Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 60



99 Ib 60

7. Urteil vom 2. Februar 1973 i.S. Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
gegen Politische Gemeinde Gossau (St. Gallen) und Eidg. Rekurskommission
für Zivilschutzangelegenheiten. Regeste

    Bundesgesetz über den Zivilschutz; Zivilschutz- Verordnung:
Subventionierung von Zivilschutzanlagen und -einrichtungen.

    -  Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    - Gesetzmässigkeit des Art. 106 Abs. 3 Zivilschutz-Verordnung.

Sachverhalt

    A.- Die Gemeinde Gossau hat beim Bundesamt für Zivilschutz das
Begehren um Gewährung eines Bundesbeitrages an die Errichtung einer
Sanitätshilfsstelle im Gesamtkostenbetrag von Fr. 2 097 170.-- gestellt.
Das Bundesamt sicherte einen Bundesbeitrag von 60% zu, jedoch nur auf einem
reduzierten Betrag der Anlagekosten von Fr. 1 805 000.--. Die entsprechende
Herabsetzung des beitragsberechtigten Betrages um Fr. 292 170.-- betraf
die 5 Positionen Gebäudekosten, Sanitäre Installationen, Baunebenkosten,
Grundstückerwerb und Bauzinse. Die Gemeinde anerkannte den Abzug der
Gebäudekosten und der Kosten für sanitäre Installationen, führte aber
Beschwerde gegen den Abzug der Baunebenkosten, der Grundstückerwerbskosten
und der Bauzinse.

    Die Eidg. Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten wies das
Begehren um Ausrichtung eines Bundesbeitrages an die Landerwerbskosten
ab. Dagegen sicherte sie der Gemeinde die Bundesbeiträge von 60%
"an die effektiv von ihr zu bezahlenden oder zu verrechnenden
allgemeinen Nebenkosten an die Kanalisations-, Anschluss-, Klär- und
Feuerschutzbeiträge sowie die Bauzinse" zu.

    B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen
das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und die Eidg.
Finanzverwaltung, die Beitragszusicherung für Baunebenkosten und Bauzinse
(Ziff. 1 des vorinstanzlichen Dispositivs) sei aufzuheben.

    Die Politische Gemeinde Gossau und die Eidg. Rekurskommission für
Zivilschutzangelegenheiten schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gegen den Entscheid der Eidg. Rekurskommission für
Zivilschutzangelegenheiten ist nach. 97 und Art. 98 lit. e OG die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Unzulässigkeitsgründe im Sinne
der Art. 99 bis 102 OG liegen nicht vor; insbesondere ist Art. 99 lit. h
nicht anwendbar, da das Bundesrecht im vorliegenden Fall einen Anspruch
auf die Subvention einräumt (Art. 69 Bundesgesetz über den Zivilschutz
vom 25. März 1962; ZSG). Zur Beschwerde ist nach Art. 103 lit. b OG das
in der Sache zuständige Departement - hier das EJPD (Art. 8 Abs. 1 ZSG) -
berechtigt. Das EJPD lässt sich unter Hinweis auf die vermögensrechtliche
Natur der Streitigkeit und in analoger Anwendung von Art. 119 Abs. 2
OG durch die Eidg. Finanzverwaltung vertreten. Dies ist nicht zu
beanstanden. Die Eidg. Finanzverwaltung ist jedoch nicht Partei.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 69 Abs. 1 ZSG leistet der Bund Beiträge an Massnahmen,
die er verbindlich vorschreibt und die für die Betroffenen finanzielle
Folgen haben. Sie betragen unter Berücksichtigung der Finanzkraft der
Kantone und mit Rücksicht auf die Berggebiete 55 bis 65 Prozent der
Kosten. Nicht als beitragsberechtigte Kosten gelten nach Art. 106 Abs. 3
der Verordnung über den Zivilschutz vom 24. März 1964 in der Fassung
gemäss BRB vom 14. Januar 1970 (ZSV) kantonale und kommunale Abgaben und
Gebühren sowie Kapitalzinsen.

    Unbestritten ist, dass es sich bei den in der Beitragszusicherung
umstrittenen Positionen einerseits um Kapitalzinse und anderseits -
mit Ausnahme der gesondert zu prüfenden Unterposition "Anteil allgemeine
Nebenkosten" - um Abgaben und Gebühren im Sinne von Art. 106 Abs. 3 ZSV
handelt. Streitig ist die Frage, ob die Verordnungsbestimmung gesetzmässig
ist, d.h. ob sie sich im Rahmen der gesetzlichen Delegationsnorm hält. Die
Frage kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geprüft werden, denn nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts unterliegen unselbständige
Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich der richterlichen Prüfung
hinsichtlich ihrer Verfassungs- und Gesetzmässigkeit (vgl. insbesondere
BGE 97 II 272; 94 I 88). Die Verfassungsmässigkeit des Art. 106
Abs. 3 ZSV steht nicht zur Diskussion. Es besteht auch kein Anlass,
die Frage hier aufzuwerfen; umstritten ist einzig die Gesetzmässigkeit
der Norm. Bei deren Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass gesetzliche
Delegationsnormen - je nach ihrem mehr oder weniger generellen Inhalt -
die Exekutive zum Erlass von bloss präzisierenden Verordnungsbestimmungen
intra legem, einschliesslich sinngemässe Ergänzung des Gesetzes im Rahmen
seines Zweckes, ermächtigen können oder aber darüber hinaus zum Erlass
ergänzender Verordnungsbestimmungen praeter legem befugen und dass die
Grenzen zwischen den beiden Ermächtigungsformen fliessend sind (BGE 98
Ia 287 mit Hinweisen).

    a) Art. 89 Abs. 1 ZSG ermächtigt den Bundesrat, die "erforderlichen
Ausführungs- und Verfahrensbestimmungen" zu erlassen. Vorinstanz und EJPD
sind sich darüber nicht einig, ob es sich bei Art. 106 Abs. 3 ZSV um eine
solche erforderliche Ausführungsbestimmung zu Art. 69 Abs. 1 ZSG handelt.

    Art. 89 Abs. 1 ZSG verleiht dem Bundesrat nicht die weitgehende
Kompetenz zum Erlass gesetzesändernder Verordnungsbestimmungen. Die
Norm steht im Abschnitt der Übergangs- und Schlussbestimmungen; sie
ist sehr allgemein formuliert. Ausserdem bestehen im ZSG spezielle
Delegationsnormen, welche den Bundesrat ermächtigen, in Einzelfragen
ergänzende Bestimmungen zu erlassen (vgl. insbesondere Art. 21, 34 Abs. 3,
45, 46, 50, 59, 62, 68). Solche Ermächtigungen in bestimmten Bereichen
wären überflüssig, wenn Art. 89 Abs. 1 ZSG die generelle Kompetenz zum
Erlass von gesetzesergänzenden Verordnungsbestimmungen einräumte. Die
systematische Stellung und die generelle Formulierung der Norm sowie das
Bestehen gesonderter Einzelermächtigungen lassen vielmehr den Schluss zu,
dass Art. 89 Abs. 1 ZSG lediglich zum Erlass von Vollzugsvorschriften
präzisierenden Charakters ermächtigt.

    Nachdem Art. 69 Abs. 1 ZSG selbst keine spezielle Ermächtigung zum
Erlass ergänzender Verordnungsbestimmungen enthält, bleibt zu prüfen,
ob sich Art. 106 Abs. 3 ZSV im Rahmen der materiellen Grundnorm
(Art. 69 Abs. 1 ZSG) und damit im Rahmen einer bloss präzisierenden
Ausführungsbestimmung im Sinne von Art. 89 Abs. 3 ZSG hält.

    b) Art. 69 Abs. 1 ZSG bedarf der Präzisierung. Es muss namentlich
klargestellt werden, was unter den bundesrechtlich vorgeschriebenen
"Massnahmen" einerseits und den "Kosten" anderseits im einzelnen zu
verstehen ist.

    Hinsichtlich der von den Gemeinden auf dem Bausektor zu treffenden
"Massnahmen" kann auf den Grundsatz des Art. 68 Abs. 1 ZSG und auf Art. 105
ZSV, der sich auf eine spezielle Delegationsnorm stützt (Art. 68 Abs. 2
ZSG), zurückgegriffen werden. Bezüglich des Kostenbegriffs enthält das ZSG
dagegen weder nähere materielle Gesetzesbestimmungen noch eine besondere
Ermächtigungsnorm zum Erlass ergänzender Ausführungsbestimmungen. Mangels
spezieller gesetzlicher Einschränkungen ist somit davon auszugehen,
dass grundsätzlich alle Kosten der vorgeschriebenen Massnahmen
beitragsberechtigt sind. Dieser Grundsatz kann in Anwendung von Art. 89
Abs. 1 ZSG durch Verordnungsvorschrift nicht beschränkt werden. Damit
ist aber nicht ausgeschlossen, dass mögliche Abgrenzungsprobleme auf dem
Verordnungsweg geregelt werden. So ist abzugrenzen, inwieweit indirekte
Kosten (wie beispielsweise Finanzierungskosten) den subventionsberechtigten
Zivilschutzmassnahmen zuzurechnen sind oder zu entscheiden, ob allfällige
kommunale und kantonale Abgaben und Gebühren, Zeitverwendung von Behörden
u.a.m. überhaupt zu den subventionsberechtigten Kosten gehören. Solche
Fragen in einer für die Subventionsentrichtung praktikablen Weise und im
Rahmen des Art. 69 ZSG zu regeln, ermächtigt Art. 89 Abs. 3 ZSG. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass der Zweck der Subventionierungsbestimmungen
des ZSG darin liegt, Bundesbeiträge nur an die eigentlichen (mehr oder
weniger unmittelbaren) Kosten der zu Zivilschutzmassnahmen Verpflichteten
zu entrichten. In dieser Sicht sind einerseits finanzielle Aufwendungen,
welche direkt oder indirekt in Form von Abgaben und Gebühren an den
Kostenträger zurückfallen, nicht als Kosten im Sinne von Art. 69 Abs. 1
ZSG zu betrachten. Anderseits erscheinen auch Kapitalzinsen nur als
indirekte Kosten im Sinne von Finanzierungskosten. Sie stehen zwar mit
den subventionsberechtigten Massnahmen im Zusammenhang und belasten
buchhalterisch den Kostenträger im vollen Umfang, doch ist nicht zu
übersehen, dass sie nur dann anfallen, wenn die Finanzierung im Wege der
sog. Fremdfinanzierung erfolgt. Grundsätzlich sind indes sowohl Eigen-
als auch Fremdfinanzierung möglich. Die Wahl des Finanzierungsmodus hängt
von Gesichtspunkten ab, die keinen unmittelbaren Bezug zum erstellenden
Werk haben.

    Es führte nun - ohne einheitliche Regelung dieser Abgrenzungsfragen
- zu einem aufwendigen und komplizierten Verfahren, müsste in jedem
Einzelfall genau herausgeschält und ausgeschieden werden, welcher Anteil
an Abgaben und Gebühren den massnahmeverpflichteten Subventionsempfänger
effektiv belastet, ob überhaupt bzw. in welchem Ausmass Fremdfinanzierung
notwendig war bzw. ob allenfalls durch Eigenfinanzierung finanzielle
Folgen in der Form von Kapitalzinsen hätten vermieden werden können. Ohne
einheitliche Regelung dieser Abgrenzungsfragen dürfte ein Entscheid von
Fall zu Fall Gefahr laufen, in Willkür und rechtsungleiche Behandlung
zu verfallen.

    Art. 106 Abs. 3 ZSV regelt nun diese Fragen dergestalt, dass er
durch Präzisierung des Kostenbegriffs des Art. 69 ZSG eine einheitliche
Beitragsentrichtung in praktikabler, langwierige und aufwendige Verfahren
vermeidender Weise ermöglicht. So verstanden, erscheint sein Gehalt mit
der materiellen Grundnorm vereinbar. Er entspricht überdies materiell
weitgehend dem, was auch in andern Bereichen des eidgenössischen
Subventionswesens gilt.

    c) Darf demnach festgestellt werden, dass die Regelung nach
Art. 106 Abs. 3 ZSV im Rahmen der gesetzlichen Delegation als vertretbar
erscheint, hat der Bundesrat beim Erlass dieser Vorschrift im Rahmen
seiner Kompetenzen gehandelt. Die Verordnungsbestimmung muss daher
angewandt werden.

    Das führt dazu, dass die Beitragszusicherung bezüglich der umstrittenen
Positionen - unter Vorbehalt der sog. Baunebenkosten - in Anwendung von
Art. 106 Abs. 3 ZSV abzulehnen, der angefochtene Entscheid aufzuheben
und die Verwaltungs gerichtsbeschwerde in diesem Punkte zu schützen
ist. Dabei ist zu bemerken, dass die Politische Gemeinde Gossau daraus,
dass das Bundesgericht von der Praxis der Eidg. Rekurskommission abweicht,
nicht ableiten kann, sie werde gegenüber andern Subventionsempfängern
rechtsungleich behandelt. Das Bundesgericht wird durch die Praxis der
Vorinstanz nicht gebunden (vgl. auch BGE 96 I 120 und 201).

Erwägung 3

    3.- Die Subventionsberechtigung der umstrittenen Unterposition "Anteil
allgemeine Nebenkosten" hat die Vorinstanz mit der Begründung anerkannt,
der Ausschluss der Kosten sei ungerechtfertigt, weil als finanzielle
Folgen im Sinne von Art. 69 Abs. 1 ZSG auch die allgemeinen Baunebenkosten
zu betrachten seien. Insbesondere sehe selbst Art. 106 Abs. 3 ZSV deren
Ausschluss nicht vor. Das EJPD hält dem entgegen, diese Unterposition sei
nie spezifiziert worden; dem Umstand, dass sie gemeinsam mit Gebühren und
Abgaben genannt werde, zwinge zur Annahme, dass es sich um gleichartige,
also nicht beitragsberechtigte Kosten handle. Die Politische Gemeinde
Gossau hat diese Argumentation in ihrer Vernehmlassung beanstandet. Sie
macht geltend, dass erst heute über die Unterposition Auskunft verlangt
werde. Es handle sich um Erschliessungskostenanteile, welche gemäss Tarif
der Dorfkorporation Gossau erhoben würden.

    Damit ist die Frage gestellt, ob es sich bei den genannten
Nebenkostenanteilen um kommunale Gebühren handelt, die gemäss Art. 106
Abs. 3 ZSV nicht subventionsberechtigt sind, oder um Kosten, an die ein
Bundesbeitrag zu entrichten ist. Diese Frage hat die Vorinstanz im Lichte
der vorangehenden Erwägungen neu zu beurteilen und zu entscheiden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und die Sache zur Neuentscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.