Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 III 89



99 III 89

17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1973
i.S. Wirtschaftsbank Zürich AG gegen Bank AG Bank-Aktiengesellschaft für
Vermögensverwaltung und Wertschriftenverkehr Regeste

    Anfechtungsklage nach Art. 288 SchKG.

    Erkennbarkeit der Begünstigungsabsicht bei der Aushändigung eines
Pfandes, wenn der Schuldner von Anfang an zur Pfandbestellung verpflichtet
war.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Anfangs April 1965 gewährte die BANK AG Bank-Aktiengesellschaft
für Vermögensverwaltung und Wertschriftenverkehr (im folgenden BANK
AG genannt) der IBZ Finanz AG (im folgenden als IBZ bezeichnet) ein
Darlehen von Fr. 100 000.--. Als Sicherheit wurden ihr von der IBZ
Inhaberzertifikate des B+Z Miteigentumsfonds im Nominalbetrag von Fr. 150
000.-- übergeben. Als weitere Sicherheiten erhielt sie anfangs Mai 1965
gleiche Zertifikate im Nominalbetrag von Fr. 50 000.-- und am 23. Juni
1965 einen Inhaberschuldbrief im Betrage von Fr. 25 000.--, lastend im
vierten Rang auf einer Liegenschaft in Birmensdorf.

    Am 25. Oktober 1965 wurde über die IBZ der Konkurs eröffnet. Die BANK
AG machte in diesem Konkurs eine pfandgesicherte Forderung von Fr. 94
693.60 geltend und wurde hiefür mit einem Pfandrecht an den ihr übergebenen
Inhaberzertifikaten des B+Z Miteigentumsfonds im Nominalbetrag von Fr. 200
000.-- sowie am Schuldbrief über Fr. 25 000.-- kolloziert.

    B.- Die Wirtschaftsbank Zürich AG, eine andere Konkursgläubigerin
der IBZ, reichte beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren des
Bezirksgerichtes Zürich Klage gegen die BANK AG ein, mit dem Antrag,
es sei das dieser zuerkannte Pfandrecht an den Inhaberzertifikaten des
B+Z Miteigentumsfonds, soweit es für mehr als nominell Fr. 150 000.--
solcher Zertifikate beansprucht werde, sowie das Pfandrecht am Schuldbrief
über Fr. 25 000.-- im Kollokationsplan zu streichen. Zur Begründung
wurde geltend gemacht, die erst nach der Kreditgewährung erfolgte
Übergabe weiterer Sicherheiten an die BANK AG (Inhaberzertifikate des
B+Z Miteigentumsfonds von nominell Fr. 50 000.-- und Inhaberschuldbrief
über Fr. 25 000.--) sei auf Grund von Art. 287 Abs. 1 Ziff. 1 und 288
SchKG anfechtbar.

    Der Einzelrichter wies die Klage ab. Er nahm auf Grund eines von ihm
durchgeführten Beweisverfahrens an, die erst nachträglich übergebenen
Sicherheiten seien von Anfang an vereinbart gewesen, hätten jedoch von
der IBZ erst später geliefert werden können.

    Auf Berufung der Klägerin hin wies das Obergericht des Kantons Zürich
die Sache zur Abklärung der Frage, ob die Beklagte hätte erkennen können,
dass sie durch die Entgegennahme der zusätzlichen Pfänder gegenüber den
andern Gläubigern im Sinne von Art. 288 SchKG begünstigt werde, an die
erste Instanz zurück. Der Einzelrichter wies jedoch die Klage wiederum ab,
und das Obergericht bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 5. Juni
1973. Gegenstand dieses zweiten Berufungsverfahrens bildete nur noch
die Anfechtbarkeit der Hingabe des Schuldbriefes als Pfand an die Beklagte.

    C.- Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung mit dem Antrag,
es sei das von der Beklagten im Konkurs der IBZ beanspruchte Pfandrecht
am Schuldbrief als unbegründet festzustellen und im Kollokationsplan
zu streichen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt die Frage der Anfechtbarkeit der
Schuldbriefübergabe gestützt auf Art. 288 SchKG. Nach feststehender
Rechtsprechung ist eine nachträgliche Pfandbestellung, falls die
Voraussetzungen dieser Bestimmung zutreffen, ungeachtet des Umstandes
anfechtbar, dass der Schuldner schon früher zur Sicherheitsleistung
verpflichtet war (BGE 38 II 354 Erw. 3; 40 III 208; 43 III 346; 62 III
65). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass sich die Anfechtungsklage
gemäss Art. 288 SchKG ganz allgemein auch gegen Rechtshandlungen richten
kann, die sich als Erfüllung obligatorischer Verpflichtungen des Schuldners
erweisen. Der dem finanziellen Zusammenbruch nahe Schuldner soll nicht
einzelne Gläubiger in einer für diese erkennbaren Weise auf Kosten anderer
besser stellen können. Dieser Grundgedanke des Anfechtungsrechtes gilt
richtigerweise auch für Pfandbestellungen, zu denen sich der Schuldner
schon früher verpflichtet hatte.

    a) Voraussetzung der Anfechtungsklage des Art. 288 SchKG ist vorab die
Absicht des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne
Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. Die Vorinstanz nahm die
Absicht der IBZ, die Beklagte mit der Verpfändung des Schuldbriefes zu
begünstigen, mit Recht als gegeben an. Das Bundesgericht hatte in einem
andern Fall Gelegenheit zu prüfen, ob die IBZ anfangs des Jahres 1965
Anlass gehabt habe, mit ihrem finanziellen Zusammenbruch zu rechnen (Urteil
vom 25. Januar 1973 in Sachen Zürcher Kantonalbank gegen Konkursmasse
der B+Z Miteigentums-AG und Mitbeteiligte, S. 11/12). Es gelangte zur
Bejahung dieser Frage. Ebenso wie in jenem Fall ist auch hier davon
auszugehen, dass der IBZ bewusst sein musste, mit der am 23. Juni 1965
erfolgten Übergabe des streitigen Schuldbriefes als zusätzliches Pfand
die Beklagte gegenüber den andern Gläubigern zu begünstigen.

    b) Umstritten ist im vorliegenden Fall die weitere Voraussetzung des
Art. 288 SchKG, nämlich das Erfordernis, dass die Begünstigungsabsicht
für die Beklagte erkennbar sein musste. Erkennbarkeit ist nach der
Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn der Begünstigte bei Anwendung der
ihm nach den Umständen zumutbaren Aufmerksamkeit die Benachteiligung der
übrigen Gläubiger als natürliche Folge der betreffenden Rechtshandlung
hätte voraussehen können (BGE 89 III 50 ff., 83 III 86 Erw. 3b mit
Hinweisen; JAEGER, N. 5 und 6 zu Art. 288 Sch.KG) Liegen Anzeichen für eine
Benachteiligung vor, so hat der Begünstigte den Schuldner zu befragen und
die notwendigen Erkundigungen einzuziehen (bereits erwähntes Urteil des
Bundesgerichts vom 25. Januar 1973, Erw. 5; JAEGER, N. 5 zu Art. 288 SchKG;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., II, S. 285/286). Besteht
jedoch die angefochtene Rechtshandlung in einer Pfandbestellung, die von
Anfang an verabredet war, so ist die erforderliche Aufmerksamkeit nach
einem milderen Massstab zu beurteilen als gewöhnlich (BGE 62 III 65 am
Ende). In einem solchen Fall hat ein Gläubiger in der Regel weniger
Anlass, sich zu fragen, ob sich die Rechtshandlung zum Nachteil der
übrigen Gläubiger auswirken könnte; er darf sich vielmehr zunächst an das
ihm vom Schuldner bei Vertragsschluss gegebene Sicherstellungsversprechen
halten und braucht sich nur dann Gedanken über eine allfällige Schädigung
der andern Gläubiger zu machen, wenn die schlechte finanzielle Lage des
Schuldners offensichtlich ist. Den Gläubiger trifft in solchen Fällen eine
weniger weitgehende Pflicht, Erkundigungen über den Schuldner einzuholen,
bevor er die Aushändigung des versprochenen Pfandes verlangen darf.

    aa) Die Klägerin leitet die Erkennbarkeit der schlechten Lage der IBZ
für die Beklagte in erster Linie aus dem Umstand ab, dass der Kurs der
Zertifikate des B+Z Miteigentumsfonds innert ungefähr zwei Monaten von
Fr. 1100.-- auf Fr. 800.-- gesunken sei. Sie macht geltend, die Beklagte
hätte als Bank aus diesem ungewöhnlichen Kursrückgang auf die Möglichkeit
des Zusammenbruches der IBZ, die als Treuhänderin des betreffenden Fonds
wirkte, schliessen und allermindestens nähere Erkundigungen über deren
finanzielle Lage einziehen müssen. Im angefochtenen Urteil wird verneint,
dass der Rückgang des Kurses der betreffenden Zertifikate einem Kursverfall
gleichkomme, der den Schluss auf einen baldigen Zusammenbruch der IBZ
nahegelegt habe; das Sinken des Kurses habe für die Beklagte wohl einen
Grund für die Erhöhung ihrer Pfandsicherung, nicht aber ein eigentliches
Alarmzeichen gebildet.

    Welche Rückschlüsse aus der in Frage stehenden Kursentwicklung
hätten gezogen werden können und müssen, lässt sich ohne entsprechende
Fachkenntnisse kaum beurteilen. Man mag es deshalb bedauern, dass die
Vorinstanz dem von ihr als Experten beigezogenen Bankfachmann diese Frage
nicht zur Begutachtung vorlegte. Die Klägerin macht jedoch nicht geltend,
dass die Vorinstanz Art. 8 ZGB verletzt habe, indem sie angebotene Beweise
nicht abgenommen habe. Allein auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung
lässt sich die Auffassung, der Klägerin sei der Nachweis eines auf
einen Zusammenbruch der IBZ hindeutenden Kurszerfalls misslungen, nicht
widerlegen. Die Beklagte weist in der Berufungsantwort wohl mit Recht
darauf hin, dass der Kurs solcher Zertifikate durch viele Faktoren
beeinflusst wird und nicht einfach vom Wert der zum Fonds gehörenden
Liegenschaften abhängt. Mangels Beweises des Gegenteils konnte die
Vorinstanz daher ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgehen,
die Beklagte habe in dem von ihr beobachteten Absinken des Kurses der
Zertifikate kein Zeichen für einen bevorstehenden Zusammenbruch der IBZ
erblicken müssen, und sie habe auch keinen Anlass gehabt, Erkundigungen
über die finanzielle Lage dieser Firma einzuholen.

    bb) Die Klägerin macht weiter geltend, die Beklagte hätte die
finanziellen Schwierigkeiten der IBZ aus der Tatsache ersehen können
und müssen, dass der ursprünglich für zwei Monate gewährte Kredit nicht
rechtzeitig zurückbezahlt worden sei und deshalb habe verlängert werden
müssen. Auf Grund der Feststellungen der Vorinstanz ist in der Tat davon
auszugehen, dass die Beklagte den Kredit für zwei Monate gewährt hatte und
ihn am 8. Juni 1965 verlängern musste, weil bis dahin keine Rückzahlung
durch die IBZ erfolgt war.

    Die nicht termingerechte Rückzahlung eines kurzfristigen Kredites
kann verschiedene Ursachen haben. Sie kann auf bloss vorübergehende
Liquiditätsschwierigkeiten zurückzuführen sein oder allenfalls auch ein
Zeichen für die Insolvenz des Darlehensschuldners bilden. Die Klägerin
macht geltend, die Nichteinhaltung des Rückzahlungstermins durch die
IBZ hätte für die Beklagte vor allem deshalb ein Alarmzeichen darstellen
müssen, weil die Höhe des betreffenden Kredits für die Verhältnisse der
IBZ relativ gering gewesen sei und dessen rechtzeitige Rückzahlung daher
umso eher hätte möglich sein sollen. Diese Argumentation vermag nicht zu
überzeugen. Wäre der Kredit höher gewesen, hätte sich die Frage nach der
Ursache der Überschreitung des Rückzahlungstermins für die Beklagte doch
wohl viel ernsthafter stellen müssen. Die Klägerin geht zu weit, wenn sie
annimmt, die Beklagte hätte den bevorstehenden Zusammenbruch der IBZ aus
der Tatsache ableiten können, dass der Kredit verlängert werden musste.

    Fragen kann man sich indessen, ob dieser Umstand der Beklagten nicht
hätte Anlass geben sollen, eingehendere Erkundigungen über die Finanzlage
ihrer Schuldnerin einzuholen. Diese Frage wäre wohl zu bejahen, wenn sich
die Beklagte in jenem Zeitpunkt eine zusätzliche Pfandsicherheit neu hätte
versprechen lassen. Das war hier jedoch nicht der Fall, da von allem Anfang
an ein Anspruch auf Übergabe des streitigen Schuldbriefs als Pfand bestand.
Es lag somit nahe, dass sich die Beklagte in der damaligen Situation
nicht allzu viele Gedanken über die Gründe der Kreditverlängerung machte,
sondern ihre Aufmerksamkeit vielmehr der Aushändigung dieses Schuldbriefes
zuwandte, mit welchem sie trotz des Kursrückgangs der Zertifikate eine
genügende Sicherheit zu besitzen glaubte. Ein höheres Mass an Sorgfalt
kann von ihr nicht verlangt werden.

    .....

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach dem für das Bundesgericht
massgeblichen Sachverhalt der bevorstehende finanzielle Zusammenbruch der
IBZ für die Beklagte nicht erkennbar war und dass diese daher auch die
Begünstigungsabsicht der IBZ nicht erkennen konnte. Dass es sich bei der
Beklagten um eine Bank handelt, der besondere Erkundigungsmöglichkeiten
zur Verfügung stehen, hätte sich nur dann auswirken können, wenn auf
Grund der gegebenen Umstände eine Erkundigungspflicht bejaht werden
müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Da der streitige Schuldbriefvon
Anfang an als Pfandsicherheit verabredet war, durfte sich die Beklagte
mit einem geringeren Mass an Aufmerksamkeit begnügen. Die Pfandbestellung
ist daher auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 288 SchKG nicht anfechtbar.