Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 256/1998
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C 256/98 Vr

                        II. Kammer

Bundesrichter Meyer, Schön und Bundesrichterin Leuzinger;
Gerichtsschreiber Lauper

                 Urteil vom 5. Januar 2000

                         in Sachen

J.______, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwältin M.______,

                           gegen

Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI,
Sektion Amt und Limmattal, Neumattstrasse 7, Dietikon,
Beschwerdegegnerin,
                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Der 1964 geborene J.______ erhob ab 1. Juli 1996
zum zweiten Mal Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Mit
Verfügung vom 11. Februar 1997 teilte ihm die Arbeitslosen-
kasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI mit, dass er für
die Monate Juni bis Oktober 1996 keinen Anspruch habe, weil
er trotz Hinweis auf die Folgen einer verspäteten Einrei-
chung weder die Arbeitsbescheinigung noch den Arbeitsver-
trag, das Kündigungsschreiben und die Zwischenverdienst-
formulare beigebracht habe.

     B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher
J.______ sinngemäss die Zusprechung von Arbeitslosenent-
schädigung beantragte, wies das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 19. Juni 1998).

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.______
das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechts-
pflege und Verbeiständung. Auf die Begründung wird, soweit
erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
     Die Arbeitslosenkasse hat auf eine Vernehmlassung ver-
zichtet. Das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (ab 1. Ju-
li 1999 Staatssekretariat für Wirtschaft) hat sich nicht
hören lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprü-
fungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der
angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
halts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu
deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

     2.- a) Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung
setzt u.a. voraus, dass der Versicherte die Kontrollvor-
schriften erfüllt (Art. 8 Abs. 1 lit. g AVIG). Nach Art. 17
Abs. 2 AVIG muss sich der Arbeitslose am ersten Tag, für
den er Arbeitslosenentschädigung beansprucht, persönlich
beim Arbeitsamt seines Wohnorts zur Arbeitsvermittlung mel-
den und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates
befolgen. Anderseits sieht Art. 20 Abs. 2 AVIG vor, dass

der Arbeitslose der Kasse eine Arbeitsbescheinigung seines
bisherigen Arbeitgebers vorlegen muss. Dieser stellt sie
ihm beim Ausscheiden aus seinen Diensten aus. Der Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung erlischt nach Abs. 3 Satz 1
derselben Bestimmung, wenn er nicht innert dreier Monate
nach dem Ende der Kontrollperiode, auf die er sich bezieht,
geltend gemacht wird. Dabei handelt es sich um eine Verwir-
kungsfrist, die weder einer Erstreckung noch einer Unter-
brechung, in sinngemässer Anwendung von Art. 35 OG und
Art. 24 VwVG aber einer Wiederherstellung zugänglich ist
(BGE 114 V 123 mit Hinweisen; ARV 1993/94 Nr. 33 S. 234
Erw. 1b).

     b) Der Bundesrat hat die Modalitäten, welche bei der
Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung
zu beachten sind, in Art. 29 AVIV geregelt. Nach Art. 29
Abs. 1 AVIV macht der Versicherte seinen Anspruch für die
erste Kontrollperiode während der Rahmenfrist sowie bei
jeder erneuten Arbeitslosigkeit, die nach einem Unterbruch
von wenigstens sechs Monaten eintritt, geltend, indem er
der Kasse den vollständig ausgefüllten Entschädigungsantrag
(lit. a), das Doppel des amtlichen Anmeldeformulars
(lit. b), die Arbeitsbescheinigungen für die letzten zwei
Jahre (lit. c) sowie alle weiteren Unterlagen, welche die
Kasse zur Beurteilung seines Anspruchs verlangt (lit. e),
einreicht. In Abs. 2 der genannten Bestimmung werden die
Unterlagen aufgezählt, welche der Versicherte zur Geltend-
machung seines Anspruchs für die weiteren Kontrollperioden
vorzulegen hat. Gemäss Abs. 3 der Bestimmung setzt die
Kasse dem Versicherten nötigenfalls eine angemessene Frist
für die Vervollständigung der Unterlagen und macht ihn auf
die Folgen der Unterlassung aufmerksam. Bei der in Art. 29
Abs. 3 AVIV geregelten Verpflichtung der Kasse, den Versi-
cherten auf den Untergang seines Entschädigungsanspruchs im
Säumnisfall hinzuweisen, handelt es sich um eine Konkreti-
sierung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Aus diesem
verfassungsrechtlichen Grundsatz folgt für das Sozialversi-

cherungsrecht ganz allgemein, dass jedenfalls schwere
Rechtsnachteile als Folge eines pflichtwidrigen Verhaltens
nur Platz greifen dürfen, wenn der Versicherte vorgängig
ausdrücklich auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist.
Dementsprechend setzt das Erlöschen des Anspruches auf Ar-
beitslosenentschädigung zufolge Ablaufs der gesetzlichen
Frist für die Geltendmachung voraus, dass der mit der Bei-
bringung der erforderlichen Unterlagen säumige Versicherte
von der Kasse vorschriftsgemäss auf diese Säumnisfolge hin-
gewiesen worden ist. Wird dies unterlassen oder eine an-
dere, weniger einschneidende Säumnisfolge angedroht, kann
die Verwirkungsfolge trotz versäumter Frist für die Gel-
tendmachung nicht eintreten (ARV 1993/94 Nr. 33 S. 234 f.
Erw. 2b mit Hinweisen).

     3.- a) Das kantonale Gericht hat die Kassenverfügung
vom 11. Februar 1997 geschützt mit der Begründung, die Ar-
beitslosenkasse habe den Beschwerdeführer drei Mal (am
6. Dezember 1996, 13. und 30. Januar 1997) zur Einreichung
von Arbeitgeberbescheinigung, Arbeitsvertrag, Kündigungs-
schreiben und Zwischenverdienstformularen aufgefordert.
Nachdem er von der Kasse mit dem dritten Mahnschreiben vom
30. Januar 1997 in rechtsgenüglicher Weise auf die Folgen
einer allfälligen Unterlassung hingewiesen und bis zum Ab-
lauf der gesetzten Frist (10. Februar 1997) mindestens die
Arbeitgeberbescheinigung nicht eingereicht worden sei, er-
weise sich der geltend gemachte Entschädigungsanspruch für
die mehr als drei Monate vor Verfügungerlass liegenden Kon-
trollperioden als verwirkt. Daran vermöge der Umstand, dass
der Ansprecher anstelle der von der Kasse verlangten Unter-
lagen ein Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 19. Dezem-
ber 1996 eingereicht bzw. dass die ehemalige Arbeitgeberin
die angeblich einverlangten Bescheinigungen nicht ausgehän-
digt habe, nichts zu ändern. In einem solchen Fall seien
die Versicherten gehalten, den Arbeitgeberbescheinigungen
nachzugehen oder aber die Kasse von einer allfälligen
Weigerung der Arbeitgeber in Kenntnis zu setzen.

     b) Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die Arbeitge-
berbescheinigung dient dazu, die Kasse in die Lage zu ver-
setzen, eine umfassende Prüfung der Anspruchsvoraussetzun-
gen vorzunehmen. So soll die Verwaltung neben der beitrags-
pflichtigen Beschäftigung insbesondere auch abklären kön-
nen, ob der Versicherte seine Arbeitslosigkeit selber ver-
schuldete, und ob eventuell Ansprüche gegenüber dem frühe-
ren Arbeitgeber bestehen (vgl. Art. 11 Abs. 3 und Art. 30
Abs. 1 lit. b AVIG). Ist es daher dem Versicherten bei der
ihm zumutbaren Anstrengung nicht bzw. nicht innerhalb der
dreimonatigen Frist zur Geltendmachung des Entschädigungs-
anspruchs möglich, vom Arbeitgeber eine Bescheinigung im
Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. c AVIV zu erlangen, hat er
der Kasse entsprechend Mitteilung zu machen, damit diese
gegebenenfalls selber beim Arbeitgeber vorstellig werden
und ihn unter Hinweis auf die gesetzliche Pflicht zur Aus-
stellung einer Bescheinigung (Art. 20 Abs. 2 AVIG) und die
Straffolgen im Unterlassungsfall (Art. 106 AVIG) auffordern
kann. Zudem stünde ihr auch die Möglichkeit offen, vom An-
sprecher eine der Bescheinigung inhaltlich entsprechende,
unterschriebene Erklärung (vgl. Art. 29 Abs. 4 AVIV) ein-
zuholen. Kommt der Versicherte dieser für die Anspruchs-
beurteilung unabdingbaren Obliegenheit nicht nach, hat er -
sofern, wie hier, in rechtskonformer Weise auf die bei
Säumnis eintretende Rechtsfolge aufmerksam gemacht
(Erw. 2b) - für die sich daraus ergebende Konsequenz des
Anspruchsuntergangs selber einzustehen.

     c) Sämtliche weiteren Vorbringen vermögen an diesem
Ergebnis nichts zu ändern. Nicht glaubwürdig ist insbeson-
dere der Einwand, wonach der Beschwerdeführer anlässlich
des Gesprächs vom 15. Januar 1997 mit einer Sachbearbeite-
rin der Arbeitslosenkasse wiederholt auf die Uneinbring-
lichkeit der Arbeitgeberbescheinigung hingewiesen haben
will. Abgesehen davon, dass diese Aussage in den Akten,
insbesondere auch dem Brief vom 30. Januar 1997, keinen
Niederschlag gefunden hat, ist davon auszugehen, dass die

Kasse in einem solchen Fall direkt an den Arbeitgeber ge-
langt sein dürfte (Erw. 3b hievor). Zudem spricht auch die
nach dem erwähnten Schreiben ausgebliebene Reaktion seitens
des Beschwerdeführers gegen dessen Sachverhaltsdarstellung.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Organe der Ar-
beitslosenversicherung (vorbehältlich gesetzliche oder ver-
ordnungsmässige Ausnahmen wie z.B. Art. 20 Abs. 4 AVIV) von
Verfassungs wegen nicht gehalten sind, spontan, ohne vom
Versicherten angefragt worden zu sein, Auskünfte zu ertei-
len oder auf drohende Rechtsnachteile aufmerksam zu machen.
Das gilt auch für drohende Verluste sozialversicherungs-
rechtlicher Leistungen (nicht veröffentlichtes Urteil S.
vom 30. August 1999, C 125/97 mit Hinweisen).

     4.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungs-
leistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskos-
ten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich
daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung
kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Be-
schwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Ver-
tretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a mit Hinweisen).
In Anbetracht des Umstandes, dass die materiellen, zu einem
wesentlichen Teil aus der vorinstanzlichen Beschwerde über-
nommenen Ausführungen lediglich etwas mehr als eine Seite
umfassen, der damit verbundene Arbeitsaufwand mithin als
gering bezeichnet werden darf, wird die Entschädigung auf
Fr. 500.- festgesetzt. Dabei wird ausdrücklich auf Art. 152
Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei
der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwältin M.______ für das Verfahren vor dem
     Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichts-
     kasse eine Entschädigung (einschliesslich Mehrwert-
     steuer) von Fr. 500.- ausgerichtet.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirt-
     schaft und Arbeit, Zürich, und dem Staatssekretariat
     für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 5. Januar 2000

                    Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
            Der Vorsitzende der II. Kammer:

            i.V.

               Der Gerichtsschreiber: