Sozialrechtliche Abteilungen H 358/1998
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 1998
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 1998
H 358/98 Vr II. Kammer Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiber Nussbaumer Urteil vom 26. Januar 2000 in Sachen G.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R.________, gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, Beschwerdegegnerin, und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur A.- Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich hatte im Konkurs der Firma K.________ AG eine Forderung ausstehender paritätischer Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von Fr. 52'539.40 (zuzüglich Verzugszinsen) eingegeben. Am 19. März 1988 erfolgte im Schweizerischen Handelsamtsblatt eine Mitteilung, wonach der Kollokationsplan mitsamt Inventar aufliege und innert 10 Tagen anzufechten sei. Mit Schreiben vom 24. März 1988 teilte das Konkursamt der Ausgleichskasse mit, sie werde vermutlich voll zu Scha- den kommen. Daraufhin verpflichtete die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 10. März 1989 G.________ als Verwaltungsrat der konkursiten Firma, ihr Schadenersatz im Betrage von Fr. 44'577.85 zu bezahlen. Mit Eingabe vom 5. April 1989 erhob G.________ Einspruch. Die in der Folge von der Ausgleichskasse am 12. April 1989 eingereichte Klage für den Betrag von Fr. 44'577.85 wies die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. November 1991 ab, da der Schadenersatzanspruch verwirkt sei. Die daraufhin eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Ausgleichs- kasse hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 25. Januar 1993 (= BGE 119 V 89) gut, hob den vorinstanzlichen Entscheid vom 8. November 1991 auf und wies die Sache an die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich zurück, damit diese nach Prüfung der weiteren mate- riellen Haftungsvoraussetzungen über die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse, soweit es um entgangene bundesrecht- liche Beiträge geht, neu entscheide. Mit Entscheid vom 21. Juni 1993 hiess die AHV-Rekurs- kommission die Klage teilweise gut und verpflichtete G.________, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich Schadenersatz im Betrag von Fr. 40'368.80 zu bezahlen. Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin hob das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 23. August 1994 den vorinstanzlichen Entscheid vom 21. Juni 1993 auf und wies die Sache an die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich zurück, damit diese, nach Aktenergänzungen im Sinne der Erwägungen, über die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse im bundesrechtlichen Umfange von Fr. 40'368.80 neu ent- scheide. B.- Nach Einvernahme von L.________ und A.________ als Zeugen sowie nach Beizug des Konkursprotokolls und der Akten in der Strafsache gegen den früheren Buchhalter H.________ hiess das nunmehr in der Sache zuständige Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. November 1998 die Klage teilweise gut und verpflich- tete G.________, der Ausgleichskasse Schadenersatz im Umfang von Fr. 37'317.80 zu bezahlen. C.- G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Klage unter Kosten- und Entschädigungs- folge zu Lasten der Ausgleichskasse abzuweisen. Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungs- leistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungs- gericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bun- desrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen fest- gestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 2.- a) Die im vorliegenden Fall massgebenden rechtli- chen Grundlagen (Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Ver- bindung mit Art. 34 ff. AHVV) und die zur subsidiären Haft- barkeit der Organe (vgl. auch noch BGE 123 V 15 Erw. 5b) sowie zur hier in erster Linie interessierenden Haftungs- voraussetzung des zumindest grobfahrlässigen Verschuldens (BGE 108 V 186 Erw. 1b, 193 Erw. 2b; ZAK 1985 S. 576 Erw. 2, 619 Erw. 3a) ergangene Rechtsprechung sind bereits im Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 23. August 1994 wiedergegeben. Darauf kann verwiesen wer- den. b) Zu wiederholen ist, dass nicht jedes einer Firma als solcher anzulastendes Verschulden auch ein solches ihrer sämtlichen Organe sein muss. Vielmehr hat man abzu- wägen, ob und inwieweit eine Handlung der Firma einem be- stimmten Organ im Hinblick auf dessen rechtliche und fak- tische Stellung innerhalb der Firma zuzurechnen ist. Ob ein Organ schuldhaft gehandelt hat, hängt demnach entscheidend von der Verantwortung und den Kompetenzen ab, die ihm von der juristischen Person übertragen wurden (BGE 108 V 202 Erw. 3a; ZAK 1985 S. 620 Erw. 3b). Gehören dem Verwaltungs- rat mehrere Personen an, so ist für jede von ihnen einzeln zu prüfen, ob sie am Schaden der Ausgleichskasse ein Ver- schulden trifft. Obliegt die Geschäftsführung einem Mit- glied des Verwaltungsrats, so handeln weitere Mitglieder schuldhaft, wenn sie die nach den Umständen gebotene Auf- sicht nicht ausüben. Setzt sich der Verwaltungsrat aus nur zwei Mitgliedern zusammen, so beurteilen sich - insbeson- dere wenn sie lediglich kollektiv unterschriftsberechtigt sind - die Anforderungen an die gegenseitige Kontrolle nach einem strengen Massstab (in BGE 119 V 86 nicht publizierte Erw. 2c des Urteils S. vom 4. März 1993 [H 94/91], nicht veröffentlichte Urteile D. vom 7. Dezember 1987 [H 171/87] und K. vom 4. August 1987 [H 25/87]). 3.- a) Im Urteil vom 23. August 1994 (H 248/93) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, dass die konkursite Firma, indem sie die für die Zeit ab Januar 1986 geschuldeten paritätischen Sozialversicherungsbeiträge nicht ablieferte, gegen die Beitragszahlungs- und Abrech- nungspflicht verstossen und damit Vorschriften im Sinne von Art. 52 AHVG missachtet habe. Dieses Verschulden der Ar- beitgeberin sei dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als verantwortliches Organ der Gesellschaft anzurechnen, zumal es sich bei der konkursiten Firma um eine kleine Gesellschaft gehandelt habe, weshalb an die Verantwortlich- keit strenge Anforderungen zu stellen seien (vgl. auch Erw. 2b hievor). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer infolge der Einzelzeichnungsberechtigung des andern Ver- waltungsratsmitgliedes nie namens der Gesellschaft unter- zeichnet habe, entlaste ihn gerade nicht. Fraglich könne unter den gegebenen Umständen lediglich sein, ob Recht- fertigungs- oder Exkulpationsgründe im Sinne der Recht- sprechung vorlägen. Da die Vorinstanz zu den vom Beschwer- deführer geltend gemachten verschuldensmildernden Umständen keine Abklärungen durchgeführt und nur am Rande dazu Stel- lung genommen hatte, wies das Eidgenössische Versicherungs- gericht die Sache an das kantonale Gericht zurück, damit es in diesem Punkt den Sachverhalt näher abkläre, beispiels- weise durch Beizug der Konkurs- und Strafakten und Einver- nahme des ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten L.________ und des A.________ als Zeugen, und hernach neu entscheide. b) Nach Durchführung der angeordneten Beweismassnahmen hat sich das kantonale Gericht im nachfolgenden Entscheid vom 4. November 1998 eingehend mit den vorgebrachten Ent- lastungsgründen in Würdigung der neu erhobenen Beweismittel auseinandergesetzt und ist zum Schluss gekommen, der Be- schwerdeführer habe sich die Verletzung der Abrechnungs- und Zahlungspflicht der konkursiten Firma als deren Ver- waltungsrat anzurechnen, da er es in grobfahrlässiger Ver- letzung seiner Pflichten als Verwaltungsrat unterlassen habe, für einen ordnungsgemässen Geschäftsgang besorgt zu sein. Das Eidgenössische Versicherungsgericht pflichtet den einlässlichen vorinstanzlichen Erwägungen, auf welche ver- wiesen wird, bei. Aus den Aussagen des Zeugen A.________ ergibt sich, dass während dessen Beratungstätigkeit für die konkursite Gesellschaft und insbesondere beim Sanierungsversuch im Jahre 1986 die Abrechnungen mit der AHV nie zur Diskussion standen und auch nicht Thema der höchstens fünf Kontakte und Begegnungen zwischen dem Zeugen A.________ und dem Beschwerdeführer waren. Der frühere Verwaltungsrats- präsident L.________ sagte als Zeuge aus, es treffe zu, dass der Beschwerdeführer sich mehrmals bei ihm über die Situation der Firma erkundigt habe, dass sie jedoch nie über die von der Gesellschaft abzuliefernden AHV-Beiträge gesprochen oder korrespondiert hätten. Auch aus den übrigen Akten geht nicht hervor, dass sich der Beschwerdeführer bei seinen Rückfragen über die Situation der Gesellschaft, insbesondere nach der Kapitalerhöhung im Juni 1996, über das Abrechnungswesen der Gesellschaft und über ausstehende Sozialversicherungsbeiträge erkundigt hat. Vielmehr lässt sich aus den Akten und den Zeugeneinvernahmen schliessen, dass die mit der Geschäftsführung betrauten Personen dem Abrechnungswesen mit der AHV nicht die nötige Beachtung geschenkt haben und der Beschwerdeführer als nicht ge- schäftsführendes Mitglied des Verwaltungsrats in diesem Punkt seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist. Aus diesem Grund kann sich der Beschwerdeführer auch nicht mit dem Hinweis entlasten, mit dem Treuhänder und Steuer- experten A.________ sei eine fachlich qualifizierte Person beigezogen worden. Was das strafbare Verhalten des Buchhalters H.________ betrifft, folgt aus dem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 10. Mai 1989, dass der Verurteilung wegen wiederholter Veruntreuung ein Gesamtdeliktsbetrag von rund Fr. 30'000.- zugrunde liegt. Diese Deliktsumme lässt nicht den Schluss zu, die strafbaren Handlungen des Buchhalters H.________ seien kausal für den finanziellen Untergang der Gesellschaft gewesen. Es kann auch nicht angenommen werden, H.________ sei aufgrund der geltend gemachten absichtlich unrichtig geführten Buchhaltung alleine für den Konkurs verantwortlich. So hält das Konkursamt Bassersdorf im Schlussbericht vom 14. August 1990 fest, nach seiner Auf- fassung gebe es neben dem Verhalten des Buchhalters noch weitere Gründe wie z.B. die Übernahme einer verlustreichen brasilianischen Gesellschaft, der angebliche Vertragsbruch einer deutschen Firma, die schmale Kapitalbasis der Kon- kursitin oder die ungenügende Kostenkontrolle. Letztlich kamen denn auch bei einem Gesamtverlust sämtlicher Gläubi- ger von Fr. 2'869'740.- mit Ausnahme eines Retentions- und zweier Abtretungsgläubiger selbst die Gläubiger der I. Klasse gänzlich zu Verlust. Die Einschätzung des Zeugen A.________, wonach H.________ den Liquiditätsengpass durch seine Machenschaften wesentlich mitverursacht habe und eine Deliktsprüfung erforderlich gewesen wäre, um dem ungetreuen Buchhalter auf die Spur zu kommen, ändert deshalb nichts. Immerhin führt auch A.________ den Liquiditätsmangel als Hauptproblem an, der durch den behaupteten Vertragsbruch einer deutschen Firma verschärft wurde. Durch die mangeln- den Ertragszahlen konnten die Planzahlen der Banken nicht erreicht werden, sodass die Banken von einem Tag auf den andern und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist keine Zah- lungsaufträge der Gesellschaft mehr ausführten. Unmassgeb- lich ist sodann, ob dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Einstellung von H.________ ein Vorwurf gemacht werden kann. Entscheidend ist, dass aus den Akten nicht ersichtlich ist, die konkursite Gesellschaft oder der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Überwachungspflicht als Verwaltungsrat hätten dem AHV-Beitragswesen die erforder- liche Aufmerksamkeit geschenkt und irgendwelche substan- ziellen Massnahmen getroffen, um die Beitragsforderungen der Ausgleichskasse sicherzustellen oder nicht weiter anwachsen zu lassen. Unter diesen Umständen entlasten den Beschwerdeführer auch die strafbaren Handlungen oder die geltend gemachte mangelhafte Buchführung des H.________ nicht. Das kantonale Gericht durfte daher ohne Verletzung von Bundesrecht das Verhalten des Beschwerdeführers als grobfahrlässig qualifizieren. c) Mangels entsprechender Ausführungen und Rügen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie Anhaltspunkten in den Akten ist im Übrigen nicht näher zu prüfen, wie es sich mit der Schadenshöhe verhält (BGE 110 V 53 vor Erw. 4b). 4.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kosten- pflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Aus- gang des Prozesses gehen die Kosten zu Lasten des Beschwer- deführers (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Die Gerichtskosten von total Fr. 3500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 26. Januar 2000 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: