Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 472



99 Ib 472

65. Urteil vom 29. Juni 1973 i.S. X gegen Kanton Thurgau. Regeste

    Steueramnestie gemäss BG vom 15. März 1968.

    Der Einwand des Steuerpflichtigen, die Erfassung eines von ihm im
Geschäftsjahr 1968 verbuchten Mehrwerts bei der ordentlichen Veranlagung
für die kantonalen Einkommenssteuern 1969/70 laufe auf eine Nachforderung
früher hinterzogener Steuern und damit auf eine Umgehung der Amnestie
hinaus, ist vom Bundesgericht im direkten verwaltungsrechtlichen Prozess
zu beurteilen (entgegen BGE 71 I 178/179). Inwieweit kann das Gericht
dabei die Anwendung des kantonalen Steuerrechts überprüfen?

Sachverhalt

    A.- X. baute in den Jahren 1953-1962 ein Gebäude, das seinem
verstorbenen Vater gehört hatte, zu einer Werkstatt für seine Bau- und
Möbelschreinerei aus. Die Liegenschaft stand damals und steht heute noch
im Eigentum der Erbengemeinschaft, die unter ihm, seinen beiden Brüdern
und seiner Mutter besteht. X. führte die Bauarbeiten zum Teil selber
aus, zum Teil liess er sie auf seine Kosten ausführen. Er beziffert die
Ausbaukosten auf Fr. 64 155.--. In einem schriftlichen Vertrag, den er
am 1. Mai 1962 mit den Miterben abschloss, wurde vereinbart:

    "Die Erbengemeinschaft erklärt sich einverstanden, dass der Betrag
von Fr. 64 155.-- bei der Erbteilung an X. als Guthaben ausbezahlt oder
angerechnet wird.

    X. übernimmt die erhöhte Brandassekuranz-Prämie vom Betrag Fr. 64
155.--, sowie Unterhalt der Werkstatträumlichkeiten, und kann somit die
Werkstatträumlichkeiten zinslos benützen.

    Dieser Vertrag kann jederzeit von den Parteien eingetragen werden
im Grundbuch."

    X. liess in der ersten Schlussbilanz vom 31. Dezember 1962 ein
Aktivum "Werkstattausbau" im Betrage von Fr. 24 000.-- erscheinen. In
den Schlussbilanzen 1963-1967 wurden unter diesem Titel Fr. 28 800.--
eingesetzt. In der Bilanz vom 31. Dezember 1968 wurde der Posten
auf Fr. 64 155.-- erhöht; die Differenz von Fr. 35 355.-- wurde dem
Kapitalkonto gutgeschrieben.

    B.- Bei der Veranlagung des X. für die Kantons- und Gemeindesteuern
1969/70 rechnete die Steuerbehörde die Hälfte des neu verbuchten Betrages
von Fr. 35 355.-- zum durchschnittlichen Einkommen der Bemessungsperiode
1967/68. Sie setzte das steuerbare Einkommen auf Fr. 73 200.-- fest. Der
Steuerpflichtige bestritt die Zulässigkeit jener Aufrechnung unter Berufung
auf die durch BG vom 15. März 1968 (AmnG) angeordnete Steueramnestie. Die
Veranlagungsbehörde wies seine Einsprache ab.

    Die Beschwerde des X. gegen den Einspracheentscheid wurde von
der kantonalen Steuerrekurskommission am 1. September 1972 ebenfalls
abgewiesen. Die Kommission nahm an, die Vereinbarung vom 1. Mai 1962
sei nicht als Darlehensvertrag, sondern als Ergänzung zu einem vorher
mündlich abgeschlossenen Werkvertrag zu betrachten. Man habe es daher
mit einem Kundenguthaben zu tun, woraus folge, dass die Amnestie der
angefochtenen Aufrechnung nicht entgegenstehe.

    C.- Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 17. Oktober 1972 beantragt
X. dem Bundesgericht, den Entscheid der kantonalen Rekurskommission
aufzuheben und das steuerbare Einkommen auf Fr. 55 500.-- herabzusetzen. Es
wird geltend gemacht, die Forderung des Klägers aus dem Werkstattausbau
sei bereits im Vertrag vom 1. Mai 1962 im vollen Umfang anerkannt
worden; schon von diesem Zeitpunkt an sei die Bezahlung angesichts
der solidarischen Haftbarkeit aller Miterben und des Vorbehalts der
Eintragung im Grundbuch gesichert, ein Verlust also ausgeschlossen gewesen.
Es handle sich demnach nicht um ein Kundenguthaben im üblichen Sinne. Nach
dem Abschlussjenes Vertrages hätte der Kläger sogleich den vollen Betrag
bilanzieren müssen. Er habe dies wider besseres Wissen unterlassen und
sich so einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Im Hinblick auf die
Amnestie und im Vertrauen auf die behördlichen Zusicherungen habe er
dann das verheimlichte Guthaben eingebucht und damit der Steuerbehörde
bekanntgegeben. Die strittige Aufrechnung sei mit dem Amnestiegesetz
nicht vereinbar.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Thurgau schliesst auf Abweisung
der Klage.

    Die Eidg. Steuerverwaltung empfiehlt, die Klage abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden könne.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Anstände, die sich bei der Anwendung des Amnestiegesetzes
vom 15. März 1968 im Bereich der kantonalen Steuern ergeben, werden
vom Bundesgericht als einziger Instanz auf verwaltungsrechtliche Klage
hin beurteilt (Art. 5 AmnG, Art. 116 lit. f OG). X. erhebt eine solche
Klage und rügt darin, dass eine Aufrechnung, die bei seiner Veranlagung
für die Kantons- und Gemeindesteuern 1969/70 vorgenommen worden ist,
nach dem Amnestiegesetz unzulässig sei. Der beklagte Kanton hält diese
Rüge für unbegründet. Es handelt sich demnach um einen Anstand über die
Anwendung des Amnestiegesetzes im Bereich der kantonalen Steuern. Auf
die Klage ist einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Eidg. Steuerverwaltung führt aus, im vorliegenden Fall
werde nicht eine Nachforderung "früher hinterzogener Steuern" (Art. 2
Abs. 1 lit. a AmnG) geltend gemacht; vielmehr gehe es um die ordentliche
Einkommenssteuer (für 1969/70). Die Frage, ob der verbuchte Mehrwert von
Fr. 35 355.-- bei der Berechnung dieser Steuer berücksichtigt werden
müsse oder nicht, sei aber einzig und allein auf Grund des kantonalen
Steuergesetzes zu beantworten. Wenn sie zu bejahen sei, ergebe sich
daraus von selbst, dass ein von der Amnestie ausgenommener ordentlicher
Steueranspruch vorliege. Wenn sie zu verneinen sei, entfalle der streitige
Steueranspruch ohnehin, so dass es einer Berufung auf die Amnestie nicht
bedürfe. Soweit es sich um die Anwendung des kantonalen Steuerrechtes
handle, könne X. die Taxation für die Kantons- und Gemeindesteuern nicht
mit der verwaltungsrechtlichen Klage anfechten; in dieser Beziehung
hätte ihm nur der Weg der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte offengestanden. Die Eidg. Steuerverwaltung
verweist auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 11. Juli 1947, das die
bei der Einführung der Verrechnungssteuer angeordnete Amnestie betrifft
(ASA Bd. 16 S. 222 f.).

    Der Standpunkt der Eidg. Steuerverwaltung entspricht in der Tat der
Auffassung, die das Bundesgericht in jenem Entscheid - und in dem darin
zitierten, die Wehropferamnestie angehenden Urteil BGE 71 I 172 ff. -
vertreten hat. In den beiden Urteilen hat das Gericht angenommen, die
Amnestie könne gegenüber Veranlagungen, die im Zeitpunkt der Abgabe der
Amnestieerklärung noch nicht abgeschlossen waren oder erst bevorstanden,
überhaupt nicht angerufen werden. Die Frage, ob bei einer solchen
Veranlagung für kantonale Steuern eine vom Steuerpflichtigen in der
Berechnungsperiode gebuchte Vermögensvermehrung als Einkommen erfasst
werden dürfe, sei auf Grund des kantonalen Steuerrechts zu beurteilen
und vom Bundesgericht im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Klage nicht
zu prüfen. Der Pflichtige könne dem Gericht den Einwand, dass diese
Besteuerung in Wirklichkeit einen von ihm bisher verheimlichten Wert zum
Gegenstand habe und daher auf eine Nachforderung früher hinterzogener
Steuern hinauslaufe, nur mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte unterbreiten, wobei insbesondere die Rüge, das
kantonale Steuerrecht sei willkürlich angewandt worden, in Betracht käme.

    Nach dieser Rechtsprechung wäre hier gleich wie im erwähnten Urteil vom
11. Juli 1947 zu entscheiden: Die Klage wäre unbegründet zu erklären, ohne
dass untersucht werden müsste, ob mit der angefochtenen Besteuerung die
Amnestie umgangen werde, wie der Kläger behauptet. Die Eingabe des Klägers
an das Bundesgericht könnte auch nicht als staatsrechtliche Beschwerde
anhandgenommen werden, da in ihr eine Verletzung verfassungsmässiger
Rechte nicht gerügt wird.

Erwägung 3

    3.- Die Rechtsprechung, auf die sich die Eidg. Steuerverwaltung
beruft, bedarf indessen der Überprüfung. Es ist zu bedenken, dass der
Inhalt gewisser in den eidgenössischen Amnestievorschriften verwendeter
Begriffe, soweit kantonale Steuern in Frage stehen, mittelbar vom
kantonalen Recht bestimmt wird (vgl. BANDERET, Rechtsfragen auf dem
Gebiete der eidg. Steueramnestie 1969, in ASA Bd. 37 S. 87/88). Dies
gilt insbesondere auch für den Begriff der "früher hinterzogenen Steuern"
gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. a AmnG (Urteil vom 8. März 1972, in ASA Bd. 41
S. 298 E. 3). Der Entscheid darüber, ob einem auf kantonales Recht
gestützten Steueranspruch die Amnestie entgegenstehe, kann demnach von
der Beurteilung kantonalrechtlicher Fragen abhängen. In solchen Fällen hat
das Bundesgericht auf verwaltungsrechtliche Klage hin vorfrageweise über
die Anwendung des kantonalen Rechtes zu befinden (BANDERET aaO S. 88),
jedenfalls dann, wenn sie umstritten ist. Es hat dies auch in zahlreichen
Urteilen getan (BGE 74 I 79; ASA Bd. 15 S. 142 und 225, Bd. 16 S. 219,
Bd. 41 S. 298 u.a.m.).

    X. macht geltend, er hätte den in der Amnestieerklärung neu
angegebenen Wert von Fr. 35 355.-- nach dem kantonalen Steuerrecht schon
früher als Einkommen deklarieren müssen; mit der Einbuchung habe er eine
Hinterziehung im Sinne des kantonalen Steuergesetzes geoffenbart, so dass
die angefochtene Besteuerung auf die Nachforderung "früher hinterzogener
Steuern" und damit auf eine Umgehung der Amnestie hinauslaufe. Diesen
Einwand, den der beklagte Kanton für unbegründet hält, muss das
Bundesgericht nach dem Gesagten im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Klage
prüfen. Es hat also in diesem Verfahren zu der Frage Stellung zu nehmen,
ob die kantonalen Behörden haben annehmen dürfen, dass keine Hinterziehung
im Sinne des kantonalen Steuergesetzes vorliege. Wäre diese Annahme nicht
haltbar, so käme die angefochtene Besteuerung in der Tat auf die Erhebung
einer Nachsteuer gemäss §§ 111 ff. des thurgauischen Steuergesetzes (StG)
vom 9. Juli 1964 und damit auf eine nach dem Amnestiegesetz nicht zulässige
Nachforderung "früher hinterzogener Steuern" heraus. An der Rechtsprechung,
nach welcher das Bundesgericht sich in solchen Fällen mit der Anwendung
des kantonalen Steuergesetzes nur auf staatsrechtliche Beschwerde hin zu
befassen hätte, kann somit nicht festgehalten werden. Das Gericht hatte
sich denn auch schon früher vorbehalten, auf Klage hin einzugreifen, wenn
in einem Kanton unter Berufung auf Vorschriften des kantonalen Rechts
eine Umgehung einer eidgenössischen Amnestie versucht werden sollte
(BGE 67 I 52; Urteil vom 5. Februar 1943 i.S. P. Müller AG, E. 2).

    BANDERET hält dafür, dass das Bundesgericht im direkten Prozess die
kantonalrechtlichen Vorfragen, die für die Anwendung des Amnestiegesetzes
von Bedeutung sind, "ohne Einschränkung" prüfen könne (aaO S. 88);
er verweist auf die Urteile, die in ASA Bd. 15 S. 142 und 225 sowie
Bd. 16 S. 219 und 415 (= BGE 74 I 79) wiedergegeben sind. Indessen hat
das Bundesgericht sich hierüber in diesen Urteilen nicht ausgesprochen;
tatsächlich hat es dort aber die Anwendung kantonalen Rechtes mehr oder
weniger frei überprüft. Immerhin kann man sich fragen, ob es sich nicht
auf eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkte des Art. 4 BV zu beschränken
habe. Dies kann jedoch hier offengelassen werden, wenn die Annahme der
Thurgauer Behörden, dass es an einer Hinterziehung im Sinne des kantonalen
Steuerrechtes fehle, einer freien Prüfung standhält.

    Falls diese Annahme nicht zu beanstanden ist, ergibt sich daraus ohne
weiteres, dass keine Nachforderung "früher hinterzogener Steuern" im Sinne
von Art. 2 Abs. 1 lit. a AmnG vorliegt, die Amnestie also der strittigen
Aufrechnung nicht im Wege steht. Fällt die angefochtene Besteuerung nicht
unter die Amnestie, so ist sie vom Bundesgericht in diesem Verfahren nicht
weiter zu überprüfen. Über die Frage, ob sie - ihre Vereinbarkeit mit der
Amnestie vorausgesetzt - nach der kantonalen Ordnung der Einkommenssteuer
haltbar sei, könnte das Gericht nur auf staatsrechtliche Beschwerde hin
und nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV befinden. Die
Rechtsschrift, die der Kläger beim Bundesgericht eingereicht hat, kann
aber, wie gesagt, nicht als staatsrechtliche Beschwerde anhandgenommen
werden.

Erwägung 4

    4.- Nach den Regeln, die für die kaufmännische Buchführung gelten,
steht es dem Betriebsinhaber frei, Teile des Bruttogewinns, die als
unsicher erscheinen und die er daher als noch nicht definitiv erworben
betrachten kann, zunächst in Reserve zu halten. Das thurgauische
Steuerrecht nimmt, wie das Wehrsteuerrecht, auf diese Möglichkeit
Rücksicht. Stille Reserven, die der Steuerpflichtige im Rahmen seines
geschäftlichen Ermessens geschaffen hat, brauchen vorerst nicht als
Einkommen besteuert zu werden; mit der Besteuerung kann zugewartet werden,
bis die Reserven aktiviert oder liquidiert werden und sich so als endgültig
erworbenes Geschäftsvermögen erweisen (vgl. § 18 Z. 4 StG 1950, § 15
Abs. 2 lit. b StG 1964; für die Wehrsteuer: BGE 72 I 33 E. 3, 85 I 246).

    Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall zu
beachten. Entscheidend ist, ob der Kläger in den Jahren vor 1967 der
Auffassung sein konnte, das von den Miterben im Vertrag vom 1. Mai 1962
anerkannte Guthaben von Fr. 64 155.-- sei unsicher, so dass er nach
seinem geschäftlichen Ermessen zu einer niedrigeren Bilanzierung, wie
er sie vorgenommen hat, berechtigt sei. Wenn er dazu nach den Umständen
befugt war, konnte die Steuerbehörde annehmen, dass eine stille Reserve
in Höhe von Fr. 35 355.-- vorliege, von deren Besteuerung abgesehen werden
könne, solange sie bestehen bleibe; dann kann also von einer Hinterziehung
oder einer Nachsteuerpflicht im Sinne des kantonalen Rechtes nicht die
Rede sein.

    Der Kläger behauptet, das Guthaben von Fr. 64 155.-- sei schon seit
dem Abschluss des Vertrages vom 1. Mai 1962 im ganzen Umfang festgelegt
und gesichert gewesen, so dass es von Anfang an in voller Höhe als
Geschäftsaktivum hätte bilanziert werden müssen. Dagegen sehen die
kantonalen Behörden in der Forderung ein durch Werkvertrag begründetes
Kundenguthaben; sie sind daher der Meinung, der Kläger sei befugt gewesen,
den Betrag von Fr. 35 355.-- in Reserve zu stellen.

    Die rechtliche Natur der Forderung des Klägers, die von den Miterben
im Vertrag vom 1. Mai 1962 anerkannt worden ist, braucht hier nicht
abgeklärt zu werden. Von Bedeutung ist die Rechtslage, die durch diesen
Vertrag entstanden ist. Er betrifft die künftige Erbteilung unter den
vertragschliessenden Parteien.

    Diese haben die Teilung auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Im Vertrag
vom 1. Mai 1962 haben sie vereinbart, dass bei der Erbteilung der seitens
des Klägers wegen des Werkstattausbaus geforderte Betrag von Fr. 64 155.--
(ohne Zins) "als Guthaben ausbezahlt oder angerechnet" werde, und dass
anderseits der Kläger die Werkstatträume "zinslos" benützen dürfe, wobei
er jedoch für "die erhöhte Brandassekuranzprämie vom Betrag Fr. 64 155.--"
und für den Unterhalt der Werkstatt aufzukommen habe.

    Es wird zutreffen, dass die so von den Miterben anerkannte
Forderung des Klägers von Fr. 64 155.-- nicht der Bonität ermangelt;
es ist wahrscheinlich, dass die Miterben zahlungsfähig sind und
bleiben werden. Der Forderung geht jedoch die Fälligkeit ab,
und zwar auf unbestimmte Zeit. Die Fälligkeit kann im Falle von
Meinungsverschiedenheiten auch nicht - wie bei einem Darlehensvertrag
- durch Kündigung herbeigeführt werden, sondern nur durch ein
rechtskräftiges Gerichtsurteil im Erbteilungsprozess. Die Forderung ist
ferner unverzinslich, ebenfalls auf unbestimmte Zeit. Allerdings kann
der Kläger die Werkstatträume "zinslos" benützen, muss aber doch gewisse
Gegenleistungen erbringen, indem er Brandversicherungsprämien zu zahlen und
die Kosten des Unterhalts der Werkstatt zu tragen hat, alles wiederum auf
unbestimmte Zeit. Ob der Anspruch auf "zinslose", aber mit Gegenleistungen
verknüpfte Benützung der Werkstatt ihm einen Vorteil verschafft, der das
Fehlen einer festen Verzinslichkeit der Forderung ausgleicht, ist ungewiss.
Alle diese Faktoren beeinträchtigen die Liquidität der Forderung und
rechtfertigten daher eine Unterbewertung. Insoweit hat die Forderung,
wirtschaftlich betrachtet, tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit
Kundenguthaben. Die Unsicherheit der Forderung wird durch die - unklare
- Klausel, nach welcher "dieser Vertrag jederzeit von den Parteien im
Grundbuch eingetragen werden kann", nicht behoben.

    Eine Tieferbewertung des Guthabens in den Bilanzen des Klägers war
somit vertretbar. Die Steuerbehörde konnte in Anbetracht der Unsicherheit,
die der Forderung anhaftete, sehr wohl annehmen, dass der Kläger mit der
von ihm in den Jahren 1962-1967 vorgenommenen Bilanzierung im Rahmen des
ihm zustehenden geschäftlichen Ermessens geblieben sei.

    Der Einwand des Klägers, er habe das Guthaben wider besseres Wissen
zu tief bewertet, hilft ihm nicht. Denn es kommt nicht auf seinen inneren
Willen an, sondern darauf, wie die Verbuchung von der Steuerbehörde nach
den Umständen aufzufassen war.

    Nach dem Gesagten ist der Standpunkt des Beklagten, dass
die vorgenommene Tieferbewertung der Forderung den Kläger nicht
nachsteuerpflichtig im Sinne des kantonalen Gesetzes gemacht habe, nicht zu
beanstanden. Diese Auffassung ist nicht nur nicht willkürlich, sondern hält
auch einer freien Prüfung stand. Die Amnestie ist nicht umgangen worden.

Erwägung 5

    5.- Der Kläger macht noch geltend, er habe sich auf die behördlichen
Zusicherungen, dass die Amnestievorschriften grosszügig und loyal
gehandhabt würden, verlassen dürfen; diese Zusicherungen seien ihm
gegenüber nicht eingehalten worden. Der Einwand ist unbegründet. Der Kläger
vermag nicht darzutun, dass Zusicherungen abgegeben worden sind, aus denen
er hätte schliessen müssen, der von ihm im Jahre 1968 eingebuchte Posten
von Fr. 35 355.-- werde ihm bei der Veranlagung für die kantonalen Steuern
1969/70 nicht als Einkommen angerechnet. Er kann sich für seinen Standpunkt
auch nicht auf das Kreisschreiben der Eidg. Steuerverwaltung vom 17. Juni
1968 betreffend Durchführung der allgemeinen Steueramnestie 1969 (ASA
Bd. 37 S. 20) berufen, noch auf das diesem Kreisschreiben entsprechende
Merkblatt, das die kantonale Verwaltung den Selbständigerwerbenden
zugestellt hat; wird doch in beiden Bekanntmachungen ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die anlässlich der Amnestie vorgenommene Verbuchung
stiller Reserven zu einer Erhöhung des steuerbaren Einkommens führe.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird abgewiesen.