Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 343



99 Ib 343

42. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. November 1973 i.S. Schweizerischer
Landesverband für Leibesübungen gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum.
Regeste

    Musterschutz, Hinterlegung einer Zeichnung.

    1.  Art. 17 Abs. 2 und 3 MMG. Befugnis des Amtes, ein unzulässiges
Muster auch dann zurückzuweisen, wenn der Gesuchsteller es verschlossen
hinterlegen will (Erw. 1).

    2.  Art. 2 MMG. Eine Zeichnung erfüllt den gesetzlichen Begriff des
Musters nicht, wenn sie weder geeignet noch dazu bestimmt ist, bei der
gewerblichen Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild zu dienen (Erw. 2).

Sachverhalt

    A. - Der Schweizerische Landesverband für Leibesübungen ersuchte das
Eidg. Amt für geistiges Eigentum am 16. April 1973 um offene Hinterlegung
eines Modells, das aus einer graphischen Zeichnung besteht und vom Verband
als "Sport für alle - Figur" ausgegeben wurde. Das Amt antwortete am
24. April, die hinterlegte Zeichnung könne nicht als Vorlage für die
gewerbliche Herstellung eines bestimmten Gegenstandes im Sinne des MMG
betrachtet werden; sie sei vielmehr als Motiv auf irgendeinem Gegenstand
gedacht, dessen Gestaltung noch offen sei. Das Gesuch müsse daher gemäss
Art. 14 Abs. 2 MMV zurückgewiesen werden, wenn es nicht innert 30 Tagen
zurückgezogen oder geändert werde.

    Am 16. Mai 1973 stellte der Verband ein neues Gesuch. Er verlangte
die verschlossene Hinterlegung eines Musters, das in einem versiegelten
Umschlag beigelegt und als "Symbolfigur Sport für alle" bezeichnet
wurde. Das Amt wies das Gesuch mit Verfügung vom 26. Juni 1973 zurück,
weil die hinterlegte Symbolfigur den Schutz des MMG nicht geniessen könne.

    B. - Gegen diese Verfügung führt der Verband
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben und das
Amt anzuweisen, das mit Gesuch vom 16. Mai hinterlegte Muster, das ein
Vorbild für die Herstellung von Symbolfiguren "Sport für alle" enthalte,
im Register einzutragen.

    Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die grundsätzliche Frage, ob das Amt überhaupt befugt sei, einem
verschlossen hinterlegten Gegenstand den Musterschutz zu verweigern,
weil der Gegenstand kein gewerbliches Muster im Sinne des Gesetzes sei,
wird in der Beschwerde nicht aufgeworfen, in der Beschwerdeantwort aber
einlässlich erörtert. Sie ist vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen.

    Das Amt führt zu dieser Frage insbesondere aus, gemäss Art. 17 Abs. 2
MMG habe es offen hinterlegte Gegenstände, die als Muster oder Modelle
im Sinne des Gesetzes ausser Betracht fielen, zurückzuweisen. Dazu sei
es auch verpflichtet, wenn eine Hinterlegung unter versiegeltem Umschlag
spätestens nach Ablauf der ersten Schutzdauer von fünf Jahren in eine
offene umgewandelt werde (Art. 9 Abs. 1, Art. 17 Abs. 3 MMG) und das
angebliche Muster oder Modell sich dann als unzulässig erweise. Dies
könne das Amt in der Regel erst bei Öffnung der versiegelten Hinterlegung
feststellen. Davon gehe auch das Gesetz aus, das aber einem Hinterleger
sicher nicht während fünf Jahren ein Scheinrecht für einen Gegenstand
einräumen wolle, der seiner Natur nach vom Gesetz überhaupt nicht erfasst
werde. Darauf liefe aber das zweite Gesuch des Beschwerdeführers hinaus,
wenn er auf Weigerung des Amtes hin die offene Hinterlegung in eine
verschlossene umwandeln dürfte, um der Rückweisung des ersten Gesuches
zu entgehen. Ein solches Vorgehen sei missbräuchlich und verdiene wegen
seiner Folgen keinen Rechtsschutz. Der Beschwerdeführer wolle das von
ihm beanspruchte Scheinrecht in Lizenz benützen lassen; eine Pflicht des
Amtes, dies während fünf Jahren zu dulden, würde sich aber zum Nachteil der
Lizenznehmer auswirken, könne folglich vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.
Nach dem Gegenstand des zweiten Gesuches und dem Begleitschreiben des
Beschwerdeführers vom 16. Mai 1973 habe das Amt annehmen müssen, dass
die verschlossen hinterlegte Figur mit der vordem offen eingereichten
Zeichnung identisch sei, was der Beschwerdeführer übrigens zugebe. Art. 17
MMG regle Fälle wie den vorliegenden, wo das Amt vom unzulässigen Inhalt
einer versiegelten Hinterlegung ausnahmsweise schon zur Zeit des Gesuches
Kenntnis erhalten habe, freilich nicht, weise insofern also eine Lücke auf.

    Von einer echten Lücke des Gesetzes kann indes nicht die Rede sein. Die
Möglichkeit, ein Muster oder Modell verschlossen zu hinterlegen, sah das
MMG schon in der Fassung von 1888 vor. Nach der Entstehungsgeschichte
dachte man dabei vor allem an Textilmuster, an deren Geheimhaltung
Fabrikanten und Modeschöpfer interessiert sind, um ihre vorzeitige
Bekanntmachung zu verhindern und sie vor Nachahmung zu schützen. Von
der versiegelten Hinterlegung sollten aber auch andere Interessenten
Gebrauch machen können (vgl. Botschaft des Bundesrates in BBl 1888 I
S. 653 ff. insbes. S. 658/9); sie wird im Gesetz denn auch bloss der Grösse
und dem Gewicht, nicht aber der Sache nach beschränkt (Art. 7 Abs. 2 und
Art. 9 MMG). Indem der Gesetzgeber die verschlossene Hinterlegung frei
zuliess, fand er sich mit der Gefahr ab, dass diese Art der Hinterlegung
unter Umständen missbraucht wird und der Hinterleger auch Scheinrechte
mit Schutzwirkung erlangen kann. Eine Folge davon ist, dass das Gesetz
die Befugnis des Amtes, unzulässige Muster oder Modelle gemäss Art. 17
Abs. 2 und 3 zurückzuweisen, auf solche Gegenstände beschränkt, die offen
eingereicht werden oder erst bei Öffnung einer versiegelten Hinterlegung
auf ihre Zulässigkeit geprüft werden können.

    Wenn das Amt einem verdeckten Rechtsmissbrauch nicht begegnen
kann, heisst das jedoch nicht, dass es auch einen offenbaren hinnehmen
müsse. Ein solcher liegt vor, wenn ein Gesuchsteller einen zunächst offen
eingereichten, aber vom Amt als unzulässig zurückgewiesenen Gegenstand
nachträglich verschlossen hinterlegen will. Der Gesuchsteller könnte den
Zweck der Rückweisung nach Belieben vereiteln, wenn das Amt sich diesfalls
mit der verschlossenen Hinterlegung abfinden müsste; es hält ein solches
Vorgehen mit Recht für missbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB.

    Im vorliegenden Fall kann sich somit bloss fragen, ob die vom
Beschwerderdeführer verschlossen hinterlegte "Symbolfigur Sport für
alle" mit der zuvor offen eingereichten "Sport für alle - Figur"
übereinstimmte. Dies musste das Amt nach den Unterlagen ernsthaft
vermuten. Die Vermutung wird bestätigt durch die vom Beschwerdeführer
unterbreiteten Belege, insbesondere durch den Vergleich zwischen der als
"Sportli" bezeichneten neuen Symbolfigur und der zuerst eingereichten
Figur. Der Beschwerdeführer versucht die vom Amt unverkennbar
vorausgesetzte Übereinstimmung denn auch nicht zu widerlegen.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 2 MMG ist unter einem Muster oder Modell im Sinne des
Gesetzes eine äussere Formgebung zu verstehen, die bei der gewerblichen
Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild dienen soll. Das Bundesgericht
führte dazu im Entscheid 95 II 472, auf den der Beschwerdeführer sich
beruft, insbesondere aus, die Formgebung müsse ein Mindestmass an
geistigem Aufwand erkennen lassen und dem Gegenstand gegeben werden,
um den Geschmack, den Sinn für das Schöne anzusprechen. Ob die vom
Beschwerdeführer hinterlegte Symbolfigur diesen Anforderungen entspricht,
kann offen bleiben, wenn anzunehmen ist, dass sie nicht als Vorbild für
die gewerbliche Herstellung eines Gegenstandes dient und dienen kann.

    Die hinterlegte Symbolfigur ist eine Zeichnung. Der Beschwerdeführer
will nach eigenen Angaben Handels- und Gewerbebetrieben die Lizenz
erteilen, die Figur "für die Herstellung verschiedenartigster Gegenstände"
(z.B. Schlüsselanhänger, Schreibtischfiguren, Puppen und Münzen) oder als
"Aufdruck auf Leibchen usw." zu benützen. Er möchte die Figur zudem,
wie aus den Akten erhellt, in Abwandlungen zur Illustration von Texten
verwenden lassen, die sich mit Sport befassen. Damit gibt er zu, dass das
Muster entgegen dem Beschwerdeantrag nicht als Vorbild für die Herstellung
von Symbolfiguren "Sport für alle" gedacht ist. Aus seinen Ausführungen
ergibt sich vielmehr, dass die gewerblich herzustellenden Gegenstände
entweder in ihrer vom Muster völlig unabhängigen Eigengestalt lediglich
mit der hinterlegten Figur zu versehen sind oder im flächigen Muster
überhaupt kein Vorbild finden. Beides widerspricht der gesetzlichen
Umschreibung des Musters in Art. 2 MMG; es verträgt sich zudem weder
mit Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 und 19 MMG noch mit Art. 6 MMV. Von der
hinterlegten Figur lässt sich auch nicht sagen, dass die Form erst an
dem nach dem Muster geschaffenen Gegenstand zur Geltung komme, wie der
Beschwerdeführer unter Berufung auf TROLLER (Immaterialgüterrecht Bd. I
2. Aufl. S. 516) anzunehmen scheint.

    Dass das Muster oder Modell eine geistige, "nicht an eine einmalige
Materialisation" gebundene Sache ist, wie der Beschwerdeführer unter
Hinweis auf TROLLER (aaO S. 517) einwendet, hilft ihm nicht. TROLLER sieht
das Geistige in der zum Wesensmerkmal erhobenen Zweckbestimmung: Das Muster
oder Modell soll bei der Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild dienen,
darf seine wesentlichen Züge aber nicht der physischen Bearbeitung des
Materials, in dem es geformt wurde, verdanken. Er verkennt deswegen jedoch
nicht, dass das Muster oder Modell "zur sinnlich wahrnehmbaren Existenz
gebracht werden", "als fertige Form erkennbar sein" muss. Damit stimmt
überein, dass er an anderer Stelle (aaO S. 516), die vom Beschwerdeführer
unvollständig zitiert wird, die äussere Formgebung im Sinne von Art. 2 MMG
nicht bloss abstrakt als "visuell wahrnehmbare Form" auffasst, sondern
zugleich konkret als "durch die Verwendung von mindestens zwei Linien
oder Flächen entstandenes graphisches Gebilde im weitesten Sinne" oder als
"dreidimensionale Form, Raumform" versteht. Auch nach der deutschen Lehre
gehört die Körperlichkeit zum Wesen des Musters, gleichviel ob es plastisch
oder flächig ist (FURLER, Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl. S. 82).

    Aus der französischen Fassung des Art. 2 MMG kann der Beschwerdeführer
nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der dort verwendete Ausdruck "dessin"
hat, gleich wie im Titel des Gesetzes, den Sinn von "Muster", nicht
die viel engere Bedeutung von "Zeichnung". Sonst würde der sachliche
Geltungsbereich des Gesetzes erheblich eingeschränkt, was seinem Sinn
und Zweck widerspräche. Freilich kann ein Muster auch in Form einer
Zeichnung hinterlegt werden (Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 MMG und Art. 3 Abs. 1
MMV). Aber auch diesfalls muss das Muster den gesetzlichen Erfordernissen
genügen; es muss aus der Zeichnung also insbesondere hervorgehen,
welchem Gegenstand sie bei der Herstellung als Vorbild dienen soll. Das
ist bei der umstrittenen Symbolfigur des Beschwerdeführers nicht der
Fall. Sie wurde geschaffen, um für eine Sparte der vom Beschwerdeführer
entfalteten Vereinstätigkeit zu werben. Die ideellen Ziele, die mit ihrer
Hinterlegung verfolgt werden, decken sich mit dem Zweck der Werbung. Als
äussere Formgebung ist die Figur weder geeignet noch dazu bestimmt,
Vorbild eines Gegenstandes zu sein, der gewerblich hergestellt wird.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.