Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 135/1998
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C 135/98 Ge

                        III. Kammer

Bundesrichter Schön, Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiber
Grünvogel

                  Urteil vom 5. Juni 2001

                         in Sachen

B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Peter Frick, Florastrasse 44, 8032 Zürich,

                           gegen

Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Rudolf Diesel-
Strasse 28, 8405 Winterthur, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Der 1958 geborene B.________ meldete sich am
26. Juni 1995 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung rück-
wirkend ab 18. April 1995 an, nachdem er die zuvor be-
kleidete Stelle als Vermögensberater bei der C.________ AG
auf den 5. April 1995 verloren hatte. Für die Kontroll-
perioden Juli bis November 1995 reichte B.________ u.a.
Bescheinigungen über einen Zwischenverdienst bei der Firma
A.________ AG ein. Die Arbeitslosenkasse erachtete

die darin ausgewiesenen Entschädigungen nicht als orts- und
berufsüblich und setzte daher das Zwischenverdienstein-
kommen mit Verfügung vom 17. Januar 1996 auf Fr. 35.- pro
Stunde fest, entsprechend dem in den Abrechnungen vom
16. Januar 1996 für die Kontrollperioden Juli bis November
1995 berücksichtigten Betrag.

     B.- B.________ liess Beschwerde erheben mit den An-
trägen, ihm sei unter Aufhebung der Abrechnungen vom
16. Januar 1996 sowie der Verfügung vom 17. Januar 1996 für
die Monate Juli bis November 1995 ein Taggeld auf der
Grundlage eines versicherten Verdienstes von Fr. 8100.-,
unter Anrechnung des bei der A.________ AG als Zwischen-
verdienst tatsächlich erzielten Einkommens, zu vergüten.
Weiter verlangte er die Ausrichtung von Arbeitslosenent-
schädigung für die Zeit ab 18. April 1995 bis Ende Juni
1995, wobei eine allfällige Karenzzeit berücksichtigt
werden könne.
     Mit Entscheid vom 20. März 1998 wies das Sozialver-
sicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde, soweit
es darauf eintrat, ab. Bezüglich der Kontrollperioden Juli
bis November 1995 führte es zur Begründung aus, B.________
sei während dieser Zeit nicht vermittlungsfähig gewesen und
habe somit auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädi-
gung, weshalb die Frage der Orts- und Berufsüblichkeit der
Entlöhnung offen gelassen werden könne.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________
die vorinstanzlich gestellten Begehren erneuern. Zusätzlich
ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessfüh-
rung und Verbeiständung.
     Die Kasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit
hat sich nicht vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Der Antrag auf Leistungen für die Monate April
bis Juni 1995 ist mit keinem Wort begründet. Damit liegt in
diesem Punkt keine rechtsgenügliche Beschwerde im Sinne von
Art. 108 Abs. 2 OG vor, weshalb diesbezüglich auf die Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden kann
(BGE 123 V 336 Erw. 1a mit Hinweisen).

     b) Zu prüfen bleibt, ob und in welchem Umfang der Ver-
sicherte für die Zeit vom 1. Juli bis 30. November 1995
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat.
     Diese Frage beurteilt sich nach den Rechtssätzen, die
im Zeitraum, für den Leistungen geltend gemacht werden,
Gültigkeit hatten (BGE 122 V 36, 250, je Erw. 1). Zur An-
wendung gelangen demnach die Bestimmungen des AVIG in der
bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung.

     2.- Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestim-
mungen über die für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädi-
gung vorausgesetzte Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG), den Begriff
des Zwischenverdienstes (Art. 24 Abs. 1 AVIG), den Entschä-
digungsanspruch bei Ausübung einer Zwischenverdiensttätig-
keit und den anwendbaren Entschädigungssatz (Art. 24 Abs. 2
AVIG) sowie die Ermittlung des Verdienstausfalls (Art. 24
Abs. 3 AVIG) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben
hat das kantonale Gericht auch die Rechtsprechung, wonach
der in einer Kontrollperiode erzielte effektive Lohn in
masslicher Hinsicht bis zu dem als berufs- und ortsüblich
(Art. 24 Abs. 3 AVIG) zu qualifizierenden Ansatz angehoben
wird. Der Differenzausgleich erfolgt nur auf dieser Grund-
lage (BGE 120 V 253 Erw. 5e, 513 Erw. 8e). Dies gilt, was
zu ergänzen ist, rechtsprechungsgemäss auch dann, wenn ein
vollzeitlich angestellter Aussendienstmitarbeiter auf
Provisionsbasis in den ersten Monaten seiner Anstellung

noch kein Einkommen erzielt (ARV 1998 Nr. 33 S. 182 Erw. 2
am Ende und Erw. 3a).

     3.- In tatsächlicher Hinsicht erachtete es die Vor-
instanz als überwiegend wahrscheinlich, dass der Beschwer-
deführer im massgebenden Zeitraum mindestens 40 Stunden pro
Woche für die A.________ AG - Ausbildung eingeschlossen -
tätig gewesen war, somit einer Vollzeitbeschäftigung
nachging.
     Dies ist nicht zu beanstanden, ergänzte doch der Ver-
sicherte selber die monatlichen Bescheinigungen des Ar-
beitgebers über den Zwischenverdienst dahingehend, dass er
acht Stunden täglich für die A.________ AG arbeite. Weiter
präzisierte er am 2. Oktober 1995 gegenüber der Kasse, die
Schulungszeit bei der A.________ AG betrage seit April 1995
bis auf weiteres wöchentlich mindestens sieben Stunden,
zuzüglich einer persönlichen Besprechung von rund zwei
Stunden sowie 32 bis 40 Stunden, die er für Beratungs- und
Analysentermine benötige. Demgegenüber vermag seine von
diesen Angaben abweichende, erstmals im Beschwerdeverfahren
vorgebrachte Darstellung nicht zu überzeugen. Ferner ist
erstellt, dass der Versicherte bei dieser, ausschliesslich
auf Provisionsbasis entlöhnten Arbeit von der Firma im
Juni 1995 Fr. 360.30, im Juli und August 1995 nichts, im
September Fr. 3247.85, im Oktober 1995 Fr. 535.60 und im
November 1995 Fr. 8.95  ausbezahlt erhielt. Endlich wies er
im Unterschied zu den Monaten Juni und August 1995 für Juli
sowie September bis November 1995 keine einzige Arbeits-
bemühung nach.

     4.- Die Vorinstanz schloss aus dem vom Beschwerdefüh-
rer für seine Tätigkeit bei der A.________ AG betriebenen
zeitlichen Aufwand sowie seinen dürftigen Bemühungen um
eine neue Stelle auf fehlende Vermittlungsfähigkeit.
     Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
Denn wenn die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung nach der
Rechtsprechung als Zwischenverdienst anerkannt werden kann,
wird die Vermittlungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung

stark relativiert (ARV 1996/97 Nr. 38 S. 212 Erw. 2a mit
Hinweis). Man kann daher die Vermittlungsfähigkeit nicht
schon deswegen absprechen, weil ein Versicherter einer
vollzeitlichen Zwischenverdiensttätigkeit nachgeht. Auch
lässt sich aus ungenügenden Bemühungen um eine neue Stelle
nicht ohne weiteres auf die fehlende subjektive Bereit-
schaft schliessen, die Arbeitskraft entsprechend den per-
sönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit
einzusetzen (ARV 1996/97 Nr. 8 S. 31 Erw. 3, Nr. 19 S. 101
Erw. 3b, je mit Hinweisen). In der Regel sind diese nur
Ausdruck unzureichender Erfüllung der gesetzlichen Scha-
denminderungspflicht (ARV 1986 Nr. 26 S. 101 Erw. 1b mit
Hinweisen). Für die Annahme fehlender Vermittlungsbereit-
schaft auf Grund ungenügender Stellensuche bedarf es viel-
mehr besonders qualifizierter Umstände (hiezu ARV 1996/97
Nr. 8 S. 31 Erw. 3 und Nr. 19 S. 101 Erw. 3b), welche aber
vorliegend nicht ausgewiesen sind.

     5.- Die Bejahung der Vermittlungsfähigkeit ändert aber
nichts daran, dass für den Differenzausgleich nicht auf die
effektiv von der A.________ AG getätigten Auszahlungen
abgestellt werden kann. Weil der Versicherte mangels
Geschäftsabschlüssen in der Zeit von Juli bis November 1995
in einzelnen Monaten keinen oder nur einen geringen
Verdienst erzielte, ist vielmehr vom berufs- und
ortsüblichen Lohn auszugehen. Der von der Verwaltung hiefür
verwendete Stundenansatz als Finanzberater von Fr. 35.- ist
ermessensweise nicht zu beanstanden (Art. 132 OG; BGE 122 V
42 Erw. 5b mit Hinweis), zumal der Beschwerdeführer diesen
Betrag nicht näher in Zweifel zieht. Bei einem auf den
Monat hochgerechneten Tagespensum von durchschnittlich acht
Stunden (Erw. 3 hievor) ergibt dies im Juli und im
September 1995 jeweils einen anrechenbaren Lohn von
Fr. 5880.- (21 Arbeitstage), im August 1995 Fr. 6440.-
(23 Arbeitstage) sowie im Oktober und im November 1995
Fr. 6160.- (22 Arbeitstage). Dies führt dazu, dass auf
Grund von Art. 24 Abs. 2 AVIG (in der bis Ende 1995 gültig
gewesenen Fassung; Erw. 1b hievor)

80 % des Verdienstausfalles, d.h. der Differenz zwischen
dem versicherten Lohn (Fr. 8100.-) und dem jeweiligen auf-
gerechneten Zwischenverdienst, als Taggelder auszurichten
sind. Insofern ist die Anspruchsberechtigung zu bejahen.
Nachdem der Beschwerdeführer ab September 1995 keine Ar-
beitsbemühungen mehr ausgewiesen hat, stellt sich für diese
Zeit noch die Frage der Einstellung in der Anspruchsberech-
tigung. Es wird Sache der Verwaltung sein, hiefür die er-
forderlichen Abklärungen vorzunehmen.

     6.- Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den
Gerichtskosten ist daher gegenstandslos.
     Dem teilweise obsiegenden Beschwerdeführer steht eine
reduzierte Parteientschädigung zu Lasten der kantonalen
Arbeitslosenkasse zu (Art. 159 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 135 OG). In diesem Umfang ist auch das Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung als gegenstandslos geworden
zu betrachten. Im Übrigen kann dem Versicherten die unent-
geltliche Verbeiständung gewährt werden (Art. 152 in Ver-
bindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig
ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen
und die Vertretung geboten war (BGE 124 V 309 Erw. 6; ARV
1998 Nr. 32 S. 178 Erw. 5a mit Hinweisen). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht,
wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in den Sinne
     teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozial-
     versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. März
     1998, soweit die Taggeldabrechnungen vom 16. Januar
     1996 für die Kontrollperioden Juli bis November 1995

     betreffend, sowie die Taggeldabrechnungen selbst auf-
     gehoben werden und die Sache an die Arbeitslosenkasse
     des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie,
     nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen neu
     verfüge. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbe-
     schwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich hat dem Be-
     schwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössi-
     schen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung
     von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
     bezahlen.

 IV. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwalt Peter Frick, Zürich, für das Ver-
     fahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
     aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von
     Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausge-
     richtet.

  V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kanton Zürich, dem Amt für Wirtschaft
     und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, und dem
     Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 5. Juni 2001

                    Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der III. Kammer:

               Der Gerichtsschreiber: