Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 409



99 Ib 409

54. Auszug aus dem Urteil vom 30. November 1973 i.S. Bank X. gegen
Eidg. Bankenkommission. Regeste

    Bankengesetz; Risikoverteilung.

    1.  Bedeutung von Art. 4bis BankG.

    2.  Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der in Art. 21 BankV getroffenen
Abstufung des Verhältnisses zwischen eigenen Mitteln und Ausleihungen an
einzelne Schuldner für die in dieser Vorschrift begründete Meldepflicht.

Sachverhalt

    Nach Art. 4 bis des BG über die Banken und Sparkassen vom 8. November
1934 (BankG) in der Fassung vom 11. März 1971 müssen die Ausleihungen einer
Bank an einen einzelnen Kunden sowie die Beteiligungen an einem einzelnen
Unternehmen in einem angemessenen Verhältnis zu den eigenen Mitteln der
Bank stehen. Dieses Verhältnis ist durch die Vollziehungsverordnung
festzusetzen. Dabei sind Ausleihungen an öffentlich-rechtliche
Körperschaften und die Art der Deckung (nach dem französischen Text "la
valeur des sûretés") besonders zu berücksichtigen. Auf Finanzgesellschaften
findet die Vorschrift keine Anwendung.

    Der Bundesrat hat in Art. 21 der Verordnung zum Bundesgesetz über die
Banken und Sparkassen vom 17. Mai 1972 (BankV) den Banken die Meldung von
Geschäften vorgeschrieben, durch welche die Verpflichtungen eines einzelnen
Kunden gegenüber der Bank über bestimmte Prozentsätze der eigenen Mittel
der Bank angehoben werden. Rechtlich selbständige Gesellschaften und
Personen, die über das Beteiligungskapital zu mehr als 50% miteinander
verflochten sind, werden dabei als Einheit behandelt. Ausleihungen an
schweizerische öffentlichrechtliche Körperschaften und Kantonalbanken
sowie Ausleihungen, die durch nationalbankfähige Obligationen oder durch
schweizerisches Grundpfand auf Wohnbauten innerhalb 2/3 des Verkehrswertes
(I. Hypotheken) gedeckt sind, unterliegen der Meldepflicht, wenn sie 160%
der eigenen Mittel der Bank übersteigen, Ausleihungen an andere Banken
bei höchstens einjähriger Laufzeit, wenn sie 100%, sonst wenn sie 50% der
eigenen Mittel übersteigen. Für die übrigen gedeckten Verpflichtungen liegt
die Grenze für die Meldepflicht bei 40%, für ungedeckte Verpflichtungen
bei 20% der eigenen Mittel. Nach Art. 21 Abs. 6 BankV kann die Eidg.
Bankenkommission (EBK) verlangen, dass Verpflichtungen und Beteiligungen,
welche diese Grenzen übersteigen, gesenkt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Bundesrat hat die in Art. 4 bis BankG statuierte Pflicht
der Banken zur angemessenen Risikoverteilung in Art. 21 BankV durch
Einführung einer Meldepflicht für sogenannte Gross- oder Klumpenrisiken
und Ermächtigung der EBK, die Reduktion solcher Risiken zu verlangen,
näher ausgeführt. Die für die Meldepflicht festgesetzten Verhältniszahlen
sind dabei nicht als absolute Grenze zulässiger Geschäftstätigkeit zu
verstehen. Ihre Überschreitung ermächtigt jedoch die EBK zum Eingreifen. Ob
im Einzelfall die Senkung eines Grossrisikos zu verlangen ist und
gegebenenfalls in welchem Umfange, legt die Verordnung in das Ermessen
der EBK. Es kann sich allerdings fragen, ob die Verordnung gesetz- und
verfassungsmässig ist.

    a) Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates, von hier
nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich auf ihre
Rechtmässigkeit hin überprüfen. Es unterwirft dieser Kontrolle insbesondere
die auf eine gesetzliche Delegation gestützten, unselbständigen
Verordnungen des Bundesrates. Dabei prüft es, ob solche Verordnungen sich
in den Grenzen der dem Bundesrat eingeräumten Befugnisse halten. Soweit
das Gesetz selbst den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung
abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der
unselbständigen Verordnungen (BGE 94 I 88 E. 1). Die Ausführungsverordnung
muss sich somit innerhalb der vom Gesetz gewollten Ordnung halten. Die
Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit einer Verordnungsvorschrift kann der
Betroffene im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anlässlich einer auf sie
gestützten Einzelverfügung geltend machen (BGE 99 I/b 62 mit Hinweisen).

    Mit der Fassung von Art. 4 bis Bankengesetz hat der Gesetzgeber dem
Bundesrat einen weiten Spielraum des Ermessens belassen. Das Bundesgericht
kann bei der Überprüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmässigkeit nicht
sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen
und muss sich deshalb auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen
Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat
im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen (BGE 88 I 280 E. 3) oder
aus andern Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sind (BGE 99 I/b 165).

    b) Ein besonders breiter Spielraum des Ermessens kommt dem Bundesrat
dann zu, wenn er, wie bei der Festsetzung des Verhältnisses zwischen
eigenen Mitteln und Ausleihungen an einzelne Schuldner, beauftragt wird,
eine zahlenmässige Grenze festzusetzen, ohne dass ihm der Gesetzgeber
bestimmte Anweisungen dazu gibt. Im vorliegenden Zusammenhang hat der
Gesetzgeber vorgeschrieben, dass die Verordnung bei der Festsetzung des
angemessenen Verhältnisses zwischen Grossengagements und eigenen Mitteln
der Bank Ausleihungen an öffentlich-rechtliche Körperschaften und die
Art (französisch: la valeur) der Deckung besonders zu berücksichtigen
habe. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass das Verhältnis nach dem
Grad der Sicherheit des Engagements abzustufen sei. Eine derartige
Abstufung drängt sich auch im Interesse der Bankgläubiger auf, die
zu schützen erstes Anliegen des Bankengesetzes ist (BGE 99 I/b 110 mit
Hinweisen). Ermessensfrage bleibt, wie weit nach der gebotenen Sicherheit
zu differenzieren ist. Selbst wenn der französische Text von Art. 4 bis
BankG, der, statt von der Art, vom Wert (valeur) der Deckung spricht, als
massgebend anerkannt werden müsste, bliebe es dem Ermessen des Bundesrates
überlassen, ob z.B. auch die Bonität des Schuldners oder die Bonität der
Bank selbst zu berücksichtigen seien.

    c) Mit der in Art. 21 BankV getroffenen Abstufung hat der Bundesrat
die Grenzen der ihm in Art. 4 bis BankG eingeräumten Kompetenz nicht
überschritten. Gewiss wäre es möglich gewesen, die Verhältniszahlen
anders anzusetzen. So hat z.B. die Schweizerische Bankiervereinigung eine
andere Lösung vorgeschlagen. Auch ist es durchaus vertretbar, anzunehmen,
dass eine Zwischenstufe hätte gebildet werden können für Kredite, die
durch I. Hypotheken auf andern als Wohnbauten gedeckt sind. Da aber die
zu erwartende Vielfalt der Objekte auch vielfältigere Gefahren für die
Sicherheit der Anlage mit sich gebracht und eine eingehende Prüfung
der Anlagen im Einzelfall erfordert hätte, durfte der Bundesrat im
Rahmen seines Ermessens aufeine solche Zwischenstufe verzichten. Erste
Hypotheken auf Wohnbauten stellen im allgemeinen ein geringeres Risiko dar,
als I. Hypotheken z.B. auf gewerblichen Bauten. Letztere sind häufig
auf die Bedürfnisse eines bestimmten Betriebes zugeschnitten. Wird der
Industriezweig notleidend, so sind, wie die Erfahrung zeigt, die Gebäude
häufig kaum mehr verkäuflich. Dementsprechend sinkt auch ihr Wert, sofern
der bisherige Betrieb nicht als solcher weitergeführt werden kann. Mit
Schwierigkeiten dieser Art muss in der Gegenwart und auch in der Zukunft
gerechnet werden. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass die in
der Verordnung getroffene Abstufung gesetzwidrig sei, umso weniger, als
sie keine absoluten Grenzen setzt und die EBK zwar einschreiten kann, wenn
das Verhältnis nicht mehr gewahrt ist, aber eine Überschreitung der Limite
dulden darf, wie sie es im vorliegenden Fall getan hat, wenn besondere
Gründe, wie z.B. die Art und Weise der Sicherstellung der Kredite, dies
erlauben. Die Ordnung ist auch insofern haltbar, als für Ausleihungen an
Banken die Verhältniszahl auf 50% bzw. 100% erhöht wird, denn dabei handelt
es sich um Ausleihungen an Institute, die selber wieder der Kontrolle durch
die Bankenkommission unterliegen und, soweit es um die Limite von 100%
geht, um nur kurzfristige Ausleihungen. Mit dieser Sonderregelung übernimmt
die Verordnung übrigens in einem gewissen Sinne den Gedanken, die Bonität
des Schuldners zu berücksichtigen. Gründe der Praktikabilität der Ordnung
rechtfertigen es, im übrigen die Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes
nicht vorzuschreiben, wäre doch eine entsprechende Prüfung oft schwierig
und von der EBK kaum ohne wesentliche Erweiterung ihres Beamtenstabes zu
bewältigen. Damit ist nicht gesagt, dass im Einzelfall bei der Prüfung,
ob und auf welches Mass die Herabsetzung des Engagements verlangt werden
soll, die allgemeine Bonität des Schuldners nicht berücksichtigt werden
kann. Im Interesse einer rechtsgleichen Behandlung aller Banken drängt
sich dabei aber grosse Zurückhaltung auf.

    c) Die Verordnungsbestimmung verletzt auch die Garantie der Handels-
und Gewerbefreiheit nicht. Das Bankengesetz bringt als gewerbepolizeiliche
Regelung gewisse Beschränkungen der Gewerbefreiheit mit sich. Eine solche
ist die Beschränkung der Darlehensgewährung an einzelne Unternehmen auf
gewisse Maximalbeträge. Soweit darin eine Einschränkung der Handels-
und Gewerbefreiheit liegt, ist sie vom Gesetzgeber gewollt und vom
Bundesgericht nach Art. 114 bis Abs. 3 BV zu achten. Der Bundesrat, der
diese Beschränkungen im Auftrag des Gesetzgebers weiter ausführte, hat
seinen Auftrag nicht überschritten und nichts lässt darauf schliessen, dass
die Regelung der Verordnung tiefer als durch den Zweck des Gesetzes geboten
in die Handels- und Gewerbefreiheit eingreift. Die Verordnungsbestimmung
verstösst somit weder gegen das Gesetz noch gegen die Verfassung.