Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 II 401



99 II 401

57. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1973
i.S. SADEC, Aktiengesellschaft für chemische Unternehmungen gegen
Dr. Schieffer, Arzneimittelgesellschaft mbH Regeste

    Markenrecht.

    Schutzfähigkeit der Marke "Biovital". Die ungewöhnliche Verbindung
zweier an sich gemeinfreier Zeichen kann eine schutzfähige Marke
bilden. Keine Sachbezeichnung liegt vor, wenn eine Wort bloss mit Hilfe
der Phantasie auf die Beschaffenheit, Herkunft oder Zweckbestimmung einer
Ware schliessen lässt (Erw. 1).

Sachverhalt

    A.- Die Dr. Schieffer-Arzneimittel-Gesellschaft mbH & Co. ist Inhaberin
der am 7. Juli 1955, mit deutscher Priorität, eingetragenen internationalen
Wortmarke Nr. 186 057 "Biovital" für "Médicaments, produits chimiques pour
la médecine et l'hygiène, drogues pharmaceutiques, emplâtres, étoffes
pour pansements, produits pour la destruction d'animaux et de végétaux,
désinfectants, produits pour conserver les aliments".

    Die SADEC Aktiengesellschaft für chemische Unternehmungen hinterlegte
am 15. April 1971 die unter Nr. 252 885 registrierte schweizerische
Wortmarke "FERO-VITAL" für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische
Erzeugnisse sowie Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische
Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandsmaterial;
Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke;
Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von Unkraut und schädlichen
Tieren".

    In der Folge forderte die Firma Dr. Schieffer durch ihren
schweizerischen Anwalt die SADEC Aktiengesellschaft auf, die Marke
"FERO-VITAL" wegen Verwechslungsgefahr zu löschen. SADEC lehnte dieses
Ansinnen ab.

    B.- Daraufhin klagte die Firma Dr. Schieffer im Juni 1972 gegen die
SADEC Aktiengesellschaft mit den Begehren:

    "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Schweizer Marke Nr. 242
885 FERO-VITAL der Beklagten nichtig ist.

    2. Es sei der Beklagten unter Androhung von Haft oder Busse gemäss
Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall an ihre Organe zu verbieten, die
Bezeichnung FERO-VITAL im Zusammenhang mit dem Anbieten, Verkaufen oder
Inverkehrbringen von pharmazeutischen Erzeugnissen zu gebrauchen."

    Das Kantonsgericht Nidwalden hiess die Klage am 10. Mai 1973 gut.

    C.- Die Beklagte legte Berufung an das Bundesgericht ein. Sie beantragt
Abweisung der Klage. Die Klägerin schliesst auf Bestätigung des kantonalen
Entscheides.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte hält an der Einrede fest, die Wortverbindung
"Biovital" sei nicht schutzfähig, weil sie keine unterscheidende Kraft
habe; sie setze sich aus zwei Wörtern des allgemeinen Sprachgebrauchs
zusammen und sei daher Gemeingut.

    a) Zeichen, die als Gemeingut anzusehen sind, geniessen den
Markenschutz nicht (Art. 3 Abs. 2, 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG). Das gilt
für Wörter, die in einem so engen Zusammenhang zur Ware stehen, dass
sie unmittelbar auf deren Herkunft, Zweckbestimmung oder Eigenschaften
hinweisen, also Sachbezeichnungen sind und als solche die erforderliche
Kennzeichnungs-und Unterscheidungskraft nicht besitzen (BGE 96 I
250, 755, 96 II 249, 95 I 478 f., 94 I 76, 93 II 263 f., 91 I 357;
DAVID, Kommentar 2. Aufl. zu Art. 3 MSchG N. 18 ff.; TROLLER,
Immaterialgüterrecht II. Aufl. I S. 347 ff.). Eine Marke ist jedoch
nicht schon dann Gemeingut, wenn sie ein gemeinfreies Element enthält,
sondern nur dann, wenn sie als Ganzes auf die Beschaffenheit oder Herkunft
der Ware hinweist (BGE 96 II 250, 88 II 380). Fehlt ein solcher Hinweis,
so kann auch die ungewöhnliche Verbindung zweier an sich gemeinfreier
Zeicher eine schutzfähige Marke bilden (DAVID, aaO N. 19, 20 und 22).

    b) Der Ausdruck "Bio..." stammt aus dem Griechischen. Er wird
verwendet als Bestimmungswort von Zusammensetzungen mit der Bedeutung
"Lebens..." oder "lebens..." und erscheint in zahlreichen Verbindungen,
von Bioastronautik über u.a. Biochemie, Biodynamik, Biographie, Bioklima,
Biologie, Biometrik, Biopsychismus, Biorhythmen, Biosoziologie, Biosphäre,
Biotechnik bis biozentrisch. "Vital" anderseits ist lateinischen Ursprungs
und bedeutet lebensvoll, lebenswichtig, lebenskräftig, für das Leben
kennzeichnend, das Leben betreffend, unternehmungslustig (vgl. unter den
entsprechenden Stichwörtern im Brockhaus Enzyklopädie, Der grosse Herder,
Meyers Enzyklopädisches Lexikon bzw. Vorauslexikon dazu). Beide Wörter
sind in die schweizerischen Landessprachen eingegangen und je für sich
und in Zusammensetzungen der erwähnten Art gebräuchlich und verständlich.

    c) Massgebend ist nach dem Gesagten nicht, ob die Markenbestandteile
"Bio" und "vital" je einzeln gemeinfrei seien. Zu beurteilen ist die
Wortverbindung insgesamt. Sie ergibt einen originellen Pleonasmus, indem
kein Wort das andere präzisiert, und der keinen klaren Sinn ergibt, gerade
deshalb besticht und dadurch kennzeichnend wirken kann. Abgesehen davon,
dass sie ungebräuchlich ist, enthält sie keine unmittelbare Angabe über
Zweckbestimmung, Beschaffenheit oder Eigenschaften der Waren, die sie
kennzeichnet. Das Warenverzeichnis der Klägerin umfasst medizinische,
pharmazeutische, hygienische Produkte sowie Schädlingsvertilgungs-,
Desinfektions- und Konservierungsmittel. Es könnte ebenso gut noch weitere
ähnliche oder andere Erzeugnisse einschliessen, etwa Nahrungsmittel, wie
sie in sogenannten Reformhäusern angeboten werden, Mittel zur Erhaltung
oder Hebung körperlicher Leistungsfähigkeit usw. Die genannten Waren mögen
einen engeren oder weiteren Zusammenhang mit "Leben" oder "Beleben" haben,
der jedoch durch die Wortverbindung "Biovital" nicht konkret, sondern
bloss andeutungsweise aufgezeigt wird. Anspielungen, die bloss entfernt,
mit Hilfe besonderer Phantasie auf die Beschaffenheit, Herkunft oder
Zweckbestimmung einer Ware schliessen lassen, sind indessen nicht Gemeingut
nach Art. 3 Abs. 2 MSchG (BGE 98 II 144 und dort erwähnte Entscheide).

    Zu diesem Ergebnis gelangt man, ohne sich auf die Meinung der im
Kantonsgericht vertretenen Laienrichter zu stützen. Die Kritik der
Beklagten, die Vorinstanz sei nicht aus "sachverständigen Laien für
Stärkungsmittel zusammengesetzt", stösst daher ins Leere. Abgesehen davon,
geht es nicht allein um Stärkungsmittel, die im Warenverzeichnis nicht
ausdrücklich aufgeführt sind und auf die die Marke so wenig wie auf andere
Erzeugnisse unmittelbar hinweist. Im übrigen ist für die Bewertung einer
Marke nicht die Auffassung des durchschnittlichen Verbrauchers massgebend,
den das Kantonsgericht in seinen Laienrichtern vertreten sieht. Ein
Wort ist schon dann nicht mehr als Marke zu schützen, wenn nur ein
bestimmter Kreis, z.B. die Fachleute, es allgemein zur Bezeichnung einer
bestimmten Ware verwendet (BGE 96 I 755 und dort erwähnte Entscheide). Ob
das zutrifft, ist Tatfrage (BGE 96 II 261). Die Beklagte behauptet nicht,
sie habe im kantonalen Verfahren ein abweichendes Fachverständnis behauptet
und dafür Beweis angeboten. Sie kann aus BGE 91 I 357 und Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG nichts für sich ableiten. Um einen im Gemeingut stehenden
wesentlichen Markenbestandteil im Sinne des Gesetzes und jenes Entscheides
handelt es sich bei "Biovital" nicht. Ebensowenig hilft ihr der Hinweis
auf BGE 84 II 225, mit dem die beiden Weinmarken "trois plants" und "deux
plants" ihres bestimmten und unmittelbar erkennbaren Gehaltes wegen als
Sachbezeichnung beurteilt wurden. Anders als beispielsweise die für ein
ähnliches Warenverzeichnis gewählte und nicht als schutzfähig erklärte
Marke "Enterocura" (BGE 96 I 752 ff) hat "Biovital" keinen spezifischen
Sinn. Sie gehört als Ganzes im Unterschied zu ihren Bestandteilen in
keiner Landessprache zum allgemeinen Wortschatz.

    d) Die Marke "Biovital" der Klägerin ist nicht deshalb Gemeingut,
weil Dritte ihre Bestandteile in Marken für gleiche oder ähnliche Waren
ebenfalls verwenden. Jene Wirkung tritt erst ein, wenn der Gebrauch
eines Zeichens so allgemein geworden ist, dass es über die Herkunft
der Ware aus einem bestimmten Betrieb nichts mehr auszusagen vermag,
weil alle am Verkehr der Ware beteiligten Kreise, namentlich auch die
Fabrikanten, es für eine Sachbezeichnung halten und die Rückbildung in ein
Individualzeichen sich trotz darauf gerichteter Bestrebungen als unmöglich
erweist (BGE 96 II 251, 93 II 264). Das Kantonsgericht stellt zwar fest,
dass das Vorwort "Bio" über zwanzigmal und das Wort "vital" weit über
fünfzigmal als Bestandteil von Wortmarken für pharmazeutische Produkte
erscheinen. Es sagt aber nicht, dass deswegen diese Bestandteile und ihre
Verbindung zu "Biovital" die genannte Entwicklung durchgemacht hätten und
von allen beteiligten Kreisen unwiderruflich als Sachbezeichnungen für
pharmazeutische Produkte betrachtet würden. Vielmehr erklärt es, die Marke
der Klägerin habe sich im Geschäftsverkehr durchgesetzt. Es stützt sich
dabei - beweiswürdigend - auf die laufenden Erhebungen der IHA Institut für
Marktanalysen AG Hergiswil, was die Beklagte im Berufungsverfahren nicht
mehr beanstandet. Sie macht aber insbesondere geltend, der für das vierte
Quartal 1972 von der Klägerin auf dem Gebiete der Stärkungsmittel erzielte
Marktanteil spreche nicht für die Verkehrsgeltung der Marke "Biovital",
da der Käufer das Erzeugnis wegen der Beschreibung "Bio" und "vital"
erstehe. Das ist schon deshalb unzutreffend, weil das Produkt tatsächlich
unter der Bezeichnung "Biovital" angeboten wird. Der unter Hinweis auf
BGE 82 II 340 (Verkehrsgeltung der seit Jahrzehnten verwendeten Firma
Eisen & Metall A.-G.) vorgebrachte Einwand der Beklagten, die Klägerin
habe sich nirgends darüber geäussert, seit wann sie die im Juli 1955
eingetragene internationale Marke "Biovital" gebrauche, ist unbegründet,
hat doch das Kantonsgericht festgestellt, die Klägerin habe die Marke
"dauernd zur Kennzeichnung ihres Eisenpräparates in der Schweiz benutzt
und vor allem in jüngerer Zeitbeträchtliche Umsätze erzielt". Angesichts
dessen unterstellt die Beklagte zu Unrecht, es sei "sehr naheliegend",
dass der ermittelte Marktanteil infolge einer kurzen, breit gestreuten
Propaganda erzielt worden sei.