Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 51



99 Ib 51

6. Auszug aus dem Urteil vom 2. Februar 1973 i.S. Touring Club der
Schweiz und Konsorten gegen Unfalldirektoren-Konferenz und Konsorten und
Eidg. Justiz- und Polizeidepartement Regeste

    Staatsaufsicht über das private Versicherungswesen

    1.  Anfechtbarkeit des Departementsentscheides, mit dem die Genehmigung
von Prämientarifen der obligatorischen Motorfahrzeughaftpflichtversicherung
durch das Eidg. Versicherungsamt bestätigt wird (Erw. 1 a).

    2.  Beschwerdelegitimation der Personenwagenhalter und der
Vereinigungen von Personenwagenhaltern (Erw. 1 b).

    3.  Parteirechte bei Beizug von Sachverständigen durch die Vorinstanz;
Abgrenzung des Sachverständigen von der Auskunftsperson (Erw. 3 a).

    4.  Bedeutung und Umfang der staatlichen Aufsicht über die privaten
Versicherungsunternehmen; besondere Ausgestaltung der Aufsicht über die
obligatorische Motorfahrzeughaftpflichtversicherung? (Erw. 4).

    5.  Ausschluss neuer Tatsachen (Erw. 5).

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Die Unfalldirektoren-Konferenz (UDK), ein Verein im Sinne von
Art. 60 ff. ZGB, umfasst mit Ausnahme der Altstadt Versicherungs-AG,
der Lloyd's und der Secura alle Versicherer, die in der Schweiz auf
dem Gebiete der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung (MHV) tätig
sind. Im Sommer 1971 unterbreitete sie dem Eidg. Versicherungsamt (EVA)
ihre Berechnungen der MHV-Prämien für das Jahr 1972 zur Genehmigung. Die
Prämien für die Haftpflichtversicherung von Personenwagen sollten danach im
Durchschnitt um rund 18% erhöht werden. Am 14. September 1971 genehmigte
das EVA den neuen Prämientarif. Die drei der UDK nicht angeschlossenen
Versicherer erklärten in Zuschriften vom 21. und 24. September 1971 ihr
Einverständnis mit den bewilligten Tarifänderungen.

    B.- Der Touring-Club der Schweiz (TCS), Dr. W. Müller, Dr. J. Bühler
und Dr. W. Renschler, der Automobil-Club der Schweiz (ACS), die
Sozialdemokratische Partei der Schweiz und zwei ihrer Mitglieder, der
Landesverband Freier Schweizer Arbeiter und drei seiner Mitglieder,
der Schweizerische Abstinenten-Verkehrsverband (SAV) und Erwin Wittker
fochten die Verfügung des EVA mit Beschwerden beim Eidg. Justiz-
und Polizeidepartement (EJPD) an. Das EJPD entschied am 13. September
1972 gestützt auf einen Bericht der von ihm als Experten beigezogenen
Professoren M. H. Amsler, Pully, W. Bickel, Zürich, und L. Schürmann,
Olten, auf die Beschwerden der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, des
Landesverbandes Freier Schweizer Arbeiter und des ACS nicht einzutreten
und die anderen Beschwerden abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden konnte.

    C.- Gegen den Entscheid des EJPD erhoben der Touring-Club der Schweiz,
Dr. W. Müller, Dr. J. Bühler und Dr. W. Renschler sowie der Schweizerische
Abstinenten-Verkehrsverband Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    D.- Die UDK, die Altstadt Versicherungs-AG, Lloyd's und Secura wie
auch das EJPD beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der
drei Beschwerden.

    E.- Der Präsident der verwaltungsrechtlichen Kammer stellte auf
entsprechende Gesuche der Beschwerdeführer am 18. Oktober 1972 in
drei Verfügungen fest, den drei Verwaltungsgerichtsbeschwerden komme
nach Art. 111 Abs. 1 OG aufschiebende Wirkung zu. Die UDK reichte
hiezu am 27. Oktober ein Wiedererwägungsgesuch ein mit dem Antrag,
"zu erkennen, dass der eingereichten Beschwerde gestützt auf Art. 111
Abs. 2 OG keine aufschiebende Wirkung zukommt". Da das EJPD in der
Folge im Zusammenhang mit dem bei ihm angefochtenen Prämientarif 1973
eine ähnliche Frage zu entscheiden hatte und zu erwarten war, dass gegen
diesen Zwischenentscheid des Departements Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erhoben würde, verfügte der Präsident der verwaltungsrechtlichen Kammer
am 23. November 1972, den Entscheid über das Wiedererwägungsgesuch
auszusetzen, bis die verwaltungsrechtliche Kammer die in Aussicht stehende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beurteilt habe.

    F.- Der Bundesrat beschloss am 10. November 1971, losgelöst
vom Beschwerdeverfahren betreffend den Prämientarif 1972, die
schweizerische Kartellkommission mit einer allgemeinen Erhebung über
die Wettbewerbsverhältnisse in der MHV beauftragen zu lassen. Die
Erhebung sollte in erster Linie der Orientierung einer zuvor vom EJPD
eingesetzten Ad-hoc-Studiengruppe dienen, der die Überprüfung aller
mit der MHV zusammenhängenden grundsätzlichen Fragen obliegt. In ihrem
Bericht, der am 24. Juli 1972 abgeschlossen wurde und am 19. Oktober
1972 im Buchhandel erschien, regt die Kartellkommission u.a. an,
den Kreis der an der Gemeinschaftsstatistik beteiligten Versicherer
auszuweiten, ohne aber die Aussenseiter dabei zu verpflichten, sich
wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen anzuschliessen. Ausserdem hält
sie zur Vermeidung überhöhter Tarife für nötig, dass die Kontrolle der
Tarifgestaltung und der Prämienfestsetzung verstärkt wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ist
zulässig gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwG (Art. 97 Abs. 1 OG),
die von einer der in Art. 98 OG aufgezählten Instanzen stammen und
unter keine der Ausnahmebestimmungen der Art. 99 - 102 OG fallen. Die
beiden letzten dieser drei Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle
offensichtlich erfüllt: Der angefochtene Entscheid stammt von einem
Departement des Bundesrates (Art. 98 lit. b OG). Art. 99 lit. b OG, die
einzige Ausnahmebestimmung, die hier in Betracht fallen könnte, erklärt
zwar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über Tarife
für unzulässig, nimmt aber Verfügungen über Tarife auf dem Gebiete der
Privatversicherung ausdrücklich hievon aus. Der angefochtene Entscheid
betrifft nun aber gerade Tarife auf dem Gebiete der Privatversicherung. Zu
prüfen bleibt somit lediglich, ob er auch eine Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwG ist. Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwG sind nach dem Wortlaut
dieser Bestimmung Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen. Der angefochtene Beschwerdeentscheid
des EJPD stützt sich, wie schon das Erkenntnis der ersten Instanz, auf
das Bundesgesetz betreffend die Beaufsichtigung von Privatunternehmungen
im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 (VAG), also auf
öffentliches Recht des Bundes. Hingegen könnte auf den ersten Blick
fraglich scheinen, ob er auch als Anordnung im Einzelfall gelten kann,
betrifft er doch eine schwer bestimmbare Vielzahl von Motorfahrzeughaltern
als Versicherungsnehmer. Abgesehen davon, dass er sich auf die Prämien
für ein bestimmtes Jahr bezieht, richtet er sich als Bestätigung der
vom EVA ausgesprochenen Genehmigung aber rechtlich nur an die UDK,
der als Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB eigene Rechtspersönlichkeit
zukommt. Er regelt mithin einen Einzelfall im Sinne von Art. 5 VwG. Die
vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerden sind somit zulässig.

    b) Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den angefochtenen Entscheid
sind zunächst auf Grund von Art. 103 lit. a OG, wie die UDK anerkennt,
alle Halter von Personenwagen berechtigt. Der Entscheid berührt sie,
wenn auch bloss indirekt, als Versicherungsnehmer, lässt er doch für
1972 eine Erhöhung der Versicherungsprämie zu. Ihr Interesse an seiner
Aufhebung oder Änderung erscheint schutzwürdig. Sowohl Dr. Müller
und Konsorten als auch der TCS sind Halter von Personenwagen und als
solche somit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt. Dem SAV
hingegen fehlt nach Ansicht der UDK die Legitimation zur Beschwerde,
da er anscheinend nicht Halter eines Personenwagens ist und ihn auch
keine Spezialvorschrift des Bundesrechts im Sinne von Art. 103 lit. c
OG zur Beschwerdeführung ermächtigt. Das Bundesgericht hat aber in
Anlehnung an seine Rechtsprechung zur staatsrechtlichen Beschwerde
(BGE 93 I 127) entschieden, dass Vereinigungen, die nach ihren Statuten
die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren haben, zu diesem Zwecke in
eigenem Namen Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben können, sofern der
angefochtene Entscheid in schutzwürdige Interessen der Gesamtheit oder
doch der Mehrheit ihrer Mitglieder eingreift (BGE 97 I 593, 98 Ib 70).
Der SAV bezweckt nach Art. 2 seiner Statuten nicht nur allgemein
die Wahrung der Interessen und Rechte der abstinenten Fahrzeugführer,
sondern auch die "Erreichung möglichst günstiger Versicherungsprämien für
Motorfahrzeugführer" (lit. c und f). Zwar geht aus den Akten nicht hervor,
dass tatsächlich die Mehrheit seiner Mitglieder Halter von Personenwagen
und somit Versicherungsnehmer sind. Dies darf aber bei der heutigen
Verbreitung des Automobils ohne weiteres angenommen werden. Auch der SAV
ist somit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Aus denselben
Gründen wäre übrigens der TCS selbst dann zur Beschwerde legimiert,
wenn er nicht als Halter von Personenwagen auftreten würde.

    Auf die im übrigen frist- und formgerecht eingereichten Beschwerden
ist somit grundsätzlich einzutreten. Allerdings kann auf sie nur soweit
eingetreten werden, als sie sich auf den Prämientarif 1972 der MHV
beziehen. Ausserdem kann die Beschwerde des SAV - was praktisch jedoch
bedeutungslos ist - nicht als selbständige Beschwerde entgegengenommen
werden, soweit sie sich einfach der Beschwerde von Dr. Müller und
Konsorten anschliesst. Hingegen ist der SAV, entgegen der Ansicht der
UDK, auch insofern zu hören, als er zur Begründung seiner Beschwerde
lediglich auf seine Eingaben an die Vorinstanzen verweist, eröffnet
doch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, anders als die staatsrechtliche
Beschwerde, auf die sich die von der UDK zitierten Entscheide beziehen,
kein unabhängiges, neues Verfahren. Schliesslich kann auf die Beschwerden
von Dr. Müller und Konsorten und des SAV nicht eingetreten werden,
soweit sie die Frage der Angemessenheit des angefochtenen Entscheids
aufwerfen. Art. 104 lit. c OG lässt die Rüge der Unangemessenheit
abgesehen von zwei hier ohnehin nicht interessierenden Fällen nur zu,
wo sie das Bundesrecht ausdrücklich vorsieht (BGE 98 Ib 3). Im Gebiete
der Aufsicht des Bundes über die privaten Versicherungsunternehmen
besteht keine entsprechende Bestimmung. Das Bundesgericht kann den
angefochtenen Departementsentscheid deshalb nur auf Verletzung von
Bundesrecht einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens
(Art. 104 lit. a OG) sowie auf unrichtige und unvollständige Feststellung
des Sachverhaltes (Art. 104 lit. b OG) prüfen. Art. 105 Abs. 2 OG findet
im vorliegenden Falle keine Anwendung.

Erwägung 3

    3.- Dr. Müller und Konsorten weisen darauf hin, dass das EJPD die
drei Experten ausgelesen hat, ohne die Parteien dazu anzuhören.

    a) Zwar wird in keiner der drei Beschwerden ausdrücklich
geltend gemacht, das EJPD habe im Zusammenhang mit der Bestellung
der Expertengruppe einen Verfahrensfehler begangen, der zur Aufhebung
des angefochtenen Entscheids führen müsse. Das Bundesgericht ist aber
nicht an die Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerden gebunden
(Art. 114 Abs. 1 OG). Das EJPD äussert sich denn auch vorsorglich zu
dieser Frage. Es erklärt, es habe sich angesichts der Dringlichkeit der
Beschwerdeerledigung die für die Abklärung des Sachverhalts nötigen
Fachkenntnisse gestützt auf Art. 12 lit. c VwG beschafft. Die drei
Professoren hätten nicht als Sachverständige im Sinne von Art. 12 lit. e
VwG, sondern als blosse Auskunftspersonen im Sinne von Art. 12 lit. c VwG
geantwortet. Damit habe sich aber auch die Beachtung der nach Art. 19 VwG
in Verbindung mit Art. 57, 58 und 60 BZP bei Einholung eines eigentlichen
Sachverständigengutachtens bestehenden Parteirechte erübrigt. Für den
Fall, dass eine Verfahrensverletzung angenommen würde, führt das EJPD an,
deren Heilung sei im vorliegenden Falle "möglich und... gerechtfertigt";
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts könne im Verwaltungsverfahren
überdies bei besonderer zeitlicher Dringlichkeit ausnahmsweise vom strengen
Wortlaut der Vorschriften über die Beweiserhebung abgewichen werden.

    Die Auffassung des Departements, der Expertenbericht vom 8. Juni 1972
sei lediglich eine Auskunft von Drittpersonen im Sinne von Art. 12 lit. c
VwG, ist unhaltbar. Dies ergibt sich schon aus der Gegenüberstellung von
lit. c und lit. e des Art. 12 VwG. Wer in einem Verwaltungsverfahren allein
um seiner besonderen Fachkenntnis willen zur Abklärung des Sachverhaltes
beigezogen wird, wirkt daran als Sachverständiger und nicht als blosse
Auskunftsperson mit. Beim Beizug von Sachverständigen hat die Behörde
aber auf Grund der Verweisung von Art. 19 VwG die Art. 57, 58 und 60 BZP
zu beachten, die insbesondere vorschreiben, dass den Parteien Gelegenheit
zu geben ist, zur Ernennung der Sachverständigen Stellung zu nehmen und
sich zu den Fragen zu äussern, deren Begutachtung beabsichtigt ist. Diese
Verfahrensvorschriften hat das EJPD verletzt. Immerhin hat es am 13. Juni
1972 den Beschwerdeführern den Expertenbericht übermittelt und ihnen dabei
eine Frist zur Einreichung von "Bemerkungen" angesetzt. Sowohl der TCS
als auch Dr. Müller und Konsorten und der SAV haben diese Gelegenheit
zur Stellungnahme wahrgenommen, dabei jedoch weder die Auswahl der
Experten noch die Formulierung der Expertenfragen gerügt. Zu Recht
machen sie deshalb keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör geltend. Eine allfällige Verletzung dieses Anspruchs wäre übrigens
ohnehin im Verfahren vor Bundesgericht geheilt worden, kann das Gericht
doch im vorliegenden Falle den angefochtenen Entscheid in rechtlicher wie
in tatsächlicher Hinsicht frei überprüfen (vgl. BGE 93 I 656; 96 I 188).

Erwägung 4

    4.- a) Die Verfügung des EVA vom 14. September 1971 stützt sich
auf Art. 2, 4 und 9 Abs. 1 VAG. Der Bundesrat hat verschiedene der
Befugnisse, die ihm diese Bestimmungen einräumen, gestützt auf Art. 23 des
BG über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 in Art.
20 des BRB betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen
unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften
vom 17. November 1914 dem EVA übertragen. Nach Art. 2 und 4 VAG haben
die privaten Versicherungsunternehmen der Aufsichtsbehörde von jeder
Änderung ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen und ihrer Prämientarife
Kenntnis zu geben. Nach der Rechtsprechung müssen solche Änderungen von
der Aufsichtsbehörde genehmigt werden, bevor sie angewendet werden dürfen
(BGE 80 I 70 ff.). Art. 9 Abs. 1 VAG ermächtigt die Aufsichtsbehörde,
jederzeit die ihr durch das allgemeine Interesse und dasjenige der
Versicherten geboten erscheinenden Verfügungen zu treffen.

    b) Im vorliegenden Falle fragt sich, welches der Zweck und die
Grenzen dieser Befugnisse des EVA sind. Verfassungsmässige Grundlage
des Versicherungsaufsichtsgesetzes bildet Art. 34 Abs. 2 BV. Diese
Vorschrift ermächtigt den Bund auf dem Gebiete des Versicherungswesens zu
gewerbepolizeilichen Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit
(BURCKHARDT, Komm. BV 3. A. S. 283/286; FLEINER/GIACOMETTI,
Schweiz. Bundesstaatsrecht S. 304). Nach einhelliger Auffassung von
Lehre und Rechtsprechung kommt dem VAG dementsprechend ausschliesslich
gewerbepolizeilicher Charakter zu (ROELLI/KELLER, Komm. zum VVG Bd. I
S. 27; KOENIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht S. 53 ff.; HAYMANN,
La surveillance des sociétés d'assurance en Suisse, Diss. Genf 1932 S. 34;
LOCHER, Die Gesetzgebung betreffend die staatliche Beaufsichtigung der
privaten Versicherungsunternehmungen in der Schweiz, Diss. Leipzig 1934 S.
17; HATZ, Entwicklung, Aufgaben und Abgrenzung der Staatsaufsicht über
die privaten Versicherungsunternehmungen in der Schweiz, Diss. Zürich
1951 S. 13; WYRSCH, Die schweiz. Staatsaufsicht über die Rückversicherung,
Diss. Zürich 1957 S. 43 ff.; BGE 76 I 239; vgl. auch Art. 1 des Vorentwurfs
vom 2. Dezember 1971 für ein neues Versicherungsaufsichtsgesetz). Sein
Zweck beschränkt sich somit auf den Schutz der öffentlichen Ordnung, die
Wahrung von Sicherheit, Ruhe, Gesundheit und Sittlichkeit und von Treu
und Glauben im Geschäftsverkehr. Ursprünglich stand dabei der Schutz der
Versicherten vor Insolvenz des Versicherers im Vordergrund (vgl. Art. 9
Abs. 2 VAG). Schon bei der Ausarbeitung des Gesetzes kam aber zum Ausdruck,
dass die Staatsaufsicht über die privaten Versicherungsunternehmen auch
der Verhinderung von Missbräuchen der Versicherer dienen müsse. In
Anknüpfung an diesen Gedanken hat das Bundesgericht in der Folge
erklärt, das EVA habe vor der Genehmigung von Prämientarifen nicht nur
zu prüfen, ob die vorgesehenen Prämiensätze das versicherungstechnisch
erforderliche Minimum nicht unterschritten, sondern auch darüber zu
wachen, dass das Publikum nicht übervorteilt werde (BGE 76 I 242; 84 I
145). Im Unterschied zur älteren Literatur (HAYMANN, aaO S. 63) teilen
verschiedene neuere Autoren grundsätzlich diese Auffassung (HATZ, aaO
S. 20; WYRSCH, aaO S. 46-51; HUNGERBÜHLER, Die Äquivalenz von Leistung und
Gegenleistung im Versicherungsvertrag, Diss. Bern 1972 S. 59). An ihr ist
im vorliegenden Falle festzuhalten. Dabei versteht sich, dass die Pflicht
der Aufsichtsbehörde, den Versicherten vor Übervorteilung zu schützen,
nicht etwa die Kompetenz einschliesst, die "gerechte" Prämie zu ermitteln
und verbindlich festzulegen. Die Aufsichtsbehörde hat nur gerade soweit
in das privatrechtliche Verhältnis zwischen Versicherer und Versichertem
einzugreifen, als dies der Schutz des Versicherten vor Übervorteilung
erfordert. Weitergehende Eingriffe lassen sich vor der Handels- und
Gewerbefreiheit nicht halten. Zwischen der versicherungstechnisch gerade
noch genügenden und der übersetzten Prämie besteht ein Spielraum, den der
Versicherer nach dem heute geltenden Recht bei der Prämienfestlegung frei
benützen darf.

    c) Nach Ansicht des TCS rechtfertigen der obligatorische Charakter der
MHV, ihr sozialpolitisches Ziel und die Konzentration des MHV-Geschäfts auf
wenige Versicherer, der Aufsichtsbehörde hier weitergehende Befugnisse
zuzuerkennen, als in den anderen Versicherungssparten. Auf den
obligatorischen Charakter der MHV weisen auch Dr. Müller und Konsorten hin.

    Bereits in BGE 76 I 245 hat das Bundesgericht festgehalten, dass das
Obligatorium der MHV keine besonderen Befugnisse der Aufsichtsbehörde
in diesem Versicherungszweig begründet, dass Wesen und Zweck der
Aufsicht hier nach dem geltenden Recht dieselben sind wie in allen
anderen Versicherungssparten und dass das Obligatorium seinen Zweck -
dem Geschädigten einen leistungsfähigen Schuldner zu stellen - bereits
erreicht, wenn die Solidität des Versicherers gesichert ist. Dies
gilt nach wie vor. Der Gesetzgeber hat die Aufsicht über die MHV in
keiner Weise strenger ausgestaltet als die Aufsicht über die anderen
Versicherungszweige. Es ist nicht Sache des Gerichts, sie an Stelle
des Gesetzgebers weiter auszubauen; dies um so weniger, als gegenwärtig
eine Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes in Aussicht steht. Auch
die vom TCS angerufene sozialpolitische Zielsetzung der obligatorischen
MHV und die Marktkonzentration in dieser Versicherungssparte begründen
keine Ausdehnung der Aufsicht über den Rahmen der ihr zugrundeliegenden
gewerbepolizeilichen Vorschriften hinaus, solange Verfassung und Gesetz
nichts anderes bestimmen. Zur Wahrung privater und öffentlicher
Interessen, die durch die "oligopolistische" Marktstruktur der MHV
(vgl. Bericht der Kartellkommission S. 157) beeinträchtigt werden, bestehen
übrigens auf Grund des Kartellgesetzes besondere Klagemöglichkeiten,
die für Eingriffe der Aufsichtsbehörde keinen Raum lassen (Art. 6 und 22
KG). Wenn die Kartellkommission in ihrem Bericht anregt, die Überprüfung
der Tarifgestaltung und der Prämienfestsetzung in der MHV zu verstärken,
so redet sie damit nicht einer Ausdehnung der Aufsichtsbefugnisse das
Wort. Offenbar geht es ihr, jedenfalls de lege lata, nur darum, die
technische Kontrolle so zu verbessern, dass überhöhte Prämien wirklich
verhindert werden können (S. 168). Damit geht sie aber nicht über das
hinaus, was hier zum Umfang der Aufsicht über die MHV gesagt worden ist.

Erwägung 5

    5.- Das EVA und auf Beschwerde hin das EJPD haben bei der Kontrolle
der Prämientarife der MHV, wie gesehen, Minimal- und Maximalansätze zu
bestimmen und damit den Spielraum abzugrenzen, der den Versicherern bei der
Prämienfestlegung offen steht. Dabei verfügen sie, was die UDK offenbar
verkennt, über ein weites Ermessen. Das Bundesgericht prüft lediglich,
ob dieses Ermessen missbraucht oder überschritten wurde.

    Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde können grundsätzlich
auch neue Tatsachen berücksichtigt werden, selbst solche, die erst seit
Fällung des angefochtenen Entscheides eingetreten sind. Im vorliegenden
Falle, wo es um die Prüfung des Prämientarifs für ein bestimmtes bereits
abgelaufenes Jahr geht, dürfen dem Entscheid des Bundesgerichts im
Hinblick darauf, dass er in der Sache Rückwirkung entfaltet, jedoch nur
diejenigen Tatsachen zugrundegelegt werden, die bereits im Zeitpunkt des
erstinstanzlichen Entscheides bekannt waren.