Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 24/1998
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C 24/98 Hm

                        II. Kammer

Bundesrichter Meyer, Schön und nebenamtlicher Richter
Soldini; Gerichtsschreiber Attinger

                 Urteil vom 3. Januar 2000

                         in Sachen

I.________, 1934, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwalt F.________,

                           gegen

1. Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, St. Gallen,
2. Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21,
   St. Gallen,

Beschwerdegegner,
                            und

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

     A.- Der 1934 geborene I.________ ist seit Jahren im
Rahmen zeitlich befristeter Engagements bei verschiedenen
Hotels als Barpianist tätig. Vom 16. Dezember 1995 bis zum
29. Februar 1996 spielte er im Hotel M.________ und an-

schliessend vom 1. März bis 7. April 1996 im Hotel
E.________. Im letztgenannten Zeitpunkt war ihm bereits ein
neues, vom 8. Juni bis Ende August 1996 dauerndes Engage-
ment im Hotel M.________ zugesichert worden.
     Am 8. April 1996 meldete sich I.________ für die Dauer
der Beschäftigungslücke bei den Organen der Arbeitslosen-
versicherung zur Stellenvermittlung an und unterzog sich in
der Folge der Stempelkontrolle. Unter Hinweis darauf, dass
der Versicherte "bewusst (bloss) saisonale Arbeitsverhält-
nisse" eingehe, unterbreitete die Kantonale Arbeitslosen-
kasse St. Gallen die Sache dem Amt für Industrie, Gewerbe
und Arbeit St. Gallen (ab 1. Juli 1999: Amt für Arbeit
St. Gallen, nachfolgend: AfA) zum Entscheid über die Ver-
mittlungsfähigkeit. Nachdem sie I.________ das rechtliche
Gehör gewährt hatte, verneinte die kantonale Amtsstelle mit
Verfügung vom 16. Juli 1996 dessen Vermittlungsfähigkeit ab
8. April 1996. Die Arbeitslosenkasse forderte daraufhin mit
Verfügung vom 18. Juli 1996 die unrechtmässig bezogenen
Taggelder für den Monat April 1996 im Gesamtbetrag von
Fr. 2936.30 vom Versicherten zurück.

     B.- Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
wies die gegen beide Verfügungen erhobene Beschwerde mit
Entscheid vom 13. November 1997 ab.

     C.- I.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
den Anträgen auf Anerkennung seiner Vermittlungsfähigkeit
ab 8. April 1996, Aufhebung der Rückerstattungsverfügung
und Ausrichtung der ihm zustehenden Arbeitslosenentschä-
digung.
     Arbeitslosenkasse und AfA schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt
für Wirtschaft und Arbeit (ab 1. Juli 1999: Staatssekreta-
riat für Wirtschaft) hiezu nicht hat vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Ent-
scheid die vorliegend massgebenden gesetzlichen Bestimmun-
gen über die allgemeine Vermittlungsfähigkeit als eine der
Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädi-
gung (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1
AVIG) und die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 58
Erw. 6a, 123 V 216 Erw. 3, 120 V 388 Erw. 3a mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Hierauf kann verwiesen werden.

     b) Zu ergänzen ist, dass ein Versicherter, der für
eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer
Zeit zur Verfügung steht, weil er auf einen bestimmten Ter-
min hin anderweitig disponiert hat, in der Regel als nicht
vermittlungsfähig gilt. In einem solchen Fall sind nämlich
die Aussichten, zwischen dem Verlust der alten und dem
Antritt der neuen Stelle von einem dritten Arbeitgeber
angestellt zu werden, verhältnismässig gering. Entscheidend
für die Beurteilung des Einzelfalles ist dabei, ob mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann,
dass ein Arbeitgeber den Versicherten für die konkret zur
Verfügung stehende Zeit noch einstellen würde (BGE 110 V
208 Erw. 1, 213 Erw. 2b; ARV 1991 Nr. 3 S. 24 Erw. 2b, 1990
Nr. 14 S. 84 Erw. 2a, 1988 Nr. 2 S. 23 Erw. 2a).
     Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat jedoch
wiederholt darauf hingewiesen, dass die dargelegte Recht-
sprechung nicht dazu führen darf, jenen arbeitslosen Ver-
sicherten zu bestrafen, der eine geeignete, aber nicht
unmittelbar freie Stelle findet und annimmt. Es handelt
sich dabei um jenen Versicherten, der in Erfüllung seiner
Schadenminderungspflicht alle jene Vorkehren getroffen hat,
die man vernünftigerweise von ihm erwarten darf, damit er
so rasch als möglich eine neue Stelle antreten kann. Einem
solchen Versicherten ist es nicht zuzumuten, im Hinblick
auf einen - theoretisch zwar möglichen, praktisch jedoch
wenig wahrscheinlichen - früheren Stellenantritt mit dem

Abschluss des neuen Arbeitsvertrages zuzuwarten und dadurch
das Risiko einer allenfalls noch längeren Arbeitslosigkeit
auf sich zu nehmen (BGE 123 V 217 Erw. 5a, 110 V 209
Erw. 1, 214; ARV 1998 Nr. 46 S. 267 Erw. 3, 1992 Nr. 11
S. 128, Nr. 13 S. 136 Erw. 2d).

     c) Im Weiteren gelten Versicherte, die auf Grund be-
rufs- und arbeitsmarktspezifischer Umstände nicht in der
Lage sind, eine Dauerstelle anzunehmen, nicht mehr grund-
sätzlich als vermittlungsunfähig. Es betrifft dies nament-
lich Berufe mit häufig wechselnden oder befristeten Anstel-
lungen, wie beispielsweise Musiker, Schauspieler und Artis-
ten (Art. 8 AVIV in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 AVIG;
vgl. BGE 110 V 211 ff. Erw. 2 und 3; Gerhards, Kommentar
zum AVIG, Bd. I, N 79 zu Art. 15). Dem bei dieser Kategorie
von Versicherten bestehenden erhöhten Risiko von Beschäfti-
gungslücken wird durch die Nichtanrechnung des Arbeitsaus-
falles während einer bestimmten Wartezeit Rechnung getragen
(Art. 6 AVIV in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 AVIG; Ger-
hards, a.a.O., N 37 und 49 zu Art. 11). Das Eidgenössische
Versicherungsgericht stellte jedoch schon unter der Herr-
schaft des bis Ende 1983 gültig gewesenen Rechts klar, dass
die Vermittlungsfähigkeit dann zu verneinen wäre, wenn der
Versicherte - in casu ein Unterhaltungsmusiker - die Mög-
lichkeit hätte, ein Arbeitsverhältnis von voraussichtlich
längerer Dauer einzugehen, er dies aber nicht wollte (BGE
120 V 390 Erw. 4c/bb, 110 V 213 Erw. 2a).

     d) Die Situation eines Unterhaltungsmusikers und der
Angehörigen der übrigen hievor genannten Berufskategorien
ist unter dem Gesichtspunkt der Vermittlungsfähigkeit mit
derjenigen von Personen vergleichbar, die ihre Arbeitskraft
einem Arbeitgeber auf Abruf zur Verfügung halten. Diesbe-
züglich hat das Eidgenössische Versicherungsgericht fest-
gestellt, es liege eine Anspruch auf Differenzausgleich
vermittelnde Zwischenverdiensttätigkeit vor, wenn sich eine
versicherte Person nicht freiwillig, sondern um die Ar-

beitslosigkeit finanziell zu überbrücken, einer Firma auf
Abruf zur Verfügung hält, nachdem es ihr nicht gelungen
ist, eine neue Vollzeitbeschäftigung zu finden (ARV 1996/97
Nr. 38 S. 209). Im Anwendungsbereich von Art. 24 AVIG ist
die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit weni-
ger streng zu beurteilen (a.a.O., S. 212 Erw. 2a).

     2.- a) Der Beschwerdeführer übt seit Jahren den Beruf
des Unterhaltungsmusikers aus, indem er sich immer wieder
für Arbeitseinsätze von unregelmässiger Dauer in verschie-
denen Betrieben des Gastgewerbes zur Verfügung stellt. Die
einzelnen Engagements sind auf verhältnismässig kurze Zeit
begrenzt, weil seine Arbeitgeber ihren Gästen in den jewei-
ligen Bars, Restaurants und Hotels musikalische Abwechslung
bieten müssen. Zwischen den Arbeitseinsätzen können mehr
oder weniger lange Perioden liegen, während welcher der
Beschwerdeführer keine Arbeit hat. Nach der angeführten
Rechtsprechung (Erw. 1c hievor) kann seine Vermittlungs-
fähigkeit nicht von vornherein verneint werden; vielmehr
ist sie unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände
näher zu prüfen.

     b) Nicht anders als in jenen Fällen, in denen die
Betroffenen ihre Arbeitskraft aus freien Stücken auf Abruf
zur Verfügung halten und alsdann mit einer - von ihnen
selbst zu tragenden - Verminderung oder einem Ausbleiben
der Einsatznachfrage konfrontiert sind (ARV 1996/97 Nr. 38
S. 209), hat sich auch der Beschwerdeführer aus eigenem
Antrieb als Unterhaltungsmusiker für die Ausübung eines
Berufes entschieden, in welchem häufig wechselnde und be-
fristete Anstellungen üblich sind und ein gewisser (nament-
lich saisonal bedingter) Arbeitsausfall zwischen zwei Enga-
gements als normal bezeichnet werden muss. Obgleich der
Versicherte keine (berufsfremde) Daueranstellung abgelehnt
hat (eine solche wurde ihm seitens der Organe der Arbeits-
losenversicherung nie zugewiesen), ist doch offenkundig,
dass er keinerlei Schritte in diese Richtung unternahm.

Seine sämtlichen Arbeitsbemühungen beschränkten sich stets
auf die zeitlich befristeten Stellen als Barpianist. Unter
diesen Umständen kann er für sich nicht in Anspruch nehmen,
es sei ihm nicht gelungen, eine ausserhalb seines bisheri-
gen Berufes liegende Dauerbeschäftigung zu finden (vgl.
Erw. 1d hievor am Ende).

     c) Was insbesondere den vorliegend zu beurteilenden
Zeitraum vom 8. April bis 7. Juni 1996 anbelangt, war dem
Beschwerdeführer bereits zu Beginn der Beschäftigungslücke
- wenn nicht schon früher - die Anstellung im Hotel
M.________ zugesichert worden. Es fehlen jegliche Anhalts-
punkte dafür, dass er sich anderweitig bemüht hätte, ein
Arbeitsverhältnis von voraussichtlich längerer Dauer ein-
zugehen. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, waren
aber die Aussichten des Versicherten, im genannten be-
schränkten Zeitraum auf dem für ihn in Betracht fallenden
allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden, derart
gering, dass ihm die Vermittlungsfähigkeit bereits aus
objektiven Gründen abgesprochen werden muss. Überdies man-
gelte es ihm offensichtlich auch an der subjektiven Bereit-
schaft, während der zweimonatigen Beschäftigungslücke eine
Stelle anzutreten. Zumindest gilt diese Feststellung für
die Zeit ab anfangs Mai 1996, ersuchte doch der Beschwerde-
führer die kantonale Amtsstelle mit Schreiben vom 3. Mai
1996 um "Kontrollurlaub", weil er vom 6. Mai bis 2. Juni
1996 eine Reise mit seiner Ehefrau geplant hatte.

     d) Schliesslich lässt sich - entgegen der in der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung - aus dem
Umstand, dass der Versicherte bereits anfangs April 1996
mit dem Hotel M.________ ein neues, nicht unmittelbar an-
schliessendes und auf die Sommersaison 1996 beschränktes
Arbeitsverhältnis einging, keineswegs ableiten, er habe im
Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung (Erw. 1b hievor) alle
jene Vorkehren getroffen, die man im Hinblick auf die Ver-
kürzung der Arbeitslosigkeit vernünftigerweise von ihm

erwarten durfte. Vielmehr stellte das neuerliche befristete
Engagement als Unterhaltungsmusiker die normale Fortsetzung
der branchenüblichen Folge von Arbeitseinsätzen und Be-
schäftigungslücken von jeweils unterschiedlicher Dauer dar.
Um der ihm obliegenden Schadenminderungspflicht tatsächlich
zu genügen, hätte der Beschwerdeführer seine Arbeitsbemü-
hungen auf berufsfremde Dauerstellen ausdehnen müssen,
wovon ihn weder sein Alter noch seine Ausbildung und bis-
herige Tätigkeit oder die wirtschaftliche Lage entbanden.

     3.- Ist nach dem Gesagten die Vermittlungsfähigkeit zu
verneinen, wurde dem Beschwerdeführer für den Monat April
1996 zu Unrecht Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Taggeldab-
rechnung vom 9. Mai 1996 im Zeitpunkt der Rückforderungs-
verfügung vom 18. Juli 1996 zufolge Andauerns der angemes-
senen Überlegungs- und Prüfungspflicht noch nicht rechts-
beständig geworden war, durfte die Verwaltung - unter Vor-
behalt des Vertrauensschutzes, welchem vorliegend jedoch
keine Bedeutung beizumessen ist - grundsätzlich frei, d.h.
ohne Bindung an Wiedererwägung oder Revision, auf die form-
los zugesprochene Taggeldleistung zurückkommen (BGE 124 V
247 Erw. 2, 122 V 368 Erw. 3 mit zahlreichen Hinweisen).
Einziges Erfordernis für die Rückerstattungspflicht des
Beschwerdeführers bildet demnach der - hievor bejahte -
unrechtmässige Bezug dieser Versicherungsleistung (Art. 95
Abs. 1 AVIG).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
     richt des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat
     für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 3. Januar 2000
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                         Der Vorsitzende der II. Kammer:

                         i.V.

                              Der Gerichtsschreiber: