Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.669/1996
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         6S.669/1996/odi

                         K A S S A T I O N S H O F
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                               20. Mai 2000

         Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth,
         Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider,
         Wiprächtiger, Kolly, Bundesrichterin Escher und Gerichts-
         schreiber Briw.

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                                 In Sachen

         H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
         anwalt Dr. Adrian Hinderling, Börsenstrasse 16, Zürich,

                                   gegen

         Staatsanwaltschaft des Kantons  Z ü r i c h,

                                betreffend
                   mehrfaches Bestechen (Art. 288 StGB);
            verjährungsrechtliche Einheit (Art. 71 Abs. 2 StGB)
         (Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
         des Kantons Zürich [II. Strafkammer] vom 19. April 1996
         [S2/U/SB950674/jv]),

         hat sich ergeben:

              A.- H.________ wurde angeklagt, auf Empfehlung des
         Beamten X.________ im Frühsommer 1987 dreizehn und im
         Sommer 1987 weitere neunzehn Bilder des verstorbenen Va-
         ters des Beamten zu massiv übersetzten Preisen übernommen
         zu haben, und zwar in der Absicht, bei anstehenden oder
         zukünftigen Bewilligungsverfahren bevorzugt behandelt zu
         werden. In der gleichen Absicht habe er dem Beamten bei
         einem Liegenschaftskauf eine Provision zukommen lassen
         (vgl. Urteil des Obergerichts S. 9).

              B.- Das Bezirksgericht Zürich bestrafte H.________
         am 21. August 1995 wegen mehrfachen Bestechens (Art. 288
         StGB) mit 15 Monaten Gefängnis bedingt und Fr. 40'000.--
         Busse.

                 Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am
         19. April 1996 das Urteil des Bezirksgerichts.

                 Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am
         12. Januar 1999 eine Nichtigkeitsbeschwerde von
         H.________ ab, soweit es darauf eintrat.

              C.- H.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbe-
         schwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts auf-
         zuheben und ihm eine Entschädigung zuzusprechen.

              D.- Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet
         auf eine Stellungnahme.

                   Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

              1.- Gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB beginnt die Verjäh-
         rung, wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschie-
         denen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte
         Tätigkeit ausführt.

                 a) Die frühere Rechtsprechung beurteilte diese
         Verjährungsfrage nach den Voraussetzungen des fortgesetz-
         ten und des gewerbsmässigen Delikts (BGE 117 IV 408
         E. 2f/aa); sie fasste mehrere gleichartige oder ähnliche
         strafbare Handlungen rechtlich zu einer Tateinheit zusam-
         men, wenn sie gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet waren
         und auf ein und denselben Willensentschluss zurückgingen
         (BGE 102 IV 74 E. 2a). Die neuere Rechtsprechung beur-
         teilt diese Frage gesondert und nach objektiven Krite-
         rien; ein Gesamtvorsatz fällt ausser Betracht (BGE 117 IV
         408 E. 2f/bb). Verschiedene strafbare Handlungen bilden
         eine Einheit gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB, wenn sie gleich-
         artig und gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind und -
         ohne dass bereits ein Dauerdelikt im Sinne von Art. 71
         Abs. 3 StGB gegeben wäre - als ein andauerndes pflicht-
         widriges Verhalten zu betrachten sind. Das ist nach dem
         Sinn und Zweck der Verjährungsordnung im Einzelfall zu
         beurteilen. Dabei werden die konkreten Umstände des Sach-
         verhalts bedeutsam (vgl. Pieth, Die verjährungsrechtliche
         Einheit gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB bei Bestechungsdelik-
         ten, BJM 1996 S. 63 f. bezüglich BGE 120 IV 6 E. 2c/cc).
         Es ist im Blick auf den konkreten Sachverhalt zu ent-
         scheiden, nicht in abstrakter Betrachtungsweise (wie noch
         in BGE 118 IV 309 E. 2c S. 318 betr. Art. 316 StGB: "Ac-
         cepter un avantage est un fait ponctuel, non pas une si-
         tuation qui se prolonge dans le temps"). In jedem Fall
         muss eine andauernde Pflichtverletzung vom Straftatbe-

         stand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst sein
         (BGE 117 IV 408 E. 2f/bb; ausführlich BGE 120 IV 6 E. 2b
         und c; 124 IV 5 E. 2b).

                 b) Nach diesen Kriterien ist die Annahme einer
         verjährungsrechtlichen Einheit auch bei Bestechungshand-
         lungen (Art. 288 StGB) möglich (vgl. Pieth, Bestechung
         schweizerischer und ausländischer Beamter, FS Rehberg,
         Zürich 1996, S. 245 f.; Trechsel, Schweizerisches Straf-
         gesetzbuch, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 315 N 8a; Marco
         Balmelli, Die Bestechungstatbestände des schweizerischen
         Strafgesetzbuches, Basler Diss., Bern 1996, S. 264 f.;
         Rolf Kaiser, Die Bestechung von Beamten unter Berücksich-
         tigung des Vorentwurfes zur Revision des schweizerischen
         Korruptionsstrafrechtes, Zürcher Diss., Zürich 1999,
         S. 305). Wie die Vorinstanzen angenommen haben, wird es
         hier vor allem auf die konkrete Beziehung zwischen Beste-
         chendem und Bestochenem sowie auf die Höhe der Zahlungen,
         die Häufigkeit und die zeitliche Verteilung von Leistung
         und Gegenleistung sowie die Intensität zwischenzeitlicher
         Kontakte ankommen (Pieth, a.a.O.). Damit werden auch
         langfristig angelegte Bestechungshandlungen erfasst, doch
         muss die bezweckte Amtshandlung bestimmbar sein (Kaiser,
         a.a.O., S. 306 f.). Eine Bestechung ist etwa dann auf
         Dauer angelegt, wenn der Täter ein Beziehungsgeflecht
         aufbaut und unterhält, nach einem eingespielten Tatsystem
         handelt und geschaffene Abhängigkeitsverhältnisse aus-
         nützt (Balmelli, a.a.O., S. 266). Dabei sind zusammenhän-
         gende Abläufe nicht derart in Teilsequenzen zu zerschnei-
         den, dass ihre wahre Bedeutung nicht mehr wahrgenommen
         werden kann (Pieth, a.a.O.; Kaiser, a.a.O., S. 306).

                 c) In casu richteten sich alle Tathandlungen des
         Beschwerdeführers gegen das gleiche Rechtsgut, betrafen
         denselben Rechtsgutträger und waren in der Begehungsweise
         gleichartig. Die Zahlungen von 1987 betrafen die erste

         Lieferung von Bildern des Frühsommers 1987; die letzte
         Zahlung im November 1988 bezog sich auf die Lieferung von
         Bildern des Sommers 1987. Der Beschwerdeführer anerkann-
         te, dass mit diesen Zahlungen nicht ausschliesslich die
         Gegenleistung für den Erwerb der Bilder erbracht werden
         sollte. Er räumte ein, erwartet zu haben, der Beamte wür-
         de sich bemühen, ihn "beförderlich" zu behandeln, "ir-
         gendwann besser" zu behandeln. Es ging ihm darum, diesen
         während des ganzen Zeitraums "bei Laune zu halten", ihm
         durch neue Zahlungen ein "Zückerchen" zu geben, um ihn
         sich gewogen zu stimmen (angefochtenes Urteil S. 15 und
         16). Er zögerte die Zahlung der zweiten Lieferung hinaus,
         was zu Mahnungen führte, die hinwiederum Ratenzahlungen
         des Beschwerdeführers bewirkten. Wie er in seiner Be-
         schwerdeschrift ausführt, geriet er in eine Abhängigkeit
         ausgerechnet gegenüber jenem Beamten, der für die wirt-
         schaftspolizeilichen Bewilligungen zuständig war, deren
         er immer wieder bedurfte. Der Beschwerdeführer erklärte
         zudem, der Beamte habe unterschwellig klar machen können,
         dass man ihn nun treffen müsse, habe so seine Macht aus-
         gespielt und "auf eine solche Weise gesprochen", dass man
         schon aus seinen Andeutungen gewusst habe, was er wolle.
         Eine Verstärkung erfuhr diese Bindung über die vom Beam-
         ten eingefädelten Verhandlungen über den Verkauf einer
         Liegenschaft. Die Vorinstanz verweist schliesslich auf
         die erheblichen Summen, die der Beschwerdeführer dem Be-
         amten zukommen liess.

                 Es ist in tatsächlicher Hinsicht von einem län-
         gerfristig angelegten, sich infolge der beidseitigen
         Funktionen gewissermassen selbständig am Leben erhal-
         tenden und erneuernden und dadurch komplexer werdenden
         Beziehungsverhältnis auszugehen. Die bezweckten Amtshand-
         lungen sind denn auch als Bewilligungshandlungen im Rah-
         men einer vielschichtigen und nicht immer durchsichtigen
         Gewerbepolizeigesetzgebung mit relativ weiten Ermessens-

         spielräumen eindeutig bestimmbar. Der Beschwerdeführer
         hatte mit dem Beamten über die Bilderkäufe im Hinblick
         auf dafür erwartete günstige Bearbeitungen seiner Bewil-
         ligungsgesuche ein zielgerichtetes Beziehungsgeflecht
         aufgebaut. Es entstanden dadurch gegenseitige Abhängig-
         keitsverhältnisse. Diese Bindung wurde durch die vom
         Beamten eingefädelten Vertragsverhandlungen über den
         Liegenschaftskauf zusätzlich verflochten. Die Vorinstanz
         nimmt daher zu Recht eine verjährungsrechtliche Einheit
         im Sinne von Art. 71 Abs. 2 StGB an.

              2.- Des Bestechens im Sinne von Art. 288 StGB macht
         sich unter anderem schuldig, wer einem Beamten ein Ge-
         schenk oder einen Vorteil anbietet, verspricht, gibt oder
         zukommen lässt, damit er seine Amts- oder Dienstpflicht
         verletze.

                 a) Art. 288 StGB setzt voraus, dass die Zuwen-
         dung erfolgt, um den Beamten zur Verletzung einer Amts-
         oder Dienstpflicht zu veranlassen. Es genügt, dass der
         Bestechende im Sinne des dolus eventualis annimmt, der
         Beamte rechne möglicherweise mit dem Vorteil und lasse
         sich allenfalls dadurch beeinflussen. Erfolg muss er mit
         seinem Vorhaben beim Beamten nicht haben, weil Art. 288
         StGB die Reaktion des Beamten auf das Ansinnen des Täters
         nicht erfasst (BGE 100 IV 56 E. 2a). Der Tatbestand der
         aktiven Bestechung (Art. 288 StGB) kann auch dann erfüllt
         sein, wenn keine passive Bestechung vorliegt (Art. 315
         StGB).

                 Die vom Bestechenden angestrebte Pflichtverlet-
         zung muss nicht durch eine Amtshandlung erfolgen (BGE 72
         IV 179 E. 2 S. 183); es genügt, dass der Vorteil den Be-
         amten überhaupt zu einer Verletzung der Amtspflicht ver-
         anlassen soll (BGE 77 IV 39 E. 2 S. 49; vgl. Rehberg,

         Strafrecht IV, 2. Auflage, Zürich 1996, S. 291). Die Be-
         einflussung braucht auch nicht hinsichtlich einer be-
         stimmten einzelnen Amtshandlung zu erfolgen; es reicht
         die Absicht aus, den Beamten allgemein für die Zukunft zu
         einer dem Versprechenden günstigen Geschäftserledigung zu
         veranlassen (BGE 71 IV 139 E. 3 S. 147 betr. Art. 316
         StGB). Dabei muss zwischen der Vorteilsgewährung und dem
         zukünftigen Verhalten des Beamten ein genügender Zusam-
         menhang bestehen (BGE 118 IV 309 E. 2a), ein gewisser-
         massen rechtsgeschäftlicher Zusammenhang zwischen Amts-
         handlung und Vorteil (Daniel Jositsch, Der Tatbestand des
         Anfütterns im Korruptionsstrafrecht, ZStrR 118/2000
         S. 53, 55). Die Gegenleistung muss bestimmbar sein
         (Pieth, Bestechung, S. 243; Trechsel, a.a.O., Art. 288
         N 5a). Als verbotenes Verhalten können auch eine verzö-
         gernde (Balmelli, a.a.O., S. 194; Kaiser, a.a.O., S. 226)
         oder dilatorische Behandlung oder das Unterlassen einer
         Amtshandlung in Betracht fallen (Rudolf Gerber, Zur An-
         nahme von Geschenken durch Beamte des Bundes, ZStrR 96/1979 S. 243,
251). Hingegen sind nach geltendem Recht
         Sachverhalte wie das blosse "Anfüttern" oder die reine
         "Klimapflege" nicht strafbar (vgl. Botschaft über die Än-
         derung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Mi-
         litärstrafgesetzes [Revision des Korruptionsstrafrechts]
         sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen
         über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amts-
         träger im internationalen Geschäftsverkehr vom 19. April
         1999, BBl 1999 VI 5497, S. 5509).

                 b) Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer
         habe die finanziellen Zuwendungen X.________ immer im Be-
         streben zukommen lassen, den Beamten zu einer partei-
         ischen Bearbeitung seiner Bewilligungsgesuche zu veran-
         lassen (angefochtenes Urteil S. 15). In ihrer Gesamtheit
         deuteten diese Vorgänge, die untereinander in einem engen
         sachlichen Zusammenhang stünden, darauf hin, dass alle

         Zahlungen in der Absicht ergangen seien, den Beamten ge-
         wogen und parteiisch zu halten (angefochtenes Urteil
         S. 22). Er habe die insgesamt 32 Bilder eines Malers,
         dessen Werke sich an nationalen und internationalen Auk-
         tionen als geradezu unverkäuflich erwiesen hätten, zu ob-
         jektiv massiv übersetzten Preisen erworben; nach Abzug
         der Bilderwerte bleibe eine Summe von ca. Fr. 330'000.--,
         die er dem Beamten in Bestechungsabsicht habe zukommen
         lassen (angefochtenes Urteil S. 25, 27). Es helfe dem Be-
         schwerdeführer nicht, wenn die erlangten Bewilligungen im
         Ergebnis nicht zu beanstanden seien. Es sei ausreichend,
         dass er die Erwartung gehabt habe, den Beamten durch sei-
         ne Zahlungen zu einem parteiischen Verhalten zu bewegen
         (angefochtenes Urteil S. 27).

                 c) Ein blosses "Günstigstimmen" zwecks einer be-
         förderlichen, speditiven Erledigung erfüllt den Tatbe-
         stand noch nicht. Doch sind Günstigstimmen und Erstreben
         einer parteiischen Amtstätigkeit entgegen der Beschwerde-
         schrift nicht synonyme Bestrebungen. Zu Recht hält die
         Vorinstanz für ausreichend, dass der Beschwerdeführer die
         Erwartung hatte, den Beamten durch seine Zahlungen zu ei-
         nem parteiischen Verhalten zu bewegen (angefochtenes Ur-
         teil S. 27). Eine von sachfremden Erwägungen geleitete
         und damit pflichtwidrige Amtsausübung erfüllt den Tatbe-
         stand (vgl. Balmelli, a.a.O., S. 190 f.; Kaiser, a.a.O.,
         S. 222 f.), wie auch eine im Ermessen des Amtsträgers
         liegende Handlung pflichtwidrig sein kann (Trechsel,
         a.a.O., Art. 288 N 5). Die Vorinstanz legt eine eindeuti-
         ge, darauf hinzielende Erwartungshaltung des Beschwerde-
         führers dar, der Beamte lasse sich über die finanziellen
         Vorteile zu einer parteiischen Amtsführung bestimmen. Sie
         bejaht den Bestechungsvorsatz auf Grund des Sachverhalts
         zu Recht. Der Schuldspruch verletzt somit kein Bundes-
         recht.

              3.- Die Nichtigkeitsbeschwerde ist abzuweisen. Der
         Beschwerdeführer trägt die Kosten (Art. 278 BStP).

                    Demnach erkennt das Bundesgericht:

              1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

              2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Be-
         schwerdeführer auferlegt.

              3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
         Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (II. Strafkammer)
         des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
                              ______________

         Lausanne, 20. Mai 2000

                       Im Namen des Kassationshofes
                    des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                              Der Präsident:

                          Der Gerichtsschreiber: