Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 283/1998
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C 283/98 Ge

                         I. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Rüedi, Meyer
und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Hadorn

               Urteil vom 23. November 2000

                         in Sachen

M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Thomas Näf, Scheffelstrasse 1, St. Gallen,

                           gegen

Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, St. Gallen, Beschwerde-
gegner,
                            und

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

     Mit Verfügung vom 12. Dezember 1996 verneinte das
Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA;
heute: Amt für Arbeit) St. Gallen die Vermittlungsfähigkeit
des 1942 geborenen M.________ ab 15. April 1996.
     Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versiche-
rungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom

19. Mai und 30. Juni 1998 in dem Sinne gut, dass es die
Vermittlungsfähigkeit von M.________ bejahte und die Sache
an das KIGA zurückwies, damit es eine Einstellung in der
Anspruchsberechtigung wegen ungenügender Arbeitsbemühungen
verfüge. Zudem sprach es M.________ eine Partei-
entschädigung von Fr. 2500.- zu.
     M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen
und beantragen, von einer Einstellung in der Anspruc-
hsberechtigung sei abzusehen, und die kantonale Par-
teientschädigung sei auf Fr. 3710.80 festzusetzen.
     Das KIGA verzichtet auf eine Stellungnahme, und das
Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA; ab 1. Juli 1999
Staatssekretariat für Wirtschaft [seco]) lässt sich nicht
vernehmen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Versicherungsgericht hat Gesetz und
Rechtsprechung zur Vermittlungsfähigkeit richtig dargelegt,
so dass auf Erwägung A des vorinstanzlichen Entscheides
verwiesen werden kann.

     2.- a) Während das KIGA die Vermittlungsfähigkeit des
Beschwerdeführers verneint hat, kam die Vorinstanz zum
Schluss, dass dieser zwar vermittlungsfähig, jedoch wegen
ungenügender Arbeitsbemühungen in der Anspruchsberechtigung
einzustellen sei. Damit hat die Vorinstanz das Verfahren
auf die Frage einer allfälligen Einstellung in der An-
spruchsberechtigung ausgedehnt. Sie erachtet diese Ausdeh-
nung als zulässig, da bei der Prüfung Vermittlungsunfähig-
keit und der Einstellung von einer Tatbestandsgesamtheit
ausgegangen werden könne, die Verwaltung zweimal, nämlich
in der Vernehmlassung vom 7. März 1997 und in der Duplik
vom 10. April 1997, die Bemühungen des Beschwerdeführers
als ungenügend bezeichnet habe und die Frage spruchreif
sei. Der Beschwerdeführer hingegen rügt das Vorgehen des
kantonalen Gerichts als unzulässige Ausdehnung des Streit-
gegenstandes.

     b) Zwar trifft zu, dass sich die Verwaltung zweimal
zur Frage geäussert hat, ob die Arbeitsbemühungen des Be-
schwerdeführers ausreichten. Sowohl in der Vernehmlassung
vom 7. März 1997 als auch in der Duplik vom 10. April 1997
bezeichnete das KIGA die Stellensuche des Versicherten als
ungenügend. Dabei betrachtete es dies jeweils bloss als
Argument für die Verneinung der Vermittlungsfähigkeit. Bei
der Einstellung in der Anspruchsberechtigung handelt es
sich um eine Sanktion und damit um ein grundsätzlich ande-
res Rechtsverhältnis. Diese Eventualfrage einer Einstellung
ist in keinem Verfahrenszeitpunkt explizit aufgeworfen wor-
den. Demzufolge hatte der Beschwerdeführer im kantonalen
Prozess auch keine Veranlassung, sich zu dieser alternati-
ven Rechtsfolge zu äussern. Insofern war diese Frage entge-
gen der Annahme der Vorinstanz nicht spruchreif, weshalb
die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren, das Verfah-
ren auf die Einstellungsfrage auszudehnen. Die Vorinstanz
hätte sich deshalb damit begnügen müssen, die kantonale
Beschwerde vollumfänglich gutzuheissen, die angefochtene
Verfügung des KIGA aufzuheben und die Sache an die Verwal-
tung zurückzuweisen, damit sie nach Prüfung der übrigen
Voraussetzungen über den Anspruch auf Arbeitslosenentschä-
digung neu befinde (nicht veröffentlichtes Urteil T. vom
22. Oktober 1998, C 356/97).

     c) Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbe-
schwerde unter Aufhebung des kantonalen Entscheides und der
streitigen KIGA-Verfügung gutzuheissen, und die Sache wird
zur Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen an die
Verwaltung zurückgewiesen. Seit die Prüfung der Anspruchs-
voraussetzungen grundsätzlich - und vorbehältlich der
Durchführung des Zweifelsfallsverfahrens (Art. 81 Abs. 2
lit. a AVIG) - Aufgabe der Kassen ist, wird die Sache an
diese zurückgewiesen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat
der Beschwerdeführer für das letztinstanzliche Verfahren
Anspruch auf eine Parteientschädigung von Fr. 2489.30
(gemäss Kostennote seines Rechtsvertreters vom 13. Oktober
1998) zu Lasten des KIGA.

     3.- Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer unter
Kürzung der eingereichten Kostennote von Fr. 3710.80
(Honorar von Fr. 3600.- und Barauslagen von Fr. 110.80)
eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- zugesprochen. Der
Beschwerdeführer beanstandet diese Herabsetzung. Es stellt
sich die Frage, ob in diesem Punkt auf die Verwaltungsge-
richtsbeschwerde eingetreten werden kann.

     a) Nach ständiger Rechtsprechung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts beruhen Entscheide auf dem Gebiet der
beruflichen Vorsorge und der Arbeitslosenversicherung, mit
welchen kantonale Versicherungsgerichte obsiegenden Versi-
cherten eine Parteientschädigung zusprechen, auf kantonalem
Recht, weil die Art. 73 BVG und Art. 103 AVIG im Unter-
schied zu den andern Sozialversicherungszweigen keinen bun-
desrechtlichen Anspruch auf Parteientschädigung einräumen
(BGE 124 V 286 Erw. 2 mit Hinweisen, 112 V 111 Erw. 2c;
ARV 1990 Nr. 11 S. 64 Erw. 2a).
     In BGE 126 V 143 hat das Eidgenössische Versicherungs-
gericht in Änderung der bisherigen Rechtsprechung erkannt,
dass die weitreichenden bundesverwaltungsrechtlichen Normen
über die prozessuale Ausgestaltung des kantonalen Sozial-
versicherungsprozesses zusammen mit den Grundsätzen des
Sachzusammenhangs und der Einheit des Prozesses für die
sachliche Zuständigkeit des Eidgenössischen Versicherungs-
gerichts zur Überprüfung kantonalen Verfahrensrechts spre-
chen und zwar auch dann, wenn es - im Unterschied zur
Rechtsprechung des Bundesgerichts - allein um die Anfech-
tung eines reinen kantonalrechtlichen Prozess(zwischen)ent-
scheides geht und unabhängig davon, ob das Rechtsmittel in
der Sache selbst ergriffen wird. Für die Annahme einer bun-
desrechtlichen Verfügungsgrundlage genügt es daher, wenn
der dem Verfahren zugrunde liegende materiellrechtliche
Streitgegenstand dem Bundessozialversicherungsrecht ange-
hört (Erw. 3c). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden
Fall erfüllt, weshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
im Parteikostenpunkt einzutreten ist.

     b) Mit dem kantonalen Recht hat sich das Eidgenössi-
sche Versicherungsgericht grundsätzlich nicht zu befassen
(Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5
Abs. 1 VwVG). Es hat nur zu prüfen, ob die Anwendung der
einschlägigen kantonalen Bestimmungen oder - bei Fehlen
solcher Vorschriften - die Ermessensausübung durch das kan-
tonale Gericht zu einer Verletzung von Bundesrecht
(Art. 104 lit. a OG), insbesondere des Willkürverbots oder
des Verbots des überspitzten Formalismus, geführt hat
(BGE 120 V 416 Erw. 4a, 114 V 205 Erw. 1a mit Hinweisen).

     c) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorge-
bracht, entsprechend dem, was das KIGA in der Verfügung vom
12. Dezember 1996 geregelt habe, sei Gegenstand des kanto-
nalen Verfahrens die Frage der Vermittlungsfähigkeit gewe-
sen. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer in vollem Um-
fange obsiegt, indem die Vorinstanz die Vermittlungsfähig-
keit bejaht habe. Deshalb sei eine Kürzung der Kostennote
nicht statthaft; sie sei willkürlich sowie dem Sachverhalt
und dem ergangenen Entscheid widersprechend.
     Die Vorinstanz setzte den mit der Kostennote geltend
gemachten Betrag herab mit der Begründung, dass der Be-
schwerdeführer nur zu rund zwei Dritteln obsiegt habe. Sie
berücksichtigte dabei, dass im Hinblick auf die Rückweisung
der Sache zur Festsetzung einer Einstellung nur von teil-
weisem Obsiegen gesprochen werden könne. Wie in Erw. 2b
dargelegt, hat die Vorinstanz das Verfahren jedoch zu Un-
recht auf die Einstellungsfrage ausgedehnt. Mit Bezug auf
die richtigerweise allein zu beurteilende Frage der Ver-
mittlungsfähigkeit hat der Beschwerdeführer jedoch in vol-
lem Umfange obsiegt. Davon ausgehend hat die Vorinstanz die
dem Beschwerdeführer für das kantonale Verfahren zustehende
Parteientschädigung neu festzusetzen.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
     gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungs-
     gerichts des Kantons St. Gallen vom 19. Mai/30. Juni
     1998 und die Verfügung vom 12. Dezember 1996 aufgeho-
     ben werden und die Sache an die Kantonale Arbeitslo-
     senkasse St. Gallen zurückgewiesen wird, damit sie die
     übrigen Anspruchsvoraussetzungen prüfe und darüber
     verfüge.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Das Amt für Arbeit hat dem Beschwerdeführer für das
     Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
     eine Parteientschädigung von Fr. 2489.30 (zuzüglich
     Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

 IV. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wird
     im Sinne der Erwägungen über eine Neuverlegung der
     Parteikosten für das kantonale Verfahren zu befinden
     haben.

  V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs-
     gericht des Kantons St. Gallen, der Kantonalen Ar-
     beitslosenkasse St. Gallen und dem Staatssekretariat
     für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 23. November 2000

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der I. Kammer:

                             Der Gerichtsschreiber: