Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 310/1997
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H 310/97 Gi

                        III. Kammer

Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiber Hadorn

                 Urteil vom 28. März 2001

                         in Sachen

S.________ Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Sohn
A.________,

                           gegen

Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, Luzern,
Beschwerdegegnerin,
                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

     A.- S.________ sen. und seine Ehefrau waren seit 1992
Mitglieder des Verwaltungsrates der Firma G.________ AG;
Verwaltungsratspräsident war ihr Sohn S.________ jun..
Senior und Junior waren zu zweien kollektiv-zeichnungsbe-
rechtigt; S.________ hatte keine Unterschrift.
     Am 14. März 1994 wurde der Firma eine Nachlassstundung
für vier Monate bewilligt, die später um zwei Monate ver-
längert wurde. Zufolge Verzichts fiel die Nachlassstundung
am 20. Oktober 1994 dahin. Gleichentags wurde über die
Firma der Konkurs eröffnet. Am 19. Dezember 1994 meldete
die Ausgleichskasse beim Konkursamt eine Forderung von

Fr. 123'344.15 an. Nachdem die Kasse vom mit der Konkurs-
verwaltung beauftragen Sachwalterbüro am 10. Mai 1995 er-
fahren hatte, dass die Gläubiger der 2. Klasse aller Vor-
aussicht nach teilweise zu Verlust kommen würden, erliess
sie am 22. Juni 1995 gegenüber S.________ sen. und
S.________ je eine Verfügung, mit der sie für einen Schaden
in der Höhe von Fr. 109'232.15 (AHV/IV/EO/ALV- und FAK-Bei-
träge, einschliesslich Verwaltungs- und Betreibungskosten,
Mahngebühren und Verzugszinsen) als subsidiär und solida-
risch haftend erklärt wurden. S.________ sen. und
S.________ liessen hiegegen Einsprache erheben.

     B.- Am 14. September 1995 reichte die Ausgleichskasse
gegen S.________ sen. und S.________ Klagen ein und ver-
langte von ihnen in solidarischer Haftbarkeit Schadenersatz
in Höhe von Fr. 109'232.15.
     Nach zweimaligem Schriftenwechsel, Beizug der Unter-
lagen der Konkursverwaltung über die finanziellen Einlagen
der Beklagten (wozu sich die Parteien äussern konnten) so-
wie nach Rückzug des in den Klageantworten gestellten An-
trags auf öffentliche Verhandlung und Verfahrensvereinigung
hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Klage
mit Entscheid vom 13. Oktober 1997 teilweise gut und ver-
pflichtete S.________ sen. und S.________, der Ausgleichs-
kasse in solidarischer Haftbarkeit den Betrag von
Fr. 105'159.90 zu bezahlen, wobei es die in der Klage auf-
geführten Beitragsnachzahlungen für 1989 und 1990 als nicht
weiter belegt betrachtete. Angesichts des geringfügigen Ob-
siegens wurde keine Parteientschädigung zugesprochen.

     C.- S.________ sen. und S.________ lassen durch ihren
Sohn S.________ jun. Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben
und beantragen, dass der vorinstanzliche Entscheid vollum-
fänglich aufzuheben sei und sie von jeglicher Schadener-
satzpflicht zu befreien seien; eventualiter sei die Sache
zur Neubeurteilung unter Beizug sämtlicher Geschäftsakten,

die bei der Konkursverwaltung liegen, an die Vorinstanz zu-
rückzuweisen; ferner sei eine öffentliche und mündliche
Verhandlung durchzuführen; dies unter Kosten- und Entschä-
digungspflicht zu Lasten der Kasse.

     D.- Am 2. Oktober 1998 ist S.________ sen. verstorben.
Mit Verfügung vom 20. Januar 1999 wurde S.________ jun.
aufgefordert, die mit "Rechtsanwalt a.D" unterzeichnete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu verbessern, widrigenfalls
darauf nicht eingetreten werden könne. Dieser Aufforderung
ist S.________ jun. am 2. Februar 1999 nachgekommen. In der
Folge legte er eine Erbenbescheinigung der Teilungsbehörde
R.________ vom 2. März 1999 auf, woraus hervorgeht, dass
die Erbschaft von allen Erben ausser S.________, der Toch-
ter K.________ und dem Sohn S.________ jun. ausgeschlagen
wurde; ferner wurde in der Bescheinigung die Ausschlagungs-
frist im Hinblick auf hängige Gerichtsverfahren bis auf
weiteres erstreckt. Am 17. März 1999 teilte S.________ jun.
mit, dass er wie auch seine Schwester K.________ nicht in
das Verfahren eintreten.

     E.- Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialver-
sicherung hat sich nicht vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) S.________ hat aus eigenem Recht Verwaltungsge-
richtsbeschwerde erhoben, nachdem sie von der Vorinstanz im
Umfang von rund Fr. 105'000.- als haftbar erklärt worden
ist. Der Tod ihres Ehemannes hat insofern auf das sie be-
treffende Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungs-
gericht prozessual keinen Einfluss.

     b) Bezüglich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des
verstorbenen S.________ sen. ist Folgendes festzuhalten:
     Wo das OG für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht keine besonderen Bestimmungen enthält,
finden die Vorschriften des BZP Anwendung (Art. 135 in Ver-
bindung mit Art. 40 OG). Dies trifft in Bezug auf den Tod
einer Partei während hängigem Verfahren zu. Nach Art. 6
Abs. 2 BZP ruht in einem solchen Fall das Verfahren von
Gesetzes wegen. Seine Fortsetzung ist zu verfügen, sobald
die Erbschaft nicht mehr ausgeschlagen werden kann oder die
amtliche Liquidation angeordnet ist (Art. 6 Abs. 3 erster
Satz BZP).
     Stirbt eine Partei im Laufe eines Prozesses, so treten
die Erben (Art. 560 ff. ZGB) ohne weiteres in den Prozess
ein. Der Erwerb der Erbschaft ist aber bis zur Erklärung
der Annahme oder bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist re-
solutivbedingt (Tuor/Schnyder, Das Schweiz. Zivilgesetz-
buch, 10. Aufl., S. 481). Erst nach ausdrücklicher Annahme
der Erbschaft oder nach unbenütztem Ablauf der Ausschla-
gungsfrist wird die Erbenstellung definitiv.
     Von den in der Erbenbescheinigung erwähnten Erben ha-
ben alle mit Ausnahme von S.________, ihrer Tochter
K.________ und ihres Sohnes S.________ jun. die Erbschaft
ausgeschlagen (Erbenbescheinigung der Teilungsbehörde
R.________ vom 2. März 1999). Das selbe ergibt sich auch
aus der Eingabe vom 17. März 1999. Gleichzeitig wird in
dieser Eingabe erklärt, dass sowohl K.________ als auch
S.________ jun. nicht in den vorliegenden Prozess eintre-
ten. Daraus folgt, dass jedenfalls S.________ in das ihren
verstorbenen Mann betreffende Verfahren eintritt. Darauf
ist abzustellen, woran nichts ändert, dass die Ausschla-
gungsfrist von der Teilungsbehörde im Hinblick auf hängige
Gerichtsverfahren bis auf weiteres erstreckt worden ist.
Denn es gilt in diesem Zusammenhang noch zu berücksichti-
gen, dass ungeachtet der an sich noch immer möglichen Aus-
schlagung die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde

materiell auf jeden Fall beurteilt werden muss, weil sie
nicht nur vom Verstorbenen, sondern auch von seiner für den
eingeklagten und zugesprochenen Schadenersatz solidarisch
haftenden Ehefrau eingereicht worden ist.

     2.- Wie sich der Aufstellung im vorinstanzlichen Ent-
scheid entnehmen lässt, umfasst die Schadenersatzforderung
auch Beiträge an die Familienausgleichskasse.
     Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit
eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft
Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist
deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang
nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatz-
forderung für entgangene Beiträge an die kantonale Fami-
lienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 119 V 80 Erw. 1b, 118
V 69 Erw. 1b mit Hinweis).

     3.- a) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung
nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versiche-
rungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versiche-
rungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen fest-
gestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104
lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

     b) Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglich-
keit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungs-
gericht neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder
neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend einge-
schränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen
Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes
wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt

(BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinwei-
sen). Diese für neue Beweismittel massgebende Rechtspre-
chung gilt umso mehr, wenn vor dem Eidgenössischen Ver-
sicherungsgericht nicht einmal solche Beweismittel geltend
gemacht, sondern lediglich neue Behauptungen aufgestellt
werden, welche die betreffende Partei ohne weiteres schon
im vorinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können.

     4.- Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, es sei
eine öffentliche und mündliche Parteiverhandlung anzuord-
nen, ist diesem Begehren nicht stattzugeben. Bereits vor
dem kantonalen Gericht hatte die Beschwerdeführerin den
selben Antrag gestellt, diesen jedoch mit Schreiben vom
21. April 1997 vorbehaltlos zurückgezogen. Wie das Eidge-
nössische Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten
Urteil N. vom 26. September 1997 (I 214/97) mit einlässli-
cher Begründung erkannt hat, kann im letztinstanzlichen
Verfahren wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben im
prozessualen Handeln nicht auf einen solchen Verzicht zu-
rückgekommen werden, jedenfalls dann nicht, wenn - wie
vorliegend - gegenüber dem kantonalen Verfahren keine
geänderte Prozesslage vorliegt. Dies gilt umso mehr, als im
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht enge
Kognition herrscht (Erw. 3a hievor), neue Vorbringen somit
grundsätzlich unzulässig sind (Erw. 3b hievor), und nicht
gerügt wird, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfah-
rensbestimmungen festgestellt worden (BGE 120 V 8 Erw. 3c,
119 V 380 Erw. 4b/cc, 117 Ib 129 unten,; vgl. BGE 119 Ia
227 f. Erw. 5a; ferner BGE 119 Ia 318 f. Erw. 2b).

     5.- Die im vorliegenden Fall massgebenden rechtlichen
Grundlagen (Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung
mit Art. 34 ff. AHVV) und die zur subsidiären Haftbarkeit
der Organe (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b) sowie
zur hier in erster Linie interessierenden Haftungsvoraus-
setzung des zumindest grobfahrlässigen Verschuldens (BGE

108 V 186 Erw. 1b, 193 Erw. 2b; ZAK 1985 S. 576 Erw. 2, 619
Erw. 3a) ergangene Rechtsprechung finden sich im kantonalen
Entscheid zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen
werden.

     6.- Die Vorinstanz hat erwogen, die Eltern S.________
hätten die einzelnen Monatsbeiträge mit Nichtwissen be-
stritten, aber die behaupteten Unrichtigkeiten nicht be-
legt, dies entgegen der prozessualen Mitwirkungspflicht der
Parteien. Nicht ausgewiesen habe die Kasse lediglich die
Beiträge, welche den Nachzahlungsverfügungen vom 9. Juli
1993 für 1989 und 1990 zu Grunde lägen. Dies vermindere den
Schadenersatz auf Fr. 105'159.90. Die Eltern S.________
hätten schon 1991 und 1992 Geld in die Firma eingeschossen,
also um die Probleme gewusst; sie hätten wissen müssen,
dass ihre Einlagen für Löhne verwendet worden seien, wes-
halb ihnen hätte klar sein sollen, dass darauf auch ent-
sprechende Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten waren.
Spätestens im Frühjahr 1993 hätten die Eltern S.________
Kenntnis davon erhalten können, dass die Sozialversiche-
rungsbeiträge nicht mehr bezahlt worden seien. Die Firma
hätte die Beiträge sicherstellen müssen und nur so viele
Löhne auszahlen dürfen, als die darauf entfallenden Bei-
träge gedeckt gewesen wären. Die am 14. März 1994 für vier
Monate gewährte und am 12. Juli 1994 um nochmals zwei Mo-
nate verlängerte Nachlassstundung ändere an ihrer Verant-
wortlichkeit nichts, weil alle Rechnungen aus der Zeit
davor stammten. Hätte der Verwaltungsrat damals die richti-
gen Konsequenzen gezogen, wäre der Schaden zumindest ver-
ringert worden. Exkulpations- und Rechtfertigungsgründe
lägen keine vor.

     7.- Hiegegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingewendet, S.________ sen. habe als ehemaliger Polier
keine Kenntnis in Geschäftsführung gehabt, sondern voll auf
den Sohn vertraut, der damals ein Anwaltsbüro geführt habe.

Auch S.________ habe keinerlei Kenntnis in Unternehmensfüh-
rung gehabt, was die Ausgleichskasse zugestanden habe; auch
sie habe voll auf den Sohn vertraut. Sodann hätten die Ehe-
leute S.________ von den AHV-Ausständen nichts gewusst.
Wäre die Lage so schlimm gewesen, dass im Konkurs selbst
die in der 2. Klasse privilegierten Gläubiger (darunter die
AHV) nicht mehr gedeckt gewesen wären, hätte die zuständige
Behörde keine Nachlassstundung bewilligt. Falls der Liqui-
dationserlös nicht ausgereicht haben sollte, die Forderung
der Ausgleichskasse zu begleichen, sei die Sachwalterin
bzw. spätere Konkursverwalterin zu belangen.

     8.- Nach dem in Erw. 1 Gesagten steht im vorliegenden
Verfahren nur noch S.________ am Recht, und zwar zunächst
aus eigenem Recht, war sie doch im vorinstanzlichen Verfah-
ren Beklagte (Erw. 1b). Hinzu kommt, dass sie auch als Er-
bin ihres verstorbenen Mannes am Verfahren teilnimmt, hat
sie einerseits die Erbschaft nicht ausgeschlagen und hat -
anders als die Tochter - nicht erklärt, sie wolle nicht in
das Verfahren eintreten.
     Zu prüfen ist damit einerseits die Verantwortlichkeit
von S.________ als Organ der AG, anderseits diejenige ihres
verstorbenen Mannes, für dessen Verantwortlichkeit sie als
Erbin einzustehen hat.

     9.- a) Die Vorinstanz hat in für das Eidgenössische
Versicherungsgericht verbindlicher Weise (Erw. 3a hievor)
festgestellt, dass die Eheleute S.________ bereits 1991 und
1992 beachtliche Summen in die Firma gesteckt und verschie-
dentlich Löhne aus dem eigenen Vermögen bezahlt haben. In
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht,
was diese Feststellungen als bundesrechtswidrig erscheinen
liesse. Demnach hätten sich die Eheleute S.________ in der
Tat bewusst sein müssen, dass die Firma in finanziellen
Schwierigkeiten steckte. Soweit sie Löhne privat bezahlten,
musste ihnen entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
klar sein, dass die dazu gehörenden Sozialversicherungs-
beiträge ebenfalls zu begleichen waren. Wie die Eheleute

S.________ in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde selber ein-
räumen, hatten sie trotzdem einfach ihrem Sohn vertraut,
ohne sich selber eingehend mit den Firmenbüchern zu be-
fassen. Auf Grund ihrer Stellung als formelle Verwaltungs-
räte hatten sie jedoch ungeachtet der familienrechtlichen
Bande die mit ihren Mandaten verbundenen gesetzlichen
Pflichten wahrzunehmen. Dazu gehört vorab die unübertrag-
bare und unentziehbare Oberaufsicht über die mit der Ge-
schäftsführung betrauten Personen (Art. 716 Abs. 1 Ziff. 5
OR; vgl. auch Art. 717 Abs. 1 OR). Gerade die Verkennung
solcher Pflichten ist grobfahrlässig im Sinne von Art. 52
AHVG (ZAK 1992 S. 254 Erw. 7b). Die Eheleute S.________
weisen keinerlei Vorkehren nach, mit welchen sie ihre Ob-
liegenheiten wahrgenommen hätten. Eine solche Passivität
ist grobfahrlässig (ZAK 1989 S. 104). Die Rechtsprechung
verlangt gerade auch von faktisch von der Geschäftsführung
ausgeschlossenen Verwaltungsräten und von Personen, die
sich bloss als Strohmänner zur Verfügung stellen, dass sie
sich ernsthaft um die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflich-
ten bemühen (jüngst bestätigt im nicht veröffentlichten
Urteil T. vom 21. November 2000, H 37/00). Dem sind die
Eheleute S.________ nicht nachgekommen. Dass S.________
nicht unterschriftsberechtigt war, ändert an ihrer formel-
len Organstellung und den damit verbundenen Pflichten
nichts.

     b) Nach der Rechtsprechung darf ein Betrieb nur so
viel Lohn auszahlen, dass die darauf entfallenden Sozial-
versicherungsbeiträge gedeckt sind (SVR 1995 AHV Nr. 70
S. 214). Auch dem haben die Eheleute S.________ nicht nach-
gelebt. Das Einschiessen von Geld aus der eigenen Tasche
genügt als Exkulpationsgrund nicht (nicht veröffentlichte
Urteile L. vom 1. Oktober 1998, H 235/97, und G. vom
16. April 1998, H 193/96).

     c) Die richterlich bewilligte Nachlassstundung hat für
sich allein keinen Einfluss auf die Pflicht zur rechtzeiti-

gen Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge. Für das
Verschulden massgebend sind nach wie vor die Umstände,
welche zu den Beitragsrückständen geführt haben (BGE 124 V
255 Erw. 3b).

     d) Dass die Eheleute S.________ die Jahresabrechnung
für 1993 nie gesehen haben wollten, ist eine neue Tatsa-
chenbehauptung, die im vorliegenden Verfahrensstadium wegen
des Novenverbots (Erw. 3b hievor) nicht mehr vorgebracht
werden kann. Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwiefern die-
ses Argument entlastend sein sollte. Die Eheleute
S.________ wären vielmehr verpflichtet gewesen, sich um den
Erhalt einer Kopie dieser Jahresabrechnung zu bemühen. Sol-
ches ist nicht dargetan. Gleiches gilt für die langen Aus-
führungen zur Vorgeschichte der in Konkurs gefallenen Fir-
ma: Soweit die entsprechenden Darlegungen nicht unzulässige
Noven darstellen, sind sie nicht geeignet, zu belegen, dass
sich die Eheleute S.________ ausreichend um ihre Pflichten
als Verwaltungsratsmitglieder gekümmert haben. Rechtspre-
chungsgemäss haften Verwaltungsräte auch für Ausstände, die
beim Antritt des Mandates schon vorhanden waren (BGE 123 V
172 Erw. 3b; ZAK 1992 S. 254 f. Erw. 7b). Im Übrigen werden
keine andern konkreten und energischen Massnahmen geltend
gemacht, mit welchen versucht worden wäre, die ausstehenden
Beiträge innert nützlicher Zeit zu begleichen. Fehlen somit
stichhaltige Exkulpations- und Rechtfertigungsgründe, hat
die Vorinstanz die Haftung der Eheleute S.________ wegen
grobfahrlässigem Verhalten im Sinne von Art. 52 AHVG zu
Recht bejaht.

     10.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e
contrario). Die unterliegende S.________ hat daher die Ge-
richtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die von ihr
beantragte unentgeltliche Prozessführung kann gewährt wer-
den, da die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind
(BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b). S.________ wird
jedoch darauf hingewiesen, dass sie dem Gericht Ersatz

zu leisten haben wird, falls sie dereinst hiezu im Stande
sein sollte (Art. 152 Abs. 3 OG). Trotz Gewährung der un-
entgeltlichen Prozessführung gebührt dem Vertreter von
S.________ keine Parteientschädigung, da er nicht mehr das
Recht hat, als Anwalt vor Gericht aufzutreten.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, so-
     weit darauf einzutreten ist.

 II. Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden der Beschwer-
     deführerin auferlegt. Zufolge Gewährung der unent-
     geltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die
     Gerichtskasse genommen.

III. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrecht-
     liche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialver-
     sicherung zugestellt.

Luzern, 28. März 2001

                   Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der III. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: