parteien
aufgeworfenen Rechtsfragen zu überprüfen. Es kann eine Be-
schwerde gutheissen oder abweisen aus anderen Gründen als
vom Beschwerdeführer vorgetragen oder von der Vorinstanz
erwogen (Art. 114 Abs. 1 am Ende in Verbindung mit Art. 132
OG, BGE 124 V 340 Erw. 1b mit Hinweisen). Zu dem von Amtes
wegen zu überprüfenden Bundesrecht gehört auch der Anspruch
der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV),
wobei die unter der Herrschaft von Art. 4 aBV hiezu ergan-
gene Rechtsprechung (vgl. BGE 120 V 362 Erw. 2a) nach wie
vor massgebend ist (zur Publikation vorgesehenes Urteil M.
vom 5. Juni 2000, C 357/98).

     2.- a) Erlässt eine Ausgleichskasse im Gebiet der
paritätischen Beiträge eine Verfügung, so stellt sie eine
Beitragsschuld sowohl des Arbeitgebers wie des Arbeitneh-
mers fest (Art. 4 und 5 sowie Art. 12 und 13 AHVG). Arbeit-
geber und Arbeitnehmer sind in gleicher Weise betroffen,
weshalb die Verfügung im Hinblick auf die Wahrung des

rechtlichen Gehörs grundsätzlich beiden zu eröffnen ist.
Ausnahmen von diesem Grundsatz hat das Eidgenössische Ver-
sicherungsgericht indessen dort zugelassen, wo der Aus-
gleichskasse aus praktischen Gründen die Zustellung von
Verfügungen an die Arbeitnehmer nicht zugemutet werden
kann. Dies trifft beispielsweise zu, wenn es sich um eine
grosse Zahl von Arbeitnehmern handelt, wenn sich der Wohn-
sitz der Arbeitnehmer im Ausland befindet oder wenn es sich
lediglich um geringfügige Beiträge handelt (BGE 113 V 3
Erw. 2 mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten nicht nur,
wenn das Beitragsstatut oder die Natur einzelner Zahlungen
streitig ist, sondern auch bei nachträglichen Lohnerfassun-
gen, wenn umstritten ist, ob bestimmte Vergütungen zum
massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG gehören
(BGE 113 V 4 Erw. 3a).
     Ist eine Beitragsverfügung nur dem Arbeitgeber eröff-
net worden und hat dieser Beschwerde erhoben, so hat das
erstinstanzliche Gericht - ausser in den genannten Ausnah-
mefällen - entweder den Arbeitnehmer beizuladen oder die
Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese durch
Zustellung der Beitragsverfügung an den oder die betroffe-
nen Arbeitnehmer deren Verfahrensrechte wahrt (BGE 113 V 5
Erw. 4a).

     b) Ist eine Beitragsverfügung ordnungsgemäss sowohl
dem Arbeitgeber wie auch dem Arbeitnehmer eröffnet worden,
erhebt aber lediglich der Arbeitgeber Beschwerde, hat die
kantonale Beschwerdeinstanz dem Arbeitnehmer das rechtliche
Gehör zu gewähren, da er von ihrem Entscheid gleichermassen
betroffen ist wie der Beschwerde führende Arbeitgeber
(nicht veröffentlichtes Urteil S. AG vom 11. Januar 1999,
H 11/98).

     c) Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der
Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur
Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen

Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall
für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung von
Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres
Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 124 V 183
Erw. 4a mit Hinweisen).
     Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders
schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als
geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit
erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die
sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen
kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber
die Ausnahme bleiben (BGE 124 V 183 Erw. 4a, 392 Erw. 5a,
je mit Hinweisen).

     3.- a) Die Verwaltung hat die strittige Nachtragsver-
fügung (vom 2. Dezember 1997) rechtsprechungsgemäss (vgl.
Erw. 2a hievor) der X.________ wie K.________ eröffnet. Die
Vorinstanz unterliess es in der Folge im Rahmen des von
K.________ anhängig gemachten Beschwerdeverfahrens die
Gesellschaft beizuladen. Mit Blick auf die in Erw. 2b hie-
vor dargelegte Rechtsprechung hat das kantonale Gericht
dadurch den Gehörsanspruch der Firma verletzt. Hinsichtlich
des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist es nicht von Be-
lang, ob Arbeitgeber oder -nehmer Beschwerde führen. Das
kantonale Gericht hat die jeweils nicht Beschwerde führende
Person zum Verfahren beizuladen, was vorliegend ausweislich
der Akten sowie gemäss den Vorbringen der Kasse unterblieb.
Unerheblich ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
die strittigen Beiträge durch die X.________ bereits be-
zahlt worden waren.

     b) Zu prüfen bleibt, ob die Voraussetzungen für eine
ausnahmsweise Heilung der Gehörsverletzung im letztinstanz-
lichen Verfahren gegeben sind. Dies ist indes bereits des-
halb zu verneinen, weil dem Eidgenössischen Versicherungs-
gericht in Beitragsstreitigkeiten nur eine eingeschränkte
Überprüfungsbefugnis zusteht (Erw. 1 und 2c hievor). Die

Sache ist deswegen an das kantonale Gericht zurückzuweisen,
damit es die Y.________ (vormals X.________) zur Wahrung
des rechtlichen Gehörs beilade.

     4.- Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht um
die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistun-
gen geht, sondern um eine Beitragsstreitigkeit (Art. 134 e
contrario). Die Gerichtskosten sind auf Grund der Anträge
der Beschwerde führenden Partei, gemessen am Ergebnis der
Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheides - somit ohne
Rücksicht auf die Anträge der Gegenpartei - zu verlegen.
Entsprechend dem Ausgang des Prozesses sind die Gerichts-
kosten damit der Ausgleichskasse zu überbinden (Art. 156
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 123 V 156). Diese
hat zudem dem nicht anwaltlich, aber qualifiziert vertre-
tenen Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von
Fr. 2000.- zu bezahlen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159
OG).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
     gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungs-
     gerichts des Kantons Aargau vom 27. Oktober 1998 auf-
     gehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen
     wird, damit sie der Y.________ (vormals X.________)
     das rechtliche Gehör gewähre und über die Beschwerde
     gegen die Verfügung der Ausgleichskasse der Schweize-
     rischen Maschinenindustrie vom 2. Dezember 1997 neu
     entscheide.

 II. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden der Be-
     schwerdegegnerin auferlegt.

III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'500.- ist dem
     Beschwerdeführer zurückzuerstatten.

 IV. Die Ausgleichskasse der Schweizerischen Maschinen-
     industrie hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren
     vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Par-
     teientschädigung von Fr. 2'000.- zu bezahlen.

  V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs-
     gericht des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Sozial-
     versicherung und der Y.________ zugestellt.

Luzern, 5. Juli 2000
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der III. Kammer:

                              Der Gerichtsschreiber: