Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 V 46



99 V 46

16. Auszug aus dem Urteil vom 12. Februar 1973 i.S. Meier gegen
AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des
Kantons Zürich Regeste

    Anmeldung bei der Invalidenversicherung (Art. 46 und 60 IVG).
Damit wahrt der Versicherte alle seine gegenwärtigen Leistungsansprüche,
sofern das, was er meldet, wenigstens den Schluss erlaubt, sie könnten
ihm zustehen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach der Rechtsprechung zu Art. 46 IVG wahrt ein Versicherter
mit der Anmeldung an die Invalidenversicherungs-Kommission grundsätzlich
alle seine zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Versicherung bestehenden
Leistungsansprüche, auch wenn er diese im Anmeldeformular nicht im
einzelnen angibt (EVGE 1964 S. 189, 1962 S. 342). Zu dieser Rechtsprechung
hat das Gesamtgericht mit Beschluss vom 13. November 1972 präzisierend
ausgeführt, dieser Grundsatz finde jedenfalls keine Anwendung für
Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit den sich aus den Angaben des
Versicherten ausdrücklich oder sinngemäss ergebenden Begehren stünden
und für welche auch keinerlei aktenmässige Anhaltspunkte die Annahme
erlauben würden, sie könnten ebenfalls in Betracht fallen. Denn die
Abklärungspflicht der Invalidenversicherungs-Kommission (vgl. Art. 60
Abs. 1 IVG) erstrecke sich trotz des erwähnten Grundsatzes nicht
auf alle überhaupt möglichen Leistungsansprüche, sondern nur auf die
vernünftigerweise mit dem vorgetragenen Sachverhalt und allfälligen
bisherigen oder neuen Akten in Zusammenhang stehenden Leistungen. Mache
der Versicherte später geltend, er habe auf eine weitere Leistung Anspruch
als die ihm verfügungsmässig zugesprochenen oder verweigerten und er habe
sich hiefür bereits gemeldet, so ist nach den gesamten Umständen des
Einzelfalles im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben zu prüfen,
ob jene frühere - unpräzise - Anmeldung schon den später substanziierten
Anspruch umfasse. Ist dies zu verneinen, so können Leistungen nur
im Rahmen der 12 Monate, die der erneuten Anmeldung vorangehen,
gemäss Art. 48 Abs. 2 IVG rückwirkend zugesprochen werden; erscheint
dagegen die frühere Anmeldung als hinreichend substanziiert, so ist die
fünfjährige Verwirkungsfrist seit dieser Anmeldung massgebend. In jedem
Falle bleibt Satz 2 der genannten Bestimmung vorbehalten (Unkenntnis des
anspruchsbegründenden Sachverhaltes).

    b) Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanz und das Bundesamt ohne
weitere Begründung auf die erste Anmeldung vom 9. Mai 1968 abgestellt in
der Annahme, der Rentenanspruch sei schon damals angemeldet worden. Der
Beschwerdeführer hat auf dem Einlageblatt zu jener Anmeldung die
anbegehrten Leistungen nicht im einzelnen angegeben. Offensichtlich wollte
er damit alle ihm damals von Gesetzes wegen zustehenden Ansprüche geltend
machen. Mit der neuen Anmeldung vom 23. Februar 1970 verlangte er dagegen
ausdrücklich und ausschliesslich die Zusprechung einer Rente. Deshalb
erhebt sich die Frage, ob die Invalidenversicherungs-Kommission schon
anlässlich der ersten Anmeldung Anlass gehabt hätte, anzunehmen, es
würde auf Grund des gemeldeten Sachverhaltes ausser der Abgabe eines
Lendenmieders als Hilfsmittel auch ein Rentenanspruch in Betracht
fallen. Gottlieb Meier bemerkte zu seiner damaligen Anmeldung, er habe
bisher sein Leiden auf sich genommen, jetzt gehe es aber nicht mehr; er
habe sich am 8. Mai 1968 in die Klinik Balgrist begeben. In der Anamnese
des Arztberichtes vom 4. Juli 1968 wird festgehalten, der Patient habe über
Zunahme der Schmerzen geklagt, er könne nur noch drei Stunden stehen und
auch nicht mehr lange sitzen. Der Arzt hielt dann allerdings Gottlieb Meier
auf Grund der einmaligen Untersuchung nicht für arbeitsunfähig. Dagegen
hat die Invalidenversicherungs-Kommission damals keinerlei Erhebungen über
die persönlichen und erwerblichen Verhältnisse des Leistungsansprechers
vorgenommen. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden,
ein Rentenanspruch habe damals im vorneherein ausgeschlossen werden
können. Ebensowenig kann in der Verfügung, es sei Gottlieb Meier ein
Hilfsmittel abzugeben, eine stillschweigende Verweigerung der Rente oder
in der Nichtanfechtung jener Verfügung durch den Versicherten ein Verzicht
auf die Rente erblickt werden. Somit sind die Vorinstanz und das Bundesamt
zu Recht davon ausgegangen, der Rentenanspruch Gottlieb Meiers sei bereits
am 9. Mai 1968 zur Anmeldung gelangt.