Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.571/1998
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2A.571/1998/bol

            II. ÖFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
            **********************************

                      25. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Müller, Bundesrichterin Yersin und Gerichtsschreiber Fux.

                         In Sachen

Steuerverwaltung des Kantons  B e r n, Beschwerdeführerin,

                           gegen

H.M.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Johann Schneider,
Eglispor 56, Grosshöchstetten,
Steuerrekurskommission des Kantons  B e r n,

                        betreffend

              direkte Bundessteuer 1995/1996
          (Abschreibung auf Landwirtschaftsland),

hat sich ergeben:

     H.M.________ und B.M.________ bewirtschaften in A.________ einen
landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Fläche von ca. sieben Hektaren
Eigenland und ca. fünf Hektaren Pachtland. Zur Abrundung der Betriebsfläche
kauften sie am 4. Oktober 1991 eine an das Eigenland angrenzende Parzelle im
Halte von 171,88 Aren. Der Kaufpreis betrug Fr. 265'000.--, was einem Betrag
von Fr. 15.42 pro Quadratmeter entspricht. In ihrem Abschluss per 1994 nahmen
die Steuerpflichtigen auf dem neu erworbenen Grundstück eine Abschreibung von
Fr. 106'000.-- vor und deklarierten in ihrer Steuererklärung für die
Steuerperiode 1995/1996 bei der Staatssteuer ein steuerbares Einkommen von
null Franken, bei der direkten Bundessteuer ein solches von Fr. 56'068.--.
Die Veranlagungsbehörde anerkannte diese Abschreibung nicht und setzte mit
Einspracheverfügungen vom 20. September 1997 das steuerbare Einkommen bei der
Staatssteuer auf Fr. 39'700.-- und bei der direkten Bundessteuer auf Fr.
44'200.-- fest. Die Steuerrekurskommission des Kantons Bern hiess die gegen
diese Verfügungen erhobenen Rechtsmittel mit Entscheid vom 6. Oktober 1998
gut und setzte das steuerbare Einkommen sowohl bei der Staats- wie bei der
direkten Bundessteuer auf null Franken fest. Im Unterschied zur
Veranlagungsbehörde hielt die Rekurskommission die streitige Abschreibung für
zulässig.
     Das Bundesgericht weist die von der Steuerverwaltung des Kantons Bern
gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

                    Aus den Erwägungen:

     2.- a) Nach Art. 18 Abs. 1 DBG sind - wie schon unter dem bis zum 31.
Dezember 1994 geltenden Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die
Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt) - alle Einkünfte aus
selbständiger Erwerbstätigkeit, insbesondere aus einem Land- und Forstwirt-
schaftsbetrieb, steuerbar. Gemäss den Art. 27 ff. DBG können bei
selbständiger Erwerbstätigkeit die geschäfts- oder berufsmässig begründeten
Kosten, insbesondere die Abschreibungen auf dem Geschäftsvermögen, abgezogen
werden (Art. 27 Abs. 2 lit. a und Art. 28 DBG).
     Mit den (ordentlichen) Abschreibungen wird der fortschreitenden
Abnützung bzw. Wertverminderung von Gegenständen des Geschäftsvermögens
Rechnung getragen. Sie werden durch Festsetzung bestimmter
Abschreibungsquoten regelmässig auf die Nutzungsdauer des Vermögensstücks
verteilt (vgl. Art. 28 Abs. 2 DBG). Zulässig können aber auch einmalige
Abschreibungen sein, dann nämlich, wenn auf Geschäftsvermögen eine
ausserordentliche Wertverminderung eintritt. Das kann namentlich bei Grund
und Boden zutreffen, der normalerweise keiner Wertverminderung infolge
Abnutzung unterliegt (vgl. Ernst Känzig, Die eidgenössische Wehrsteuer, 2.
Aufl., Basel 1982, N. 111, 113 zu Art. 22 Abs. 1 lit. b und N. 331 ff. zu
Art. 49 Abs. 1 lit. c BdBSt). Sinkt der Verkehrswert eines Grundstücks unter
den Buchwert - z.B. wegen einer Auszonung, eines Naturereignisses oder eines
unerwarteten Konjunkturrückgangs -, darf und soll diesem Umstand durch eine
ausserordentliche Abschreibung Rechnung getragen werden. Das kann auch dann
der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige das Grundstück erst vor kurzem
erworben hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin trifft es nicht
zu, dass in solchen Fällen Abschreibungen stets als geschäftsmässig nicht
begründet zu betrachten wären (vgl. dazu Känzig, a.a.O., N. 115 zu Art. 22
Abs. 1 lit. b BdBSt).
     b) Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdegegner das streitige
Grundstück im Jahr l991 zum Preis von Fr. 265'000.--, entsprechend einem
Quadratmeterpreis von Fr. 15.42, gekauft. Die Wertverminderung auf Fr.
159'000.-- begründen sie damit, dass am 1. Januar 1994 das Bundesgesetz vom
4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) in Kraft
getreten sei. Dieses habe einen Preiszerfall für landwirtschaftliche
Grundstücke ausgelöst. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. b BGBB werde nämlich die
Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks verweigert,
wenn ein übersetzter Preis vereinbart wurde; nach Art. 66 BGBB gelte ein
Erwerbspreis dann als übersetzt, wenn er die Preise für vergleichbare
landwirtschaftliche Grundstücke in der betreffenden Gegend im Mittel der
letzten fünf Jahre um mehr als 5% übersteigt. Gemäss einer Zusammenstellung
des Regierungsstatthalters des Amtsbezirks Thun betrage der Quadratmeterpreis
für landwirtschaftliches Land im Westamt Fr. 8.52; dazu sei der Zuschlag von
5% hinzuzurechnen. Damit sei erwiesen, dass die Wertberichtigung in der
Bilanz auf Fr. 9.12 pro Quadratmeter richtig sei.
     Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Zahlen nicht. Ist aber davon
auszugehen, erscheint es als glaubhaft, dass die Beschwerdegegner aus
heutiger Sicht das Grundstück zu einem übersetzten Preis erworben haben,
weshalb eine ausserordentliche Abschreibung gerechtfertigt war (Känzig,
a.a.O.). Dass das Grundstück noch in der Eingangsbilanz 1994 mit einem
Quadratmeterpreis von Fr. 15.42 eingesetzt war, steht dem nicht entgegen,
denn ausserordentliche Abschreibungen sind jederzeit und damit auch noch
nachträglich möglich, wenn sich ergibt, dass der tatsächliche Wert eines
Gutes unter dem Buchwert liegt (Känzig, a.a.O., N. 113
in fine zu Art. 22 Abs. 1 lit. b und N. 335 zu Art. 49 Abs. 1
lit. c BdBSt; Agner/Jung/Steinmann, Kommentar zum Gesetz
über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, N. 1 zu Art. 62).

     3.- a) Die Beschwerdeführerin will die Abschreibung vor allem deswegen
nicht zulassen, weil die landwirtschaftlichen Liegenschaften der
Beschwerdegegner insgesamt bereits vor der vorgenommenen Wertberichtigung
unter dem Verkehrswert bilanziert gewesen seien. Sie ist der Auffassung, dass
die Bewertung jeder einzelnen Parzelle eines landwirtschaftlichen Gewerbes
für sich allein nicht richtig sein könne. Bewertungseinheit sei vielmehr die
Gesamtheit der Grundstücke, die zusammen das landwirtschaftliche Gewerbe
bilden. Die Begründung für den bezahlten Kaufpreis sei denn auch darin zu
erblicken, dass das erworbene Land für die Beschwerdegegner effektiv diesen
höheren Wert gehabt habe, weil damit die Abrundung und vor allem die
langfristige Existenzsicherung des Gesamtbetriebs möglich geworden sei. Die
Preisgestaltung habe somit auf einer Gesamtbetrachtung beruht. Unter diesem
Gesichtspunkt sei aber keine Wertberichtigung erforderlich gewesen.
     b) Wie die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren eingeräumt hat,
gilt im schweizerischen Steuerrecht das Prinzip der Einzelbewertung. Danach
ist in der Bilanz jedes einheitliche Wirtschaftsgut für sich zu bewerten und
darf die Wertsteigerung eines Vermögenswertes nicht mit der Entwertung eines
anderen kompensiert werden (Känzig, Die Einzelbewertung des
Geschäftsvermögens nach schweizerischem Steuerrecht, in: Grundfragen des
Unternehmungssteuerrechts, Festgabe Känzig, Basel 1983, S. 153 ff.; Markus
Reich, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Basel 1997, N. 26
zu Art. 8 StHG; Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, Kommentar zum Aargauer
Steuergesetz, Bern 1991, N. 151 zu § 24; Reimann/Zuppinger/Schärrer,
Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Bern 1963, N. 177 zu § 19 lit. b;
Jean-Marc Rivier, La fiscalité de l'entreprise constituée sous forme de
société anonyme, Lausanne 1994, S. 205). Zwar kann eine Gruppenbewertung bei
mehr oder weniger gleichartigen Gütern - etwa bei der Bilanzierung des
Vorratsvermögens - ausnahmsweise zulässig sein. Für hochwertige
Wirtschaftsgüter ist die Einzelbewertung jedoch die Regel und jedenfalls
handels- und steuerrechtlich nicht unzulässig. Insbesondere bildet bei der
Bewertung von Grund und Boden normalerweise die einzelne Bodenparzelle die
Bewertungseinheit (Reimann/Zuppinger/Schärrer, a.a.O.). Daraus ergibt sich,
dass Wertabnahmen, die ausnahmsweise auf einzelnen Parzellen eintreten, nicht
mit Wertzunahmen ausgeglichen werden dürfen, die auf anderen Parzellen
eingetreten sind, kann doch der Steuerpflichtige nicht zur bilanzmässigen
Aufwertung dieser Parzellen gezwungen werden (Känzig, a.a.O., S. 162).
     Nichts anderes kann bei Landwirtschaftsland gelten, zumal sich die
einzelnen Parzellen eines Landwirtschaftsbetriebs hinsichtlich Lage,
Bodenbeschaffenheit, Ertragsfähigkeit usw. wesentlich unterscheiden können.
Davon geht übrigens auch Art. 66 BGBB aus, der für den Erwerb eines einzelnen
landwirtschaftlichen Grundstücks einen Höchstpreis festsetzt, wobei dieser
Preis objektiv, ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit des Grundstücks zu einem
bestimmten Betrieb, ermittelt wird. Dass eine einzelne Parzelle für den
Landwirt im Hinblick auf den Gesamtbetrieb mehr wert sein kann als ihr
Verkehrswert, ändert an der Zulässigkeit der Abschreibung auf den
Verkehrswert nichts. Diese Situation lässt sich entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin nicht mit dem Erwerb einer Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft durch den bisherigen Minderheitsaktionär vergleichen, der
durch den Zukauf einer kleinen Tranche von Aktien zum Mehrheitsaktionär wird
und deshalb bereit ist, dafür einen überhöhten Preis zu bezahlen. Dass in
diesem Fall eine Abschreibung nur möglich ist, wenn der Buchwert der
Gesamtheit der Aktien dem Verkehrswert nicht mehr entspricht, beruht darauf,
dass Aktien der gleichen Gesellschaft, die zur gleichen Kategorie
gehören, Gattungsware darstellen, die zu einem Durchschnittspreis bilanziert
werden. Besitzt der Steuerpflichtige aber Aktien verschiedener
Gesellschaften, darf er den Wertverlust, den er auf den Aktien der einen
Gesellschaft erlitten hat, abschreiben, auch wenn der Verkehrswert des
Aktienportefeuilles insgesamt über dem Buchwert liegt (vgl. das Beispiel bei
Reimann/Zuppinger/Schärrer und Rivier, je a.a.O.). Im vorliegenden Fall
verhält es sich entsprechend, werden doch Grundstücke eines
Landwirtschaftsbetriebs nach dem Gesagten einzeln und nicht zu einem
Durchschnitts-Quadratmeterpreis in die Bilanz aufgenommen.

Lausanne, 25. Januar 2000