Sozialrechtliche Abteilungen C 237/1998
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C 237/98 Ca IV. Kammer Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Signorell Urteil vom 17. Februar 2000 in Sachen Staatssekretariat für Wirtschaft, Bern, Beschwerdeführer, gegen 1. R.________ AG, 2. Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Abtei- lung Arbeitsmarkt, Laupenstrasse 22, Bern, Beschwerdegegner, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern Das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Bern (KIGA) bewilligte der R.________ AG Kurzarbeitsent- schädigung für 59 Beschäftigte der Betriebsabteilung Zugbe- gleitung (Verfügung vom 2. Dezember 1997). Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine vom Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA, ab 1. Juli 1999 Staatssekretariat für Wirtschaft, nachfolgend seco) dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 4. Juni 1998). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das seco die Aufhebung des kantonalen Entscheides und der Verfügung vom 2. Dezember 1997. Die R.________ AG und das KIGA schliessen auf Abwei- sung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Grundlagen für den Bezug von Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 1 lit. b und d AVIG), insbesondere die Voraussetzungen der Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalles gemäss Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG (wirtschaftliche Gründe; Unvermeidbarkeit) sowie Art. 33 Abs. 1 lit. a und b AVIG (normales Betriebs- risiko; Branchen-, Berufs- oder Betriebsüblichkeit) unter Einschluss der dazu ergangenen Rechtsprechung zutreffend dargelegt (BGE 119 V 500 Erw. 1 mit Hinweisen; BGE 111 V 379 ff.; ARV 1992 S. 87 Erw. 2a, 1989 S. 124 Erw. 3a, 1987 S. 82 Erw. 1 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 2.- Am 17. September 1997 meldete die R.________ AG dem KIGA die ab 1. Oktober 1997 vorgesehene Einführung von Kurzarbeit an. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Erträge weit unter den Erwartungen und den Vorjah- reswerten lägen. Der Ertragseinbruch finde sowohl im Perso- nen- als auch noch wesentlich ausgeprägter im Güterverkehr statt. Dies sei umso gravierender als rund zwei Drittel der Erträge der Unternehmung aus dem Güterverkehr stammten. In Zukunft sei mit noch weiteren Ertragsrückgängen zu rechnen. Um den drohenden Verlust abzuwenden, sei u.a. die baldest- mögliche Einführung von Kurzarbeit (voraussichtlicher Ar- beitsausfall bei der Betriebsabteilung Zugbegleitung: 30 %) vorgesehen. Mit dem Wegfall der Defizitgarantie seien die konzessionierten Transportunternehmungen den gleichen Risi- ken ausgesetzt wie andere Branchen auch. Das seco, dem das Gesuch zu Stellungnahme unterbreitet wurde, erachtete die Anspruchsvoraussetzungen als nicht erfüllt. Der Arbeitsaus- fall gehöre zum normalen Betriebsrisiko einer Transportun- ternehmung und sei branchenüblich. Angesichts der Entwick- lung im Güterverkehr sei er auch nicht nur vorübergehender Natur. Am 2. Dezember 1997 teilte das KIGA der R.________ AG dann aber mit, dass gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung kein Einspruch erhoben werde. Seit September 1997 sei ein starker Einbruch im Güterverkehr festzustellen, der sich vor allem arbeitsmässig auswirke. Das verringerte Gütervolumen sei auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen. Es seien zudem geeignete Massnahmen einge- leitet worden, um den Arbeitsausfall zu kompensieren. 3.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Anrechenbarkeit des Ausfalls ausser Betracht fällt, weil er ein übliches Betriebsrisiko darstelle und nicht nur vorübergehender Na- tur sei. a) aa) Bezüglich des Betriebsrisikos erwog das kanto- nale Gericht, dass der in der zweiten Hälfte des Jahres 1997 eingetretene Auftragsrückgang aussergewöhnlichen Cha- rakter aufweise. Er sei nicht im voraus kalkulierbar gewe- sen, da er sich aufgrund der Vorjahresentwicklungen keines- wegs abgezeichnet habe. Wie sich auch aus den Veröffentli- chungen des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiedeparte- ments ergeben habe, habe die R.________ AG vielmehr mit einem bescheidenen Wachstum rechnen dürfen. bb) Das seco weist darauf hin, dass die R.________ AG eine Gesellschaft mit einem Leistungsauftrag sei. Für die zu erbringende Leistung werde ein fester Abgeltungsbetrag vereinbart, der nachträglich nicht erhöht werden könne. Ein allfälliger, infolge von Subventionskürzungen eingetretener Arbeitsausfall (Verdienstausfall), sei nicht anrechenbar, weil er zum normalen Betriebsrisiko einer Transportgesell- schaft gehöre (BGE 121 V 376 Erw. 3a). Dieser Einwand ist im vorliegenden Fall unbehelflich. Denn er übersieht, dass Abgeltungen für den Schienengüter- verkehr grundsätzlich nur entrichtet werden können, wenn eine Strassenerschliessung fehlt oder wenn es für die An- liegen des Umweltschutzes, der Raumordnung oder der Regio- nalpolitik von Bedeutung ist (Art. 3 lit. b der Abgeltungs- verordnung [ADFV]; SR 742.101.1). Die R.________ AG weist deshalb zu Recht darauf hin, dass sie Abgeltungen nur für den Personenverkehr, nicht aber für den Güterverkehr erhal- ten habe, da sie die hiefür erforderlichen Kriterien nicht erfülle. b) aa) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird so- dann geltend gemacht, der eingetretene Ertragseinbruch be- ruhe nicht auf wirtschaftlichen, sondern auf strukturellen Gründen. Er sei eine Folge der Konkurrenzsituation, die auf einer grundsätzlichen und dauerhaften Änderung der Nachfra- ge beruhe. Deshalb sei er auch nicht von nur vorübergehen- der Natur. bb) Die Rechtsprechung hat den Begriff der wirtschaft- lichen Gründe stets weit ausgelegt. Im Hinblick auf die mit der Kurzarbeitsentschädigung - neben der Ausrichtung von Erwerbsersatz - vor allem angestrebte Verhütung von Ar- beitslosigkeit durch den Erhalt von Arbeitsplätzen (Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG) ist es vom Gesetzgeber bewusst unter- lassen worden, die wirtschaftlichen von den strukturellen Gründen abzugrenzen. Eine derartige Differenzierung liesse sich durch die Verwaltung und das Sozialversicherungsge- richt auch kaum vornehmen und erwiese sich in sozialer Hin- sicht als fragwürdig (vgl. zum Ganzen: ARV 1997 Nr. 39 S. 216 Erw. 3a mit Hinweisen). Die hier in Frage stehenden massiven Ertragsausfälle der R.________ AG lassen sich nicht mit dem Argument des Verdrängungskampfs zu Gunsten des Strassentransportes er- klären. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, hängen diese vielmehr mit der schwierigen wirtschaftlichen Situa- tion von Grosskunden der R.________ AG zusammen. Bei diesen Umständen sind die Arbeitsausfälle voraussichtlich vorüber- gehend, nicht aber branchenüblich und können nicht dem nor- malen Betriebsrisiko zugerechnet werden. Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Es werden keine Gerichtskosten gesprochen. III. Dieses Urteil wird den Parteien, und dem Verwaltungs- gericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtli- che Abteilung, zugestellt. Luzern, 17. Februar 2000 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: